flttein die montenegrinische Regierung erklärte stets, von dem Gesuchten nichts zu wissen, selbst als derselbe nach einer Ver- wundung, die er bei einem Uebersall erlitten, in das Spital von Cettinje gebracht worden war. Dort ist er auf das Sorg- samste gcvflegr worden und hat auch die Besuche hochgestellter Persönuchkeiten des Fürstenthums erhalten. Erst nach der am 18. August d. I. erfolgten Ermordung des MifirlicS erklärte «ie montenegrinische Regierung, daß sie ihn ausgeltefert haben würde, wenn er bei seinen Räubereien ergriffen worden wäre; allein das Attentat auf MifirlicS habe die Bevölkerung in Montenegro so aufgeregt, daß eine Auslieferung unmöglich er« schien. Hierauf folgte die schon erwähnte Art des Begräbnisses dieses Straßenräubers und die Feier desselben als Märtyrers. --Vielleicht gelingt es noch einem frommen Mann, das Grab des Räuders zu einem Wallfahrts Orte zu machen. Wie aus Cettinje weiter gemeldet wird, trifft Fürst Nikolaus von Montenegro Anstalten, das in seinem Lande bisher bestandene Milizcn-System allmälig in das eines stehen- «n Heeres zu verwandeln. Vorläufig ist der Befehl erlassen, die Kadres für ein größeres Truppcnkorps in der Weise zu formiren, daß 520 junge Montenegriner aus den AllerSklaffen 1860—1865 affentirt und nach den besten, bei anderen euro- Väschen Heeren üblichen Reglements eingeübt werden. Es besteht die Abstcht, dieser Elttetmppe später Jnstruktoren für alle NahijeN'Abtheilungen zu entnehmen, so daß im Verlaufe von zwei bis drei Jahren daS Fürstenthum über eine gut ge- schulte, wenn auch verhältnißmäßig kleine Armee zu verfügen hätte. Selbstverständlich sollen dann auch die anderen Waffen« Battungen, namentlich die Artillerie, eine zeitgemäße Fort- bildung und Entwickelung erfahren.— Also auch Montenegro bemüht fich,„zeitgemäß'" den Gipfelpunkt der Zivilisation zu erklimmen. Amerika. Die New-Uorker Einwanderungs-Kommissäre haben dem Finanz»Minister einen in Bezug auf die Einwanderung von »Paupers "(Armen) interessanten Fall unterbreitet. In New- Vork trafen mit dem französtschen Dampfer„Chateau Leoville" sechzig Zigeuner ein, welche von den Einwanderungs-Kom- Missarien nach erfolgter Untersuchung für„Paupers " erklärt und auf den Dampfer zurückgebracht wurden, um nach ihrem Abfahrtsorte zurückbefördert zu werden. Bald darauf wurde die Einwanderungs-Kommission benachrichtigt, daß ungefähr fünfzig dieser Zigeuner über Kanada in Vermot eingetroffen seien und von dort aus fich nach dem Süden begeben hätten. Man nimmt an, daß die betreffenden Zigeuner in Halifax ge- landet worden find und daß dieselben vom„Chateau Leoville" auf ein anderes nach Halifax bestimmtes Fahrzeug versetzt worden find. Die Einwanderungs-Kommisston meldete diese Thatsache dem Finanz-Minister und ersuchte denselben um diesbezügliche Instruktionen. Es wurde ihr darauf die Ant- wort zu Theil, die Regierung könne nichts in der Angelegen- heit thun; das die Einwanderung von„PauperS " verbietende Gesetz verhindere das Landen aller mittelst eines Schiffes ge- brachten„Pauper-Einwanderer", enthalte indessen keine Be- stimmungen hinstchtlich solcher„Paupers ", welche zu Lande >n die Vereinigten Staaten einwanderten. Der Finanz-Mi- nister wird in Folge dieser mangelhaften Gesetzgebung die Aufmerksamkeit des nächsten Kongresses auf die Angelegenheit lenken und denselben zu veranlassen suchen, Vorkehrungen zur Abstellung dieses Fehlers in dem betreffenden Gesetz zu treffen. Iokales. Der zweite Tag der Sonntagsarbeits-Konferenz gab ein total anderes Brld als der erste. Die Ansichten gingen völlig auseinander, und zu einer gemeinsamen Resolution