Mittage erschoß fich ein Mann in seiner in der Wilhelmflraße belegenen Wohnung.— In der Nacht zum 1. d. M. entstanden in einer Tapezirer-Wertstatt auf dem Grundstück Fürbringer- straße 25 und demnächst auf dem Boden des HauseS Große Hamburgerftr. 28 Feuer, welche die Thätigkeit der Feuerwehr je 2 Stunden in Ansprach nahmen. Während im e steren Falle die EntstehungS-Ursache nicht festgestellt werden konnte, liegt im letzteren Falle unzweifelhaft Brandstiftung vor, da sämmr- liche Räume und Utenstlien auf dem Boden mit Petroleum getränkt vorgefunden wurden. Der That verdächtig wurde ein dortselbst wohnhafter Gastwirth nebst seiner Ehefrau zur Haft gebracht.
Gerichts-Zeitung. Prozeß Graef . Vierter Tag. Vorsitzender Landgerichtsdirektor Müller eröffnet die Sitzung um 10 Uhr.— Bei Eintritt in die Verhandlung bittet Justizrath Simeon, die Zeugin Eiefert doch nicht im Saale an« wesend sein zu laffen, da ihm bekannt geworden, daß dieselbe gestern mit Belastungszeugen, namentlich mit der Familie tzammermann sehr freundschaftlich gekneipt habe.— Staatsanwalt tzeinemann widerspricht diesem Antrage als durchaus nicht genügend motivirt, denn es könne unmöglich aus einem viel- leicht zufälligen Zusammentreffen einzelner Zeugen durchaus nichts geschlossen werden.— Justizrath Simeon hält einen solchen Verkehr doch für höchst verdächtig.— Präs.: Ich muß ein solches Urtheil mit aller Entschiedenheit zurückweisen und kann eS nicht zugeben, daß, so lange die Verhandlung noch nicht geschloffen ist, eine derartige Kritik von Zeugen hier geübt wird. Ein Geschworener hat den Wunsch, daß die Zeu- gin Eiefert noch über einige Details vernommen werde. Der Präsident hält sich dies für später vor. Der erste Zeuge ist der Agent Krischen, ein S6 jähriger Mann, welcher s. Z. mit Frau Hammermann wegen versuchter Erpressung zu 18 Monaten Gefängniß verurthcilt worden ist. Derselbe bekundet folgendes: Ich bin nicht Volksanwatt, son» dem Kaufmann, hatte ein Blattgold- und Eilbergcschäft bis zu meiner Haftnahme. Inzwischen ist meine Frau gestorben und mein Geschäft zu Grunde gegangen und ich ernähre mich jetzt als Agent. Es ist nicht wahr, daß ich berufsmäßig Schrift« stücke anferttge, ich habe nur, als ich Bezirksvorsteher war. manchen Leuten aus Gefälligkeit Schriftstücke verfertigt. Gegen das gegen mich ergangene Erkenntniß habe ich ein Rechtsmitteln nichtcingelcgt, weil em Formfehler, auf welchm eine Revision zu begründen wäre, nicht vorgekommen war. Von meiner Strafe habe ich 15 Monate abgebüßt, bis ich in Folge der Bemühungen eines meiner Freunde vorläusig entlassen worden bin. Dicht bei meinem Hause wohnte ein Volksamvall, den die Hammermann's eigentlich au'suchen wollten, sie find dann aber durch Zufall an mich gewiesen worden. Nachdem sie mich über den Fall belehrt, habe ich nach ihren Angaben im Manuskript den Inhalt der Denunziatton fixirt, aber den Namen und die Wohnung der betreffenden Professorm offen gelassen, welche Hammermann seinerseits einfügte. Ich habe für meine Bemühungen 3 M. gefordert und 2,50 M. erhalten. Erst als Hammermann nach 8 bis 9 Tagen wiederkam, erfuhr ich den Namen des Professor Kretzschmer. Da mir die Frau H. schon eine Vorladung zum Termin vorzeigte und mir Prof. Kretzschmer leid that, so ging ich zum Prof. Kretzschmer hin, um ihn zu bewegen, die über ihm schwebende Gefahr abzuwenden. Ich sagte dem Prof Kr., daß