Schnellzüge find. Die Züge durcheilen die ganze Strecke in 30 Minuten, nur die Schnellzüge gebrauchen trotz der Hälfte der Haltestellen 40 bis 42 Minuten, da fie auf den Bahn- Höfen für die Fahrgäste und die Beförderung des Gepäcks eine längere Haltezeit haben. Die Züge, die dem Ortsverkehr aus- schlreßlich dienen, folgen fich in der Regel von Morgens 4,50 bis Nachts 12,10 alle 10 Minuten. Diese sowie die auf der Ringbahn und im Vorortsverkehr bis nach Potsdam , Werder und Erkner fahrenden Züge führen nur Wagen II. und ill. Klasse, von den erstem sogar meist nur einen einzigen. Die Fahrscheine sind schon beim Betreten der Perrons zur Koupi- rung vorzuzeigen und beim Verlassen des Zuges wieder abzu­geben. Eine Vorzeigung während der Fahrt findet rn der Regel nichi statt, wie denn überhaupt jeder Zug nur einen Echassner als Zugführer mit fich führt und es jedem Fahrgast überlassen wird, seinen Platz zu suchen, wo er ihn findet. Die Züge fahren mit voller Fahrgeschwindigkeit in die Bahnhofe ein, werden plötzlich ge- bremst und kürzen ihren Aufenthalt bei jeder Haltestelle auf das knappste Maß ab. Wie sehr die Einführung dieser Züge eine Lücke im Ortsverkehr ausfüllte, beweist schon die Tbat- fache, daß im ersten Betriebsjahr nicht weniger denn 7>/> Millionen Fahrgäste die Bahn denutzten, eine Zahl, die in- zwischen, also in drei Jahren, auf 11'/- Millionen gestiegen ist. Zweckmäßiger würde es vielleicht sein, die Unterscheidung von 2. und 3. Klasse fallen zu lassen und nur eine nach dem Muster der Berliner Pferdebahnen eingerichtete Klaffe einzu- führen. Die jetzige Zweitheilung hat, wie die geringe Be- Nutzung der 2. Klasse beweist, keine große Bedeutung, während daS einheitliche Pferdebahn> System in Berlin bei allen Volksschichten fick einer großen Beliebt- beit erfreut. An die Stadtbahn reiht fich die Ringbahn, die in einem weiten Bogm die Reichs- Hauptstadt umzieht und mit der Stadtbahn an beiden Enden, in Charlottenburg und im Schlefischen Bahnhof, dermaßen ver- bunden ist, daß der Betrieb die Ringbahn von selbst in zwei Hälften theilt, in einen Nordring und einen Südrina. Die Züge, die den Nordring befahren, beginnen also beispielsweise an je einem Endpunkt der Stadtbahn, fahrm über die ganze Strecke des Nordringes, kehren auf dem entgegengesetzten End- punkt der Stadtbahn auf diese zurück und durchfahren fie bis zum Ausgangspunkte. Alle diese Züge durchfahren den Nord- ring sowohl wie den Südring allstllndlich' fie haben auf bei- den 20 Bahnhöfe und durchfahren den Nordring in etwa 1 Stunde und 18 Minuten, den Südring, bei dem fie auch den in der Mitte der Stadt belegenen Potsdamer Bahnhof berüh- ren, in 1'/, Etundm. Diese Züge haben dieselben Einrichtun­gen wie die Etadtbahnzüge und gleichfalls nur II. und III. Klasse. Doch ist nicht zu leugnen, daß ihr Betrieb manches zu wünschen übrig läßt, daß vor Allem die allstündlichcn Fahrten rn zu großen Zwischenräumen stattfinden und bedeutend vermehrt werden müssen. Auch ist ein wesentlicher Uebelstand, daß eine große Zahl der Bahnhöfe gar zu weit von den Orten abliegt, die fie bedienen sollen, was namentlich für Charlottenburg und die Mehrzahl der Bahnhöfe des Nordrings in einer fast lächerlichen