erstattet alsdann der Versammlung den Breicht über das Resultat der nach Entdeckung des Defizits vorgenommenen Revision der Bücher und Kassen, welche den oben angegebenen Defeft festgestellt hat. Der Magistrat ersucht schließlich die Versammlung, fie möge fich damit einverstanden erklären, daß die von dem verstorbenen Rendanten der Hauptstiftungskaffe Gabriel unterschlagenen Bet äge der Hauptstiftungskaffe in Gesammtbetrage von 120 784,48 M., jedoch nach Abzug der Kaution und der etwa noch anderweit eingehenden Summen. auf die Stadt- Haupt- Kaffe übernommen und aus den Ueber­Schüffen des Rechnungsjahres 1884/85 gedeckt werden.

Neue Brücke über die Spree. Der Magiftrat beab. fichtigt, noch in diesem Jahre den Bau der Brücke im Buge der Kaiser Wilhelmstraße zwischen Burgstraße und Dom zu beginnen. Endlich ist das Bauprojekt für die Brücke definitiv festgestellt. Die Baudeputation, Abtheilung II., hatte nach mehr fachen fruchtlosen Versuchen, für ihr erstes Projekt die Geneh migung zu erlangen, für die Brücke vier etwas von einander abweichende Entwürfe aufgestellt und dem Minister der öffent­lichen Arbeiten vorgelegt, von denen der Kaiser das eine aus­gewählt und zur Ausführung bestimmt hat. Vorbehalten wurde Dabei die Abstumpfung der vorspringenden Dombaufundamente, die nothwendig, weil sonst durch die linke Seitenöffnung die Wasserführung der Hauptöffnung, infolge der Einwirkung des faft rechtwinklichen Seitenstromes, ungünstig beeinflußt werden würde. Die Entscheidung wird voraussichtlich in diesem Jahre noch erfolgen. Der Magistrat wird nunmehr die Genehmigung zum Bau unter Vorlegung des Projektes bei der Stadtverord neten Versammlung beantragen. Die Geldmittel werden, wie die Nat. Btg." schreibt, aus der für die Kaiser- Wilhelmstraße bestimmten Anleihesumme entnommen. Die Bauarbeiten sollen in der Burgstraße mit Fundamentirung eines Edpfeilers be­ginnen, damit der Bau der Gebäude an der Ecke der Kaiser­Wilhelm und Burgstraße möglichst wenig behindert wird.

Zu einer in der Liezmannstraße wohnenden Pro­duktenhändlerin tam gestern Nachmittag ein unbekannter Mann mit einem Sack, in welchem fich naffe Wäsche befand, und bot dieselben als alte Lumpen zum Kauf an, indem er angab, daß er einer unbekannten Frau in der Georgenkirch straße beim Umzuge behilflich gewesen sei und dafür die Wäsche statt baaren Geldes erhalten habe. Die Produktenhändlerin, welche diesen Angaben feinen Glauben schenkte und den An­fauf verweigerte, folgte dem sich entfernenden Unbekannten und ließ ihn, als er bei der nächsten Polizeiwade vorbei fam, durch einen Schußmann festnehmen. In seiner Person wurde der bereits vorbestrafte Arbeiter Straßenburg ermittelt. Ders felbe gab bei seiner Bernehmung an, daß er die Wäsche- die einen Werth von 100 m. hat von einem Unbekannten für 35 Pf. getauft habe. St. wurde beute wegen Diebstahls verhaftet. Der Eigenthümer der gestohlenen Wäsche wurde nachträglich ermittelt und ihm dieselbe wieder zugestellt.