ich nicht komme, um etwa Geschenke von ihm zu erhalten, sondern aus Mitgefühl und um ihm zu rathen, sich einen Rechts- beistand zu nehmen und die Sache beizulegen. Von Geldgeben an Hammermann habe ich nichts gesagt, da mir Hammermann gesagt hatte, daß es ihm nur darauf ankomme, den Prof. Kr. moralisch zu strafen und ihn zu einer Abbitte zu zwingen. Prof. Kretzschmer war über meine Mittheilungen so erschreckt, daß er schwach wurde und fich aufs Eopha niedersetzte. Als- dann fragte er mich, was er da thun solle. Er bat mich, ihn über den Fortgang der Sache zu unterrichten. Nach vierzehn Tagen kamen die Hammermann's wieder zu mir und sagten zu mir: Denken Sie fich, der Prof. Graef hat es mit meiner Tochter ebenso gemacht wie der Prof. Kretschmer. Ich war darüber ganz erstaunt und äußerte unwillkürlich: Sic machen doch nickt etwa Geschäfte damit? Die Frau hat dies verneint und hinzugefügt, daß Helene nicht lüge. Ich sollte wieder die Denunziation schreiben, ich habe dies aber abgelehnt, schon um meiner selbst willen. Ich begab mich auch aus reinem Mitgefühl zu Graef und erzählte ihm die Sache. Graef war sehr gefaßt und antwortete, nachdem ich ihm die Beschuldigung vorgetragen:„Das ist nicht so schlimm, denn beim Ausmessen eines Piodells und Aufstellen desselben kann man nicht jede Berührung vermeiden. Frau Hammermann ist zu mir gekommen und hat 1000 M. verlangt, ich habe ihr aber nur 10 M. gegeben." Ich antwortete, daß' dieS Unrecht sei, denn dadurch bekenne er fich schuldig. Er erwiderte:„Ja. was sollte ich thun. ich wollte die Frau doch los werden!"— Er bat mich alsdann, zu Hammermann's zu gehen, dies habe ich gethan, bin aber nicht wieder zu Graes gegangen, sondern habe ihm geschrieben, daß ich nichts mehr darin thun könne. Hammermann wollte dann selbst zu Graef gehen und eine Abbitte erzwingen.— Präs.: Welches Motiv hatten Sie denn, auch zu Piof. Graef zu gehen?— Zeuge: Von den beiden Herren hatte eigentlich keiner die Tdatsacken bestritten und da wollte ich sie warnen. — Präs.: Haben Sie den Herren denn die Handlungen detaillirt, deren sie beschuldigt werden?— Zeuge: Im Allgemeinen habe ich ihnen dies gesagt.— Präs.: Unv wie hat fich Graes in dieser Beziehung ausgelassen?— Zeuge: Wenn ich mich recht beflnne, ist die Antwort dahin gegangen:„Das ist nicht so schlimm aufzufassen, man kann bei einer solchen Untersuchung nicht jeden Handgriff berechnen.— Präs.: Sie haben also nicht für Hammermann Geld verlangt.— Zeuge: Nein.— Piäfident: Haben Ihnen Hammcrmanns etwa gesagt, eS komme ihnen nur darauf an, ein paar hundert Mark herauszuschlagen.— Zeuge: Niemals.— Präs.: Haben Sie denn geglaubt, daß eS den Hammermann's nur darauf ankomme, die Herren moralisch zu straten?— Zerme: Ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln.— Präs.: Rührt die Denunziation gegen Graef und Krctzschmer auck von Ihnen her?— Zeuge: Stein.— Präs.; Haben Sie nachher auch noch etwas mir Hammermann's zu thun gehabt?— Zeuge: Nein. Nur als ich entlassen war. wollte ick hören, wie der weitere Verlauf der Sache eigentlich gewesen ist.— Prof Graef erklärt hierzu: Ich habe dazu zu bemerken, daß es mir gar nicht eingefallen ist, irgend etwas zuzugeben. Ich habe nur gesagt, daß mich der Herr denach. richügcn möchte, wenn die Hammermann's gegen mich denun» ziren solllen, damit ich auch meine Maßregeln treffen kann.