den Pfarrer Witte wegen seiner Verwendung für die Charakte-risirung des jüdischen Kommerzienraths Wollheim in öffentlicherVersammlung anzugreisen.Zeuge Frhr. v. H a m m e r st e i n, der, trotzdem er Zucht-Häusler ist, in seinen eigenen Kleidern vorgeführtwird, bekundet: Er könne sich der schon so weit zurückliegendenThatsachen nur noch dunkel entsinnen. Er besinne sich, daß ereinmal sich in die Witle'sche Wohnung begeben habe, um zu ver-suchen, einen Ausgleich zwischen Wilte und Slöcker anzubahnen,weil er es nicht für angezeigt erachtete, daß sich zwei Vertreterder evangelischen Kirche in so schroffer Weise bekämpfen. Erentsinne sich auch, daß von der Unterhaltung, die er bei dieserGelegenheit mit der Frau Witte gehabt, eine falsche Darstellungin die Zeitung gekommen sei und daß davon die Rede gewesensei, daß Pastor Witte die Unterhaltung, hinter einer Thür stehend,mit angehört habe. Er müsse bestreiten, daß er— so weiter sich noch entsinnen könne— mit Schneider Grüneberg überdie Herausgabe des Briefes verhandelt habe, auf keinen Fallhabe er 600 M. dafür geboten. Seiner Ansicht nach habe er beider Unterredung mit Frau Pastor Witte auch versucht, Einblickin den Brief Stöckers vom Jahre 1S7S zu gewinnen.— PastorWitte protestirl nachdrücklich gegen die Unterstellung, dahertammerstein's Unterredung mit seiner Ehefrau hinter einerhür lauschend mit angehört habe. Er habe sich zu derselbenZeit bei dem Geh. Rath Wagener, dem ehemaligen Redakteur der„Kreuz-Ztg." befunden. Zeuge sowohl wie seine Ehefrau bestreiten,daß es sich bei der fraglichen Unterredung um den Brief Slöcker'san Grllneberg gehandelt habe und behaupten, daß v. HammersteinEinsicht in den an ihn(Witte) gerichteten Brief vom Jahre 1886habe nehmen wollen.— Rechtsanwall Munckel hält dies derSachlage für entsprechend, denn sonst hätte Herr v. Hammersteindoch nicht bei Frau Witte, sondern bei Grüneberg Einsicht nehmenmüssen.— Zeuge G r ü n e b e r g, der Herrn v. Hammersteingegenübergestellt wird, erklärt, daß er früher diesen niegekannt habe und ihn auch jetzt nicht wiedererkenne. Dagegen sei thatsächlich seinerzeit ein Mann beiihm gewesen, der sich Herr v. Hainmerftein nannte und ihm600 M. für die Herausgabe des Briefes bot.— v. H.be st reitet, dieser Mann gewesen zusein.— DerZeuge wird nach Beendigung seiner Vernehmung durch die ihnbegleitenden Wärter mittels Droschke in die Strafanstaltzurückgeführt.— Prediger C r o I o w aus Horst i. P. ists. Z. Hiljsprediger des Pastors Witte gewesen. Er entsinnt sich,daß er im Auftrage des letztere» einmal zu G r ü n e b e r g sichbegeben und versucht habe, das Original des qu.Briefes zu erhalte». Grüneberg habe dies abgelehnt,aber, auf einen Stoß Briefe verweisend, erklärt, daß sich derStöcker'sche Brief darunter befinde. Diese Bemerkung habe aufihn einen glaubhasten Eindruck gemacht.— Pastor Witteüberreicht noch einen in seinem Besitze befindlichen Brief Grüne-berg's an den Zeugen Kreutzberg. Derselbe ist vom 13. März 1889datirt und lautet in den Anfangszeilen:„Soeben komme ich vomPastor Witte. Was wir zu sprechen hatten, war ja iinmer wiederder Gegenstand Stöcker. Ich halte mir vorgenommen, den BriefSlöcker's, worin ich aufgefordert wurde, nach der vorhergegangenenverunglückte» Versammlung in der Norddeutschen Brauerei dieAngelegenheit Witte i» der nächsten öffentlichen Versammlungzu erledige», Herrn Pastor Wille zu übergeben, damit er Einsichtnehme. Grüneberg theilt aber weiter mit, daß seine Frau da«gegen gewesen sei.