burch Aufhebung des Bölibats?) in dieselbe Lage gebrängt würde, in der sich die evangelische Geistlichkeit theils mit, theils ohne ihre Verschuldung gegenwärtig befindet.

Die Autorität der Kirche ist ein Hemmschuh für den Fortschritt, für die Kulturentwicklung. Der Glaube aber an diese Autorität ist, wie Professor Böhmert erklärt, tief erschüttert-er hält dies für eine betrübende Erscheinung, wir aber freuen uns über ein solches 3eichen fortschreitender Humanität und Bivilisation.

Politische Uebersicht.

In Sachen der Karolinen  - Angelegenheit hat der Bapst eine Kommission, bestehend aus den Kardinälen Jaco bini, Laurenzi, Ezacki, Ledochowski, Bianchi, Parochi und Monaca, beauftragt, einen Bericht vorzubereiten.

Die Handelskammer zu Leipzig   äußert sich in ihren Jahresbericht für 1884 über die allgemeine wirthschaftliche Lage folgendermaßen: Das Jahr 1884 zeigt fast durchgängig finkende Preise, der Rohstoffe der Industrie sowohl wie der Verzehrungsgegenstände, auf dem Weltmarkte. Kömmt dies der Industrie hier und da zu statten, so pflegt doch der ungünstige Einfluß solcher rückgängigen Konjunkturen weitaus zu über­wiegen. Die Klagen über geringen Verdienst, selbst bei aus­gedehntem Umfaße und angestrengter Arbeit, tehren denn auch biesmal in den meisten Einzelberichten aus den verschiedenen Geschäftszweigen wieder. Offenbar überschreitet die Produktion nicht selten das Maß des Bedarfs, und namentlich gilt das auch von solchen Industriezweigen, welche durch die Bollgesetz­gebung besonders begünstigt find. Es fehlt nicht an dem Be­wußtsein der Ueberproduktion, allein der Einzelne vermag faum, fich dem allgemeinen Drange zu entziehen." Ver weilen wir einen Augenblick bei diesen Bemerkungen. Unwill fürlich drängt sich die Fragr auf: Wo ist denn der Auf­schwung, den angeblich die 1879 eröffnete neue Aera der Wirthschaftspolitit hervorgerufen hat?" Die allgemeine Situation wird als eine traurige geschildert, und vor allem wird der Krebsschaden unseres ökonomischen Systems, die Ueberproduktion, ganz offen denunzirt. Daß dieselbe sich in denjenigen In­buftrien besonders breit macht, welche durch die Schutzöllnerei vorzugsweise begünstigt find, ist nicht zu verwundern. Der Schutzoll ist ein ganz besonderes Reizmittel zur Ueberproduktion, auch Ausfuhrprämien, wie sie z. B. Spiritus und Zucker ge­nießen, find ein Stachel zum tollsten Galopp im Wettrennen der Konkurrenz. Daß der Einzelne, der Einzelunternehmer fich bem allgemeinen Drange nicht entziehen kann", d. h. daß der Fabrikant Hinz unter der Herrschaft der heutigen anarchischen Broduktionsweise den schwindelerregenden Tanz der Kapitalisten Kunz, Peter, Paul um das goldene Kalb mitmachen muß, das zeigt eben, wie der Eingriff der Gesetzgebung bebufs rationellerer Regelung der Produktion als Nothwendigkeit fich herausstellt. Die Brücke, welche zu solch gründlicher Reform führt, ist der Marimalarbeitstag, ist das Arbeiterschutzgeset

,, Kriminell ist friminell", mit diesen Worten zählt der Tonservative Redakteur der ,, Post aus dem Riesengebirge" einem fortschrittlichen Konkurrenzrebatteur die Presstrafen des felben vor, um dadurch seinen Gesinnungsgenossen von Schlieben  , ben früheren Redakteur des Nordhäuser Couriers", einen wegen Unterschlagung verurtheilten Postsekretär a. D. herauszureißen". Kriminell ist kriminell" Kriminell ist friminell" in diesem Falle glaubt man einen Ochsenknecht, aber keinen Redakteur zu ver­nehmen.

Aus Thüringen  , 29. September. Bei der gestrigen Landtagswahl ist in Apolda   der sozialdemokratische Kandidat, Mügenfabrikant Manger, gewählt worden. Von 52 Wahlmännerstimmen erhielt er 46.

