Beilage zum Berliner Volksblatt.

Hr. 228.

Politische Uebersicht.

Die Krisis in den Baltanländern. Das Steinchen, welches in den Ballanländern ins Rollen gekommen ist, nimmt immer größere Dimensionen an. Serbien   und Griechenland  rüsten und auch der Fürst von Montenegro läßt in seinem Duobezstaate Lärm schlagen.

Aus Athen   wird berichtet: 3wei Klaffen von Reservisten, etwa 5000 Mann, find zur Fahne einberufen worden. Auf Anordnung der Regierung werden mehrere Regimenter In­fanterie, Ravallerie und Artillerie, im Ganzen 17 000 Mann, an verschiedenen Punkten in Thessalien konzentrirt. Die jüng­ften Vorgänge in Ostrumelien haben im ganzen Lande ein Ge fühl der Empfindlichkeit und Entrüftung erzeugt.

Aus Brizrend meldet man eine allgemeine Erhebung AI­baniens, welches größtentheils von Truppen entblößt ist. Die serbische Regierung hat den Anlauf und die Requifition von Pferden angeordnet. Die Polizei hat den wehrpflichtigen Serben verboten, fich über die Grenzen des Landes hinaus zu entfernen, und gleichzeitig die zwangsweise Einreihung freinder Unterthanen begonnen.

Der N. Fr. Pr." zufolge paffiren russische   Offi­ziere in Biviitleidern Semlin, um nach Bulgarien  abzugeben. Wie die Schles. Btg." wissen will, werden in nächster Zeit von Petersburg   aus russische   Offiziere und Mann­schaften nach Montenegro abgehen, um dort als Instrut toren für das neu zu bildende stehende Herr zu dienen. An der Spige jener Instruktoren wird ein Kapitän der russischen Garde- Infanterie stehen, unter deffen Leitung die Stammtruppen für das stehende Heer geschult werden sollen. Die russischen Offiziere und Mannschaften werden während ihrer, vorläufig auf ein Jahr bemessenen Anwesenheit in Montenegro einen sehr hohen Sold beziehen.

-

In Sofia  ( Hauptstadt von Bulgarien  ) ist die Sabranje ( Boltsvertretung) am 23. September zusammengetreten und auch am selben Tage wieder geschloffen worden. Sie ertheilte dem Fürsten   Merander unbedingte Vollmachten, verfügte Ver­hängung des Belagerungszustandes und Suspension des Preß gefeßes, bewilligte 5 Millionen Franks zur unbedingten Dis pofition des Fürsten   und überdies 10 Millionen als Reserve fonds. Alle bulgarischen Beamten sind in die Miliz eingereiht, um in Abwesenheit der Armee die Ordnung zu erhalten. Ueberall haben fich Damen- Komitees gebildet, um die Ambu Lanzen zu unterstügen. Von Philippopel   gehen fortwährend Expreßzüge mit Truppen an die Grenze ab, wo sich Baschi Bozuts in Menge zeigen. In Rumelien   herrscht Waffenmangel. Ein großer, von Rußland   fommender Patronentransport für Bulgarien   wurde in Reni aufge­halten.

Aus Sofia   wird unterm 25. September telegraphisch ge meldet: Das bereits signalisirte bulgatische Rundschreiben an die Mächte besagt, der Fürst habe es in Folge der vollzogenen Thatsachen für seine heilige Pflicht gehalten, den Wünschen der Rumelier nachzugeben. Das Rundschreiben erinnert an die Depesche des Fürsten  , in welcher er fich für die Ruhe des Landes und die Sicherheit aller seiner Bewohner verbürge, und an das einstimmige Votum der Kammer, sowie an deren Wunsch, daß die Mächte bei dem Sultan fich für die Aner­tennung der Union   verwenden möchten. Die europäischen   Res gierungen möchten ihre Stimmen erheben, um einem Konflikt vorzubeugen, denn die türkische Armee könne jeden Augenblick eine Angriffsbewegung machen."- Dem Battenberger scheint doch etwas schwül zu werden bei der Sache, allem Anschein nach dürfte auch für ihn nicht Alles so glatt verlaufen.

