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geflagte v. Vollmar nicht erschienen ist. Der Bräfident bemerkt: v. Bollmar habe dem Gericht angezeigt, daß eine Reise nach Chemniß seiner Gesundheit sehr schaden würde und er habe auch einige ärztliche Attefte beigefügt. Der Gerichtshof be schließt demnach, auch gegen den Angeklagten s. Vollmar die Verhandlung auszusetzen. Bei Feststellung der Personalien ergiebt sich, daß sämmtliche Angeklagte mehrfach vorbestraft find. Der Angeklagte Ulrich bemerkt auf Befragen des Präs fidenten: Er sei se häufig vorbestraft, daß ihm alle erlittenen Strafen nicht mehr im Gedächtniß seien. Es wird hierauf der Antlagebeschluß verlesen. Die Angeklagten erklären fich sämmt lich für nichtschuldig. Der Präfident erörtert zunächst die Geschichte der Sozialdemokratie und will einen am 19. Seps tember 1880 im ,, Sozial Demokrat" erschienenen Artikel, betreffend die Drganisation der Sozialdemokratie, verlesen. Angeklagter Bebel: Ich will, ehe dieser Artikel verlesen wird, bemerken, Daß der Sozial- Demokrat" allen Anschauungen Raum ges währen sollte. Ich weiß nicht, von wem dieser Artikel geschrieben ist, jedenfalls ist er nur eine Definition über Eine solche Organis vorzunehmende Drganisation. fation, wie sie in dem Artikel vorgeschlagen worden, ist jedenfalls niemals vorhanden gewesen. Eine Geheim bündelei hat niemals bestanden. Es ist auch stets bei allen Busammenfünften betont worden, daß eine Organisation, wie fie vor dem Sozialisten- Geset bestanden, unmöglich set, es tann nur eine Organisation, die auf persönlicher Fühlung zwischen den einzelnen Parteigenoffen bafirt, bestehen." Es wird alsdann ein Artikel aus dem Sozial- Demokrat" vom 28. Juli 1881 verlesen, in dem es u A. in einer Bolemit gegen Die Leipziger Beitung" heißt: n Deutschland giebt es noch feine Nihilisten und mit Ausnahme von einigen Dußend Agents provocateurs und Hansnarren auch keine Anarchisten. Einen oder anderthalb solcher Hansnarren haben wir auch in Leipzig gehabt, aber die Partei hat nie mit ihnen verkehrt. Wenn be fagte anderthalb Hansnarren mit den paar Dußend Berliner Agents provocateurs, die fich seit Anfang dieses Jahres hier herumtreiben, Busammenfünfte gehabt und in Nihilismus ge macht haben, so geht uns das nichts an. Und die Leipziger Beitung" weiß dies ebensogut wie wir. Sie hat also mit Vor bedacht und unter den erschwerendsten Umständen gelogen. Der Organisationsplan ist dagegen eine unleugbare That fache. Freilich ist derselbe nur von einem kleinen Bruch­theil der Parteigenoffen ausgegangen und wegen seiner Man gelhaftigkeit und der in ihm zu Tage tretenden Geheimbund ipielereien von den Parteiführern gemißbilligt worden- aber er hat bestanden. Das Sozialisten Gesetz hat uns zur Um­änderung unserer alten Organisation genöthigt und wir haben fte den Umständen gemäß modifizirt. Hier so, dort so, wie die Verhältnisse es eben mit sich gebracht. An dem einen Ort ist die Organisation mehr lose, am amberen mehr zen­tralistisch je nachdem. Und das wissen die Herren von der Bolizei und fie dürfen es wissen, denn sie können beim beften Willen unserer Organisation in ihrer jetzigen Gestalt nichts anhaben." Angeklagter Bebel: Ich bemerke noch, daß der in dem Artikel erwähnte Organisationsplan von einem aus Berlin Ausgewiesenen, der sich später als Agent provocateur entpuppte, entworfen war. Präfident: In einem weiteren Artikel wird gesagt:" Der Organisationsplan ist deshalb nicht zur Ausführung gekommen, weil bereits eine Organisation be standen hat?" Lebel: Ich habe ja bereits zugegeben, daß eine Drganisation bestanden hat und auch noch besteht, die aber ich wiederhole nur auf persönlicher Fühlung der einzelnen Parteigenoffen unter einander bafirt. Eine folche Organisation ergiebt sich, angesichts der Thatsache, daß die Partei zur Zeit des Erlaffes des Sozialisten- Gefeßes bereits 15 Jahre bestand und angesichts des Umstandes, daß die Partei eine ganze Anzahl Buchdruckereien 2c. besaß, von selbst. Etwas anderes tann uns nicht bewiesen werden, eine solch' große Aufmerksamkeit die Polizei unserer Partei in ganz Deutschland auch schenkte. Die anderen Dinge, die gegen uns hier ins Feld geführt wer den, find lediglich Artikel des Sozial- Demokrat", für die alle wir durchaus nicht einstehen tönnen.

