Nr. 263.
Erscheint täglich außer Montags. Abonnements= Preis pränum.: Bierteljährlich 3,30 Mt., monatlich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. fret ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg., Sonntags Nummer mit illuftrirter Sonntags: Beilage„ Die Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuzband für Deutschland u. Desterreich Ungarn Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Poft Beitungs- Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.
Vorwärts
Jahrg. 13.
Insertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- undFesttagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I, nr. 1508. Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Göken.
Sonntag, den 8. November 1896. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
ausgestattet
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Genau
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Und die Götzen von heute?
Napoleon der dritte, Retter der Gesellschaft? Berbrochen. Ein Haufe Blut und Schmuz.
Bismarck , der Uebermensch, der größte der Großen? Berbrochen. Ein Haufe Blut und Schmuß.
Crispi, der italienische Bismarck? Berbrochen. Ein Haufe Blut und Schmutz.
und selbstverständlich mit genug Säbeln, die gleichen Ursachen hervorgebrachte Erscheinungen. Tollster Flinten und Kanonen, um die Störenfriede von Arbeitern, Aber- und Wunderglaube, wahnsinniger Fetischdienst, EntDie herrschenden Klassen haben keine Jdeale mehr menschung und Bergötterung einzelner Personen, und so hört man oft sagen. Das Wort ist nicht ganz richtig. falls sie sich mucksten, zusammenzuschießen. der Grund dieser Orgien der widerlichsten SelbstHerrschende Klassen oder Parteien haben niemals nur daß Bonaparte hier Bismarc hieß. In Deutschland etwas später dasselbe Schauspiel erniedrigung auf der einen und Selbsterhöhung auf der Ideale gehabt, und können sie nicht haben. Im Ringen der nämliche Gößendienst, blos noch etwas plumper, und anderen Seite: bas nagende Bewußtsein, daß es zu Ende um die Herrschaft bilden sich die Ideale. Es liegt in der die nämliche Verleihung übermenschlicher Eigenschaften. geht mit der von Fäulniß erglänzenden( phosphoreszirenden) Natur des Kampfes, daß der Kämpfer sein Ziel erhöht Zweifel, Verzweiflung. Kein anderer Glaube und vergeistigt, es mit einer Art von Heiligenschein um- Alle Kritik, alle Fähigkeit ruhigen, gerechten Herrlichkeit- Sie mehr als an das blinkende Gold und den Säbel, der haut. giebt; der Sieg der Klasse, der Partei erweitert sich in Denkens ist in der Bürgerklasse entschwunden. Gerade wie heute. der Vorstellung zum Sieg des gesammten Volkes, der hat nur noch zwei Triebfedern: das nackte Interesse und Nun die Fetische von damals sind zertrümmert, die Menschheit. die blinde Furcht, welche in abergläubischem Stumpffinn In allen Perioden großer politischer und sozialer Er- an die Allmacht der rohen Gewalt glaubt und auf sie allein Gözen gefallen. hebungen haben wir das gesehen. Niemals schöner und ihre Hoffnungen setzt. großartiger, als in der Zeit der französischen Wenn wir die deutschen Bourgeoiszeitungen zwischen Revolution. Die höchsten Ideale der Menschheit den Jahren 1866 und 1886 zur Hand nehmen, so finden wurden von den Helden der Revolution verfochten und wir Bismarck in der gleichen Weise und mit den zweifellos im ehrlichen Ernst, wenigstens von weitaus den gleichen Wundergaben geschildert, wie Louis Napoleon in meisten. Als aber die Verfechter des dritten Standes den den französischen Bourgeoisblättern zwischen den Jahren 1851 Sieg und die Herrschaft für das Bürgerthum erobert hatten, und 1868. Beides find keine Menschen, es sind Gößen. da