— Rechtsanwalt Munckel beantragt, dasErkennlniß in dem vor dem hiesigen Konsistorium geführtenDisziplinarverfahren gegen Witte zu verlese». Ans diesem werdehervorgehen, daß die Disziplinarbehörde im Gegensatz zu HerrnSlöcker die Ueberzeugung gewonnen, daß Pfarrer Witteaus den ihm vorgeführten Thatsachen bona, üäs habeannehmen tonnen, daß der fragliche Brief des Hof-Predigers Stöcker wirklich existirte.— RechtsanivaltRätzel beantragt, alsdann den Termin zu vertage»,da er nicht darauf verzichten könnte, den Verfasserjenes Erkenntnisses, Regierungsrath Schuster, zu vernehmen.—Nach sehr langer Berathung des Gerichtshofes wird Frau PastorWitte noch einmal vorgerufen. Sie bleibt auf wiederholtesBefragen des Vorsitzenden mit Entschiedenheit dabei, daß ihrGrüueberg das Original des Stöcker'sche» Briefes vorgezeigthabe. Sie könne sich gar nicht irren und auch nicht mystifizirt sein,denn sie kenne die Han dschrist des Mannes, der so namen-loses Unglück über ihre Familie gebracht, so genau wieihre eigene Schrift. Außerdem war der Stil des Briefes durchausStöckerisch. Das Datum und die Adreffe des Briefes hat dieZeugin nicht erkannt.— Präs.: Sie meinen also, daß Sie sichnicht irren können? Sie find die einzige Zeugin, die den Briefgesehen hat.— Zeugin: Ich kann mich entschiedennicht irren.— Der Gerichtshof beschließt hierauf, von derVernehmung des Herrn v. Gerlach und von der Verlesung desDisziplinar-Erkenntuisses Abstand zu nehmen.— RechtsanwaltMunckel II beantragt in längerer Rede, Herrn HofpredigerStöcker wegen Beleidigung nicht nur im Sinne des§ 136.sondern auch des 187 zu bestrafen. Der Borwurf,einen' Brief gefälscht zu haben, enthalt« eine schwereBeleidigung namentlich für einen Geistlichen. Die Beweis«aufnähme könne keinen Zweifel darüber lasten, daß der Brief,den Herr Stöcker ableugne, thatsächlkch existirt habe. SeinerAuffastung nach habe Hofprediger Stöcker wider besseresWissen den Privatkläger beleidigt, und er beantrage, ihmmildernde Umstände nicht zuzubilligen und nicht blos auf eineGeldstrafe zu erkennen. Was die Widerklage betrifft,so sei theilS die Verjährung eingetreten, theilsliege» Beleidigungen gar nicht vor.— RechtsanwaltRätzel bezweifelt die Zuverlässigkeit der Aussagen desZeugen Grllneberg und der Frau Pastor Wilte undmacht dem Privatkläger zum Vorwurf, daß er zum Nachtheilevon Stöcker einen Brief in die Welt gesandt, ohne offen mit-zutheilen, daß er nicht den Brief selbst, sondern eine von ihmkorrigirte Abschrist veröffentlicht habe. Aus die Widerklage hinbeantragte er die Verurtheilung des Privatklägers Witte.