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Angeflagter Auer: Ich kann mich den Ausführungen Bebel's nur anschließen; eine persönliche Verbindung zwischen ben einzelnen Barteigenoffen hat immer bestanden und wird auch ferner bestehen. Im Uebrigen bin ich der Meinung, daß der in dem verlesenen Artikel erwähnte Organisationsplan fich nur auf Leipzig bezieht. Die andern Angeklagten äußern fich in ähnlichem Sinne.- Präs.: Es ist aus dem Artikel doch wohl nicht zu ersehen, daß der Organisationsplan fich lediglich auf Leipzig beschränken sollte. Der Präfident will nun eine von dem Abg. v. Vollmar im Reichstag gehaltene Rede verlesen. Rechtsanwalt Mundel widerspricht der Vers lefung, da v. Vollmar nicht anwesend ist. Der Gerichtshof wird später darüber Beschluß faffen. Die meisten Anges flagten geben zu, an dem im August 1880 auf Schloß Wyden in der Schweiz stattgefundenen Kongreffe theilgenommen zu haben.

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Präfident: Geben Sie zu, Herr Bebel, daß der Zweck des Kongreffes anfänglich verschleiert worden ist?- Bebel: Das bestreite ich ganz entschieden. Es war allerdings die Meinung verbreitet, daß die Bauern in jener Gegend auf die Sozial Demokraten sehr erbittert seien und daß es deshalb geboten sei, den Zweck des Kongresses zu verschleiern. Als uns jedoch nach der sogenannten Vorversammlung auf Schloß Wyden Stroh als Nachtlager angewiesen wurde, entschloß ich mich, da mir dies Nachtlager nicht paßte, nach dem nahebelegenen Dorfe Offem zu gehen und dort die Bauern um ein Nachtlager zu ersuchen. Es schloffen fich mir mehrere Parteigenossen an, wir gaben uns als Sozialdemokraten zu erkennen und wurden von den Bauern sehr freundlich aufgenommen. Präfident: Es fcheint, als wären die Delegirten auf dem Wydener Kongreß unter falschem Namen aufgetreten. Es ist u. A. eine Mitglieds farte auf den Namen Max Piccolomini aus Erfurt " lautend vorgefunden worden.( Heiterfeit.)- Bebel: Ich muß an nehmen, daß hier nur ein schlechter Wit vorliegt, es hatte Niemand Ursache, fich in Wyden einen falschen Namen bei zulegen.- Präfident: In einem weiteren Artikel des Sozial- Demokrat" ist von einer Partei- Leitung die Rebe? Bebel: Eine Partei Leitung besteht allerdings in den Bersonen der sozialdemokratischen Reichstags- Abgeordneten -Präs.: In einem Aufruf der sozialdemokratischen Reichs tags- Abgeordneten heißt es: Die private Organisation tann nicht vernichtet, das geistige Band, das uns umschlingt, nicht gerriffen werden, es müßte denn die moderne Zivilisation auf gehoben werden. Bebel: Dieser Artikel bestätigt doch voll inhaltlich meine bisherigen Ausführungen. Eine private Orga nisation von Mann zu Mann, ein geistiges Band wird immer bestehen bleiben und ist doch gewiß nicht strafbar. Mit großem Vorbedacht ist der Baffus angewendet worden: es müßte denn die moderne Bivilisation aufgehoben werden." Damit war gemeint: die moderne Produktionsweise bedingt das Bus sammensein vieler Arbeiter in einer Fabrit. Dadurch ist die Organisation eigentlich von selbst geschaffen, eine weitere for melle Organisation ist gar nicht erforderlich. Wenn man aber Diese private Organisation vernichten wolle, dann müffe man bie moderne fapitalistische Produktionsweise überhaupt aufs heben. Es werden hierauf noch mehrere Artikel aus dem Sozial- Demokrat verlesen, die jedoch etwas Neues nicht zu Zage fördern. Unter Anderem wird in einem Artikel fonstatirt, daß mehrere spezielle Organisationen zu bestimmten Zweden bestehen, die der Polizei nicht unbekannt find. Bebel: Ich bemerke, daß der betreffende Artikel im Jahre 1883 erschienen ist. In diesem Jahre hat in der That u. A. selbst in Berlin eine von der Polizei genehmigte sozialdemokratische Organisation bebufs Vorbereitung von Wahlen bestanden. Minister v. Butt famer hat dieser Organisation selbst im Reichstage erwähnt und die Bildung derselben als gefeßlich zulässig bezeichnet.