Weise zu Tage tritt. Bei dem außerordentlichen Wachsthum der Reichshauptstadt, das neuerdings auch die Vororte in er- freulichste Mitleidenschaft zieht, ist übrigens vorauszusehen, daß jene Unvollkommenheiten bald beseitigt werden und daß auch der Ringbahnverkehr fich schnell eine gleich große Bedeutung verschaffen wird, wie fie schon jetzt für die Beförderung inner- halb der Stadt dem Stadtbahnoerkehr zukommt. Zur Zeit werden auf der Ringbahn jährlich etwa 3 Millionen Menschen befördert. Wie sehr in den letzten Jahren einzelne der Bahn- Höfe fich entwickelt haben, beweisen folgende Zahlen. Die Zahl der von den Stationen Echöneberg, Friedenau und Tempelhof abfahrenden Personen betrug vor zwei Jahren annähernd 75000, 20 000, 32000; fie ist im letzten Jahre schon auf 186 000, 102000 und 114000 gestiegen. Hier wird es für die Verwaltung eine wichtige Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß fie nicht hinter den vorhandenen Verkehrsbedürfnissen zurückbleibt, sondern ihnen voraneilt und fie durch großes Entgegenkommen belebt und vermehrt. Die Aedeutung der Stadtbahn als Zentralbahnhof für den Fernmrkehr, für die Reisenden nach Königsberg und Rußland , nach Breslau und Oderberg , nach dem Westen und Nordwesten, von Frankfurt am Main und Metz bis Köln , Aachen , Bremen und Hamburg liegt außerhalb des Rahmens des Ortsverkehrs, dagegen soll der Vorortsverkehr der Stadtbahn und der übrigen Bahnen, die jetzt sämmtlich unter Staatsverwaltung stehen, noch kurz erwähnt werden. Der Vorortsverkehr der Stadtbahn erstreckt fich theils nach der Oberspree bis nach Erlner und berührt dort neben der Stadt Köpenick eine Reihe sehr besuchter Volksbe« lustigungsorte, vor allem daS durch seinen Fischzug berühmte Stralau, sowie Eadowa, Friedrichshagen u. s. w., theils nach der Havel und dem Grunewald , vor allem nach Potsdam , Neubabelsbcrg und der wunderbar schön gelegenen Villenko- lonie Wannsee . Doch nehmen für den Verkehr nach diesen fliegt eine heran, näher, näher zischt sie, schu schi schi schi... Mein Herz ist dem Stillstehe» nahe. Es drängt aiederzu- sitzen, sich zur Seite zu drücken, um nicht getödtet zu werden. An diesem Moment blitzt der Gedanke auf: Und wenn der Aeneral es sieht... was wird er sagen: Ist ängstlich, feige! Auch die Kameraden blicken sicherlich hierher, sehen, wie ich gehe, ob ich mich bücke. Einige Schritte von mir platzt eine andere Bombe. Zch bleibe unwillkürlich stehen, drücke die Augen fest zu und mache�mich zum Sterben be- reit... Fr r r r schnurrt ein Splitter an meinem Ohr vorbei, gleich einer jungen Waldschnepfe, die aus ihrem warmen Nest aufgescheucht wird.Laufe, Laufe," flüstert'S mir heimlich in'S Ohr.Laufe nicht, es wird gesehn," flüstert es gleichzeitig ins andere...3a den Beinen wird Schwäche fühlbar, ich beginne über die geringsten Uneben- besten des Weges zu stolpern. Mich aus allen Kräften zu- sammennehmend, um gerade zu gehen, komme ich bis zur Jnfanterie-Bedeckung. Hinter ihr, auf einem Hügel, sieht man durch den Rauch die rauchgeschwärzten Gesichter der Artilleristen. 