—Letzterer führt in langem Schlußwort ans, daß die Wahrheitjedes Wortes und jeden Satzes, der in seiner Broschüre stehe.durchaus erwiesen sei und die sittlichen Schlußfolgerungensich daraus von selbst ergeben. Dagegen habe Herr Hof-Prediger Stöcker einen ganzen Knäuel von Irrungenund Wirrungen zu stände gebracht, um ihm seine Ehre abzu-schneiden. Herr Slöcker habe sich oft gerühmt, ein Gedächtniß„w ie eine Kneifzange" zu habe», er müsse sich erinnern.daß der von ihm bestrittene Brief wirklich vorhanden war.Wen» er den Brief für einen gefälschten gehalten, hätte es zudem ABC seiner Rechte und Pflichten gehört, daß er sofort imJahre 1389 dagegen energisch Front gemacht hätte. Statt bestenhabe er neun Jahre lang geschwiege», er habe seine Wege durch-kreuzt, ihm Steine in den Weg geworfen und ihn hinter seinemRücken denunzirt. Wenn er so lange diplomatisch gc-schwiegen und nun jetzt plötzlich mit der Behauptung derFälschung hervortrete, so sei dies nicht die Bethätigung eineredlen, sondern einer niederen Gesinnung und er beantragedaher Freisprechung von der Widerklage.— Der noch einmalvorgerufene Zeuge Grüneberg versichert auf wiederholtes Beftaaendes Vorsitzenden, daß er die reine Wahrheit gesagt habe. Derfraglich« Brief des Herrn Slöcker sei thatsächlich vor-ha»den gewesen und er habe einen Passus aus demselbender Frau Pastor Witte gezeigt. Im Prozesse Stöcker-Bäcker habeihm der Vorsitzende Lüty das Zeugniß ausgestellt. daßer offenbar die Wahrheit gesagt habe, er habe aberHerrn Stöcker anempfohlen, mit sich zu Ralhe zu gehen, ober in allen Punkten von sich selbst das gleiche sage» könne.Ein vom Vorsitzenden vorgeschlagener Vergleich wird von beidenParteien abgelehnt.— Rechtsanwalt Rätzel macht geltend, daßHofprediger Slöcker so lange geschwiegen habe, weil im Jahre1890 zwischen de» Parteien ein Vergleich zu stand« gekommen sei.Der Gerichtshof berieth nur kurze Zeit. Der Gerichtshofhatte die Neberzeugung gewonnen, daß beide beanstandeten Artikelfür den Kläger beleidigend seien, zuinal angenommen sei, daßder letztere sich im besten Glauben befunden habe. Der Gerichts-Hof sei aber in der Beurtheilung, welcher Beleidigung?-Paragraph gegen den Privatbeklagten zur Anwendung gelangen müste, weiter gegangen als die Anklage, es müsse derZ 187(verleumderische Beleidigung) des Strafgesetzbucheszur Anwendung kommen. Dem Zeugen Grüneberg habewegen seines wiederholten Gesinnungswechselsallerdings nicht unbedingter Glaube geschenkt werdenkönnen, dagegen sei aber das Zeugniß der Frau Prediger Witteals ein durchaus einwandßfreies abzusehen. Der Privatbeklagtemüsse wegen Beleidigung in zwei Fällen bestrast werden. Wasdie Widerklage anbetreffe, so sei in der„Erklärung"des Klägers eine Beleidigung nicht gefunden worden,außerdem habe der Kläger sich in Wahrnehmung berechtigterInteressen bekunden. Bei der Strasabmestung sei einestheilsberücksichtigt worden, daß der Kampf zwischen den Parteien i»heftigster Weise geführt worden sei, andererseits aber auch, daßder Beklagte nach langer Pause den Streit wieder ins Leben ge-rufen bade. Der Beklagte sei zu einer Geldstrafevon 600 Mark event. 40 Tagen Gefängniß ver-u r t h e i l t und dem Pastor Witte die Befngniß zugesprochenworden, das Urtheil aus Kosten des Beklagten im„Volk" und der„Deutschen Evang. Kirchcn-Zeitung" bekannt zu machen.Der Wiederbeklagte sei freizusprechen.LaltaTcs.Ei« Wunder ist geschehen, ein patriotisches Wunder,ei» Wunder, welches die Sozialdemokratie nunmehr zum 9999. Malevernichtet. Worin besteht das Wunder? In der von denarbeiterfeindlichen Blätter», die sich der Sache mit Eile undEifer annehmen, urplötzlich entdeckten Thalsache, daß unter denBeamten der Staatseisenbahnen»och wahrer P