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Der Gerichtshof beschließt alsdann nach längerer Bes rathung, die von Vollmar im Reichstage gehaltenen Reden zu verlesen. Es heißt in einer dieser Reden, die bei Gelegenheit Der Besprechung des Rechenschaftsberichts über den über Berlin verhängten fleinen Belagerungszustand gehalten wurde: Es ist in dem Rechenschaftsbericht der Regierung gesagt: Es ist felbft in den Bezirken, über die der kleine Belagerungszustand verhängt worden ist, nicht gelungen, die Organisation der Sozialdemokraten zu zersprengen; ich fann dies nur vollständig bestätigen."- Auf Befragen des Präsidenten geben die An­Auf Befragen des Präsidenten geben die An­geklagten sämmtlich zu, an dem Kopenhagener Kongreß theils genommen zu haben. Präfident: Es fällt nun auf, daß das Protokoll über den Kopenhagener Kongreß bedeutend dürftiger als das über den Wydener Kongreß ist; es gewinnt dadurch den Anschein, als sei man in Kopenhagen mit der Ver öffentlichung der Kongreßverhandlungen vorsichtiger gewesen, öffentlichung der Kongreßverhandlungen vorsichtiger gewesen, als in Wyden?- Bebel: Das war feineswegs der Fall; allein die Erfahrung lehrte, daß das Interesse für die Kongreß­verhandlungen ein nicht so reges war, um die Herausgabe eines ausführlichen Protokolls zu veranlaffen. Auf Antrag Auf Antrag Bebel's. wird ein im Jahre 1884 im Sozial- Demokrat erschienener Artikel verlesen, in dem es u. A.. heißt: es u. A. heißt: Die Parteigenoffen sollen ihre Parteibeiträge entrichten, auf welche Weise es ihnen am besten und leichtesten erscheint; in derselben Weise soll auch die Verbindung zwischen den Barteigenoffen unter einander unterhalten werden."-Bebel: Dieser Artikel bestätigt wiederum, daß eine eigentliche Organis sation nicht bestand und daß auf den Kongreffen eine Organis sation nicht beschloffen wurde. Es werden hierauf mehrere Stellen aus dem Wydener Kongreßprotokoll verlesen. Es heißt dabei u. A. Die Barteileitung fonnte selbstverständlich nach Erlaß des Sozialistengefeges nicht gleich mit einer Neu- Orga nisation fertig sein." Bebel: Ich bemerte, daß gleich nach Erlaß des Sozialistengefeßes der Parteivorstand in Hamburg der Hamburger Behörde seine Auflösung anzeigte, daß also damit gleichzeitig die Auflösung der Organisation erfolgt war. Selbstverständlich mußte nun die Parteileitung die sozialdemo fratische Reichstagsfraktion in die Hand nehmen. Bum Min deften mußte doch eine Leitung vorhanden sein, die für die Opfer des Sozialistengefeßes Sorge trug. Solche Opfer waren zunächst diejenigen, die auf Grund des über Berlin verhängten Heinen Belagerungszustandes ausgewiesen wurden; es waren dies ferner eine Reihe von Redakteuren, Expedienten, Schrifts segern 2c., die durch Verbot von Zeitungen brotlos wurden. Im Weiteren ist auf dem Wydener Kongreß der Beschluß der fozialdemokratischen Reichstags Frattion, den Ausschluß Haffelmann's aus der Partei betr., distutirt und schließlich bes stätigt worden. Der Präsident bemerkt: Danach hat es doch wohl den Anschein, als üben die Kongreffe die Oberaufsicht über die Parteileitung. Bebel: Als die Reichstagsfraktion Bebel: Als die Reichstagsfraktion den Ausschluß Haffelmanns aus der Fraktion und damit auch aus der Partei beschloß, da erhoben fich Stimmen, die die Ausschließung nicht billigten. Wir sahen uns deshalb ge nöthigt, den Beschluß der Fraktion den Wydener Kongresse vorzulegen. Auer: Die Ausschließung Haffelmanns erfolgte, well er fich auf der Tribüne des Reichstages mit den russischen Nihilisten für identisch erklärte. Es mußte doch daher der Parteileitung frei stehen, den Ausschluß Haffelmann's zu ver anlaffen, ein Recht, das doch jeder Partei zusteht. Es muß uns doch zustehen, Jeden, der die Partei kompromittit, von derselben auszuschließen. Daß die Partei nach wie vor besteht, geben wir zu, allein das ist doch nicht strafbar, es fommt doch lediglich darauf an, ob wir geheime Verbindungen unterhalten haben. haben. Bras. Diese Jhre legten Ausführungen wären beffer im Schluß Plädoyer angebracht. Im Weiteren fagte laut Protokoll Liebknecht auf dem Wydener Kongreß: Es wäre Wahnsinn gewesen, wenn die Abgeordneten der Partei den Befehl zum Losschlagen gegeben hätten"; danach hat es doch den Anschein, als wären die sozialdemokratischen Reichs­tags- Abgeordneten mit den weitgehendsten Vollmachten betraut gewesen?