Die Türkei   bat bekanntlich an die Konferenz. Mächte ( welche auf der Berliner   Konferenz vertreten waren) ein Schreiben gerichtet, in welchem fie gegen das Verfahren des Fürften von Bulgarien   protestirt. In Folge dessen wird in Konstantinopel   eine Konferenz sämmtlicher Botschafter dieser Mächte stattfinden, welche wahrscheinlich das Ergebniß haben wird, daß man der Türkei   das ihr laut Berliner   Vertrag zu stehende Recht der Oberherrschaft über Ostrumelien auf's Neue bestätigt. Inzwischen hat in Konstantinopel   eine Minifter trifis ftattgefunden, ein neues Ministerium hat das bestehende verdrängt. Ali Saib Pascha wurde zum Kriegsminister ernannt und bleibt zugleich Großmeister der Artillerie. Der bisherige türkische Botschafter in Berlin  , Said Pafcha, ist zum Minifier des Aeußern ernannt worden und wird somit Leiter des neuen Ministeriums sein. Daffelbe hat bereits eine Sigung gehalten, in welcher der kritische Stand der Angelegenheiten Gegenstand der Erörterung bildete. Fast allgemein wird an genommen, daß das neue Kabinet eine versöhnliche Politik ein­schlagen werde, und zwar in dem Sinne, daß es in Ueberein­stimmung mit den Mächten handeln werde. Das neue Kabinet wartet die Rathschläge der Mächte ab, trifft aber fortgefeßt Vorbereitungen für den Fall, daß eine Altion nothwendig werden sollte, und sollen die Reserven in den europäischen   Pro­vinzen einberufen werden.

Leicht wird es dem türkischen Kabinet nicht werden. den von allen Seiten herandrängenden Feinden der Türkei   Wider­stand zu leisten. Jeder möchte gern ein Stüd Land und auch gleich das größte erhaschen. Dabei giebt es auch noch im innern des Landes an verschiedenen Punkten Kämpfe. So ist es zwischen den türkischen Truppen und den Albanesen zu einem blutigen Kampfe gelommen, wobei auf Seiten der Türken 100, von den Albanesen aber gegen 1000 Mann ges fallen find. Die letteren haben sich den türkischen Führern nunmehr unterworfen. Die Makedonier wollen auch nichts von der türkischen Herrschaft wiffen. Ein Telegramm aus Sofia   meldet, daß 200 bewaffnete Makedonier dort eintrafen, welche sofort von der Grenze weg nach Ostrumelien dirigirt wurden. Sie lommen den Bulgaren   recht gelegen.

Aus London   wird telegraphirt: Die Großmächte haben auf Vorschlag Frankreichs Griechenland   eine ruhigere Haltung empfohlen. Ein ähnlicher Schritt steht bezüglich anderer Ballanregierungen bevor.

Fürft Alexander reist im Lande umber und läßt sich wie der Telegraph pflichtschuldigst mittheilt von der Bevöl terung bulbigen. Er soll sich dahin ausgesprochen haben, daß von bulgarischer Seite nicht der erste Schuß" fallen werde. Als ob er das verhüten könnte! Hinterher will freilich Nie mand das Karnidel gewesen sein. Wäre die Türkei   nicht noch von anderen Seiten in Anspruch genommen und lägen die Verhältnisse am Bosporus   nicht gar zu sehr im Argen, so wäre nicht nur der erste Schuß schon gefallen, sondern Hun derte und Tausende würden bereits mit ihrem Blute die Felder gebüngt haben. Vorläufig wird nun zwar die Diplo matie die Angelegenheit zu ordnen suchen, statt der Flinten und Säbeln werden die Federn in Bewegung gesetzt werden, das Intriguenspiel wird beginnen. Ob damit aber die bul garische Frage zur Lösung gebracht werden kann? Schwerlich! Auf Grund des Sozialistengesetes macht der Reichs­Anzeiger" bekannt, daß den Personen, welche aus den Bezirken des fleinen Belagerungszustandes ausgewiesen sind, der Auf­

Mittwoch, den 30. September 1885.

enthalt innerhalb dieser Bezirke auch fernerhin untersagt ist. I Ausgenommen hiervon find nur diejenigen Personen, welchen der Aufenthalt in den erwähnten Kreisen durch besondere Ber fügungen ohne Vorbehalt wieder gestattet ist.