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Die Tochter eines rechtschaffenen Tischlermeisters, Marie G., welche die Dreißiger bereits überschritten hat, aber immer noch leiblich aussieht, fich auch gewandt zu benehmen weiß, hat sich von jeher einem Hange zum Großthun über­laffen. Vor mehr denn zehn Jahren verschwand fie, als fie ihres lüderlichen Lebenswandels halber unter Sittentontrole gestellt werden mußte, aus Berlin   und blieb auch bis vor Kurzem verschollen. Der Sohn eines Beamten hatte sich vor furzer Zeit mit einem angeblichen Fräulein von Köderiz ver­lobt, den Eltern des jungen Mannes flößte die Braut aber fein Vertrauen ein und die in Anspruch genommene Kriminalpolizei stellte fest, daß das angebliche Fräulein v. K. mit der veischwun denen Marie G. identisch ist. Es wurde nun weiter ermittelt, daß Marie G. seit fast zehn Jahren sich hier, bald unter dem Namen von Baffewis, bald als Marie von Köderiz aufge­halten und vielfach von Herren, deren Bekanntschaft fie suchte, nicht erhebliche Beträge unter dem Vorgeben, von ihren vor nehmen Verwandten ungerechter Weise verstoßen und verlaffen zu sein, erschwindelt hat. In der Wohnung der G. wurde u. A. ein Brief gefunden, den sie wohl in der Abficht, einem anwesenden Verehrer zu imponiren an ihren angeb lichen Better, den Kommandeur eines Kavallerie Regiments, Grafen P., geschrieben hatte, und in welchem fie bat, die Re gimentsmufit nach einer von ihr bezeichneten Wohnung zu schiden. Betrogene wollen fich auf dem hiesigen Kriminal­Kommiffariat, Bimmer Nr. 76, melden.

! Verhaftet wurde gestern der penfionirte Nachtwächter Sch., weil er seine Frau, die sich in gesegneten Umständen befand, in der rohesten Weise mißhandelt hat, indem er sie zur Erde warf und ihr mit Füßen auf den Leib trat.

Drei englische Berichterstatter find, wie der Magdeb. Btg." von hier geschrieben wird, am Dienstag hier eingetroffen, von denen der eine äußerte, fte hätten sich auf einen ganz ge­hörigen Krieg zwischen der Pforte und deren Tributärstaaten eingerichtet und wollen von hier nach Dstrumelien abreisen; während andere Berichterstatter schon unterwegs wären, um fich dem Hauptquartier Mukhtar Paschas von Konstantinopel  aus anzuschließen. Sollte aus dem Kriege nichts werden, so wären fie beauftragt, Makedonien  , Albanien  , Serbien   und Bul garien zu bereisen, um über die dortiger Verhältnisse zu bes richten. Auf die Frage, ob nicht auch als Reiseziel die Karo­ linen   und andere spanische" Kolonien ins Auge gefaßt wären, wurde der Bescheid, in Madrid   hielten fich als fünftige Kriegs­Torrespondenten schon seit einigen Tagen mehrere Journalisten auf, die eventuell den Auftrag hätten, Mikronesien   und die größeren spanischen   Kolonien zu journalistischen Studien auf­zusuchen. Die englische Presse befindet sich also auf dem Kriegs fuß, noch ehe irgendwo der Krieg erklärt worden ist; indeß die nach dem Orient reisenden Korrespondenten wetten darauf, fte werden viel zu sehen bekommen und lange Schlachtberichte aufzusezen haben; fie würden nicht abgereift sein, wenn nicht in London   die Ueberzeugung allgemein wäre, ohne Krieg tönnte fich der Sultan   aus der Sache nicht herausziehen. Hoffentlich machen die kriegsluftigen Herren nur eine interessante weite Reife.

Eine ergögliche Szene spielte sich vorgestern vor der 91. Abtheilung des Amtsgerichts I   ab. Dort war ein junger Schlofferlehrling angeklagt, der einem Kollegen ein Porte­monnaie entwendet hatte. Nach der mündlichen Verhandlung nahm auch die Mutter des Angeklagten das Wort und bat die Richter sehr eindringlich: Sind Se man so jut un jeben Se ihn blog fon'n lleenen Verweis, et hat all' zu Hause de scheensten Keile d'rum jefest, un Se tennen jlooben, er dhut det in seinen janzen Leben nich mehr." Der Gerichtshof that der Mutter wirklich den Gefallen und erkannte nur auf einen Verweis. Die Frau aber hat noch eigenthümliche Begriffe von der Stellung eines preußischen Richters; fie trat zum grünen Tisch heran und fragte ganz gemüthlich: Wat bin id Ihnen nu schuldig?"