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Auer: Es ist nothwendig, die Ursache jener Worte Lieb­fnecht's flar zu legen. Sehr bald nach Erlaß des Sozialisten­Gefeßes wurden wir von Moft und seinen Anhängern der Feigheit beschuldigt. Feigheit beschuldigt. Diese und auch franzöfifche Parteige. nossen sprachen es offen aus: Es ist feige von uns gewesen, daß wir uns die Unterdrückung unserer Partei so ruhig haben gefallen laffen und daß die sozialdemokratischen Reichstags­Abgeordneten nicht die Parole zum Losschlagen gegeben haben, deshalb sab fich Liebknecht genöthigt, eine solche Aeußerung auf dem Wydener Kongreß zu thun. Selbstverständlich spricht dies noch nicht für eine geheime Drganisation. Es werden hierauf verschiedene Stellen aus dem Kopenhagener Kongreß protokoll verlesen. Daraus ist zu entnehmen, daß auf diesem Rongreffe mehrere Anträge für Bildung einer geschloffenen Parteiorganisation gestellt, dieselben jedoch sämmtlich nach län­gerer Distusfion, in welcher fie als unzulässig bezeichnet wur­den, abgelehnt worden find. Bebel: Es ist ja nicht zu ver wundern, daß auf einem Kongreß, der aus den verschiedensten Elementen zusammengesezt ist, auch die manigfaltigsten An­träge gestellt werden. Der Umstand, daß diese Anträge jedoch lebhaft bekämpft und schließlich sämmtlich abgelehnt wurden, bestätigt jedoch vollständig meine Behauptungen. Es wer ben hierauf noch einige Artikel aus dem Sozial- Demokrat" vers lesen, die die Parteidisziplin behandeln; alsdann tritt gegen 12 Uhr Mittags eine zweistündige Pause ein.