Der Reichsanzeiger publizirt folgende Verordnung, die Ausführung des Gesezes über die Ausdehnung der Unfall­und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 betreffend, vom 22. September 1885. Bur Ausführung von§ 1, Biffer 1 des Gesezes über die Ausdehnung der Unfall und Krankenver­ficherung vom 28. Mai 1885( Reichs- Gesezblatt Seite 159) in Verbindung mit§ 109 Abfag 1 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884( Reichs- Gesezblatt Seite 69) wird im An schluffe an die Verordnung vom 19. Juli 1884( Gesez, und Verordnungsblatt Seite 198) bestimmt, daß für die innerhalb des töniglich fächsischen Staatsgebietes gelegenen Strecken der Bittau- Reichenberger, der Gaschwiz Meuselwitzer   und der Ober­hohndorf- Reinsdorfer Privateisenbahn die den höheren Ver­waltungsbehörden zugewiesenen Verrichtungen der General Direktion der Staatseisenbahnen und die Verrichtungen der unteren Verwaltungsbehörden, welchen auch die Funktionen der Orts- Polizeibehörden in Betreff der in Rede stehenden Privatbahnbetriebe auf Grund des§ 109 des Unfallversiche­rungsgesetzes vom 6. Juli 1884 obliegen sollen, für die be treffenden Strecken bei der Zittau  - Reichenberger Privatbahn der Betriebs Ober Inspektion Dresden  , Neustadt I( Schlesischer Bahnhof  ), bei der Gaschwig- Meuselwiger Privatbahn der Be triebs- Ober- Inspektion Leipzig I( Bayerischer Bahnhof) und bei der Oberhohrdorf- Reinsdorfer Privatbahn der Betriebs- Ober­Inspektion 8widau übertragen werden. Dresden  , am 22. September 1885. Minifterium des Innern.

-

-

Kommunales.

Tagesordnung für die Situng der Stadtverordneten­Versammlung am Donnerstag, den 1. Oktober cr., Nach mittags 5 Uhr. Vorlagen, betr. Penfionirungen und An­stellungen Berichterstattung des Ausschusses für Rechnungs fachen desgl. über die Vorlage, betr. die Verrechnung der für dienstunfähige Feuerwehrbeamte an Stelle der Pension bewilligten Beträge Vorlage, betr. die Errichtung einer neuen Beamienſtelle und einer neuen Dienerstelle bei der Spar kaffe, sowie die Einstellung eines zweiten Wagens bei derselben zur Vermittelung des Verkehrs mit den Annahmestellen­desgl., betr. den Verkauf der Baulichkeiten auf dem zur Frei­legung der Vorkstraße erworbenen Terrain des Grundstücks Mödernstraße 92/93 zum Abbruch desgl., betr. die Er­werbung des von dem Grundstücke Wallstraße 32/33 zur Straße freigelegten Terrains desgl., betr. die bei der Haupt­Stiftungstaffe vorgekommenen Unterschlagungen- desgl., betr. die bei der Berathung des Etats der sächlichen Kosten der Ortspolizei Verwaltung pro 1885/86 gefaßten Refolutionen- desgl., betr. die Schließung der öffentlichen Wochenmärkte- desgl., betr. die Notatenbeantwortung zum Finalabschluß des Bentral Viehmarktes, des Zentral- Schlachthofes und der Fleisch­schau pro 1. April 1883/84 schau pro 1. April 1883/84- eine Rechnung Vorlage, betr. eine Unterſtügungsfache desgl., betr. den Ablauf der Wahlperiode der Zivil- Mitglieder der beiden Ersatz Kom­missionen.

-

-

-

Lokales.