Die hiesigen Standesbeamten find neuerdings von den prostituirten Mädchen sehr bestürmt worden, die eine eheliche Verbindung mit ihren Buhältern als bestes Mittel betrachten, um diesen die Pforten des Gefängnisses wieder zu öffnen und das gegen dieselben schwebende Verfahren zu vereiteln. So hat eine ganze Reihe von Dirnen das Aufgebot bestellt, und Dieser Tage erschienen fie zahlreich vor dem Untersuchungs­richter, um für ihre würdigen Verlobten zum Zwede der stan besamtlichen Trauung Urlaub zu erbitten. Diese Anträge find awar abschlägig beschieden; nun aber trösten sich die Mädchen damit, daß fie nach dem gefeßlichen Aufgebot doch wenigstens als Bräute" gelten müßten und daher bei der Untersuchung gegen ihre Buhalter eine belastende Aussage mit Fug und Recht verweigern fönnten.

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Infolge des großen Unfugs und Schadens, der von unbea affichtigt herumlaufenden Hunden in den städtischen An lagen verübt wird, hat die Parkdeputation beschloffen, das Polizeipräsidium zu ersuchen, das Umberlaufen von Hunden

überhaupt in folgenden Anlagen durch besondere Verordnungen zu verbieten: 1) Plaz vor dem Frankfurter   Thor an der Me­melerstraße, 2) Michaelfirchplatz, 3) Plag und Promenade in der Grimmstraße, 4) Wilhelmsplay, 5) Platz und Promenade in der Bärwaldstraße, 6) Mariannenplay, 7) Laufzerplaß und 8) Dennewißplay. Das Verbot soll sich auch auf die Wege in diesen Anlagen erstrecken. Ein ähnliches Verbot besteht bereits für den fiskalischen Thiergarten und Königsplatz sowie für den städtischen Kleinen Thiergarten, Humboldthain und Friedrichs hain, so weit die Anlagen in Frage kommen. Auf den Wegen hain, so weit die Anlagen in Frage kommen. Auf den Wegen im Thiergarten, Königsplaß, Sommerstraßen Promenade, Straße In den Belten, Lennéitraße, Kleinen Thiergarten, Humboldt- und Friedrichshain   ist das Mitnehmen von Hunden zwar gestattet, jedoch nur an der Leine.

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Der Klingelbeutel, so schreibt man uns, diese Beigabe des Kirchenbefuches, verursachte am Sonntag, den 20. d. Mts., in der Bions fiche dadurch nicht geringe Aufregung bei den Anwesenden, daß auch von den Konfirmanden der übliche Bei­trag eingefordert wurde. Wenn es schon bei einem Erwachsenen eine sonderbare Empfindung ist, wenn ihm plöglich der Klingel beutel vorgehalten wird und er in die Tasche greifen muß, um den üblichen Nickel zu spenden, so macht diese Empfindung einer tiefen Entrüstung namentlich bei den Eltern Play, wenn fie sehen, daß ihr Liebling, den fie heute zur Einsegnung begleitet, nicht im Stande ist, der stummen Aufforderung des Klingels beutels nachzukommen; denn diesen Fall nicht vorhersehend, hatten sie die Tasche ihres Kleinen nicht mit Kleingeld versehen. Solchen Fall mitansehend frägt man fich unwillkürlich: ,, Wozu die Kirchensteuer, wenn die Bettelei nicht aufhört."

Urlaub zurückkehrt, zum ersten Mal wieder auftreten und zwar als, Klara" in Hebbel's   Trauerspiel Maria Magdalene  ."