kam es nrcht. Vertteten waren der Verein der Berliner Gasthofs- befitzer, der Kellner- Bund, der Bezirksverein der Berliner ein- geschriebenen Hilfskaffen, die Gärtner, die Droschkenkutscher und die neue Gastwirths- Innung. Die Droschken- Unternehmer hatten ihr Votum schriftlich eingesandt; sie brauchen den Sonn- tag zu ihrer Existenz dringend. Ueber verschiedene Geschäfts- betriebe gab es interessante Enthüllungen. Zunächst erklärten bie Hilfstassen, daß sie den Sonntag zum Geschäftsbetriebe Mehr oder weniger brauchten. Die Gastwirthe konstatirten, daß eine Beschränkung des Sonntags den Ruin vieler Kollegen bedeuten würde. Die Gärtner glaubten, es könne fich ein Ab- wechseln im Sonntagsdienst ermöglichen lassen, die Hoteliers, jeden zweiten Sonntag ließe fich bei ihnen ein halber Tag frei Machen, bei den Gastwirthen nur ein halber Tag in der Woche. Die Droschkenkutscher hingegen erklärten es für wünschcnswerth, daß Sonntags nur die Hälfte der Droschken in Dienst gestellt würde. Sie würden davon im Einkommen keinen Schaden erleiden und die Befitzer auch nicht. Sonntags verlangten ste vom Kutscher unter allen Umständen sechs Mark, während er oft nur fünf einnehme; auch bekomme er Sonntags nur em Pferd, da die übrigen zu Chaisen»c. gebraucht werden.— Die drei Branchen der Gärtnerei erklärten, fie brauchten zu Zeiten den Sonntag höchst nöthig. Die Kellner schloffen fich den Gastwirthen an; ohne die Sonntags- Einnahme konnten fie Nicht existiren. Wo es ein Gehalt gebe, sei es noch so niedrig befürchtete er, daß ein solcher Beweis in den Händen er- bitterter und fanatisirter Feinde diesen einen genügenden Grund biete, mit den allersttengsten Maßregeln vorzugehen. „Die Ansichten darüber sind verschieden," erwiderte Jansen:..ich glaube nicht, daß sich zehn Mormonen, und !war zivilisirte Mormonen, am Salzsee befinden, die nrcht Mit ruhigem Gewissen, auf diese Anklage hin, Euer Todes- Urlheil unterschreiben würden." ,„So mögen sie e« thun," versetzte Weatherton kalt- blütig. doch ich verspreche Euch, die Vereinigte Staaten - Regierung wird die Mormonen dafür zur Rechenschast Ziehen."_ „Aber nicht, wenn man Euch als den überführten Ge- Missen und Helfershelfer von Mördern verurtheilte!" „Was wollt Zhr damit sagen?" a„Wetter nichts, als daß Eure Freunde, welche sich eine M lang auf der Antilopeninsel verborgen hielten, ent- weder au, Rache oder zum Zweck Eurer Befreiung Rynolds �schlage« haben.".,, „Das ist unmöglich!" rief Weatherton erbleichend aus, mdem er mit einer schnelle» Bewegung emporsprang. „Nicht nur möglich, sondern sogar erwiesen," ant- wartete Jansen mit unerschütterlicher Ruhe, wöbe, er bkn jungen Offizier aufmerksam beobachtete, um °US dxsse„ Benehmen zu errathen, in wie weit j* mit den vermeintlichen Mördern in Verbindung uohe;„sie kamen auf drei Pferden von der Antilopeninsel Mich der Salzsee-Stadt, tödteten dort einen Hund, lockten Rynolds auf irgend eine Art aus der Stadt, legten ihn, Nachdem sie ihn ermordet, zum Hohn mitten auf die Brücke Und schlugen dann wieder die Richtung nach der bekannten �nsel ein. .„„Alles dieses wurde durch unsere besten Utah -Späher Zugestellt, doch ist es ihnen bi» jetzt noch nicht gelungen, °en Schlupfwinkel der verborgenen Feinde zu entdecken. Es Zussen sich ganz hervorragende indianische Führer IN ihrer Begleitung befinden, denn einem Anderen wäre es kaum woglich, sich der Wachsamkeit unserer Kundschafter zu ent- — zehn Mark—, daß fie auf die Trinkgelder angewiesen seien, und da sei ein guter Sonntag die Hauptsache.