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Nach Wiederaufnahme der Verhandlung werden weitere Stellen aus dem Kopenhagener Kongreß Protokoll verlesen. Es heißt dabei u. A.: Es find bisher 56 Vertreter aus allen größeren Parteibezirken anwesend. Bebel: Der Ausdruck Parteibezirke" ist jedenfalls gewählt worden, da man die Orte nicht nennen wollte, les hätte auch ebenso gut beißen fönnen Drte" oder Wahlkreise".- Präs.: Wahlkreise und Parteibezirke deckt sich doch nicht. Auer: Die Sache klärt fich vielleicht in der Weise auf, daß ich, wie an einer ferneren Stelle des Kongreßprotokolls steht, auf dem Kongres gesagt: ich habe allen Bartei- Kongreffen seit dem Jahre 1872 beige, wohnt und muß konstatiren, daß noch niemals auf einem Partei- Rongreß aus allen Bezirke, in denen die Partei Anhänger Bartei Kongreß aus allen Bezirke, in denen die Partei Anhänger hat, so vollzählig Vertreter anwesend waren, wie auf dem Kopenhagener. In dieser Weise ist wohl das Wort Partei, bezirke" zu verstehen. Eine weitere Verlesung bestätigt eine solche, von Auer auf dem Kopenhagener Kongreß gethane Aeußerung. In dem Wydener Kongreßprotofoll wird von einem Berliner Zentral- Komitee gesprochen. Bebel: Dies Bentral- Komitee hatte für die Unterſtügung der ausgewiesenen Barteigenossen und deren Angehörige Sorge zu tragen. Bräfident: Wer hatte das Bentral Komitee gewählt? Bebel: Jedenfalls die Berliner Parteigenoffen.- Präs.: Stand dies Bentral Romitee mit der Parteileitung in irgend welcher Verbindung? welcher Verbindung? Bebel: Absolut nicht.- Auer: Das Berliner Polizei- Präfidium, das eine ganze Reihe von Parteis genoffen wegen ihrer Bugehörigkeit zum Bentral Komitee auß­gewiefen und das doch jedenfalls zu dem gegenwärtigen Prozeß viel Material geliefert hat, fann über die näheren Umstände der Bildung des Bentral Komitees jedenfalls nähere Auskunft geben. In weiteren Artikeln des Sozial- Demolrat" wird von einem Landesausschuß der Parteibezirle gesprochen.- Bräf.: Was hat es mit diesem Landesausschuß für eine Be wandinig? Bebel: Dieser Landesausschuß beftand für die im Auslande lebenden Deutschen , eine Verantwortung für diese Organisation lehnen wir ab. Präs.: Es dürfte Ihnen bes fannt sein, daß in Breslau wegen Bildung eines Landesaus schuffes eine Bestrafung erfolgt ift? Bebel: Gewiß, nicht Bebel: Gewiß, nicht nur in Breslau , auch in München ist eine solche Bestrafung erfolgt. Auer: Ich kann hinzufügen, daß auch in Raisers lautern eine solche Bestrafung erfolgt ist, daß jedoch in Folge einer beim Reichsgerichte eingelegten Reviston schließlich

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eine Freisprechung erfolgt ist. Bebel: Wenn Landesausschüffel wirklich bestanden hätten, dann hätte man wohl anderes Material als Artikel des Sozial- Demofrat" gegen uns in's Feld g führt. Bräfident: Was verftehen Sie unter den in weiteren Artikeln des Sozial Demokrat" erwähnten Ver­trauensmännern?- Bebel: Darunter find solche ältere Partei­genossen zu verstehen, die das Vertrauen der Parteigenoffen genießen. Die Vertrauensleute brauchen nicht gewählt zu wer den, sondern entstehen von selbst. Sie find nothwendig zur Vorbereitung von Wahlen, zur Bestimmung für zu gebende Unterſtügungen. Diese fich von selbst ergebende Organisation der Vertrauensmänner ist um so nothwendiger, da es notorisch vorgekommen ist, daß ganz besonders aus Berlin eine Anzahl Leute ausgewiesen wurden, die im Dienste der Polizei standen und die fich nur ausweisen ließen, um das Vertrauen der Polizei zu erlangen und etwas zu erfahren. Im Uebrigen ers giebt folgende von dem aus Berlin ausgewiesenen Stadtver ordneten Ewald der Berliner Polizei eingereichte Anmeldung einer Vertrauensmänner Versammlung, daß eine solche nichts weniger als geheimen Charakters ist, sondern unter den Augen der Polizei abgehalten wird. Der Präfident ver­lieft die von Bebel überreichte polizeiliche Versammlungs- An­meldung Ewald's.