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Polizei Bericht. Am 19. d. M. Nachmittags fiel ein 10jähriger Knabe auf dem Hofe des Grundstücks Dennewis­straße 17 von einem Möbelwagen und brach den Arm. Er mußte am nächsten Tage nach dem Elisabeth Krankenhause ge­bracht werden. Am 24. b. M. Morgens stürzte der bei dem Neubau Waldemarstraße 51 beschäftigte Zimmergeselle Gott  schalt aus eigener Unvorsichtigkeit vom Dachstuhl auf die erste Balkenlage herab und erlitt außer einem Rippenbruch Ver­legungen am Kopfe. Er wurde nach Bethanien gebracht. Am 25. d. M. früh sprang ein geistestranter Mann aus dem Fenster seiner in der Tiedfiraße 4 Tr. hoch belegenen Woh­nung auf den Bürgersteig hinab und erlitt dadurch so schwere Verlegungen, daß er noch während des Transports nach der Charitee verstarb. An demselben Tage Vormittags wurde ein unbekannter anscheinend dem Arbeiterstande angehörender Mann im Part Bellevue und einige Stunden später ein Mann in seiner in der Köslinerstraße belegenen Wohnung erhängt vorgefunden. Beide Leichen wurden nach dem Obduktions­hause geschafft.

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Gerichts- Zeitung.

Lettspindeldrehern, Maschinenbanern 1c. lehrt nach einer leicht faßlichen Methode das Ausrechnen der Räder für alle vorkommende Gewinde der Techniker und Werkmeist r Nad, Mattannenftr. 31-32. Der Unterricht des Herrn Nack ist Jedem zu empfehlen, der in dieser Branche thätig ist und den Wunsch hegt, seine Kenntnisse zu bereichern. Der erfors derliche Vorunterricht im Rechnen mit gewöhnlichen und Dezimal Brüchen ist in dem Kursus mit einbegriffen. Der neue Kursus beginnt am 5. Oftober und dauert 6 Monute, das Honorar beträgt pro Monat 4 Mart. Verbunden mit diesem Unterricht ist auch das Berechnen von Flächen, Inhalts- Der jetzt in Breslau   wohnhafte aus Berlin   ausges berechnung von Gefäßen und Körpern, Rabatt und Binsbewiesene Maurer   Robert Conrad stand gestern unter der rechnung 2c.( Siehe auch Annonze.) Antiage der Aufforderung zum Ungehorsam gegen das Krans tentafsengeset, sowie der Schmähungen von obrigkeitlichen Anordnungen vor den Schranken der zweiten Straffam mer hiesigen Landgerichts I. Dem Angeklagten ist auf sein Ansuchen vom Polizei Präsidium die Genehmigung ertheilt worden, zur Beiwohnung dieses Termins fich für den gestrigen Tag in Berlin   aufzuhalten. Nach der Anklage hat der Ange­flagte in der am 17. September v. J. stattgehabten Versamm­lung von Mitgliedern der Maurer- Krantentaffe über einen Prozeß einiger ausgeschiedener Mitglieder gegen den Vor­stand der Ortstrantentaffe berichtet und dabei geäußert, die Verhandlung sei eine faule abgekartete Sache gewesen, ihr Rechtsanwalt sei gar nicht gefragt und der Prozeß zu ihren Ungunsten entschieden worden. Solch ein Blödsinn und solch eine Ungerechtigkeit sei noch nicht vorges tommen, und das sei heute Gefeß. Diese Geseze find aber nicht für uns. Der überwachende Polizeibeamte, Polizeilieutenant Hack, hat dieserhalb die Versammlung aufgelöst und wurde Conrad damals als fluchtverdächtig in Untersuchungshaft ge­nommen und nach seiner Entlassung aus derselben unterm 15. Oftober v. J. ausgewiesen. Der Fluchtverdacht war damit begründet gewesen, daß das Polizeipräsidium den Angeschuldig ten ausweisen und daß er deshalb keinen festen Wohnfts mehr haben würde. Auf die von dem Rechtsanwalt Sachs einges legte Beschwerde war der Haftbeschluß aufgehoben worden, weil ein Fluchtverdacht nicht auf ein unfreiwilliges Aufgeben seines Wohnortes begründet werden dürfe. Der Angeklagte stellt ent­schieden lin Abrede, die infriminirten Aeußerungen gethan zu haben. In jener Versammlung habe er über den Ausgang des Prozeffes einiger ber freien Hilfskaffe beigetretener aus der früheren Ortskaffe ge­ftrichener Mitglieder gegen die lettere Kaffe auf Zurückgewähr der exekutivisch beigetriebenen 4 Monatsbeiträge berichtet und gerade hervorgehoben, daß die Klage nach den Ausführungen des gegnerischen Anwalts Dr. Salomon trot zweimaligen warmen Eintretens ihres Rechtsanwalts Sachs zurückgewiesen worden war. Nach Rücksprache mit dem leẞtern sei er zur Ueberzeugung gelangt, daß fie am ehesten durch Einreichung einer Petition bei dem Herrn Oberpräsidenten   zu dem ges wünschten Biele gelangen würden, und hat er auf einen Bwischenruf aus der Versammlung: nicht bitten, sondern metter flagen, geäußert, daß dieses nach Lage der Verhältniffe geradeau Blödsinn wäre. Am Schluß habe er geäußert feines Wiffens gebe es in Deutschland   fein Ge fet, welches auf der einen Seite nur Pflichten auferlege, auf der andern keine Rechte einräume." Der Bolizeilieutenant Hack und der Schußmann Treffer bestätigen die in der Anklage aufgeführten Aeußerungen, die Maurergesellen Brodmann, Behrend und Schilling die Angaben des Angeklagten. Staats­anwalt Wagner erachtet die Aussagen der Polizeibeamten für maßgebend. Mit Rücksicht aber auf die große Erregtheit des Angeklagten und seiner Berechtigung zu einer Kritik der be­hördlichen Maßnahmen an fich beantragte er nur eine Geld­strafe von 50 M. ev. 5 Tage Gefängniß. Rechtsanwalt Sachs plaidirt aus rechtlichen und thatsächlichen Gründen für die Freisprechung seines Klienten. Für die Anwendung des§ 110 Str. G. B. fehle schon das Erforderniß der Deffentlichkeit, denn es hatten zu jener Versammlung nur die Mitglieder der betheiligten Krankenkaffe Butritt, und es wurden in derselben nur die internften Fachangelegenheiten behandelt. Alsdann feien aber auch Irrthümer bei den Polizeibeamten nicht ausge schloffen, welche nur auf verdächtige Ausdrücke achteten. Der Gerichtshof erkannte diesem Antrage entsprechend auf Frets sprechung des Angeklagten, indem er in der legten Aeußerung deffelben leine Aufforderung zum Ungehorsam erblickte und bezüglich der ersteren einen Frrthum der Polizeibeamten für möglich erachtete.