2hr Kommando wird vernehmbar:Laden!" Feuer!"Zum Geschütz!" u. s. w. Ich schreite durch die Infanterie. Aneinandergedrückt, den Leinwandsack um die Schulter, die Flinte in der Hand, sitzen die Soldaten in Er- regung, als dächten sie:Wer von uns wird nun geholt, wenn die Kugel in unsere Kompagnie fällt?" Um das allge- meine Stillschweigen nicht zu unterbreche«, frage ich halb- laut nach dem Kompagniechef.Hier!" Und dieser, ein rothhaariger, hoher, sonnverbrannter, schnunbärtiger Stabs- kapitän, erhebt sich nur ungern und macht einige Schritte vorwärts, mir entgegen. Nachdem er mich angehört, ruft er halblaut:Feldwebel!"Feldwebel,"Feldwebel," ruft ei» Soldat vorsichtig dem andern zu, der flinke Feldwebel springt kühn vor und eilt, leicht ge- beugt, als fürchtete er mit dem Kopf anzustoßen, zum Kommandeur, den Säbel an die Seite drückend.Be- ordre schnell so ein zehn Mann mit Beilen, das Hüttchen dort zu demoliren!" befiehlt der Stabskapitän finster, grüßt sodann milstärisch und entfernt sich unbemerkt zu seinem früheren Platz, wo er wohlbehalten seit dem Morgen saß und daher, wie mir schien, überzeugt war, dort sei e« unge« fährlicher. Da sein Platz durch nichts geschützt ist und die gleiche» Bedingungen wie alle Plätze ringsum hat, so gleicht seine Zuverficht in Wahrheit nichts anderem als Aderglauben. wesentlichen Vergnügungsorten hin die Lolalzüge der Pots- damer Bahn eine nocv hervorragendere Stelle ein; auf dieser fahren planmäßig alltäglich 34 Züge hin und 34 Züge zurück, von denen allein 13 auf der Strecke zwischen Berlin und Pots- dam nicht an den Zwischenstationen halten; daneben kommen noch je 15 Lolalzüge zwischen Berlin und Zehlendorf an dieser Strecke rn Betracht. Trotzdem halten die ge- troffenen Vorkehrungen dem gewaltigen Verkehrsandrange gegenüber nicht immer Stand. An schönen Sommerabenden steht der Andrang der Heimkehrenden an den Hauptausflugs- orten Steglitz und Wannsee nicht im Einklang mit der Rück- fahrtgeleaenheit, eine Erscheinung, die fich hauptsächlich dadurch erklärt, daß neben einer großen Schwerfälligkeit in der Ein- stellung von Sondcrzügen an Wochentagen schon bei der Ab- fahrt von Berlin eine thunliche Ersparnrß in der Einstellung von Wagen in die einzelnen Züge erstrebt wird. Was un- bedingt verboten sein müßte, daß Fahrgäste schon auf dem Berliner Bahnhofe nicht die ihrem Fahrschein entsprechende, sondern eine Höhere Klaffe angewiesen erhalten(ein Beweis, daß man nicht genug Wagen selbst dort einstellt, wo fie bei einigermaßen zweckmäßigen Einrichtungen jederzeit zur Hand sein müßten), das ist z. B. auf dem Potsdamer Bahnhofe gar nichts Außergewöhnliches. Dazu kommt, daß die Nothwendig« (est, nachträglich noch einige Wagen an einen Zug anzuhängen, nicht selten erfl dann bemerkt wird, wenn der Zug überfüllt und die Abfahrtszeit herangerückt ist, was gewiß nicht dazu beiträgt, an schönen Sommertagen die Stimmung vergnügungs­süchtiger Ausflügler zu Gunsten der Eisenbahnverwaltung zu beem- flussen. Eine gründliche Aenderung dieser Unzuträglrchkeiten. die der Entwickelung des Berliner Vorortsverkehrs nicht Rech- nung tragen, fie sogar nicht unbedeutend geschädigt haben, wird erst dann zu erzielen sein, wenn die Eisenbahnverwaltung auch auf dieser Strecke den regelmäßigen, dem Stadtbahnoerkehr nachgebildeten Omnibusverkehr einzuführen fich entschließt. Es