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Frankfurt   a. M. Da die von der Friedhofs- Kommission geführte Untersuchung wegen der von Herrn Reichstagsabge­ordneten Sabor behaupteten Betheiligung von Friedhofsauf fehern an der bekannten Friedhofs- Affaire ohne Ergebniß ges blieben ist bezw. den Nachweis der erwähnten Betheiligung nicht erbracht hat, so ist wie die Franff. Stg." mittheilt von sieben sich geschädigt fühlenden Personen Herr Rechtsanwalt Dr. Eppftein beauftragt worden, gegen die Friedhofsaufseher Nagel und Krug beim Gericht Strafantrag zu stellen: 1) ob und auf weffen Veranlassung zwei Flügel des Friedhofsthores geschlossen wurden; 2) ob die Friedhofsaufseher in der That Die berittene Schußmannschaft herbeigeholt, und ob fte hierbei im Auftrag Dritter gehandelt haben; 3) ob Personen durch genannte Aufseher geschlagen und bedroht worden find.

Hamburg  , 29. September. Dem Erfuchen der Bürger schaft um baldige Vorlegung eines das Auswanderungswesen betreffenden Gefeßes ist der Senat nachgekommen. Der Senat bemerkt dabei, daß ihm schon längst eine Umgestaltung der be­stehenden zum Theil veraltete Bestimmungen enthaltenden zahl­reichen Verordnungen wünschenswerth erschienen sei. Dieselbe sei nur deshalb nicht bereits früher in Angriff genommen, weil angenommen wurde, daß die Reichsregierung von der ihr nach Artitel 4, Biffer 1 der Reichsverfassung zustehenden Befugniß einer ihrerseitigen gefeßlichen Regelung der Bestimmungen über Euch herzlich gern den Vortritt lasse und es ansehe, als sei der Brief an Euch gerichtet. Euer Anliegen bulbet keinen 3eitverlust, wie Ihr mir selbst erklärtet, während es bei dem unfrigen nicht auf einige Stunden oder auf einen Tag an­tommt. Ich gebe Euch daher den Brief, damit Ihr den­felben als Paß benutzen könnt, nnd bitte Euch nur, den General mit einigen Worten auf meinen Besuch vorzube­reiten."

Es ist wohl schon zu spät," bemerkte Jansen mit einem Seitenblick auf Hertha. Aber er schreibt ausdrücklich, er sei heute Abend noch zu sprechen," versette Hertha, ihres Onfels Entscheidung ängstlich und erwartungsvoll entgegensehend.

Bebente, mein Kind, Dein Körper ist nicht mit über menschlichen Kräften ausgerüstet," entgegnete Jansen wohl­wollend.

Onkel, ich bebente Alles," erwiderte Hertha schnell, ich bedente Ales, und gerade deshalb möchte ich darauf bringen, noch heute Abend unsern Auftrag auszuführen. Was ist es für mich, noch ein paar hundert Schritte zu reiten, nachdem ich in letter Beit so viele hundert Meilen zu Pferde zurückgelegt habe? Entschließe Dich daher, lieber Onfel, ich bitte Dich barum. Erhalten wir heute Abend unsern Bescheid, so fönnen wir morgen in aller Frühe unfere Rückreise antreten, und Du weißt fa am besten, ob wir 3eit zu verlieren haben, oder nicht."

Jansen betrachtete seine Nichte schweigend, aber mit einem fast zärtlichen Ausbrud. Ich habe Dir schon ges sagt," hob er an, daß in Allem, was Dein Geschick be­trifft, Du fortan nur Deinen eigenen Willen, Deine eigenen Wünsche zu berücksichtigen hast. Entscheidest Du Dich dafür, heute Abend noch den Schritt zu thun, gut, bann stehe ich Dir treu zur Seite. Ich habe sogar die Hoffnung, ja, die feste 3uversicht, daß wir fröhlicheren Herzens aus dem Lager zurückkehren, als wir Fort Utah verließen."