g. Seitens der Gärtner wird nunmehr auch in einer Petition an den Reichstag um Berücksichtigung ihrer traurigen fozialen Lage bei Berathung eines Arbeiterschußgefeßes gebeten; für die Petition werden jest Unterschriften gesammelt. Die Uebelftände im Gärtnergewerbe haben nach der Petition einen derartigen Umfana angenommen, daß nur die Gefeßgebung im Stande sei ihre Beseitigung herbeizuführen. Der Durchschnitts­gehalt für Gärtnergehilfen beträgt, so heißt es, 15 bis 21 M. pro Monat, bei frei Koft und Logis; ohne Koft und Logis ist der Durchschnittsgehalt 12 M. pro Woche. Die Arbeits­zeit in den Handelsgärtnereien variirt zwischen 12 bis 18 Stunden täglich, außerdem wird vielfach und an man­chen Drten faft ständig des Sonntags gearbeitet. Da der Gärtner nun unausgesett anstrengend und raftlos thätig sein und fich umfassende gründliche Kenntnisse Kenntnisse auf dem so vielseitigen Gebiete der Gärtnerei erwerben muß, bevor er sein Gewerbe ausüben kann, so ist wohl klar, daß vorbezeichneter Gehalt zu niedrig und die Arbeitszeit eine über mäßige ist, zumal ein großer Prozentiaß der Gärtner während des Winters beschäftigungslos ist. Die Lehrlinge seien häufig nur der billigen Arbeitsfiaft wegen da und würden ohne ge­nügende Kenntnisse entlassen. In einzelnen Orten, z. B. in nügende Kenntnisse entlassen. In einzelnen Drten, z. B. in Quedlinburg  , arbeiteten mitunter bis 60 Lehrlinge in einer Gärtnerei, während Die Bahl der Gehilfen noch nicht den vierten Theil vierten Theil beträgt. Ein weiterer Uebelstand ist die Konkurrenz welche der Handels­bezw. Landschaftsgärtnerei seitens der Beamten( Vorsteher) fommunaler und staatlicher Anstalten sowie durch die Gärtne­reien verschiedener Korreftions und Strafanstalten, soweit dies selben Artikel für den Handel ziehen, gemacht wird. Die Kon­turrenz, welche gärtnerische Beamte( fommunale oder staatliche) den Landschaftsgärtnern dadurch bereiten, daß fie Aufträge vom Publikum zur Ausführung von Gartenanlagen 2c. über­nehmen, ist nach Meinung der Betenten ungerecht, da die Ge hälter dieser Beamten auskömmlich find. Die Lage der Pe tenten fann, wie es zum Schluffe beißt, nur gebeffert werden, wenn 1) die Arbeitszeit gefeßlich auf höchstens 11 Stunden und die Sonntagsarbeit auf das Nothwendigste beschränkt, 2. das Lehrlingswesen geregelt, und 3. die Kon­furrenz, welche den Gärtnern aus den Nebenarbeiten der Be­amten erwächft, beseitigt wird.