— Vorgestern war die Textilbranche an der Reihe. Mit dem Wachsthum als Großstadt hat Berlin , so schreibt die„Volksztg.", fast alles von dem eingebüßt, was noch vor Jahrzehnten der Stolz der mit Spreewasser Getauften ge- wesen ist und noch heute in diesen Gemüthern ein Gefühl er- weckt, wie es den bejahrten Mann bei dem Gedanken an die längst entschwundene fröhliche Knabenzeit mit ihren Leiden und Freuden, ihren thörichten und lustigen Streichen erfaßt, nach- dem er gesetzt geworden und des Lebens Ernst den Blüthen- staub goldener Jugendtage, selbst wenn fie bei trockmem Brot und sonst unter ungünstigen Verhältnissen verbracht werden mußten, verwischt hat. Der Reiz der Romantik ist geblieben, und dem alten Berliner hastet heute das Gefühl deS Fremdseins an, das er früher, bevor fich der Riese in gewaltiger Weise gereckt, nicht empfand, denn damals kannte er ganz Berlin in allen seinen Theilen, während er heute seine liebe Roth hat, die Nummer seines Stadtbezirks, seines Kommunalwahlbezirks, des Landtags- und ReichstagSkreises zu behalten, in welche ihn das Schicksal verschlagen hat. Er fühlt sich nicht mehr heimisch in der Vaterstadt zwischen Kilometern und Millimetem, Hettolitern und Hektaren, und dann fehlen ihm die urwüchsigen Gestalten, die Originale seiner Jugendzett, welche Berlin und den Ber« linem den eigenartigen Ruhm verschafften, dessen fie fich noch heute, ob mit Recht oder mtt Unrecht bleibe dahingestellt, in den Kreisen aller Nichtberliner erfteuen. Zwar läßt die be- kannte schneidige Schlagfertigkeit im Wortspiel, der kemige Vollshumor auch heute noch nichts zu wünschen übrig, und ein Besuch an offener Gerichtsstätte, auf den Volksfesten und den Orten des öffentlichen Vergnügens giebt noch heute reich- lich Gelegenheit, diese berechtigte Cigenthümlichkeit ves Urber- liners zu bewundern. Aber es fehlen die alten Gestalten, die Originale, welche der Volksmund als Vertreter des echten un- verfälschten Berliner Humors bezeichnet hat und wie sie in der That in mehr oder minder großer Anzahl existirten. Es fehlen heute überhaupt alle diejenigen Figuren, die Berlin trotz seiner Eigenschaft als Haupt« und Residenzstadt vor seiner Er- Hebung in den Adelsstand der Welt- und Reichshauptstädte, den Charakter einer gemüthlichen Provinzialstadt bewahrt hatten, welche jeder Berliner kannte und jeder Einge- wanderte schon in den ersten vier Wochen seine? Auf- entHalts kennen zu lemen Gelegenheit hatte. Der alte Berliner Eckensteher mit rother Nase und schwan- kendem Tritt, der als„Nante Strumpf" seiner Zeit die volksthümlichste Figur deS alten vormärzlichen Berlins ge- wesen und dessen Ideal die„Destille" und höchsten Lebensgenuß„Kümmel mit fein'n Bittern" war, ist heute nur noch Cr- innerung, und es ist dem besten Willen nicht möglich, sich eine von den Figuren, welche heute die„Plantschaptele" umlagern, als Vertreter für den Berliner Eckensteher zu denken, der vor Jahrzehnten eine weltbekannte typische Figur des Berliner Lebens gebildet hat. Und der Berliner Schusterjunge, der In- begriff alles Volkshumors und satirischer Schärfe, das bestge- diehene Pflanzenexemplar, das märkischer Sand je hervorge- bracht? Wie ein Märchen aus längst verklungenen Zeiten hören sich heute die Erzählungen von den humorvollen uud muth- willigen Streichen der jugendlichen Vertteter der Kunst des heiligen Crispin an, deren Nachkommen nur noch die schmutzige, zerisscne Schürze und die schlechten Pantoffeln mit diesen Ge- stalten gemein haben, die nach der Tradition selbst Friedrich dem Großen im schlagfeitigen Wortspiel über waren. Sie mtt sammt ihrem„Meister Knieriem" und der keifenden„Frau Meesterin" hat die Weltstadt vollständig hinweggeschwemmt, und die