verblaßten allmälig die Jhcale; und als das Bürger- Und als dritter im Bunde hat sich ihnen seitdem So sinken die Gößen einer nach dem anderen. Und im Herzen der Völker bleibt neben dem Ekel nur das Gefühl thum sich zur Bourgeoisie entwickelt hatte, vor der das Crispi angeschlossen. Proletariat und der Sozialismus, bas a llgemeine Dieses Bedürfniß der Gößenbildnerei offenbart fich des Erstaunens zurück, daß sie vor diesen Schmuz- und Menschenrecht fordernd, emporstieg und sich auf- auch in der Zuspigung des Majestätsbegriffe Bluthaufen einst anbetend niedergefniet. Wir glauben nicht an Gözen und Wunder. Aber richtete, da waren die Jdeale nur noch lästige Erinne- für die Person des Monarchen. Der Monarch soll mehr rungen und sie wurden eins nach dem andern bei seite sein als ein Mensch. Wer menschliche Gebrechen, menschliches wir glauben an uns selbst, und wir wissen, daß die geworfen. Statt der Ideale hat die herrschende Klaffe sich Verfehlen, menschlichen Frrthum in ihm entdeckt, und den gemein- noch nicht zertrümmerten Gözen bald neben den anderen Gögen geschaffen und schafft täglich neue. Es ist dies menschlichen Maßstab der Beurtheilung an ihn legt, begeht ein liegen werden im Blut und Schmuz. ein Rüdfall in die Barbarei, wie er bei jeder Majestätsverbrechen und wird härter bestraft, als wenn er herrschenden Klasse oder Partei, die ihre Macht gefährdet den Gott der Bibel gelästert hätte. meiß, durch die Natur der Verhältnisse bedingt wird. Nur Auch auf religiös kirchlichem Gebiete der gleiche Haug deutsche Gewerbe- Infpektion. darin unterscheidet der moderne Gößendienst sich von dem zur Bergözung. Die unbefleckte Empfängniß der der Päscherähs und Aschanti- Neger, daß er nicht vor Stein- Maria genügte nicht länger, Maria selbst mußte Erzeugniß Die Amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der bildern, bemalten Töpfen oder Schlangen kniet, sondern vor eines Wunders sein. Die Unfehlbarkeit des Gewerbe- Aufsichtsbeamten für 1895" find jetzt erst erschienen, da lebendigen Menschen, die künstlich zu Fetischen gemacht, und Papst es wurde zum Dogma erhoben, und der Papst, Sachsen und Preußen von ihrer schlechten Gewohnheit nicht mit vermeintlich übermenschlichen Kräften und Eigenschaften was das Pfaffenthum im finstersten Mittelalter nicht gewagt ließen und erst im Juni und Juli ihre Berichte veröffentlichten, ausgestattet werden. hatte, zu einem vollendeten Gößen hergerichtet und über das während dies in den süddeutschen Staaten bereits im Mai erfolgte. Diefer gößenbildnerische Zug geht, immer deutlicher Menschliche, aus dem Menschlichen hinaus gerückt. 732 Seiten anstatt 430 im Jahre 1895 umfaßt der Bericht; erkennbar, durch die ganze zweite Hälfte unseres Jahr- All diese Erscheinungen entspringen einer gemeiner läßt eine Folge der Kritik, die von unserer Partei im hunderts. Das tolle Jahr" 1848 ist der Ausgangspunkt. samen Quelle: dem Zweifel der herrschenden Klasse an sich Reichstage und in der Presse geübt wird, ausführlicher wie Die Junischlacht führte den formellen Bruch der selbst. Der Glaube schafft keine Gözen, duldet keine früher die Einzelberichte zu Worte kommen. Doch ist auch in französischen Bourgeoisie mit ihrer revolutionären Ver- Gößen. Das thut nur der Aberglaube, der an die Natur diesem Jahre von der Redaktion in der Wilhelmstraße die dort gangenheit herbei. Ein Göze war nöthig der blöde, und Wirklichkeit nicht glaubt und in eingebildeten Wunder- obligatorische rosa Brille aufgesetzt worden, und da eine solche ohnehin verlumpte, aber zu jeder Schandthat bereite Louis kräften das Heil sucht. Bonaparte auch Louis" war er- bot sich als Retter" an.