a t r i o«tismus zu finden ist. Man höre, was u. a. das hiesigeAgrarierblatt, die„Deutsche Tageszeitung", über den Fall be-richtet:„Zll einer spontanen Kundgebung kam es amDienstag in einer Versammlung des Kreises I Berlin des über14 000 Mitglieder zählenden„Vereins deutscher L o k o m o t i v-führe r". Zur Berathung stand unter anderem die Frage:„Was haben wir wegen des von sozialdemokratischerSeile erlassenen Aufrufs an alle Etsenbahn bedien stetenDeutschlands zu thun?" Nach Verlesung dieser Frage ergriffunter lautloser Stille ei» Lokomotivführer das Wort und führteaus, die richtigste Antwort hierauf ist die, daß wir alle rufen:„Se. Majestät unser Kaiser und König, er lebe hoch!" Das Hoch,welches nunmehr den Saal durchbrauste, verdolmetschte deutlicherund nachdrücklicher die Gefühle, welche die zahlreich besuchteVersammlung beseelten, als sie der beredteste Mund hätte aus-sprechen könne». Daraufhin wurde von der Versammlung ein-st i m m i g folgender Beschluß angenommen:„Die Mitglieder desVereins deutscher Lokomotivführer, bezw. des Kreises I Berlinweisen derartige Anmaßungen mit Entrüstung und Ab-scheu zurück. In unwandelbarer Treue und im steten Vertrauenzu den vorgesetzten Dienstbehörden stehen sie fest zu Kaiser undReich!"Um den wahren Werth dieser allerncuesten Sozialisten-Vernichtung würdigen zu können, muß man sich vergegenwärtigen.daß 1. jeder Lokomotivführer, der nicht in die„spontane Kund-gebung" eingestimmt hätte, Gefahr gelaufen wäre, wegen desSitzenbleibens als ZV! a j e st ä ts b e l e i d ig er mit mehrerenMonaten Gefängniß und außerdem mit Verlust seinerStellung bestraft zu werden, und 2. daß ähnliches wahrscheinlich auch jedem in Aussicht gestanden hätte,der sich erdreistet haben würde. gegen die eingebrachteResolution zu stimmen. So dumm ist ja auch dasAgrarierblatt nicht, um nicht zu wissen, daß auch die Aus-gebeulelen im Reiche des Herrn Thielen schon tüchtig sozial-demokratisch„durchseucht" und zur Erkenntniß ihrer meist inhohem Grade elenden Lage gekommen sind. Gerade weil dieArbeiterfeinde sich auch hier nirgendwo mehr sicher fühlen, b e-täuben sie gewissermaßen ihre Angst mit der Bekanntgabe desWunders derartiger„spontaner Kundgebungen".Die Kaiserin und die„kirchlichen Nothstäude" inBerlin. In einem Dankschreiben der Kaiserin an den Theilder Berliner Stadtverordneten, welcher ihr zu ihrem Geburls-tage gratnlirt hat, heißt es:„Es ist mein inniger Wunsch undmeine bestimmte Hoffnung, daß die Stadtverordneten die vonihnen ausgesprochene Anerkennung der Roth und der ersorder-lichen Abhilfe und ihr« Versicherung der Treue undDankbarkeit gegen mich dadurch belhäligen möchten, daß sie diesich jetzt darbietende Gelegenheit zu einem großen, gemeinsame»Liebes- und Friedenswerke der Kirche, der Stadt und ihrerBewohner gern benutzen, um die mit gegenseitigem versöhn-lichen Entgegenkommen und mit gutem Willen leicht zu be-seitigenden Schwierigkeiten und Mißverständnisse hebenzu helfen, aus denen durch die Versäumnissevieler Jahrzehnte die kirchlichen Notbstände unsererSauptstadt erwachsen sind. Ich richte deshalb an dieladtverordneten die Bitte, daß Sie dieses bedeutsameFriedenswerk, diesen meinen fehnlichsten Wunsch für Berlinfördern und erfüllen, indem Sie aus Ihren reichen