nächste Generation wird Mühe haben, sich ihrer noch zu erinnem. Aber auch spätere Originalfiguren des Berliner Slraßenlebens find nicht nur spurlos aus demselben ver« schwunden, sondern sie können auch heute im großstädtischen Getriebe gar nicht mehr aufkommen, nicht mehr gedeihen. Noch vor 30 Jahren konnte„Pietsch" ein ganzes Stadtviertel in Bewegung setzen, und die Jungen sangen: Weg, Jungens, Pietsch kommt, Pietsch ist kreuzstdele, Pietsch hat einen kleenen Spitz, der fitzt ihm in der Kehle" mit demselben Lungenauf- wand und patriotischer Begeisterung, wie heute„Die Wacht am Rhein " oder„Deutschland , Deutschland über alles", und selbst für die Alten war das Erscheinen dieses Urbildes aller Trunkenboldenhaftigkeit, des unglücklichen Opfers eines un- löschbaren Durstes, immer wieder ein Ereigniß von mindestens derselben Bedeutung, als die Erscheinung einer Fürstin als Künstlerin in einem höheren Tingeltangel. Auch die„Por- zellan- Fee" war damals eine der originellen Typen Berliner Straßenromantik, wie fie heute absolut unmöglich er- scheint. Eine wirkliche echte deutsche Gräfin mit be- kanntem Namen, gab diese unglückliche Gestalt, die regel- mäßig die Straßen der Königstavt abwanderte, immer neuen Stoff zur Unterhaltung, wenn auch Jung und Alt ihre Ge« schichte und ste selbst so genau kannte, als heute die Geschichte von Robinson Crusoe . Mit einer riestgen Pompadourtasche versehen, in welcher fich jahraus jahrein ein porzellanenes — Nachtgeschirr befand, zog diese Unglückliche nicht bettelnd, sondern stets und bei jeder Jahreszeit und Witterung Strümpfe ziehen. Aber um auf Euch zurückzukommen- man hat Euch in der Gesellschaft von zwei Indianern gefunden, und es unterliegt wohl kaum noch einem Zweifel, daß diese, in Verbindung mtt einem Weißen, darauf ausgehen, Euch zu befreien und den ihnen in den Weg tretenden Rynolds ihrer eigenen Sicherheit wegen ermordet haben. So lange nun die eigentlichen Mörder noch nicht einge- fangen sind, wird man sich natürlich an Euch halten, und ob unter solchen Umständen Eure Lage eine gefahrlose ist, werdet Zhr selbst so gut wie ich ermessen." Die Nachricht von Rynolds' Ermordung, und der Glaube, daß die That wirklich von Falk und den beiden Delaware » ausgeführt worden fei, wirkten zu erschütternd auf Weatherton ein, als daß er die Aufregung, in welche er gerathen war, schnell zu besiegen vermocht hätte. „Mr. Jansen!" rief er aus, und zwar so laut, daß der Mormone, um ihn zu warnen, den Finger auf den Mund legte.„Zhr kennt mich lange genug, um beurtheilen zu können, ob ich, selbst wenn mein Leben auf dem Spiele stände, zu einer entwürdigenden Lüge meine Zuflucht nehmen würde. Zch räume Euch gegenüber daher offen ein: daß Freunde von mir in der Nähe des Salz- see'S weilen; wenn aber Jemand ermordet worden ist, so sind sie die Letzten, von denen ein solche That er- wartet werden darf, sie müßten denn in der Vertheidiguna ihres Lebens gehandelt haben. Weitere Nachforschungen, ich bezweifle es keinen Augenblick, werden ergeben, daß fie so unschuldig find, wie ich selbst, und Rynold'S Mörder ganz wo anders zu suchen sind, als unter friedlichen Zägern, welche mit nichts weniger als feindlichen Absichten Euer Thal betraten." „Sei dem, wie ihm wolle," entgegnete Jansen, mit kalten Blicken, aber innerem Wohlgefallen Weaterthon's hohe kräftige Gestalt messend," mich führte nicht die Ab- ficht hierher, Euch einem Verhör zu unterwerfen, oder alle nur denkbaren Fälle mit Euch zu erwägen; im Geaentheil, ich wünschte Euch auf die Gefahren auf- merksam zu machen, welche Euch umringen und bedrohen, ehe ich näher auf den eigentlichen