liegt in der Tyat im allseitigen Interesse, der Verwaltung, der Vororte wie der Hauptstadt, daß etwa alle 10 Minuten auf den Lokalgeleisen der viergeleifigen Berlin , Potsdamer Eisenbahn ein je nach Bedürfniß größerer oder kleinerer Omnibuszug ab- gelassen werde, der an allen Stationen zwischen Berlin und Potsdam halten und etwa mit der Schnelligkeit der Stadtbahn- züge fahren müßte. Erst dann würden jene Vororte ihre wahre Bedeutung und Entwickelung finden, die für die gesundheitlichen und wirthschastlichen Verhältnisse der weniger bemittelten Klassen der Rcichshauptstadt von unbezahlbarem Wcrthc wäre. Auch für diese Züge dürfte die Einstellung einer einzigen, an- ständig eingerichteten Wagenklasse vollkommen ausreichen. Die Sittlichkeitsverbrechen nehmen leider noch nicht ad. Außer einer Anzahl von Zuhältern, von denen jetzt schon mehr als 150 in das gerichtliche Untersuchungsgesängniß abgeliefert worden find, hat die Kriminalpolizei heut die Frauenspersonen wegen Vergehens gegen§ 218 St. G. B. und drei Männer, einen Buchbinder, einen Tischler und einen Arbeiter, wegen Vergehens gegen§ 176 St. G. B. der Staatsanwaltschaft vor« Die Unsicherheit in der westlichen Umgegend Berlins ist in letzterer Zeit mehrfach illustrirt worden. So wurden vor« gestern der Student Gr. und der Gymnasiast Pl. aus der Großbeerenstraße, als fie harmlos ihres Weges von Wilmcrs- darf kommend, in der Kaiserstraße fich befanden, von vier Strolchen überfallen, die mit Knütteln und schweren Steinen auf die Ahnungslosen einbieben, so daß sich Letztere nur durch die schleunigste Flucht in das Dorf zurückrettcn konnten. Der Gymnasiast Pl. erhielt einen schweren Steinwurf in den Nacken. In dem einen der Angreifer wurde ein Viehhändler ermittelt. Die Angelegenheit ist der Staatsanwaltschaft übergeben worden- Die Unsicherheit im Westen Berlins ist theilweise in den lokalen Verhältnissen begründet. Tie Funktionen der Berliner Schutz- Mannschaft mit ihrer straffen Organisation haben am botanischen Garten ihr Ende erreicht. Schöneberger, Wilmersdorfer und Charlottenburger Verwaltungen stoßen hier zusammen und die Grenzen zwischen den einzelnen Grundstücken, Straßen jc. sind nur kundigen Leuten bekannt. Da die Funktionen der Polizei jedoch nur lokale sind, so haben dieselben an den einzelnen Grenzpemarkungen ihr Ende. Die Erekutive ist bier eben in den verschiedenen.Händen von Berliner Schutzmann, Polizeidiener und Gendarm und Charlottenburger Schutzmann, die sämmtlich ge- trenntenVerwaltungen angehören. Es liegt aufderHand.daß unrer diesen Verhältnissen die Handhabung der Polizei gegen va- astendes Gesindel und Strolchthum eine viel schwiengere ist, Auf den Berliner macht es stets einen komischen Eindruck, daß einige der volkreichsten Straßen der Stadt zu verschiedenen Kommunen gehören, z. B. die Hälfte der Kurfürstensstaße zu Charlottenburg , und während im vorigen Jahre während der Charlottenburger Hundesperre die Hunde auf einer Seite der Pferdebahn in der Kurfürstenstraße an der Leine geführt wer- den mußten, konnten fie auf der anderen Seite der Schienen frei umherlaufen! Ebenso gehört die volkreiche Zietenstraße in einer Hälfte zu Schöneberg und in der anderen Hälfte zu