Mitteln,durch welche Sie sich um das herrliche äußere Aufblühen unsererHauptstadt große Verdienste erworben haben, sich jetzt auch umdie heiligste und wichtigste Lebensaufgabe, um daS innereErblühen des religiösen Lebens verdient machen, und dieKirchennoth beseitigen helfen, die Bildung von Ge-meinde» und damit die Erweckung des GemeindelebenS ermöglichenund so«inen unserer Stadt gefahrdrohenden Streitdurch eine würdige und schöne That abwenden.Wir sind in kirchlichen Dingen selbstverständlich schlecht be-schlagen und auch über die loyalen Gratulationsschreiben desmonarchentreuen TheileS der Stadtverordneten schlecht unter-richtet. Eines aber meinen wir zu misten, nämlich daß,von verhältntßmäßtg geringen und kaum in betrachtkommenden Ausnahmen abgesehen, bislang nur die eineMeinung unter der gesummten Stadtverordnetenschaft maßgebendgewesen ist, daß der kirchliche Nothstand in Berlin sich schonaushalten laste. Es sei den», man ziehe die„Nothlage" alsdrückend in betracht, die durch die sonderbare Auslegung derKonsistorialordnung von 1673 geschaste» worden ist. Es wirdsich ja bald Heransstellen, ob die Mehrheit der Stadtverordneten-Versammlung entschlossen ist, die Kaiserin über den Sachverhaltder Dinge aufzuklären.Gegen de» Dnettmord. Ein Antrag auf Abschaffung desDuells war vor einiger Zeit in der allgemeinen Versammlungder Studirenden der Technischen Hochschule in Berlin gestelltworden. Der Autrag kam aber nicht einmal zur Besprechung,da die korporativen Vereine, die fast allein auf dieser Versamm-lung vertreten ivaren, auf vorherige Vereinbarung hin den Ueber-gang zur Tagesordnung durchsetzten. In diesen Tagen soll nun,wie man meldet, an derselben Hochschule ein neuer Antrag aufAbschaffung deS Duells zur Besprechung gelangen, der naturlichgleichfalls an den unter dem gebildeten Pöbel maßgebenden undvon einflußreicher Seite sorgfältig protegtrten Raufhändelsittennichts ändern wird.Zum Verwaltungs-Direktor des Museums für Natur-künde— an stelle von Beyrich ist der Geh. RegierungsrachProf. Dr. Karl Möbius ernannt worden. Die bisher von Beyrichgeführte Direktion der zoologisch- paläontologischen Sammlungdes Museums für Naturkunde ist dem Pros. Wilh. Dames, z. Z.Deka» der philosophisch«» Fakultät, übertragen worden.I« der alten Urania, Abtheilnng Jnvalidenstraße. wirdheute, Freitag, Herr Dr. Georg Wegener seine Eindrücke auf derReise nach Spitzbergen und seine Zusammenkunft mit Andre»und Nansen schildern und dabei eine Reihe interessanterer Auf-nahmen in Projektion zeigen. Dieser Vortrag ist der zweite desmehrfach angekündigten Zyklus und kann nur einmal gehaltenwerden.In der Nacht vom 13. zum 14. November werden, wenndie Witterung es irgendwie gestattet, gleichzeitig um 2 Uhrmorgens Pariser Zeit drei unbeiiiannte Ballons von Paris,Straßburg und Berlin aussteigen, die, mit verschiedenenRegisirir- Instrumenten versehen, die meteorologischen Ver-hällniffe der höhere» Schichten der Atmosphäre anzeigensollen.