Zweck meines Be- strickend von Straße zu Straße, angethan mit Lumpen und behangen mit allerlei seidenen Läppchen und Bändchen, welche fie irgendwo gefunden oder geschenkt erhalten. Ein durch eigene Schuld gelöstes Liebesverhältniß war die Ursache einer Geistes- gestörtheit und des Zerfalles mit der eigenen Familie geworden und hatte die Unglückliche zu dem gemacht, was fie ein Menschenalter hindurch gewesen ist, ein Bestandtheil der Ber« liner Lokalchronik, wie sie nur zu jener„guten alten Zeit" ge- dacht werden kann. Heute würde Dalldorf der Unglücklichen ein Asyl geboten haben, ohne daß fie nöthig hätte, zur Ge» winnung ihres Lebensunterhalts die Dienstmädchen der König- stadt mit„Kniestrümpfen" zu versehen. So ist eine nach der anderen von den Figuren, welche die Charakteristik deS Berliner Straßenlebens bildeten, von der Bildfläche verschwunden.„Schmalzadam", der seiner Dicke wegen seinen theuren Korpus nur mit Hilfe eines sehr solid gebauten Wagens fortschaffen konnte, ist zu seinen Vätern versammelt;„Wilhelm mit's Hackebrett", der den alten Berlinern so lange vorgesungen:„Ich bin der Schuster Strampelbeen, mach' alle Stiebeln groß und kleen" hat seine letzte Saite auf seinem Klimperkasten schon längst verklingen lassen, und auch der„alte Grothe", wie ihn Alt und Jung titulirte, der als Belohnung für seine dem Vaterlande bei Leipzig und Waterloo geleisteten Dienste die Erlaubniß erhalten hatte, einen alten Leierkasten herumzu- schleppen, der stets nur:„puiep" hervorbrachte, ist längst zur großen Armee eingegangen und mit ihm so ziemlich Alles, was aus der Zeit vor dem„tollen Jahr" noch an typischen Gestalten Berlins vorhanden war. In den letzten Monaten hat auch „Echimmelfreitag", bei welchem es nur zweifelhaft war, ob er oder sein Roß mehr Volksthümlichkeit unter den alten Ber - linern besessen, das Zeitliche gesegnet, und mit ihm ist wohl so ziemlich das letzte Stück BcrlinerVolksoriginalität in die Gruft gesenkt. DaS Alte stürzt, aber so großartig auch neues Leben sich entwickelt, so wenig bietet es den älteren Berlinern Ersatz für die Gemüthlichkeit des Volkslebens früherer Tage. Der Portier. Der Portier ist für die Großstadt eine so wichtige, ja fast unentbehrliche Persönlichkeit, daß ohne ihn in der Gesellschaft eine Lücke entstehen würde. Seine Deszendenz ist unzweifelhafter Natur, er stammt väterlicherseits von dem Urbild aller Pförtner, dem altgriechischen dreiköpfigen Cerberus ab, während seine Mutter alle Eigenschaften ves färben- wechselnden Chamäleons besaß. Von beiden Theilen erbte er die Haupteigenschaften, mit denen er fich im Kampfe um das Dasein eine feste Pofitton errungen hat. Um die Natur- geschichte des Portiers zu klären, giebt die„Auasb. Post-Ztg." folgende Schilderung: Der Haus Portier. Derselbe kommt am häufigsten vor. Laut Forderung der meisten Hauseigen- thümer muß er kinderlos sein. In seiner am Eingange be- legenen Wohnung treibt er ein kleines Handwerk und schaut durch die Fensterscheibe seiner Thür nach dem Eintretenden, vorausgesetzt nämlich, daß er zu Hause ist und nicht auswärts gerade als Maurer seines Amtes waltet. Er befitzt ein mehr oder weniger scharfes Auge auf Bettler und andere zweifelhafte Personen. Gegen ein anscheinend mit Widerstreben ge« nommenes Trinkgeld klopft er Teppiche, rückt Möbel zurecht, schlägt Nägel e»n und hilft beim„Ausklopfen" der Möbel ebenso gerne, wie beim„Einstauben" derselben, was gewöhn- lich dann vor fich geht, wenn die sorgsame Hausfrau Vor- bereitungen trifft, um„auf's Land" zu ziehen. Kehren die Hausbewohner aus der Sommerfrische zurück, so versäumt er nie, ihre Thüren