Herr Max Wolf, der Komponist von Rafaela" ist gestern in Berlin   eingetroffen, um mit Herrn Direktor Fritsche wegen der Aufführung seiner Operette Rücksprache zu nehmen. Da Herr Direttor Fritsche fich von dem durch anmuthige Melodie und spannendes Vibretto fich auszeichnenden Werke einen anhaltenden Erfolg verspricht, den jest auszunüßen, die fontraktlich nothwendige Aufführung des Offenbach  - Zyklus im Wege steht, hat Herr Max Wolf mit Herrn Direktor Frigsche vereinbart, daß Rafaela" unmittelbar nach dem Offenbach­Byllus ganz bestimmt zur ersten Aufführung im Friedrich Wilhelmstädt. Theater gelangt. Die Proben zu den Offens bach'schen Operetten find inzwischen so weit vorgeschritten, daß man bereits für die ersten Oktoberwochen dem Beginn des Byklus entgegensehen kann. Fil. Berline Drucker. die neuen­gagirte erfte Operettensängerin, welcher die Durchführung mehrerer bedeutender Partien in den Offenbach  'schen Werken anvertraut ist, ist bereits in Berlin   eingetroffen.

Repertoire der Königlichen Schauspiele vom 27. Sep tember bis 4. Oftober 1885. Jm Opernhause  : Sonntag, ben 27.: Margarethe; Montag, den 28.: Don Juan  ; Dienstag, den 29. Aleffandro Stradella, hierauf zum 1. Male wieder­holt: Wiener   Walzer; Mittwoch, den 30.: Ein Feldlager in Schleften; Donnerstag, den 1. Oftober: Lohengrin  ( Herr Niemann); Freitag, den 2.: Der Trompeter von Säffingen; Sonnabend, den 3.: 1. Sinfonie; Sonntag, den 4.: Lucretia Borgia  , Wiener Walzer  . Jm Schauspielbause: Sonntag, den 27.: Maria Stuart  ; Montag, den 28.: Ein Sommernachtstraum; Dienstag, den 29., auf Begehren: Glüd bei Frauen; Mittwoch, den 30., neu einstudirt: Minna von Barnhelm; Donnerstag, den 1. Dftober: Der Störenfried; Freitag, den 2.: Heinrich IV.  ( I); Sonnabend, den 3.: Heinrich IV.  ( II.); Sonntag, den 4.: Minna von Barnhelm.

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rh. Das Neue Friedrich- Wilhelmstädtische Theater läßt es fich angelegen sein, seine älteren erprobten Repertoir ftüde vorzuführen. So gelangte gestern daselbst die Fleder­maus", die den Weltruf des Meisters Joh. Strauß begründete, zur 404. Aufführung. Der jubelnde Beifall des gut besuchten Hauses zeugte dafür, daß diese Operette von ihrer Unverwüßt­lichkeit noch nichts eingebüßt hat. Die Darstellung war im Großen und Ganzen vorzüglich; lobende Anerkennung ver­dienen vor Allen Frl. Wrada( Rosalinde), Frl. Koch( Stuben mädchen Adele), sowie Herr Binder( Gefängnißdirektor Frant) und Hambrock( Gerichte diener Frosch). Die sonstigen Haupt­rollen haben wir früher in trefflicherer Besetzung gesehen, ein Umstand, der bedauerlich, aber unbestreitbar ist. Der Prinz Orlofsky des Frl. Stein war eine höchst mittelmäßige Leiftung; Herrn Steiner( Gefanglehrer Alfred) würde etwas mehr Dezenz ficherlich nur von Vortheil sein.