Man denkt an einen Spieler, der nach mehrmaligem Ver- lust auf einer Karte doch bis zum Schluß des Spiels auf sie setzt.Du, Timofajew, Bobrow, Anissemow!" wählt der Feldwebel die nächsten Soldaten aus und berührt sie leicht und eilig an der Schulter.Marsch, schnell, mit Beilen, dort daS Hüttchen niederzureißen! Se. Wohl­geboren geht mit Euch!" Der Feldwebel beeilt sich, ihn zieht es offenbar auch zu seinem früheren Platz, wo er sich wie sei« Kommandeur allem Anschein nach sicher fühlt. Die Soldaten springen auf und laufen, die Beile schwingend, zusammen davon. DaS Häuschen erweist sich aus Holz, auf Pfählen ge- baut. Von außen ist es mit Kalk beworfen. Hell glänzt es in der Sonne und giebt ein vortreffliches Ziel für die feindlichen Geschütze ab. Treffen die Geschosse nicht daS Häuschen, so dringen sie nebenan in die Batterie. Klirrend dringen die Beile in daS Holz und erschüttern daS Häuschen. Wie eS eben zusammenbrechen will, fällt eine Bombe hinein und explodirt. Eine dichte hohe Rauchsäule mit Sand und Erde gemische steigt vor uns ans: gleichzeitig ertönt ein durchdringender Schrei:Tragbaren her! Alexejew ifl erschlagen!" DaS Häuschen ist niedergerissen. Die Sol- baten eilen, über Ackerfelder und Gesträuch springend, ihre Kompagnie zu erreichen. Auch ich kehre zurück. Hinter mir, fast im Laufschritt, tragen sie Alexejew. Der Rückweg ist noch schlimmer; man wird von jeden Augenblick explodirenden Geschossen verfolgt. Nur der Anblick des Generals, der noch immer auf demselben Hügel sammt seiner Suite steht, hält mich vom Lausen ab. Die Granaten werden seltener, seltener, nun sind wir außerhalb der Schußlinie.Ew. Exzellenz, das Häuschen ist niedergerissen," melde ich mich sammelnd, bemüht, möglichst ruhig zu erscheinen.Nur ein Soldat ist verwundet. Ich zeige auf die Tragbahre. Wozu belästigen Sie mich mit Albernheiten?" fährt er plötzlich auf.Geberr Sie Befehl, den Verwundeten weiter von den Truppen zu tragen, damit er kernen schlechten Eindruck hervorrufe." Wie ich wieder zu Pferde sitze, ruft er mir kapriziös nach:Wie konnten Sie nicht selbst darauf komme«!" Da hast du den Dank, denke ich fortreitend.Wai für ei« Thor ich bin. Bemühe mich nach Kräften, werde beinahe getödtet und er schimpft noch. Im Regiment wäre es viel ruhiger; dort schimpft Niemand und bestimmt bekäme Berlin . In einer Kneipe mit weiblicher Bedienung mußte pünktlich um 11 Uhr auf Berliner Terrain geschlossen werden. Die Gäste gingen einfach über die Straße in ein Lokal von gleicher Tendenz, das für die ganze Nacht xleiv pouvoir hatte. Solche Zustände in einer Weltstadt müssen selbstverständlich zu Inkonsequenzen in der Rcchtsauffassung führen. Es würde daher nur von Vortheil sein, wenn die Idee, wie vor Jahre-r bereits, die Vororte Berlins in den Rayon des Berliner Po- lizei-Präfldiums einfach hineinzuziehen, realistrt würde. ar. Ein Zeitungsverkäufer mit akademischer Bildung ist gewiß ein Unikum, über dessen Existenz selbst Ben Akiba verwundert den Kopf schütteln würde. Am Brandenburger Thor hat bekanntlich ein Zeitungshändler seinen ständigen Platz, der durch seine salbungsvolle Sprache und die in seltsamem Gegensatz dazu stehenden humoristischen Bemerkungen wohl oft