der Frau H. haben nämlich vielfache Korrespondenzen zwischen deren Familie und Profeffor Graef stattgefunden; man hat bei letteren u. A. einen Brief von der Helene an G. beschlagnahmt, in welchen fie das Gewissen desselben wegen der Ver urtheilung der unschuldigen Mutter zu bewegen sucht. Aehnliche Briefe rühren von den Eltern der Helene her und zielen alle Darauf hin, von Graef nachträglich Erbarmen und Hilfe zu er bitten, um durch Gnadegesuch oder durch Wiederaufnahme des Verfahrens das geschehene Unglück zu redresfiren. Graef ist diesen flehentlichen Bitten gegenüber auch nicht taub geblieben und hat verschiedene Rechtsverständige deswegen zu Rathe gezogen. Inzwischen wurde Frau H. im Dezember 1884 von Amtswegen vorläufig aus der Strafhaft entlaffen. Unter ben beschlagnahmten Papieren befand sich anderseits auch ein schriftliches Bekenntniß der Helene dahin, daß fte den Prof. Graef wider befferes Wissen beschuldigt habe und eine Frau Franziska Lehmann hat das schriftliche Beugniß abgegeben, Daß die Helene ihr das gegen Graef begangene Unrecht eingeräumt habe. Die Anflagebehörde behauptet, daß Helene H. jenes Bekenntniß auf Befehl und nach Diktat ihres Vaters niedergeschrieben habe, weil dieser glaubte, auf diese Weise die Begnadigung seiner Ehefrau und die Unterstüßung Groef's für ein Gnadengesuch leichter zu erlangen. Die Schuld G.'s wird auch daraus hergeleitet, daß derselbe der Frau H., als fie ihm zuerst Vorwürfe machte, ein Goldstück gegeben hat.
daß
Der zweite Meineidsfall, welcher gleichzeitig die drei weiblichen Angeklagten betrifft, hängt auch mit jener Hauptverhandlung gegen Frau Hammermann unmittelbar zusummen. Um nämlich nachzuweisen, daß Prof. Graef zur Sinnlichkeit hinneige, hatte damals der Vertheidiger der Frau Hammermann die jeßige Angeklagte Anna Rother als Beugin laden laffen und behauptet, daß Graef mit dieser schon seit längerer Zeit einen intimen Verkehr unterhalte. Graef machte von dem Rechte der Zeugnißverweigerung wiederum feinen Gebrauch, sondern bestritt, zu Anna Rother in irgend welchen Beziehun gen gestanden zu haben. Es wurde dann darauf aufmerksam gemacht, daß Anna Rother gar nicht die gemeinte Beugin sei, fondern deren Schwester Bertha; Graef wurde von Neuem aufgerufen, erklärte fich wieder ausdrücklich zum Zeugniß auch über diesen Buntt bereit und versicherte eidlich, er auch die behaupteten Beziehungen zur Bertha Rother nicht gehabt habe. Er fügte hinzu, daß die lettere ihm nur Modell gestanden habe, bestritt auch, ihr größere Summen Geldes ge= geben zu haben und behauptete, daß, wenn er ihr hin und wieder ein höheres Honorar für das Modellftehen gezahlt, dies nur aus Interesse für ihre in dürftigen Verhältnissen lebende Familie geschehen sei. Auch die als Beugin vernommene Anna Rother leistete einen Eid dahin, daß ihr von einem intimen Verhältniß des Prof. Graef zu ihrer Schwester nichts bekannt sein. Wie die Anklage annimmt, find beide Eide wissentlich falsche und zwar soll Anna Rother von ihrer Schwester und dem Angeklagten Graef zu diesem Meineide angestiftet worden sei. Nach den Ermittelungen der Anklagebehörde soll nämlich Prof. Graef schon seit Jahren in den intimsten Beziehungen zu Bertha R. gestanden, ja diese Beziehungen, zu ihr sowohl wie zu ihrer jüngeren, iezt schwer frank darniederliegenden Schwester Elifabeth, follen fich bis auf eine Beit zurückdatiren, we beide Mädchen noch nicht 14 Jahre alt waren. Die anges flagte Mutter soll diesen Verhältnissen bewußt Vorschub geleiftet haben. Mit dem vorhandenen Beugenmaterial und dem Geständniß der Anna Rother soll bewiesen werden, daß die Anna R. ihrer Schwester und dem Angeklagten Graef das Resultat ihrer polizeilichen Vernehmung und das offenbare Vorliegen einer Bersonenverwechselung