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Würdet Ihr vielleicht irgend etwas einzuwenden haben, wenn ich Euch auf Eurem späten Ritt begleite?" fragte jegt der Missionär. Ich halte es Euretwegen für beffer, weil es Mißtrauen erregen fönnte, wenn jemand Anderes, als der Schreiber des Briefes, vor den General hinträte."

die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern Gebrauch die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern Gebrauch| machen werde. Da aber gutem Vernehmen nach die Aussicht auf das Zustandekommen eines diese Materie behandelnden Reichsgefezes nur gering sein dürfte, so habe er es nicht für räthlich erachten fönnen, die Zusammenfassung und Revision der das Auswanderungswesen betreffenden Verordnungen sei tens Hamburgs länger zu verzögern. In der nunmehr vom Senat gemachten Vorlage finden sich zunächst alle diejenigen feither in Geltung geweſenen Bestimmungen, welche fich im Laufe der Jahre als praktisch bewährt haben und nach wie vor anwendbar find, daneben aber enthält dieselbe eine nicht unbe trächtliche Anzahl neuer Vorschriften, welche mit Rüdficht auf den je wesentlich durch Dampfschiffe vermittelten Auswanderers verte und die gefteigerten Anforderungen der Gesundheits­pflege auf Seeschiffen geboten erschienen.

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Aus Baiern   enthält die Bür. Poft" ein Eingesandt", welches sich mit dem baierischen Gefängnißwesen, insonderheit mit der Behandlung der ,, Preßverbrecher" beschäftigt. Es heißt in dem Artikel u. A.:

Die Aburtheilung geschieht entweder von dem Straf Senate des 1. Landgerichts, oder vor dem Schwurgericht, oder auch vor dem Schöffengericht der t. Amtsgerichte, je nachdem bas Delikt begangen wurde an der Person des Königs, eines Beamten oder einer Privatperson. Wird der Angeklagte ver­urtheilt, so tommt er entweder auf die Festung oder ins Bellens gefängniß nach Nürnberg   oder in ein Landgerichtsgefängniß zur Verbüßung der ihm zudiktirten Strafe. Wegen Majestäts beleidigung wird auf Feftungsstrafe, wegen Amtsehren- oder Brivatbeleidigung auf Gefängnißftrafe erfannt; lautet das Urtheil in den beiden legten Fällen auf mehr als drei Monate, so wird der Verurtheilte ins Bellengefängniß nach Nürnberg   abgeliefert; wird unter drei Monaten ertannt, so hat er feine Strafe in einem Landgerichtsgefäng niffe abzufizen. Im Landgerichtsgefängnisse trägt der Gefangene seine eigene Kleidung, nur werden ihm die Uhr, Ringe und Meffer abgenommen; er braucht nicht zu arbeiten und darf fich literarisch beschäftigen, aber das Korrespondiren für Zeitungen ist nicht gestattet. Er bekommt mit Ausnahme Dom Mittwoch und Freitag täglich ein halbes Pfund Rind­fleisch nebst einer Suppe, während er an den beiden genannten Tagen Reisbrei oder Hülsengemüse erhält. Außer Waffer wird ein weiteres Getränke nicht verabfolgt. Sm Bellen gefängniß zu Nürnberg   trägt der wegen Preßvergehen Ver urtheilte dieselbe Kleidung wie der gemeinste Verbrecher, er hört seinen Namen nicht mehr, sondern wird nur nach der Nummer gerufen, die er auf dem Rücken trägt; wird er in den Hof geführt, so hat er ein Vifter vor dem Geficht. In der Kirche und Schule steht er nur den Geiftlichen oder Lehrer, nicht die Mitgefangenen. Er erhält täglich Mittags nur ein Hülsengericht nebst einem Stüd Brod, mit Ausnahme des Sonntags, wo er eine Suppe nebst ein wenig Rindfleisch be­tömmt. Sein Getränk ist Waffer, seine Beschäftigung An­fertigung von Bapparbeiten. fertigung von Bapparbeiten. Der zur Festungsstrafe Ver­urtheilte wird human behandelt und gut verpflegt. Die Gefängnißordnung dürfte bezüglich der wegen Preß­vergehen Verurtheilten eine zeitgemäße Abänderung erfahren. Es ist nicht human und eines konftitutionellen Staates un würdig, die wegen Preßvergehen Verurtheilten auf gleiche Stufe mit den Verbrechern zu stellen. Ein Rechtsstaat soll beim Strafvollzuge das Vergehen ins Auge faffen. Die Be handlung im Bellengefängniß aber ist eine des Menschen un­würdige; fte erinnert an die eines Galeerensträflings, dem die Nummer auf die Haut gebrannt wird. Zum Schuße der Thiere bilden fich Vereine, um das Loos derselben zu bessern, und dieses Bestreben erfreut sich der Anerkennung des Staates, warum aber trifft der Staat teine Anordnungen, um die Lage der wegen Preßvergehen Verurtheilten zu mildern? Der wegen Preßvergehen Verurtheilte ist ja nicht ehrlos; er bleibt vor mie nach im Vollgenuß seiner bürgerlichen Ehrenrechte." Wir können uns dieser Ansicht nur anschließen, glauben aber, daß nicht nur der wegen Breßvergehens Verurtheilte Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung hat. Wer in der Er­regung oder aus Unkenntniß ein Wort gesprochen, welches den bestehenden Gesetzen zuwider läuft, verdient gewiß dieselbe bestehenden Gesetzen zuwider läuft, verdient gewiß dieselbe Rücksicht und so ließen sich noch andere Fälle anführen.