— Folgende Angaben sollen bei der Wiederanffindungbeachtet meiden: Diese Zeilen sollen dazu dienen, die Auf-findung und Bergung der Ballons zu sichern. Die Zeitungensämmtlicher europäischer Länder werden deshalb gebeten, dieseNachricht und die nachfolgenden allgemeinen Vorschriften für dieBehandlung der Ballons nach deren Auffindung möglichst zuverbreiten. Die drei Ballons besitzen einen Durchmesser von7 bis 9 Meter. Sie tragen an einer Aufhängevorrichtung16—20 Meter unter dem Ballon einen zylinderförmigen Korb,der die Instrumente enthält. Dieser Korb ist sorgfältig zubehandeln, er darf unter keinen Umständen geöffnet werden,sondern muß behutsam an einen sicheren Ort gebracht werden.Auch soll der Finder die Verpackung und die Fortschaffung desBallons besorgen. Pfeifen und Zigarren, überhaupt jedes offeneFeuer müsse entfernt werden, um eine Explosion des Ballons zuverhüten. Vorschriften für die weitere Behandlung sind jedemBallon in verschiedene» Sprachen beigegeben. Derjenige, dereinen Ballon findet und vorschriftsmäßig behandelt, erhält eineBelohnung von 60—80 M. Der Finder wird ersucht, soforteine telegraphische Nachricht an de» Abfahrtsort des Ballons(Telegramm-'Adresse bei den Vorschriften des Ballons) zu senden.Sänimlliche Kosten werden sofort durch den Abholer ausgezahlt.Eine Lohnerhöhung soll den Arbeitern der städtischenStraßenreinigung in Ausstcht stehen. Jetzt erhalten die ältestenvon ihnen 3,26, die jüngeren 2,76 und die jüngsten 1,60 M. fürden Tag. Wie verlautet, hat die Direktion beim Magistratbeantragt, vom 1. April n. I. an den Arbeitern 60 bezw. 26 Pf.täglich mehr zu gewähren. Abwarten!Selbstmord eines Berliners beim Militär. Erschossenhat sich mittels einer Platzpatrone der Ulan Dreybrodt der3. Schwadron des in Züllichau garnisonirenden Ulanen-Regiments.Der Bedauernswerthe, ein Kaufniannssohn aus Berlin, war erstin diesem Herbst als Dreijährig-Freiwilliger beim Regiment ein-getreten. Die Motive sind unbelannt.Die Rekrutenvereidignng hat. gester» Mittag 2V- Uhrbegonnen. Ein Pastor sprach bei der Gelegenheit auch allerleivom inneren Feind und nannte die Armee einen festen Damm,eine starke Mauer, eine lebendige Schutzmaner gegen Finthenund Flammen im Völkerleben. Der fromme Mann ließ in seinerAnsprache nie davon ab, die Rekruten eindringlich auf dieHeiligkeit der vor sich gehenden Formalität aufmerksam zumachen, so daß anzunehmen ist, daß die jungen Leute begriffenhaben, was er meinte. Auch der Kaiser hat eine Rede an dieRekruten gehalten, von der der ausführliche Bericht der offiziösen„Nordd. Allg. Ztg.", aus den wir uns stützen, aber kein Wortbringt.Eine Lokalkorrespondenz läßt die Rede des Kaisers wie folgtlauten:„Ihr habt jetzt aus das Kruzifix und die Fahnen Treuegeschworen mir, Eurem K r ie g s he r r», und dem Vaterlande.Ebenso wie die Krone ohne Altar und Kruzifix nichts ist,ebenso ist das Heer ohne die ch r i st l i ch e Religion nichts.Ihr seid berufen, in meiner Garde zu dienen, inde» Regimentern, die die schönsten Abzeichen haben.Seid eingedenk, daß Ihr die Waffen tragt für Krone undAltar. Ihr habt die Pflicht, durch Gehorsam ein gutes Bei-spiel zu geben; dann wird auch der Dienst leicht.