mitgetheilt habe und daß die legteren beiden ganz vorbereitet in den verhängnißvollen Haupttermin gegangen find und mit vollem Vorbedacht einen falschen Eid geleistet haben. Anna Rother ist eine Beit lang aus dem elterlichem Hause entfernt und auf Graef's Kosten im Johannisstift untergebracht worden. Seit dem Jahre 1882 wohnte Anna Rother, welche fur den Meineid 40 Mark erhalten haben soll, allein. Bertha Rother hat dem Profeffor Graef seit 9 Jahren, insbesondere auch zu seinem bekannten Bilde Märchen" Modell gestanden und Graef behauptet, für fie nur eine väterliche Liebe empfunden zu haben. Die Art dieses Verhältnisses tlar zu legen, wird wesentlich Aufgabe der Beweiserhebung sein. Die Anklagebehörde hat es als ein Liebesverhältniß in optima forma aufgefaßt, bei welchem Phantafie und Gemüth auf Seiten Graefs eine wesentliche Holle spielen. Sie beruft sich dabei auf eine Anzahl schwärmerischer, an Bertha gerichteter Gedichte, welche recht formvollendet find und von Graef wunderbarer Weise in einem für seine Söhne nach seinem dereinstigen Tode bestimmten Konvolut aufbewahrt wurden. Sie beruft sich ferner auf eine vorgefundene tefta mentarische Ansprache Graefs an seine Söhne, welche mehrere bezeichnende Stellen enthält, darunter auch das Geständniß, daß sein jugendlich erregbares Herz ab und zu einer Anregung bedurfte zum Schaffen und zum Streben. Es kommt darin auch folgender Saß vor: Die Jdeale laffen sich im Leben nicht erreichen; es hat uns aber auch das Leben gelehrt, daß fich eine strebende Natur, die nicht unterliegen mag, da, wo die Verhältnisse lückenhaft werden, Ersatz sucht. Ich habe dies Verhältniß unterhalten, nicht aus Frivolität, sondern um höherer 3wede willen." Der Arme scheint lange Zeit nicht gewußt zu haben, daß Bertha Rother schon mit 14 Jahren mit der Sitten polizei in Konflift gerathen ift und daß fich in ihrer fürstlich eingerichteten Wohnung in lezter Zeit häufig Herren in großer Anzahl versammelten und dem Tempel" Dienst huldigten. Nach eigenem Geständniß des Gr., welches mit den vorgefunbenen Rechnungen und Quittungen übereinstimmt, hat er der Frau Rother und ihrer Familie etwa 35 000 M. geopfert und ein Bettel aus dem Jahre 1882 trägt den Vermerk: Für Bertha zur Reise nach Bremen 3300 M." Außerdem soll er Bertha N. haben wissenschaftlich unterrichten, ihr dramatischen Unterricht ertheilen, sie zur Schauspielerin ausbilden lassen und fie auch auf Reisen mitgenommen haben. So soll er, nach aufgefundenen Briefen und Gedichten, namentlich mit ihr in Rügen, Braunschweig , Boulogne und London zusammen gewesen sein. Es wird auch behauptet, daß Graef ben Haupttheil des Aufwandes, den sie bei ihren zeitweiligen Engagements in Hamburg , Bremen , Leipzig , Kolberg , Rüstrin ac. gemacht hat, aus seinen Mitteln bestritten habe. Ueber ihren Theaternamen, unter welchem fie engagirt gewesen, hat übrigens die Angeklagte Bertha R. stereotypes Schweigen beobachtet, um fich für die Zukunft nicht die Theaterkarriere zu verderben. Höchst charakteristische Briefe, welche beweisen, daß die Familie Rother den Angeklagten Graef systematisch ausgefogen, sollen übrigens auch in der Rother'schen Wohnung gefunden worden sein. In einem derselben schreibt Gr. an Frau Rother:" Ich habe in den legten 4 Monaten für Sie und Bertha wieder 7000 Mart ausgegeben, die Reise nicht eingerechnet, wo foll ich es hernehmen? Es geht nicht weiter so!" Trogdem glaubt Die Anklagebehörde eine Fülle schriftlichen und anderen Materials zum Beweise dafür ins Feld führen zu können, daß Gr. nach Abbruch seiner Beziehungen zu Bertha ganz gleiche zu deren jüngste Schwefter Elisabeth angelnüpft bat. Dies ist in allgemeinen Umriffen das Material, welches dieser fenfationellen Anklage zu Grunde liegt.