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Ueber den Ausbruch des Aufstandes in Ostrumelien meldet die N. Fr. Pr." aus Philippopel  : Der Herd des Aufstandes war das 2 Stunden von Philippopel   in der Nichtung nach Koprimschtiza zu liegende Dorf Golemo Konare, wo fich auch die Bauern der umliegenden Dörfer versammelten. Nachdem der Präfett mit den Gendarmen verhaftet wurde, haben die Revolutionäre die Weihe ihrer drei Fahnen vorge nommen und sind in der Nacht auf den 18. d., etwa 1000 Mann start, gegen Philippopel aufgebrochen. An der Spiße der Infurgenten ritt ein 16jähriges Mädchen, Namens Nedelja Stojanow, in ihrem Benfionärkleide, die Schwester des Redat teurs des radikalen Blattes Borba". Noch um Mitternacht begaben fich die Majore Filom  , Nikolajem und Rajtscho in ihre Kasernen, wo sie die Mannschaften in Bereitschaft hielten. Der Kapitän Sokolow, welcher vor einigen Tagen aus Burgas  auf einen fleineren Posten versezt worden war, damit ihn die

Jansen und Hertha erklärten sich mit des Missionärs Vorschlag durchaus einverstanden, worauf die Indianer so­gleich aufgefordert wurden, die betreffenden Pferde herbeizu bringen. Hertha nahm Abschied von der bei ihrem Kinde und unter der Obhut der Indianer zurückbleibenden Schwester, und nachdem der Bote die einzuschlagende Richtung genau bezeichnet, ritt fie in ihres Onkels und des Geistlichen Be­gleitung in die Nacht hinaus.

In dem Feldlager war es um diese Beit schon stiller geworden. Die Mufit war längst verstummt, ebenso hatten Die Sänger sich zum größten Theil zur Ruhe begeben, und nur noch ganz leise brang das summende Geräusch der vor den Feuern versammelten plaudernden Gruppen über die. Grenzen der Postenketten.

Um so deutlicher ließen sich dafür die verschiedenartigen Töne unterscheiden, welche ein großes Militärlager zur Nacht­zeit gewissermaßen charakterisiren.

Da erschallte das laute Werba der Schildwachen und Doppelposten, so wie der feste Tritt der Patouillen, welche die wachhabenden Offiziere auf ihren Ronden begleiteten. Da wieherten und schnaubten die Pferde so behaglich an ihren Leinen, während andere noch mit scharfem Hufschlag ihre Reiter von Feldwache zu Feldwache trugen. Die Feldwachen zeichneten sich alle schon von weitem durch ihre größeren Feuer aus, welche die ganze Nacht hin­durch unterhalten wurden. Vor den Beltreihen dagegen erlöschten die Gluthaufen allmälig, und nur noch hin und wieder schimmerte der schwache Schein eines Lichtes durch die leinenen, straff gespannten Wände, hinter welchen vielleicht eine muntere Gesellschaft sich zu einem stillen Ge­lage zusammengefunden hatte, oder wo man noch stiller und heimlicher die über große Summen entscheidenden Würfel rollen ließ und zum Hazardspiel behutsam die Karten mischte.-

Sansen, Hertha und der Miffionär erreichten balb die erste Poſtentette. Sie wurden angerufen, sodann nach der nächsten Feldwache begleitet, und als sie sich dort durch ihren Brief ausgewiesen hatten, erhielten sie einen Führer, der ihnen den Weg bis vor das 3elt des Generals zeigte.