Ueber Arbeitslöhne und Materialienpreise vor hun dertunddreißig Jahren geben die zum Bau des neuen Hoch­gerichts an dem heutigen Gartenplay eingereichten Rechnungen interessante Aufschlüsse. Durch fönigliche Kabinete ordre vom 27. Mai 1752, so berichtet die die Staatsb.18tg.", wurde dem Magiftrat anbefohlen, das alte Hochgericht auf dem Neuen Markte abbrechen und ein neues vor dem Hamburger und Rosenthaler Thor errichten zu laffen. Der Abbruch und Neubau foftete 1196 Thlr. 16 Gr.( der Thaler ist immer 24 gute Gro­schen gerechnet), durch Verlauf von alten Materialien wurden 462 Thlr. 28 Gr. 10 Pf. gelöst, zu den baren Ausgaben gab die furmärkische Renteitaffe 326 Thlr. 21 Gr. 10 Pf. Was nun die bezahlten Arbeitslöhne betrifft, so erhielt ein Maurer. polier täglich 13 Gr., ein Maurer 11 Gr., ein Handlanger 51% Gr., ein Zimmermeister 1 Thlr., 1 Bimmerpolier 13 Gr., 1 Bimmergeselle 11 Gr. Die Steinmeße berechneten für den Meister 1 Thlr., für den Gesellen 18 Gr., doch wurde für den felben nur 14 Gr. bewilligt. Die Huf- und Waffenschmiede forderten für den Meister 1 Thlr. 8 Gr., für den Gesellen forderten für den Meister 1 Thlr. 8 Gr., für den Gesellen 1 Thlr., doch wurden nur 1 Thlr., resp. 16 Gr. bewilligt. Ein gewöhnlicher Tagelöhner erhielt 6 Gr., der Nachtwächter beim Bau 5 Gr., der Stadtwachtmeister für Ueberbringung des täglichen Rapportes 6 Gr. Eine bedeutende Reduktion Eine bedeutende Reduktion mußte fich der Steinmegmeister gefallen laffen. Derselbe liqui birte 147 Thtr. 4 Gr., erhielt jedoch nur 99 Thlr.; die Hers stellung des sogenannten Rabensteines" loftete beispielsweise

27 Thlr. 16 Gr. Was die Preise der Materialien betrifft, so erfahren wir, daß 1 Wispel Kalt 16 Gr., 1 Scheffel Gips 16 Gr., 1 Pfd. Blei 14 Gr., 1 Pfd. neues Kupfer 8 Gr. 9 Pf., 1 Bfd. altes Kupfer 6 Gr. foftete. Altes Eisen wird das Pfund mit 7 Bf. berechnet, 1 Schock tienene Tischlerbretter toftet 20 Thr., der laufende Fuß Kreuzholz 6 Gr., ganzes Holz 1 Gr. 3 Pf. Während die Anstricharbeit mit 38 Thlr. hoch berechnet erscheint, find die Kosten für Anlage eines Brunnens sehr gering. Einen solchen mit 8 Fuß Wassertiefe herzustellen kostet alles in allem 20 Thlr. 23 Gr, gewiß auch für damalige Verhält niffe ein bescheidener Preis, denn man fann unbedenklich annehmen, daß der Werth des Geldes, das heißt seine Kaufkraft, vor 130 Jahren dreimal größer war als heute. Da nun grade vom Hochgericht die Rede ist, wollen wir noch einer Kleinen Roften­rechnung für Justifizirung zweier armen Sünder gedenken. Dies felbe lautet nach dem Orginal: Waß mir ist ausgezahlet wor den von des Herrn Hoch Edlen Magistrath an Excucion Gebühr, die Frau mit dem Schwerte   von Leben zum Tode ge­bracht 16 Sr., den Leib auf den Nade und den Kopf auf den Pfahl 16 Gr., vor den Nagel zum Kopf und Strid 16 Gr., Bor den Kerll auf den Karrn die Stad um zu fahren 16 Gr., vor aufzuhängen 16 Gr. Eine Kette umb den Leib und umb den Half 12 Gr. den 19. December 1747. Wittwe Weid mannin. Scharff Richtern.

ar. Der Pferdewurstfabrikant Grägeweit aus Rir­dorf, welcher in den ersten Tagen der vergangenen Woche vers baftet wurde, ist am Donnerstag aus der Untersuchungshaft wieder entlaffen worden.

hg. Die Berliner   Sängerschaft hatte am Sonntag unter Leitung ihres Dirigenten Herrn Edwin Schulz, im Konzerthause einen Liederabend" veranstaltet, welcher recht glänzend verlief. Die Berliner   Sängerschaft ist eine Ver einigung von fünf Männergesangvereinen, von denen der aus 50 Mitgliedern bestehende Gefangverein des großen Berliner  Handwerkervereins den Kern bildet. Der aus 120 Sängern bestehende Chor sang die gewählten Lieder, bis auf lleine Schwankungen in der Intonation, recht brav. Die Aussprache