Die Zahl der vorgeladenen Beugen beträgt ca. 80, barunter die Herren Prof. Ewald, Gussow, Kretschmer, Hildebrand, Michael, Prof. Julius Leffing, Prof. Thumann, Maler Dielis, Bildhauer Tondeur, sowie eine Tochter und ein Sohn des Angeklagten Graef . Nach Bildung der Schwurgerichtsbant richtet der Borfigende an die Geschworenen die dringende
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Mahnung, bei der Wichtigkeit und dem allgemeinen öffent lichen Intereffe, welches dieser Fall beansprucht, den Verhand lungen die größte Aufmerksamkeit zu widmen. Leider habe die Bresse und auch hervorragende Organe derselben über diesen Prozeß viele durchaus falsche und tendenziöse Bericht gebracht
und er bitte die Geschworenen dringend, fich dadurch nicht beeinflussen zu lassen, sondern ohne jede Voreingenommenheit an die Sache heranzutreten.
Hierauf beginnt das Inquifitorium. Zu den Personalien erklärt Prof. Graef, daß er seit 1852 in Berlin wohne, seit 1853 verheirathet und Vater zweier Söhne im Alter von 30 und 25 Jahren und einer Tochter von 21 Jahren ist.
Bertha Rother giebt an, daß fie bis vor einem Jahre bei ihrer Mutter, welche ein Fuhrgeschäft in der Prizwalkerstraße ihrer Mutter, welche ein Fuhrgeschäft in der Prißwalterstraße hat und seit 4 Jahren von ihrem Manne getrennt lebt, gewohnt hat. Seitdem habe sie allein gewohnt und von ihrem ersparten Gelde gelebt. Sie behauptet, in Leipzig , Hannover , Dresden , ferner kurze Zeit in der Friedrich Wilhelmstadt und bei dem Gastspiel der van Hell'schen Gesellschaft im früheren Wilhelm- Theater Engagement gehabt zu haben. Anna Rother, deren Geisteszustand während der Verhandlungen von den ge richtlichen Sachverständigen beobachtet wird, hat bei vielen Künstlern Modell geftanden. Die Angeklagte Mutter Rother giebt an, daß fie die Mittel zur Eröffnung des Fuhrgeschäfts vom Prof. Graef leibweise erhalten hat.