Sie erwarteten, Alles in tiefster Ruhe zu finden, um

Regierung unter den Augen behalte, bewog die berittene Gen­darmerie zum Uebertritt. Auf diese Weise schloß sich sämmt­liche Miliz und Gendarmerie der Oppofition an, und als die aufständischen Bauern um 4 Uhr früh in den Hof des Konats einrückten, marschirte auch sämmtliches Militär zu ihrer Unterſtügung unter Urah- Rufen, von ihren Majoren angeführt, in den Vorhof des Konats ein. Schon früher wurden sämmtliche Kirchenthürme vom Militär besetzt, um die Sturmglocken anzuziehen. Ein Piquet der be­rittenen Gendarmerie bemächtigte fich sofort des Bahnhofes und zerstörte daselbst die telegraphische Verbindung, eine In­fanteriewache besegte die Telegraphenbureaur der Stadt felbft. Als die Aufständigen in den Konathof einrückten, gaben fie einige Signalschüsse ab, und sofort begannen alle Glocken der Stadt das Sturmgeläute. Die seit einigen Tagen verstärkten Posten in der in das Innere des Konalgebäudes führenden Vorhalle wurden von den aufrührerischen Offizieren abgelöst, und die mit Säbel, Revolver und Gewehr bewaffnete Amazone drang in die inneren Räumlichkeiten des Konats und von dort in das Schlafzimmer des Gouverneurs ein und erklärte ihn im Namen des Volles und der provisorischen Regierung für verhaftet. Es ist dies nämlich eine historische Sitte der Bul­ garen  , daß die Entthronung von einem Weibe vorgenommen wird. Unterdeffen hielt Major Filow an die Truppen eine Ansprache, in welcher er die Vereinigung mit Bulgarien   prolla­mirte, fie von ihrem dem Sultan   geleisteten Eide lossprach, und indem er ihnen erklärte, daß sie von nun an unter dem Oberbefehl des Fürsten von Bulgarien   stehen, forderte er ste auf, Alerander I., dem Fürsten der vereinigten Bulgarien  , Treue zu schwören. Er schloß mit den Worten: Nieder mit Ost- Rumelien, es lebe das vereinigte Bulgarien, es lebe der Fürst Alexander I.!" Ein donnerndes Urah" und" Ja, wir schwören!" beantwortete diese Rede. Die unterdessen vers fammelte Militärmusik stimmte die bulgarische Nationalhymne an. Bugleich wurde eine Proklamation unter das in Folge des ununterbrochenen Alarms start versammelte Bolk vertheilt. Bald darauf fuhr der Galawagen des Gouverneurs vor. Auf einmal ist eine allgemeine Stille eingetreten, nur das Stürmen Der Glocken dauerte fort. In der Vorhalle des Konats er schien Gavril Bascha, geführt von der Amazone. Ein allge­meines Bischen erfüllte die Luft. Er war in einen grauen Ueberzieher gekleidet, das Geficht ganz roth. Es schien, als ob er die Lage nicht begreifen könnte, sein Blick streifte das im Hintergrunde stehende Militär, ein Hoffnungsstrahl bliste in feinen Augen. Was bedeutet dies Alles fragte er den Major Nikolajem. Die Antwort war: Euer Leben ist ge fichert, beuget Euch dem Willen der Nation." Hierauf nöthigte man Chrestovich, den Wagen zu besteigen, und die junge Amazone nahm neben ihm mit gezogenem Säbel Blaz. Langsam bewegte fich nun der Wagen, von den rebel­lischen Bauern umgeben, durch die Straßen der Stadt. Unter ſteten Rufen Nieder mit Dft Rumelien  !" Nieder mit dem Pascha!" Hoch das vereinigte Bulgarien  !" ging es durch die lange Tscharschia, durch die Eisenbahnstraße, Gul Battsche und Ortamezar an allen Konsulaten unter immer­währendem Sturmläuten vorbei. Dann bewegte sich der Zug über die Marizabrücke, und als er aus der Stadt heraustam, wurde der Wagen mit dem Gouverneur unter Bedeckung der Oppoltschengen- Reiter im Karriere auf der Straße über Golemo Konare dem Fürstenthume zu eskortirt. Raum hatte der Bug den Plag vor dem Konal verlaffen, als die Militärmufit die bulgarische Nationalhymne Schumi Maritza"( Es brauft die Mariza") anstimmte. Das Militär zog sich in die Kasernen zurück, und nur starke Piquets durchkreuzten die Stadt. Als bas Werk vollbracht war, versammelte fich um 6 Uhr früh die Oppofition in dem Munisipalitäts Gebäude und wählte fol­gendes provisorisches Komitee: Dr. med. Stransfy, Vorfizender; Dr. med. Tichomatom, Vize- Präsident; Mitglieder: Major Nikolajew  , Major Filow, Major Rajtscho, Major Motturow, Joachim Gruew, R. Pew, K. Kauschow, 3. Stojanow, D. Jurnkow, G. Dantschow, A. Samatowez und T. Benew. Bugleich wurden von dieser provisorischen Regierung der Major Nikolajem zum General Kommandirenden Truppen, Major Rajtscho zum Stadtkommandanten und Rapitän Sokolow zum Kommandanten der Gendarmerie ernannt. Der Präsident Dr. Stransky begab fich persönlich an den Tele­graphen- Apparat, um das Resultat der bulgarischen Regierung und dem Fürsten Alexander bekannt zu geben. Bis 3 Uhr Nachmittags dauerte der beständige Wechsel der Depeschen, bis schließlich das Telegramm vom Fürsten   felbft eintraf, in welchem derselbe seine treuen Unterthanen" begrüßte und ihnen bekannt gab, daß er von Varna   wo er sich aufhielt sofort nach Tirnowa reise, um das Manifest, durch welches er die Ver­einigung proflamiren werde, zu erlaffen. Unterdessen rückten den ganzen Tag von allen Seiten bewaffnete Bauernschaaren an, welche im Umkreise der Stadt bivouatirten. Gegen Abend schwoll ihre Zahl auf 5000 Mann an. Daraus, daß Alle mit bulgarischen Fahnen mit der Aufschrift: Vereinigung giebt Kraft" versehen waren und an den Kalpats Löwen aus gelbem Bleche trugen, fann man auf die weit verzweigte Organisation des Aufstandes schließen. Um 11 Uhr Vormittags ging der