mit billigem Grün und einem Willkommgruß zu zieren. Am Neujahrstage ist er einer der ersten unter den Gratulanten mit verschämter Miene. Nicht selten ist die Wohnung des„Hausmeisters" das Brutnest großartiger Klatschereien, allgemeiner Mißstimmung, Auflehnung und Un« zuftiedenheit. Denn hier versammeln sich in der Dämmerstunde die Dienstboten des Hauses und behandeln unter dem Präsidium der mitfühlenden Frau HauSmeisterin die Lohn-, Essen -, Ge- schenk- und Ausgeh-Frage. Der Geschäfts- Portier. Viele troße Kaufhäuser und Modebazare stellen einen besonderen sortier an, welchem die Pflicht obliegt, dem Publikum die Ladenthür zu öffnen und die Pakete nach dem Wagen zu tragen. Er ist meist eine stattliche, in LivrS gekleidete Per- sönlichkeit, mit verbindlichem Gefichte und ein Meister in Bück- lingen, deren Qualität fich selbstverständlich nach der Kleidung, dem Range und Stande der Käuferinnen und Käufer richtet. Mit geübtem Blick weiß er unter den Kundinnen die Spreu von dem Weizen genau zu unterscheiden und dem Geschäfts- personale die Ladendiebinnen zu fignalifiren. Verdächtige mustert er beim Verlassen des Verkaufslokales wie der tüch- tigste Kriminalbeamte, er wittert versteckte Pakete, wie der österreichische Zöllner an der Grenze Havanna -Zigarren. Er« fahrene Portiers der Gattung find denn auch für das HauS ein wahrer Schatz und werden dementsprechend bezahlt.— Der Instituts- Portier. Cr haust an der Eingangspforte der Aka» demien und Gymnafien, der öffentlichen Sammtungen, Hoch- schulen und Verwaltungsgebäude, beim Gericht und bei der Post, im Vorhofe von Gefängnissen, von Krankenhäusem und Turnhallen. Von den verbindlichen Formen eines Geschäfts- Portters hat er wenig oder gar nichts. Die hinter ihm liegende sucheS eingehe. Zch sagte Euch bereits, Ihr hättet mich in diesem Augenblicke als Euer» Freund»u betrachten," fuhr er fort, als Weatherton, noch immer bestürmt von dm widerstreitendstm Gefühlen, wieder Platz genommen hatte, «um so mehr noch als Euern Freund, weil Zhr, vielleicht ohne es zu wissen, mir einen Beweis Eurer achwngs- werthen Gesinnungen gegeben habt. Ihr sähet meine Nichte Hertha und unterhieltet Euch längere Zeit mtt ihr?" fragte er dann, plötzlich von seiner Erklärung abspringend. „Einen glücklichm Zufall nenne ich eS, der mich am gestrigen Abend mit Miß Jansen zusammenführte," antwortete Weatherton etwas befangen, jedoch Zansen'S durchbohrmdm Blick ebenso fest erwidernd. „Kein arger Zufall, wenn man Tausende von Meilm gereist ist, um Jemandem zu begegnen," versetzte der Mor» mone mit halb beifälligem Nicken. „Zch kann nicht leugnen, die Reise unternahm ich nur, um Eure Nichte wiederzusehm, weil ich—" .Weil Ihr sie leidenschaftlich liebt und weil Ihr sie für Euch zu gewinnen hofftet," unterbrach ihn Jansen voll« ständig ruhig. „Ob ich die junge Dame liebe, ist eine Frage, die Nie- mand ein Recht hat an mich zu stellen," erwiderte Weather » ton nicht ohne einige Verwirrung, denn er hätte von dem strengen Mormonen alles Andere eher erwartet, als eine solche Erklärung;„jedenfalls verdient sie einen höheren Grad von Liebe und Rücksicht, als ihr, wenn ich mich nicht täusche, von allen Seiten erzeigt wird. Beruhigt Euch in- dessen; mögen meine Gefühle für Hertha Jansen noch so ttef und innig fem. ich kam nicht in der Hoffnung, fie für mich zu gewinnen, sondern aus Theilnahme für sie, um das ihr drohende Geschick vielleicht noch von ihr abzuwende». Oder wollt Zhr etwa auch mir gegenüber die unter den Mormone» herrschende Sitte der Vielweiberei ab- leugnen?" (Fortsetzung folgt.)
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