Prof. Graef erklärt sich in allen Fällen für nichtschuldig. Bertha Rother, so führt derselbe aus, hat zuerst am Anfang des Jahres 1878 bei mir Att gestanden und zwar hatte sie sich selbst bei mir bereits im Jahre 1877 gemeldet und ich hatte ste damals zu den Augen eines Portraits gebraucht. Ich bestreite mit aller Entschiedenheit, mich an der Bertha Rother, wie sie noch im Kindesalter stand, vergangen zu haben. Ich bin später allerdings mit derselben in regen Verkehr getreten. Sie batte mir zu einem von mir in Paris bereits angefangenen Bilde gefeffen, und da ich damit Erfolg hatte, so beschloß ich, die Bertha auch als Modell zu dem Bilde Märchen" zu benußen. Da dies zur Ausstellung im Jahre 1880 bestimmte Bild eine hüllenlose weibliche Figur, bestrahlt vom Sonnenlicht, darstellen sollte, ein solches Licht aber im Atelier nicht herzustellen ist, so beschloß ich, die entsprechenden Studien im Freien zu machen. Ich ging damals mit meiner Familie nach Saßniz auf Rügen , suchte dort eine geeignete Stelle im Walde bei Bins auf und ließ Bertha Rother dorthin lommen. Dieselbe ist auf etwa 14 Tage lang dort geblieben. Inzwischen hatte die Fertigstellung des Bildes doch ihre Schwie rigkeiten; es wurde mir eist möglich, das Bild zur Ausstellung des Jahres 1881 fertig zu stellen. Ich hatte damit durchaus nicht den Erfolg, welchen ich erwartet hatte, und da meine künstlerische Ehre einmal damit engagirt war und ich Alles daran seßen wollte, das Bild zu einer Vollkommenheit zu bringen, so konnte ich Bertha Rother als Modell nicht entbehren und war wohl oder übel in der Lage, die vielen Geldansprüche der in dürftigen Verhältnissen lebenden Familie Rother zu erfüllen. Inzwischen war Bertha Rother erwachsener geworden, ihre Ansprüche wurden größer, ich versuchte es mit anderen Modellen, mußte aber immer wieder einsehen, daß ich die Bertha Rother nicht entbehren konnte, denn das ganze Bild ist gewissermaßen ein Portrait derselben. Ich arbeite schon seit 6 Jahren an dem Bilde und arbeitete auch in der Gefangenschaft an demselben, ohne daß es bis jetzt fertig geworden ist. Ich habe infolge des langen ungeniiten Verkehrs mit der Bertha Rother allerdings eine gewiffe herz liche Neigung zu derselben gefaßt, meine Phantasie ist von dem Bilde erfüllt gewesen, fie ist für mich gewissermaßen das Jdeal des ,, Märchens" gewesen und um mir diese Illusion zu erhalten, habe ich Alles für sie gethan, was ich gethan. Ich habe mich bemüht, den Schmuß aus dem Rother'schen Hause hinaus zu bringen, ich habe versucht, die Bertha Rother so zu stellen, daß fie den auf ein so hübsches Mädchen eindrängenden Versuchungen widerstehen konnte und habe ihr, da ste in ihrem Leben nur 6-8 Wochen die Schule besucht hatte, auch Unterricht ertheilen lassen. Ich gebe zu, daß die Phantasie bei mir einen hohen Grad erreicht und fich in einigen Gedichten Luft gemacht hat. Präs.: Ist es Ihnen nicht bekannt gewesen, daß die Bertha Rother feineswegs eine so ideale Person war, fich auf den Straßen herumtrieb und unter polizeilicher Auf ficht stand?- Angell.: Ich habe zunächst die Thatsachen nicht in ihrer ganzen Schwere gefannt, habe aber außerdem geglaubt, daß ich aus dem aufgeweckten und wie es schien seelenvollen Mädchen etwas machen konnte.- Präs.: War denn die Thats sache, daß Bertha so tief gesunken war, nicht ein Dämpfer für ihre ideale Stimmung. Ich bin gewohnt, solche Mädchen, welche aus zu der der Beschäftigung des Modellstehens greifen, von vornherein milder zu beurthei len, da sie mehr als andere allen möglichen Versuchen ausgesezt sind. Gerade je mehr ich davon hörte, daß die Bertha Rother bedentliche Wege wandelte, desto mehr hatte ich meine Freude daran, das Mädchen so viel wie möglich zu stüßen und fie von jenen Wegen abzulenken, weil es schade um dies Mädchen ist und ich glaubte, daß dasselbe mir Freude machen würde. Präs. Sie sollen nun aber mit der ganzen Familie Rother in einem Verhältnisse gestanden haben, wie man es bei einem Manne ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht voraussetzen sollte.Angell.: Wenn ein Künstler einmal ein Modell findet, welches seinen fünstlerischen Zwecken vollständig entspricht, so ist das ein großes Glück und dies war bei der Bertha der Fall. Mir durfte also kein Opfer zu groß sein, um mir dies Modell zu halten. Außerdem hatte ich das Streben, um des Mädchens wegen die ganze Familie auf ein höheres Niveau zu heben.- Präs.: Haben Sie sich nie ges fagt, daß schließlich doch auch gesellschaftliche und sonstige Gebote existiren, welche eine Grenze ziehen, die man nicht überschreiten darf. Würden Sie denn in dem Falle, daß Ihnen Unehrenhaftes zugemuthet wurde, es nicht für Ihre Pflicht gehalten haben, diese Bumuthungen zurückzuweisen, selbst auf die Angell. Ich habe, Gefahr hin, das Modell zu verlieren?