schon das Aufsehen der Passanten erregt hat. Jenes eigen- thümliche Pathos hat der Mann noch von seiner früheren Thätigkeit fich bewahrt, aus jener Zeit, da er noch als Pastor der reformirten Gemeinde zu Köpenick fungirte. Er hat sogar noch Anspruch auf Pcnfion von feiner seelsorgerischen Stellung her, die er aber in auffallendem Stolze verschmäht. Auch Ver» wandte besitzt er, welche angesehene Aemter betleiden; ein Vetter von ihm ist zum Beispiel Amtsrichter. Auch unter unseren Dienstleuten find sehr viele, die früher bessere Tage gesehen haben, find von adliger Herkunft; ein Dienstmann, der seinen Standort an der Ecke der Dorotheen- und Friedrichsstraße hat, darf sogar rite auf den Titel eines Grafen Anspruch erHeden. Auch frühere Kaufleute und Beamte gehören unter den Dienst- leuten nicht zu den Seitenheiten. ar. Am Schalter Nr. 10 des Bahnhofes Alexander- Platz ist dieser Tage ein frecher Diebstahl verübt worden. Während die Billetverkäuferin Frl. Virgin nur für einen Augen- blick ihren Platz verließ, wurden ihr aus ihrer Kassette 70 M. gestohlen, welche die junge Dame nun aus ihrer eigenen Tasche zu ersetzen hat. Bisher ist es leider noch nicht gelungen, des DiebcS habhaft zu weiden, der jedenfalls mit den Lokal- Ver« hällnissen des Bahnhofes sehr vertraut sein muß. Wahr« schcinlich ist es derselbe, der vor einiger Zeit dem Portier aus dessen Stube eine filberne Zylinderuhr gestohlen bat. Ein Spezialist, der mit Vorliebe in Wetßbierkrnken arbeitet, wurde gestern bei seiner Thätigkeit abgefaßt und heute der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Es ist dies der mehr« fach bestrafte obdachlose Büchsenmacher Walter, welcher einer Schankwirthin in der MarkuSstraße zwei Bierkruken überreichte und fich dafür 40 Pf., die er als Pfand hinterlegt haben wollte, geben ließ. Nach seiner Entfernung bemerkte die Frau, daß die Kruken entzwei und vollständig werthlos waren. Inzwischen war W. in ein in der Nähe befindliches Lumpengeschäft ge- gangen und hatte sich für die erhaltenen 40 Pf. neun Stück andere Bierkruken gekauft, um diese wieder anderweitig mit Vortheil umzusetzen. Die obigen zwei Kruken hatte er aus dem Felde an der Landsberger Chaussee auf einem Schutthaufen gefunden und zusammengelittet. g. Ein hieflger Destillateur I., welcher seit 19 Jahren in Berlin mit Hilfe seiner Ehefrau unermüdlich thäig ge- wescn, für sein Alter ein kleines Vermögen aufzusparen, setzte fich vor ca. IV« Jahren zur Ruhe, um das Leben in beschau- licher Weise zu beschließen. Ein halbes Jahr lang behagte ihm daS Nichtsthun; dann wurde er animirt, für die Ver- mehrung seines Kapitals durch Anlauf von Spekulationseffekten Sorge zu tragen und er fand auch durch den wechselnden Ge- winn und Verlust einen so angenehmen Zeitvertreib, daß er nach und nach mit 5 oder 6 Bankiers zugleich Disserenzgc- schäfte betrieb. Von dem verhängnißvollen Treiben hatte er feiner Frau nur zum geringen Theil Mittheilung gemacht. Vor einigen Tagen überraschte der Ehemann fie mit der Nach» licht, daß er im Begriff sei, eine Destillation zu erwerben, da unglückliche Spekulationen das Vermögen auf wenige Hundert Thaler reduzirt hätten. Den Schreck der armen Frau kann fich wohl ein Jeder