Er wurde angenommen und mit den erforderlichen Attributen: Allweisheit, genialste Staatsmannsschaft u. s. w.
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Rienzi.
Der legte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer .
Nein," nicht so, Cola," rief Nina, ihn unterbrechend, ,, ich bringe Dir bessere Nachrichten. Morgen wird man Deine Vertheidigung anhören; der Gerichtshof ist günstig für Dich gestimmt; Du wirst freigesprochen werden." " Ha, sage das noch einmal."
" Man wird Dich hören, mein Cola, Du mußt frei gesprochen werden.
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Wer die Geschichte des verfallenden Römerreichs liest, den weniger Eingeweihten verweisen wir auf den historischen Sittenroman Bulwer's : Die legten Tage von Pompeji " stößt dort auf ganz ähnliche, durch
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Die
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schon von denjenigen Beamten, die ihre Meinung von der Wilhelmstraße beziehen, benutzt wird, so erscheinen die grellsten Mißstände harmlos und lieblich. Zu solcher Vertuschungspolitik hat allerdings der führende Staat" die meiste Ursache. Nach wie vor schämt er sich, mitzutheilen, wie wenig Anlagen von seinen Beamten revidirt wurden im Verhältniß zu der Anzahl, die
Vorwurfs.„ Konnte ich in träger Ruhe zu Prag ver„ Legte Deine Hand zitternd diesen Dolch in die weilen, während ich wußte, daß Du ein Gefangener warst? meinige. Ich lebe brauche ich Dir noch mehr zu Selbst an dem Hofe des Kaisers hattest Du Deine Gönner sagen?"
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und Anhänger, die mich mit Geldmitteln unterstützten. Ich Meine edle und geliebte Nina, es genügt. Behalte begab mich nach Florenz unter einem anderen Namen und den Dolch noch." kam hierher, um Deine Freiheit zu erlangen, oder mit Dir zu sterben. Ah! flüsterte Dir Dein Herz es nicht zu, daß morgens und abends die Blicke Deiner getreuen Nina auf diesen düsteren Thurm gerichtet waren, und daß eine Freundin Dich nie verlassen konnte!"
„ Gute, treue Nina! Aber aber in Avignon erlangt die Schönheit von der Macht nur Gunst durch Gegengunst. Erinnere Dich, daß es einen schlimmeren Tod giebt, als das Sterben."
Der Tribun sank auf die Knie und nie hatte sein Herz innigere und weniger selbstsüchtige Gebete zum Himmel Nina erbleichte." Fürchte nicht", sagte sie mit leiser, geschickt. Als er sich wieder erhob, schien er ein ganz aber entschiedener Stimme, fürchte nicht, daß die Menschen anderer Mann zu sein. Sein Blick hatte den früheren werden sagen können, Rienzi sei durch sein Weib befreit gebieterischen, aber dabei einen heiteren und ruhigen Aus- worden. An diesem verderbten Hofe weiß niemand, daß bruck angenommen. Die Majestät thronte auf seiner ich Dein Weib bin."
Ja, bis wir wieder im Kapitol zu Rom vereinigt find!" Man hörte ein leises Klopfen an der Thür. Nina hüllte sich schnell in den Mantel und setzte das Barett wieder auf.
,, Es wird gleich Mitternacht schlagen," sagte der Ge fangenwärter, der an der Thüre erschien. Jch tomme," sagte Nina. " Bereite Dich auf morgen vor," flüsterte sie Rienzi zu. ,, Ach, wir müssen schon wieder scheiden!" Die Gegenwart des Gefangenwärters machte die Trennung weniger schmerzlich, weil ihre Gefühle sich nicht verrathen durften. Der Page drückte seine Lippen auf die Hand des Gefangenen und verließ das Zimmer.
Der Gefangenwärter blieb noch einen Augenblick und Stirne. Das Unglück seines Erils war vergessen. In Weib! Du weichst der Antwort aus, die ich verlangte. legte ein Bergament auf den Tisch. Es war die Zitation, seinen sanguinischen Hoffnungen sah er sich wieder als den In unseren ausgearteten Zeiten, unter unserem verderbten die den Tribunen vor den Gerichtshof forderte. Retter und den Beherrscher seines Vaterlandes. Bolte vergißt Dein Geschlecht, wie auch das unsrige, zu
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Sechstes Rapitel.