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lich erscheine, fich aber ganz von selbst ergebe. Das Inquifitorium des Vorfizenden über diesen Bunft ist ein sehr eingehendes, entzieht sich aber durchaus der Deffentlichkeit. Den Vorwurf des Meineides und der Anftiftung zum Meineide bestreitet der Angeklagte durchaus und erklärt die gegentheiligen Bugeständ niffe der Anna Rother, welche er als tonfus und geistesschwach hinstellt, für falsch.
Auf die Vernehmung des Angeklagten Graef folgt eine halbstündige Pause, worauf der Vorfißende zum Inquifitorium der Angeklagten Anna Rother schreitet, welche früher im Allgemeinen geständig war. Dieselbe stellt alles ins Nichtwissen und entschuldigt fich mit vollständiger Gedächtnißschwäche. Sie ist mit dem 14. Lebensjahre aus dem elterlichen Hause ge= gangen und ernährt sich seitdem vom Modellstehen. Sie habe auch bei Professor Graef Modell gestanden, dabei sei aber nie etwas ungehöriges vorgefallen.- Präs.: Entfinnen Sie sich, daß Sie am 3. Juni polizeilich vernommen worden find? Angell. Das weiß ich nicht mehr genau. Präs.: Wissen Sie, daß Sie bald nach dem 3. Juni bei Professor Graef gewesen find? Was haben Sie dort gewollt? Angell.: Ich habe Modell gestanden.- Präs.: Wissen Sie, daß Sie vor Gericht einen Eid geleistet haben, daß Ihnen von einem Verhältniß Ihrer Schwester mit Graef nichts bekannt ist?- Angell.: Ich fann mich nicht darauf befinnen, daß ich einen Eid geleistet habe. Präs.: Ist Ihnen auch iezt noch nichts von einem solchen Verhältniß bekannt? Angefl: Nein. Präs. Sind Sie von Profeffor Graef oder von Ihrer Schwester aufgeredet worden, etwas Falsches zu beschwören?- Angefl.: Nein. Präs. Wie kommt es denn, daß Sie früher ganz das Gegentheil ausgesagt haben?- Angell.: Das weiß ich nicht. Präs.: Haben Sie früher die Wahrheit gesagt?- Angefl.: Ich sage immer die Wahrheit.
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Jutereffanter gestaltet sich die Vernehmung der Bertha Rother. Dieselbe drückt sich außerordentlich gewählt und mit theatralischem Applomb aus; wenn der Präsident recht tief in ihre Herzensangelegenheiten einzudringen versucht, giebt fie die gewünschte Auskunft immer erst nach einigem Zögern und mit niedergeschlagenen Augen.- Präs.: Bekennen Sie sich schuldig, Ihre Schwester zum Meineide angestiftet zu haben? Angell.: Ich bestreite dies entschieden. Ich habe seit zwei Jahren das Atelier des Herrn Graef nicht mehr betreten und den Herrn Profeffor nicht mehr gesprochen.- Präs.: Welches Verhältniß hat zwischen Ihnen und dem Angefl. Graef obge waltet? Angell.: Nun, ich habe dem Herrn Profeffor Graef lediglich als Modell gedient. lediglich als Modell gedient.- Präs.: Wie find Sie zu dem selben gekommen? Angell. Ich habe mich bei ihm als 14 jähriges Mädchen gemeldet und bin angenommen worden, zuerst von der Frau Prof. Graef, welche einen Kopf nach dem meinigen modellirte, dann vom Prof. Graef selbst zu dem Bilde einer Verstorbenen und zu dem Bilde des Märchen". -Bräs.: Sind dabei irgend welche Ungehörigkeiten vorges Tommen? Angefl.: Nein, niemals! Bräs.: Sie sagen, Sie sind als Schauspielerin ausgebildet worden. Wann ist das geschehen?- Angell.: Von 1876-1881.