— Prof. Kretzschmer, welcher nun vortritt, erklärt: Ich habe in keiner Werse mich so ausgedrückt, wie der Zeuge angiebt. Ich habe im Gegcntheil absolut abgelehnt, mich auf irgend etwas einzulassen und es ist mir ganz so vorgekommen, als ob der Herr, der fich nur als Menschenfreund voistellte, mit seinen fortgesetzten Hinweisen auf die Nolhwendigkeit, fich zu verständigen, eine„Abfindung" gemeint hat. Derselbe hat mir aller- lei grauselige Geschichien erzählt, von Leuten, die sofort verhaftet worden seien, auf denen ein ewiger Makel kleben ge- blieben sei u. s. w. u. s. nf. Ich habe dann allerdings gcftagt, waS ich denn nun eigentlich thun sollte und da hat er mir an- heimgegeben, einen Rechtsbeistand zu befragen.— Ange- tlagter Graef : Ich muß dazu bemerken, daß auch mir der Zeuge allerlei graulige Geschichten er- zählt hat Er hat mir gerade gesagt, ein Rechtsanwalt könnte mir nicht helfen und endlich hat er mir vorgehalten, daß schließlich die Leute doch immer etwas davon glauben.—
Präs.: Ist daS wahr, Zeuge?— Zeuge: Das ist wohl möglich!— Angekl. Graef ; Daß ich die von dem Zeugen mir ge- machten Vorhalmngen nicht zugegeben habe, geht aus einem Briefe hervor, den der Zeuge nachher an mrch gerichtet hat. ES heißt in diesem Briefe ausdrücklich:„Nachdem ich selbst die Helene Hammermann gehört habe, habe ich doch den Ein- druck, daß die Sache„nicht so ganz ohne" ist." Aus diesem Passus defst doch hervor, daß ich den Ttatbestand nicht zu- gegeben habe.— Auf Antrag der Vertheidigung wird nun der Brief verlesen. Derselbe ist vom 26. Dezember datirt und be- stäligt das, was der Angekl. Graef behauptete.— Justizrath Simeon läßt fich nun den Namen des Mannes nennen, durch dessen Bemühungen der Zeuge aus dem Gefängniß gekommen ist und richtet dann an den Zeugen die Frage:„Sie bestreiten also, daß Hammermann Ihnen gegenüber zugegeben, daß es ihnen nur darauf ankomme, ein paar hundert Mark heraus« zuschlagen?— Zeuge: Das haben sie nie gethan.— Justizrath Simeon: Dann bitte ich, dem Zeugen das gerichtliche Protokoll über seine Vorvernehmung vorzuhalten.— Dies geschieht. In dem Protokoll hat der Zeuge erklärt, daß er die Beschuldi- gungen der Helene H. anfänglich nicht geglaubt hat und dann heißt eS ausdrücklich:„Frau H. hatte mir gegenüber ge- äußert, daß es ihr nur darauf ankomme, ein paar hundert Mark herauszuschlagen."— Zeuge: Nein, daS ist nicht wahr!— Präs.: Es steht dock aber hier in dem von Ihnen un- terschricbenen Protokoll?— Zeuge: Das ist ein entschiedener Jnthum. Bei solchen Vernehmungen ist man immer etwas befangen und der betr. Assessor ist sehr auf mich eingedrungen, das Protokoll zu unterschreiben. Als ich es mir durchlas, oppontrte ich gegen die Fassung und verlangte, daß mein Widerspruch zu Protokoll genommen werde. Das ist aber nicht geschehen.— Präs.: Nun, Sie find doch anscheinend ein in- telligenter Mann und werden doch nicht etwa unterschreiben, waS Ihrer Anschauung nicht entspricht. Zeuge: Ich habe die Unterschrist schließlich geleistet, hatte mir aber vorgenommen, die Sache in der Audienz zur Sprache zu bringen.— Ein Geschworener macht darauf aufmerksam, daß in dem Protokoll fich auch die Bemerkung findet: Frau Hammermann habe dem Zeugen zugegeben, daß sie 1000 Mk. verlangt hatte. Der Ge- schworene weist nun darauf hin, daß der Zeuge die Richtigkeit dieses Passus nicht bestritten habe.