— Hierbeibrauchte der Kaiser einen längeren Satz, in den» von Miß-trauen die Rede war; Wortlaut und Zusammenhang gingen dem Berichterstatter verloren, da der Kaiserschnell sprach und das Gesicht gerade ein wenig weg-wandte. Die Geschichte, die in Eueren Zeichen liegt, istgroß. Seid bemüht, Zufriedenheit zu erwerben.die Treue zu erfüllen und den Eid zu halten. Unter den Augender V o r g e s e tz l e n ist das nicht schwer, aber auch da, wo IhrEuch allein überlassen seid, denkt daran. So denkt heute undjeden Tag. Ihr seid eingetreten in dem Jahre, an dessen Wendewir das 100jährige Jubelfest des Geburtstages des großenKaisers Wilhelm I. feiern. Vergeßt nicht, was e r geschaffenhat, wir sind verpflichtet, das zu erhalten. Sein Augeruht auf Euch wie auf der ganzen Armee. GebeGott, daß wir bei dem himmlisch en Appell gut vori h m bestehen mögen. Dazu traget bei und thue jeder seinePflicht.Nach dem„Lokal- Anzeiger" sagte der Kaiser an der un-verstandenen Stelle: Bei dem jetzigen allgemeinen Miß-trauen ist es besonders Eure Pflicht, durch Euren Gehorsamstets ein gutes Beispiel zu geben. Es ist wohl kaum zuhoffen, daß das gute Beispiel 20jähriger Rekruten an dem all-gemeinen Mißtrauen in den weiteste» Kreisen des deutschen Volkesetwas ändern wird.Vorsicht mit Zündhölzern! Den Verlust eines Augeshat der 28jährige Kaufmann Martin Luther aus der Gr. Frank-surterstr. 21 zu beklagen. L. befand sich vorgestern Abend mitmehreren Bekannten zusammen in einem Restanrnnt der Gr. Frank-fnrtcrstraße und wollte sich eine Zigarre anzünde». Als er mitdem Zündholz a» der Brennfläche der Schachtel rieb, sprang diesich entzündende Phosphorknppe ab und flog dem L. ins rechteAuge. Er erlitt eine so schwere Verletzung, daß er sich nach derUnfallstation am Grünen Weg begebe» mußte, wo ihm die ersteHilfe zu theil wurde. Da der Augennerv durch die Brand-Verletzung vernichtet, ist die Sehkraft deS Auges verloren, dochdürfte es den Aerzlen jedenfalls gelingen, das zweite Auge zuerhalten.Bom Tode errettet wurden gestern Bormittag 10 Uhr zweiObdachlose am Lehrler Bahnhof. Sie hatten an der Nordwest-lichen Ecke des Humboldthafens am Kanalaufgang im Stroh ihrLager aufgeschlagen, das Stroh aber hatte Feuer gefangen unddie beiden schlafenden Männer wären erstickt, wenn die Feuer-wehr sie nicht frühzeitig genug herausgeholt hätte. Bei denBewußtlosen sofort angestellte Wiederbelebungsversuche hattenErfolg und beide wurden zu weiterer Pflege der Charitee über-wiesen. Das Feuer ist wahrscheinlich durch Unvorsichtigkeitanderer Obdachloser, die sich dort stets aufhalten, entstanden.Die beiden etwa 14 Jahre alten Verunglückten sind vom Rauchvollständig geschwärzt. Der eine ist dem Ersticknngstode sehrnahe gewesen, der andere scheint etwas weniger gelitten zu haben.Mit 14 Jahren obdachlos! Und da faselt man von Rettungder„jugendlichen Verbrecher" durch Frömmigkeit und Prügel.Dnrch den Sturm zu Schaden gekommen ist anr MittwochNachmiitag der 46 Jahre alte Arbeiter Paul Krämer aus derGerichtstr. 32, der bei der städtische» Parkverwaltung imHnmboldthain beschäftigt ist. Als Krämer die Bahnstraßeentlang ging, warf der Sturm von einem Baume einen schwere»Ast herab. Dieser traf den Mann so wuchtig, daß er zu Bodenfiel und sich mehrere Rippen brach.Schwer verletzt wurde am Mittwoch Nachmittag einobdachloser Mann im Keller des Hauses Spandauerftr. 40 auf-gefunden. Er war die Treppe hinabgestürzt und mit gebrochenemSchädel liegen geblieben. bis ein Schutzmann des St. Reviersihn in ein Krankenhaus brachte. Nach einem Briefe, de» manbei dem Verunglückten fand, ist dieser wahrscheinlich ein gewisserEmil Alleupohl.