- Präs.: Sie sollen damals fein unbescholtenes Leben geführt, sollen fich auf der Straße umbergetrieben haben und auch polizeilich aufges griffen worden sein, ebenso unter fittenpolizeilicher Kontrole ge standen haben.- Angell.: Nun, es wird Vieles da gesagt, was nicht so ist.-Präs.: Sind Sie nicht später nochmals polizeilich verwarnt worden? Angell.: Leider, aber nur durch die Intriguen der Hammermann's. Hammermann und ein gewiffer Lehmann haben ja in Destillationen förmliche Gelage gefeiert und über Prof. Graef und meine Familie Alles mögliche ausgeschrien.- Präs: Sind Sie für jedes Modellstehen vom Prof. Graef bezahlt worden?- Angefl.: Nein, ich habe immer arößere Boften bekommen. Bräf.: Wie viel haben Sie wohl im Ganzen erhalten? Angell.: Das kann ich wirklich gar nicht sagen. Ich weiß nur, daß Prof. Graef für das, was er meiner Familie an Geld gab, Schuldscheine haben wollte und ich glaubte auch, daß meine Mutter das Geld zum Geschäft nur leihweise erhalten hatte. Bräf.: Haben Sie fich mit dem Angeklagten Graef geduzt? Angell.: D bewahre, Herr Prof. Graef duzte mich, ich nahm es mir deshalb aber nicht heraus.- Präs.: Wie nann ten Sie ihn denn? Angell.: Nun, mein Gott, Herr Bros feffor." Bräf.: Hat Sie Prof. Graef mitunter gefüßt? Angell.: Es ist wohl möglich, daß er mich hier und da ein mal auf die Stirn gefüßt hat.- Präs.: Sind Sie mit Graef auf Reisen gegangen? Angell.: Mit ihm nicht; ich bin ihm nur manchmal nachgereift. Präs.: Wie so find Sie denn beispielsweise nach London gekommen? Angell.: Profeffor
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Graef schilderte London so entzückend, daß ich große Sehnsucht empfand, London auch kennen zu lernen. Präs. Von wem hatten Sie das Reisegeld?- Angell.: Vom Herrn Profeffor. -Präs.: Sie behaupten, daß Sie Engagements bei verschies denen Theatern gehabt haben? Unter welchem Namen traten Sie denn auf? Angell. In Bremen unter dem Namen Roded; im Uebrigen verweigere ich über diesen Punkt meine Aussage. Präs.: Wie ist denn Ihre Trennung von Prof. Graef gewesen? Angell.: Ich muß offen gestehen, daß eigentlich mein Eigenthum daran Schuld war. Ich sollte fort ins Engagement, fonnte aber nicht, weil ich starken Husten hatte und ich fürchtete, daß ich mich ganz ruiniren würde. Ich machte deshalb furzen Prozeß und zog von meiner Mutter fort. Bräf.: Woraus bestand Ihre Wohnung? Angell.: Aus drei Zimmern. Präs. Wozu brauchten Sie denn 3 Bimmer? Angell.: Nun, ich bekam teine andere Woh nung. Präs.: Sie hatten Ihre Wohnung auch neu aus geftattet? Wober hatten Sie denn die Möbel?- Angell.: Nun, ich hatte sie gekauft.- Präs.: Hatten Sie das Geld dazu von Herrn Prof. Graef erhalten?- Angefl.: Nein, von einem anderen Herrn, mit welchem ich in ein Verhält niß getreten war nig getreten war und der mich heirathen wollte. Präs.: Wie viel haben Sie für die Ausstattung der Woh Angell.: 1000 M. und meine Wohnung nung gezahlt? Loftete 850 M. Die Angeklagte bestreitet schließlich, ihre Schwester zum Meineide angeftiftet zu haben. Ihre Schwefter ftelle in ihrer Konfufton gewöhnlich Alles auf den Kopf und als fie eines Tages zu ihr fam und von ihrer polizeilichen Vers nehmung erzählte, habe sie dieselbe über ihre Aussagen befragt. Im Uebrigen sei ihr Dienstmädchen bei der ganzen Unterhal tung zugegen gewesen.