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Bräfident: Wieso entstanden die ständigen Vertrauens­Bebel: Es ist doch sehr erklärlich, daß z. B. in einer Stadt, wie Chemniz, nach Erlaß des Sozialisten- Gefeßes eine Anzahl Vertrauensmänner ständig funktioniren. Derartiges wäre allerdings unmöglich gewesen, wenn die Partei erst nach Erlaß des Sozialisten Gefeßes in's Leben getreten wäre. Das Sozialisten Gesez hat nämlich den Fehler, daß es 15 Jahre zu spät gekommen ist. Auer: Ich wohne jest fünf Jahre in Schwerin , es ist doch selbstverständlich, daß, wenn Jemand über Schweriner Parteiverhältnisse etwas wissen will, fich an mich wendet, da doch jedem Genoffen bekannt ist, daß ich ihm darüber die beste Auskunft geben kann. Ich bin somit, wie von selbst, der ständige Vertrauensmann der Partei. Aehnlich werden die Verhältnisse in allen anderen Drten liegen. Dies ift aber doch keine geheime Organisation, um die allein es fich hier handeln kann. Die Partei besteht nach wie vor, sie bes fteht aus hunderttausenden von Männern, die vielfach aus­schlaggebend bet den Wahlen find, hat ihre offizielle Vertretung im Reichstage, das ist Jedermann bekannt. Die Partei als solche ist nicht verboten, sondern doch lediglich ihre Organisation. Das Borbandensein von Vertrauensmännern beweist aber, wie bereits des Näheren ausgeführt, noch keineswegs das Vorhandensein irgend einer Organisation. irgend einer Drganisation. Präs.: Weitere Artikel des Sozialdemokrat" tonftatiren, daß die Partei Beamte habe.- Bebel weist nach, daß der betreffende Artikel sich auf die Beit vor dem Sozialistengefeß bezieht. Aus einem weiteren Ar titel des Sozialdemokrat" geht hervor, daß vor einiger Zeit eine sächsische Landesversammlung der Sozialdemokraten statt gefunden hat. Bebel: Diese Versammlung hat, so viel ich weiß, stattgefunden, ich weiß nur nicht, was fie mit der gegen wärtigen Anklage zu thun hat. Es tönnte fich hierbei doch lediglich um eine Verlegung des sächsischen Vereinsgefeßes handeln. handeln. Präs.: Diese Bersammlung beweist doch aber, daß unter den verschiedenen Sozialdemokraten ein gewiffer Bu sammenhang besteht?- Bebel: Allerdings besteht ein solcher Busammenhang. Würde er nicht bestehen, dann würden wir ihn schaffen. Dies beweist aber noch keineswegs die Unter­haltung einer geheimen Verbindung. Es würde mir z. B. ein Leichtes sein, morgen Abend hier in Chemnis eine Ver­ſammlung von 3000 Personen zu Stande zu bringen und awar ohne die geringste Beitungs Annonze und ohne daß die geringste Organisation besteht. Ich brauche blos die Absicht laut werden lassen, morgen Abend in einer Versammlung zu sprechen und wie ein Lauf­feuer würde fich diese Kunde durch alle Fabriken verbreiten. ( Heiterkeit im Auditorium.)- Präs.: Jch fordere das Publi fum auf, fich ruhig zu verhalten; ich werde im Wiederholungs falle die Schuldigen feststellen und wenn dies nicht gelingen sollte, die Tribünen räumen laffen. Der Gerichtssaal ist fein Ort, wo sich Mißfalls- oder Beifallsbezeugungen ge ziemen.