"

II. Jahrg.

war durchweg musterhaft; es ist dies ganz besonders zu be wundern, da, wie man uns mittheilte, nur sechs Gesammt proben stattgefunden hatten. Was würde diese Vereinigung als ein Verein leisten, wenn derselbe jede Woche unter Schulz' bewährter Leitung übte!? Schade, daß unsere Herren Sänger noch immer nicht einsehen können, daß nur ein großer Verein Großes" leisten tann und alle kleinen Vereine Stüd­wert find. Von den Chören nennen wir als be= fondeis gelungen: An das Vaterland" von Kreuzer; Herbstlied" von Dürrner; ,, Roth Röselein" von Edwin Schulz, " Untreue" von Silcher   und als die vollendeste Leistung: Lieb der Deutschen   in Lion" von Mendelssohn  . Unterstüßt wurden die Konzertgeber durch die Sängerin Frl. H. Liebert und den Kgl. Kammermusiker Herrn Felix Meyer. Der lettere erntete wohlverdienten Beifall und wurde nach jeder Nummer stürmisch gerufen.

Die Bühnenproben zum Offenbachzyklus haben bereits ihren Anfang genommen und nach dem Verlauf derselben laffen sich nunmehr die einzelnen Phasen dieser interessanten Vorstellungen näher präzistren. Herr Direktor Fritsche hat bei der Festsetzung der einzelnen Aufführungstermine nicht nur auf die physische Leistungsfähigkeit des Personals des Friedrichs Wilhelmstädtischen Theaters Rücksicht nehmen zu müssen ge glaubt, sondern auch die Stipulation des Vertrages im Auge behalten müssen, nach welchem die erste Serie des Zyklus am 15. November beendet sein muß. In Folge deffen ist die Zahl der Wiederholungen in der ersten Serie eine ungleiche, was nicht ausschließt, daß diesen Operetten dafür im zweiten Turnus mehrere Abende eingeräumt werden. Den Anfang macht am 8. Oktober die Aufführung der drei reizvollsten Einakter: Hochzeit bei Laternenschein, Baubergeige, Mr. und Mme. Denis; Sonnabend, den 10. Oftober folgt: Orpheus in der Unter­ welt  ; als dritter Abend schließt sich an am 17. Oktober. Die schöne Helena; als vierter Abend am 28. Oktober: Die Groß­herzogin von Gerolstein; als fünfter Abend am 28. Oktober: Blaubart  ; als sechster Abend am 31. Oftober: Pariser Leben  ; als ftebenter Abend am 7. November: Die Banditen, und am 14. November als Schluß der ersten Byllus- Serie: Hoffmann's Erzählungen.

-

Polizeibericht. Am 28. d. M., Vormittags, ging das vor einen Geschäftswagen gespannte Pferd des Fischhändlers Gründel in der Königgräßerstraße durch und lief dabei gegen eine Straßenlaterne an. Gründel wurde durch den Anprall vom Wagen und gegen den Laternenpfahl geschleudert, so daß er eine nicht unbedeutende Verlegung am Kopfe erlitt.- An demselben Tage wurde eine Frau am Elisabeth Ufer von einer Ohnmacht befallen und mußte, da sie sich nicht erholte, nach der Charitee gebracht werden. Um dieselbe Zeit gerieth in dem Hause Prinzessinnenstraße Nr. 30 die Baltenlage unter einer Kochmaschine und einige Stunden später in dem Hause Flottwellstraße Nr. 1 eine Schaldecke in Brand. Beide Feuer wurden von der Feuerwehr in furzer Zeit gelöscht.- An demselben Tage, Abends, fiel ein Arbeiter in der Trunken­heit von der Friedrichsgracht in die Spree, wurde indeß von Schiffern gerettet und nach der Wache des 1. Polizei: Reviers gebracht.

en

Gerichts- Zeitung.