— Zeuge Krischen giebt die Richtigkeit dieser Stelle ausdrücklich zu. Die nächste Zeugin ist die unvereh. Stetzelberg, welche einige Zeit bei Rother's wohnte und zwar erst in der Ba- rutherstraße und dann in der Fürbringerstraße. Die Zeugin weiß, daß Graef einmal hingekommen ist und die Wohnung angesehen hat.— Präs.: Haben Sie gehört, daß die Bertha R. ein Verhältniß mit dem Prof. Graef hatte?— Zeugin: Ich habe so etwas einmal von der Marie Reim gehört.— Präs.: Von sonst Niemand?— Zeugin: Ich habe auch einmal die Mutter direkt gefragt und dreselbe hat mir geantwortet, daß Bertha bei Prof. Graef noch unschuldig sein könnte.— Präs.: Ist davon gesprochen worden, daß Graef häufig hinkommt? — Zeugin: Ja.— Präs.: Auch Abends?— Zeugin: Das weiß ich nicht.— Präs.: Wissen Sie sonst noch etwas? — Zeugin; Ich weiß nur, daß später davon ge- sprachen wurde, Graef habe mehrfach geschrieben, die Bertha sei aber nicht mehr zu ihm hingegangen, weil fie ein anderes Verhältniß mit einem Referendar an- geknüpt hatte.— Angekl. Graef ' Ich möchte ausdrücklich dar- auf aufmerksam machen, daß nach dieser Aussage die Mutter selbst der Meinung war, daß in dem Verhältniß der Bertha zu mir letztere unschuldig sein konnte.— Einige Zeuginnen, welche einige Zeit bei Rother's gewohnt haben und theilweise selbst Modell gestanden haben, wissen nur, daß Bertha bei Prof. Graef Modell gestanden hat, können aber über ein Ver- hältniß derselben zu Prof. Graef nichts bekunden. Eine Maurer- frau, Emilie Scholz, ist der Anficht, daß Bertha Rother schon im Jahre 1377 im Lagerhause bei Prof. Graef Modell ge- standen hat, denn fie bat dieselbe einmal bis zum Lagerbause begleitet und von der Mutter gehört, daß ihre Tochter zu Prof. Graes gehe.— Angekl. Graef : Ich habe darauf zu erklären, daß ich im Lagerhause nie ein Atelier hatte.— Aus den Erklärungen der Bertha Rother und der Frau Rother geht her- vor, daß Bertha damals allerdings einmal nach dem Lager- Hause gegangen war, um fich als Modell einstellen zu lassen und daß fie fich dazu die Namen verschiedener Professoren auf- geschrieben hatte, unter denen fich auch Prof. Graef befand.— Die„Schneiderin " Amanda Reuter, ein unter fittenpolizeilicher Kontrole stehendes Mädchen, ist stüher einmal bei Notkers Dienstmädchen gewesen. Ihre Vernehmung macht unendliche Schwierigkeiten, da ste immer nur nach langem Besinnen und zögernd und unter fortwährendem Widerspruch mrt ihren frü- Heren Aussagen ihr Zeugniß ab giebt. Der Präsident hat da- her fortwährend Veranlassung, die Zeugin eindringlichst zu vermahnen und vor dem Meineide zu verwarnen.— Präs.: Haben Sie damals gehört, daß' Bertha bei Graef Modell steht?— Zeugin: Ja.— Präs.: Haben Sie g-hört, daß Bertha mit Pros. Graes ein Verhältniß hat?— Zeugin (zögernd): Ja.— Präs.: Ist Graes zu Rother's ins Haus ge- kommen?— Zeugin(zögernd): Das weiß ich nicht.— Präs.: Haben Sie sich zu irgend J-mand über das Bestehen eines solchen Verhältnisses ausgesprochen?— Zeugin: Das weiß ich nicht mehr.— Präs.: Wessen Sie auch nicht, daß Graef Geld an Rother's gegeben hat?— Zeugin: Das weiß ich auch nicht mehr.— Pras.(eindringlich): Das wissen Sie nicht mehr? Sind Sie nicht nach Graes geschickt woidcn?— Zeugin(nach langem Zögern): Bestimmt kann ich es nicht mehr sagen.— Pras.: Zeugin, ich verwarne Sie nochmals ganz ernstlich. Wollen Sie fich denn um Ihr Seelenheil dringen? Wenn Sie hier etwas verschweigen oder etwas Falsches sagen, so be« gehen Sie einen Meineid und wandem ins Zuchthaus. — Bedenken Sie das wohl? Run?