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Weitere im Sozial Demokrat" erschienene Artikel sprechen von Vertrauensmänner Konferenzen. Der Angeklagte Ulrich bes merlt: Er sei selbst Mitglied der in Heffen regelmäßig ftatts findenden Vertrauensmänner- Ronferenzen, die stets unter den Augen der Polizei stattfinden. In diesen Konferenzen werden Der Präs fast ausschließlich Wahlangelegenheiten besprochen. fident tonstatirt, daß die Bartet einen Unterstügungsfonds und einen Flugschriftenfonds habe. Auer: Das ist richtig, aber jedenfalls Wir nicht strafbar. quitfiren ftets So über alle Fonds öffentlich. erhielten wir eines Tages von einem nicht zu unserer Partei gehörigen Reichs­tags- Abgeordneten 3000 Mart, die von Abgeordneten der verschiedensten Parteien behufs Unterstüßung der Opfer des Sozialistengefeßes gesammelt worden waren. Der Abgeordnete Laster hat fich z. B. ganz unendlich für derartige Unterſtügun gen intereffirt. Präfident: Des Weiteren ist in dem Wyde ner Rongreß- Protokoll von Parteisteuern die Rede. Auer: Wir leugnen nicht, daß wir Barteisteuern gesammelt, allein be­stimmte Steuern nach festen Normen haben wir nicht erhoben und konnten sie nicht erheben. Es find allerdings auf dem Wydener Kongreffe derartige Anträge gestellt worden, die, nach­dem die Organisation aufgelöst, die Druckereien geschloffen u. f. w., fehr erklärlich waren. Allein ganz besonders waren es Bebel und ich, die diese Anträge bekämpften, weil wir wußten, daß fie der Partei Ungelegenheiten bereiten tönnten. Die Anträge wurden auch sämmtlich abgelehnt. Im Weiteren ftellt Bebel in Abrede, daß die Schweizer Vereinsbuchdruckerei und Buch­handlung, in welch' ersterer der Sozialdemokrat" gedruckt wird, Eigenthum der sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist.- Auf weiteres Befragen des Präsidenten giebt Bebel zu, daß der Sozialdemokrat" das offizielle Organ der sozialdemokrati­schen Partei Deutschlands ist, er tonstatirt jedoch aus einer von ben sozialdemokratischen Reichstags Abgeordneten an Redaktion des ,, Sozialdemokrat" erlaffenen Erklärung, betreffend das Verhalten der sozialdemokratischen Abgeordneten bei der Abstimmung über die Dampferfubvention im Reichstage, daß über den Einfluß der Parteileitung auf die Haltung des ,, Sozialdemokrat" innerhalb der Reichstagsfraktion sowohl, als auch innerhalb der einzelnen Parteigenoffen große Meinungss verschiedenheiten bestehen und daß die Parteileitung nicht für den Gesammtinhalt des Sozialdemokrat" verantwortlich ge macht werden kann. macht werden fann.- bier wird die Sigung gegen 7 Uhr Abends auf Dienstag Vormittag 9 Uhr vertagt.

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Briefkasten der Redaktion.

6. M. 122. Nein.

R. B. 1. Die Versammlungen müssen angemeldet werden. D. W., Stalizerstr. Nur das, was Sie vor dem Richter aussagen, ift maßgebend.

Fiedler. Brinzenstraße 93 im Restaurant.

W. Sch. Im indischen Ozean.

H. B., Hollmannstraße. Das ist niemals geschehen. W. H., Dresdnerftr. 77. 37 Rilometer.

F. D., Restaurateur. Dafür existiren leine bestimmten Beitungen.

E. M. , Meßerftr. 3. Das 7. Brandenburgische Infan terieregiment Str. 60 liegt in Weißenburg und Bitsch und ge­hört zum 15. Armeekorps.

W. L., Belle- Allianceftr. Sie haben keine Alimente zu bezahlen. F. Z., Barnimftr. Aus Ihrer Anfrage tann man nicht flug werden.

Berantwortlicher Rebatteur R. Gronheim in Berlin . Druck und Berlag von Mar Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2.

Hieran eine Beilage.