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so mehr überraschte es fie daher, das geräumige 3elt nicht nur ungewöhnlich hell erleuchtet zu sehen, sondern auch zu gewahren, daß eine Anzahl gefattelter Offizierpferde vor demselben von Soldaten gehalten wurde, und daß der Ton von eifrig berathenden Stimmen aus dem Innern von des Generals Wohnung bis zu ihnen drang.

Eine Reihe Schildwachen umgab übrigens das 3elt in weiterem Umfreise, doch weniger der Sicherheit wegen, als um unberufene Lauscher fern zu halten.

Jansen überreichte den Brief einer Ordonnang mit dem Ersuchen, den General von ihrer Ankunft in Renntniß zu setzen. Der Soldat verschwand hinter der Leinwandthür, kehrte aber sogleich wieder zurück, in jeder Hand einen Feldstuhl tragend. Der General bebauert, nicht augenblicklich зи Euern Diensten stehen zu können," sagte er höflich, die Stühle vor das Wachtfeuer hinstellend, er richtet daher die Bitte an Euch, einige Minuten zu verziehen und es Euch so bequem zu machen, wie es das Leben im Felbe eben gestattet. Sodann die Pferde der Fremben, die unterdessen abgestiegen waren, an den Bügeln ergreifend, 3og er sich mit denselben bis hinter die nächsten Schildwachen zurüd.

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,, Es wird Kriegsrath gehalten." bemerkte Jansen nach einer längern Pause erwartungsvollen Schweigens, fein gutes Beichen für die längere Dauer des Friedens; hoffent lich ist alles nach Deinen Wünschen geordnet, ehe der erste Kanonenschuß fällt," fügte er zu Hertha gewendet hinzu, denn es war ihm nicht entgangen, daß sie bei seinen ersten Worten erschreckt zusammenfuhr.

Offenbar find es ganz unerwartete Geschäfte, welche den General verhindern, uns gleich zu empfangen," versette der Miffionär; es wäre uns wohl taum zu heute Abend die Aussicht auf eine Zusammenkunft eröffnet worden, hätte er gewußt, daß er noch so spät von anderen Seiten in An­spruch genommen werden würde."

Hertha entgegnete nichts. Einestheils hatten ihre Be sorgnisse um Weatherton jetzt den höchsten Grad erreicht, anderntheils fiel ihr schwer auf's Herz, nunmehr vor

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