Der Priester und der Krieger.
Nina sah ihn mit jener innigen und treuen Liebe an, leicht, wie unbefleckt der Ruf des Weibes bleiben muß, welche für ihn, den Helden ihrer Jugend, die Eitelkeit und will es seine Ehre behaupten. Daß Dein Herz mir nie den hochfahrenden Sinn ihres Charakters zu der sanftesten wird unrecht thun wollen, glaube ich, aber wenn Deine Als Nina die Treppe hinunterstieg, gesellte sich Alvarez Weiblichkeit verschmolzen hatte." Go", dachte fie, war Schwäche, Deine Furcht vor meinem Tode Dich dazu ver- zu ihr. sein Blick vor acht Jahren, als er mein Zimmer verließ, möchten, so wärest Du ein gefährlicherer Feind Rienzi's, Schöner Bage", sagte der Spanier im muntern Ton, erfüllt mit den gewaltigen Plänen, die Rom befreiten, so als die Colonna. Sprich, Nina!" Dein Name ist, wie Du mir sagst, Billani? Angelo war sein Blick, als er da stand unter den gedemüthigten D, tönnte mein Herz Dir erwidern," antwortete Nina, Billani, ich glaube, daß ich Deine Familie kenne. Komm, Baronen und dem knieenden Bolt jener Stadt, in der er Deine Worte sind Musik für mein Ohr, und jeder Ge- tritt in dieses Zimmer und laß uns einen Becher auf die seinen Thron aufgerichtet. banke, den Du aussprichst, ist auch der meinige. Könnte Gesundheit Deiner Dame trinken; ich möchte gern hören, " Ja, Nina," sagte Rienzi , als jetzt sein Blick dem ich diese Hand berühren, diesem Blick begegnen, und nicht wie es meinen alten Bekannten geht." ihrigen begegnete, mein Geist verkündet mir, daß meine wissen, daß Du den Tod der Schande vorziehst? Rienzi ,„ Ein andermal", erwiderte die verkleidete Nina, den Stunde wiedergekommen ist. Wird meine Untersuchung als wir uns zuletzt, traurig aber hoffend, trennten, welche Mantel fester um sich ziehend, es ist spät; ich habe Gile." öffentlich geführt, so dürfen sie es nicht wagen, mich zu Worte sprachst Du da zu mir?" " O!" sagte der Spanier," Du sollst mir aber nicht so verdammen; sprechen sie mich frei, so müssen sie mich auch" Ich erinnere mich wohl", erwiderte der Tribun. Ich davon kommen," und er hielt den Pagen am Arm fest. in meine Würde wieder einsetzen. Morgen sagtest Du, verlasse Dich, sagte ich, um an dem Hofe des Kaisers durch ,, Laßt mich los," sagte Nina gebieterisch ,,, Gefangenmorgen?" meinen Genius für unsere große Sache zu wirken. Du wärter, auf Deine Gefahr, öffne das Thor!" bist jung und schön und an Höfen giebt es leichtsinnige So hitzig!" bemerkte Alvarez, erstaunt über eine so Höflinge. Ich empfehle Dir nicht Vorsicht an; es wäre zurückstoßende Kälte an einem Bagen, o, ich wollte Dich Deiner und meiner unwürdig. Aber ich lasse Dir die Macht nicht beleidigen. Darf ich morgen Dich besuchen?" " ber Leben und Tod. Und mit diesen Worten, Nina
Morgen, Rienzi ; bereite Dich vor!"
" Ich bin es, für meinen Triumph! Aber sage mir, welcher glückliche Zufall Dich nach Avignon brachte?" " Bufall? Cola!" erwiderte Nina im Tone zärtlichen
" Ja, morgen," sagte Nina.( Fortsetzung folgt.)