ausmalen. g. Ueber einen bedauerlichen Unglücksfall, welcher fich am Sonntag in dem beim RestaurantZum Etemecker" belegenen Weißensee'er See zugetragen hat, wird uns folgende Mitlheilung gemacht. Am Nachmittag des gedachten Tages vertrieben fich drei junge Leute, darunter einer aus Charlotten- bürg, die Zeit mit Booffahren. Gerade an einer sehr tiefen Stelle des Sees kenterte das Boot und sämmtliche drei In- fassen stürzten ins Wasser. Den schleunigst herbeigeeilten Per- fönen gelang es trotz aller Anstrengungen, nur zwei der mit den Wellen ringenden jungen Leute zu retten, während der dritte Herr, jener aus Charlottenburg , verschwunden blieb. Bis gestern Nachmittag war es trotz eifrigen Suchens nicht ge« lungen, die Leiche des bedauemswerthen jungen Mannes auf« zufinden. Als die Frttu eines in der Fürbringerstraße wohnhaften Beamten am 14. d. M. Nachmittags ohne Begleitung auf dem Bürgelsteige am Tempelhofer Ufer entlang ging, begegnete ihr kurz vor der Großbeerenstraße ein unbekannter Mann, der ich dort dieselben Belohnungen." In dieser Stimmung be« schließe ich, sofort nach der Schlacht um meine Zuzählung zu meinem Regiment nachzusuchen. Schon stelle ich mir daS verwunderte Gesicht des Generals vor, wenn er Kuro- patkin fragt:Warum wünscht Wereschtschagin zum Regi- ment zurückzukehren? Dummes Zeug, er soll bleiben! Doch gleichzeitig stelle ich mir auch vor, wie er, den Rapport lesend, Kuropatkin zuruft:Wereschtschagin will zum Regiment, nun, hol' ihn der Teufel, mag er zieh«; er ist mir schon lästig!"Mehr nach rechts, mehr vom Wege ab!" rufe ich den Trägern der Tragbahre zu.Der General befiehlt so zu tragen, daß die Truppen nichts davo« sehen."Wohin ihn tragen?" brummen diese unwillig. Von ihren Gesichtern konnte man den Gedanke» ablesen: Auch sterben läßt man ihn nicht in Ruhe." Sie tragen den Verwundeten auf einem Nebenwege, der unbequem ist, über Hohlwege, Gräben. Zu Pferde kann man kaum folge». Wir machen Halt, um auszuruhen.Lebt er?" Zch beuge mich über den Verwundeten und erblicke ein tobten« bleiches Antlitz, umrahmt von schwarzen Haaren, dazwischen die zusammengepreßten bläulichen Lippen, aus denen sich schaumiger Speichel zwängt; gierig drängen sich die Fliegen heran. Die Augenlider sind halb geschlossen, die trüben Augen sind zu sehen; ab und zu hebt sich konvul- sivisch die Brust.Der stirbt, wie ei scheint, gleich!" be- merke ich den Soldaten.Noch athmet er," antworten sie, dem Sterbenden in's Gesicht blickend.Ew. Wohlgeboren, können wir nun auf den Weg zurückkehren?"Gut, geht!' Zch folge ihnen langsam, mein Pferd am Zügel führend- Wenige Minuten später holt uns Skobelew mit seiner Suite ein. Wereschtschagin ! Entschuldigen Sie, Väterchen, ich war ein wenig hitzig.'Sie sind eine brave Haut, nehmen Sie meinen Dank!" Freundschaftlich drückt er meine Hand- Obgleich ich an die Aufrichtigkeit seiner Worte auch nich� ganz glaube, so schwindet dennoch mein Aerger ei« wenig, rch vergesse und, voll Entzücken über den General, folge dem Verwundeten. Zch leiste keinem Befehl Folge, sonder» gehe, weil ich mich für den unfreiwilligen Urheber der Bc wundung halte und die Leiden des Verwundete« möglich! schnell minder» möchte. (Schluß folgt.)