Im Deutschen   Theater findet heute, Sonntag, die zweite Aufführung von Paul Lindau's   Luftspiel Jungbrunnen" flatt; morgen, Montag, wird König Richard der Dritte" gegeben. Ferner bringt das Repertoir diefer Woche Wiederholungen von Des Meeres und der Liebe Wellen" und" Jungbrunnen". Ende dieser Woche, wahrscheinlich am Sonnabend, 3. Oftober, wird Frau Niemann, welche im Laufe dieser Woche von ihrem

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Ein stark ausgeprägter Hang zu Abenteuern hat den Sattlergesellen Julius Bimmer zu einer Handlung getrieben, welche er voraussichtlich zeitlebens zu bereuen haben wird. Er war längere Zeit bei einem hiesigen Sattler in Arbeit und ge­noß deffen vollständiges Vertrauen. Im Juli erhielt er eines Tages von seinem Prinzipal eine Anzahl Rechnungen zum Einfaffiren. Er besorgte dies pünktlich, als er am Abende aber die Gelder seinem Meister übergeben und abrechnen wollte, da erwiderte derselbe, er habe keine Beit und könne die Ablieferung des Geldes auch am folgenden Tag erfolgen. Dies war der Ruin des Gesellen und der Schaden des Meisters, denn noch an demfelben Abende brannte der Geselle mit der ihm an­vertrauten Summe es waren zirka 140 M. durch. Er war nach Amsterdam   gereift und hoffte von hier aus seinem Drange, Die weite Welt zu sehen ge= nügen zu fönnen, indem er sich als Schiffsarbeiter vermiethete. Er fand sich in seinen Erwartungen arg getäuscht, als seine Baarschaft aufgezehrt war, mußte er sich mittellos wieder der deutschen   Heimath zuwenden. In Hannover   angelangt, war er soweit heruntergekommen, daß er sich als obdachlos der Bolizei stellen mußte, er bekannte fich auch aus freien Stüden zu der Unterschlagung und erreichte denn auch, daß er fofort auf Staateloften nach Berlin   transportirt wurde. Gestern wurde er der 93. Abtheilung des Schöffengerichts vorgeführt, um sein Urtheil wegen der Unterschlagung zu empfangen. Der Gerichtshof billigte dem Angeklagten mildernde Umstände zu, indem er auf eine Gefängnißftrafe von vierzehn Tagen erkannte.

Eine umfangreiche Anklage wegen Betruges resp. Anstiftung, welche fich gegen den Verlagsbuchhändler Johannes Lüdede und 10 hiesige Kolporteure richtet, beschäftigte geſtern die IV. Straffammer hiesigen Landgerichts I und wird diefelbe noch den ganzen Dienstag in Anspruch nehmen. Es handelt fich um den Vertrieb von Rolportage- Romanen unter Benuzung von Lotterien als Lockspeise. In den Jahren 1880-83 wurden faft alle Provinzen der Monarchie mit Kolporteuren des Lüdecke überschwemmt und namentlich gingen die vertrauens vollen Landbewohner sehr leicht ins Garn. Die Kolporteure erhielten von Lübecke die ersten Spefte eines Schundromans, ferner Probebestecke und Garantiescheine von Loosen, sowie An theilscheine von Loosen aller möglichen Lotterien und bereiften Damit das Land. Unter sorgfältiger Vermeidung der Pfarr- und Schulhäuser, der Gutsherrschaften u. überhaupt solcher Gehöfte, in denen intelligentere Bewohner vermuthet werden konnten, suchten die Kolporteure Haus für Haus die ärmlicheren Leute