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wie ich zugeben muß, manche Rücksichten bei Seite gesezt, aber ich habe Unehrenhaftes nicht begangen. Mir war die Sache schließlich einigermaßen über den Kopf gewachsen, ich befand mich in einem schwierigen Dilemma, im Uebrigen wußten aber meine Familie und meine Bedienten durchaus von dem Vers hältniß. Im weiteren Verlauf des Inquifitoriums giebt Angeklagter zu, daß er f. 3. mit der Bertha R. in Bins in einem Hotel wohnte, während seine Familie in Saßnig einquartirt war und daß er auf seinen Reiseu z. B. in Braun schweig, London , Boulogne c. mit ihr zusammengetroffen sei. Der Angeklagte stellt die Sache so dar, daß die Bertha Rother, welche sich in Folge ihrer theatralischen Engagements unter wegs befand, jede Gelegenheit benugte, um irgend ein 3u sammentreffen mit ihm zu ermöglichen. Er habe sich schließlich von der Bertha getrennt, weil er gehört hatte, daß sich dieselbe mit einem Referendar verloben wollte. Präs.: Haben Sie nicht einen Schlüffel zum Rother'schen Hause und zur Rother'schen Wohnung gehabt? Das hat doch mit Ihrem Streben, das Mädchen als Modell sich zu erhalten, nichts zu thun. geklagter: Ich habe mir den Schlüffel geben laffen, um zu jeder Sturde mich überzeugen zu können, was in dem Hause vorgeht. Präs: Ist Ihnen nicht bekannt gewesen, daß in der Rother'schen Famille übel beleumdete Personen verkehrten und unter fittenpolizeilicher Kontrole stehende Mädchen dort wohnten? Angell. Mir ist davon nichts bekannt gewesen. Bräs. Woher tommt es denn, daß Sie auch dann noch den Verkehr mit der Rother'schen Familie aufrecht erhielten, nachdem die Bertha R. fortgezogen war?- Angell.: Ich hatte ein natürliches Interesse an der Familie, der ich so viel ges opfert hatte und es drängte mich, ab und zu mich nach den Verhältnissen derselben zu erkundigen. Dazu lam, daß Frau Rother mir die Bitte vortrug, ihre jüngste Tochter, die 14 jährige Vereine und Versammlungen.
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Lischen, nunmehr als Modell zu benußen.
An
Die Behauptung,
daß er sich auch an diesem Mädchen vergangen habe, bestreitet Angeklagter, wenn er auch zugiebt, daß zwischen den Künstlern und solchen Modellmädchen nun einmal ein ungenirterer Ton herrscht, der in anderen Gesellschaftskreisen vielleicht verwunder
Die Mutter Rother bestreitet alle Einzelheiten der gegen fie gerichteten Anklage. Profeffor Graef sei für fte und ihre ganze Familie ein väterlicher Freund gewesen und aus seinen fünstlerischen Beziehungen zu Bertha babe fich ein Freund schaftsverhältniß zu ihrer Familie entwickelt. Sie bestreitet, daß in ihrer Wohnung jemals Ungehörigeliten vorgekommen seien, namentlich habe ich das Interesse des Professor Graef zu der jüngsten Tochter Lieschen auch nur innerhalb des künstlerischen Intereffes gehalten. Das Gelb, welches ihr Graef zuerst zur Etablirung eines Milchgeschäftes und dann zu einem Fuhrge schäft gegeben, hatte sie immer nur als Darlehn betrachtet. Schließlich giebt fte zu, daß bei ihr Mädchen gewohnt haben, welche unter polizeilicher Kontrole standen und daß fie im Kons fubinat mit einem Droschtentutscher lebt. Troßdem sei Pros fessor Graef in ihrer Wohnung ein häufiger Gaft gewesen, habe Stuben- und Hausschlüffel besessen und oft bei ihr Abendbrod gegeffen.
Mit Vernehmung dieser Angeklagten schließt die Sigung um 2 Uhr.
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be. In der Kommunalwähler Versammlung, welche am Sonntag, den 27. d. Mts., in der Neuen Walhalla" Schönhauser Allee 156, unter Vorsitz des Herrn Lehmann statt fand, sprach Herr Stadtv. Singer über die bisherige Thätig