Prozeß Graet. Zweiter Tag

Vorfigender Landgerichtsdirektor Müller eröffnet die Sigung um 9%, Uhr. Die Physiognomie des Saales ist dies selbe, wie am ersten Tage. Nachdem gestern das Inquifitorium beendet worden, beginnt nunmehr die Beugenvernehmung. Um den Geschworenen flar zu legen, auf welche Buntte der Be weißerhebung dieselben ihr Hauptaugenmert zu richten haben, erläutert der Vorsitzende nochmals die vier Punkte der An­flage, welche fich gegen Graef   und diejenigen, welche fich gegen die übrigen Angeklagten richten. Graef   ist befanntlich auch beschuldigt, in dem gegen die Frau Hammermann gerichteten Prozeß wegen Erpressung, am 6. Juni 1884, einen Meineid geleistet zu haben. Der Erpressungsversuch war gegen den Prof. Kretschmer und gegen Prof. Graef unternommen und letterer hat in dem Hauptverhandlungs. Termin ebenso, wie Prof. Kretschmer, beschworen, daß er mit dem als Modell dienenden Mädchen Helene Hammermann feine unzüchtigen Handlungen begangen babe. Auf diese Vorgänge allein bes zieht sich zunächst die Beweisaufnahme, so daß die drei weib­lichen Angeklagten heute vorläufig außer Debatte stehen. Nach Feststellung der aftenmäßigen Vorgänge wird auf Antrag des Justizrath Simson die damals gegen Frau Hammermann und ihren Beirath, den Voltsanwalt Krischen, gerichtete Anklage verlesen, welche damals viele Gründe aufführte, aus welchen die von der fleinen Hammermann und ihrer Mutter gegen Prof. Graef erhobene Beschuldigung als vollständig unglaub würdig erscheinen müsse. Aus den Akten geht ferner hervor, daß Frau Hammermann damals eine unbescholtene Person war, während Krischen bereits eine Vorstrafe von 9 Monaten Ge fängniß wegen Unterschlagung erlitten hatte. Erster Beuge ist Landgerichtsdirektor Bachmann, welcher s. 3. bei der münd lichen Verhandlung gegen Hammermann den Vorsiz geführt hatte. Aus der Darstellung desselben geht hervor, daß in jener Verhandlung Die Helene Hammermann trop ihrer Konfrontation mit den Professoren Graef   und Kretschmer dabei geblieben war, daß beide Herren fte unzüchtig berührt haben. Nach der Erinnerung des Beugen hatte damals der Vertheidiger die irrthümliche Behauptung aufgestellt, daß zwischen Graef   und der Anna Rother ein ganz intimes Verhältniß, welches zu Reisen, zahl reichen Geldspenden ac. geführt, bestanden habe. Als der Frithum in der Person tonstatirt worden war, hat Zeuge den Angeklagten Graef   gefragt: hat zwischen Ihnen und der Bertha Rother ein berartiges Verhältniß bestanden?" worauf Graef   auch diese Frage verneint und nachher seine Aussage beschworen hat. Die Feststellung des Wortlautes der kritischen Frage macht einige Schwierigkeiten. Die Möglichkeit, daß die­felbe gelautet hat: Besteht ein solches Verhältniß 2c.?" ver­neint der Zeuge und betont, daß Graef   über die Bedeutung Der Frage gar feinen Zweifel haben konnte, da er im Saale zugegen war, als die Erörterungen bezüglich der Anna Rother ftattfanden. Angeklagter Graef   bestreitet mit einiger Heftig teit die präzise Wiedergabe dieser Frage. Er wiederholt immer wieder, daß bei den Erörterungen über das Verhältniß" mit der Anna Rother zweifellos von einem Verhältniß die Nede gewesen, bei welchem Ehebruch im Spiele stand; er habe des halb mit gutem Gewiffen ein derartiges Verhältniß ablehnen müssen. müffen. R.-A. Kleinholz: Erinnert fich der Beuge, daß der Angeklagte Graef bet ders Verneinung jener Frage aus­brücklich hinzugesezt habe, daß er die Familie Rother aller dings mit reichlichen Gelomitteln unterſtügt habe. Das scheint mir doch die Behauptung des Angeklagten zu unterſtüßen, daß er nur ein Verhältniß ablehnen wollte, bei welchem es sich um Ehebruch handelte.- Angefl. Graef  

-

-