— Zeugin(zögernd): Ich bin sehr ängstlich.— Präs.(energisch): Dann strengen Sie Ihren Kopf an und überlegen Sic fich recht wohl, was See sagen, damit Sie nicht einen Meineid leisten! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihre früheren Aussogen ganz anders lauten. Hier in dem gerichtlichen Protokolle haben Sie aus- drücklich gesagt:„Ich habe Briefe für Frau Rother häufig geschrieben, in denen Frau Rothcr um Geld bat.— Zeugin «zögernd): Das weiß ich nicht mehr ganz genau.— Präs.: Zeugin, ich wiederhole meine Verwarnung Ihr ganzes Auf- treten zeigt mir, daß Sie mit der Wahrheit hier zurückhalten. Ich werde Ihnen Zeit lassen, fick zu befinnen und kann Sie nur ermahnen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie in Ihrer gerichtlichen Vernehmung ausdrücklich zu- gegeben, Sie yätten einmal 80 Mark von Graes geholt. Nun?— Zeugin(nach langem Besinnen): So recht klar war es mir nicht.— Präsident: Bcr Ihrer polizeilichen Vernehmung haben Sie noch viel mehr gesagt; da haben Sie gesagt, daß Graef häufig hingekommen sei.— Zeugin: Ich weiß nur, daß Bertha einmal zu Kroll zum Ball gehen wollte, und daß da die Rede war, Prof. Graef wollte nachkommen. — Präs.: Sie baben früher gesagt, daß, als Bertha fich zum Ball ankleiden wollte, Prof. Graef rn der Wohnung erschienen sei. fich in das Schlafzimmer der Bertha begeben habe und daß, als Sie in die Stube wollten, Sie die Thür verriegelt fanden. Ist das so richtig.— Die Zeugin wird durch(das Jnquifitorium des Präsidenten immer ver- wirrter und unbestimmter, fie macht fortwährende ausweichende Bemerkungen und ihre Antworten find ganz unbestimmt, so daß der Präfident in der Lage ist, ihr ununterbrochen Vorhat- tungen zu machen. Nachdem er nochmels die Protokolle ver- lesen, fragt er: Wie find Sie dazu gekommen, solche bestimmte Aussagen zu machen, die Sie jetzt vergessen zu haben scheinen. — Zeugin: Ich war so bestürzt und außerdem redete der Kit- minalkommissarius so sehr auf mich ein.— Präs.: Sie haben aber alle diese Aussagen auch bei Ihrer gerichtlichen Verneh
mung wiederholt. Jetzt erklären Sie mir einfach: Haben Sie damals die Wahrheit oder die Unwahrheit gesagt? Statt aller Antwort bricht die Zeugen plötzlich rn Schluchzen aus. Der Präfident läßt ste deshalb dicht an der Richtertrsch herantreten und redet nochmals auf ste ein: Sie haben gar keinen Anlast zum Weinen. Sagen Sie nur ruhig die Wahrheit, dann wird Ihnen nichts pasfiren. Also ist Ihnen noch bekannt, was an dem Ballabend passttt ist? Ist Herr Prof. Graes dort ge» wesen?— Zeugin: Ich habe nicht geöffnet, sondern Frau Rother.— Präs.: Ist der Angekl. Graef m die Stube der Bertha gegangen oder nicht?— Zeugin: Ich wollte in die Vorderstube gehen und da fand ich fie verriegelt— Präs.: Das ist keine Antwort auf meine Frage. Ich frage Sie: war Graef in dem Zimmer?— Zeugin: Direkt habe ich ihn nicht hineingehen sehen.— Präs.: Sie weichen mir schon wieder aus. Haben Sie ihn denn indirekt gesehen?— Zeugin: Ich kann nur sagen: die Thür war zu, aber ich habe ihn nicht hineingehen sehen.— Präs.: Bei ihrer früheren Vernehmung war gerade dieser Puntt sehr wesenttich und Sie haben sich damals sehr bestimmt geäußert.— Zeugin schweigt.— Präs.: Sie haben außerdem früher gesagt:„Ich war entschieden der Meinung, daß Bertha ein Verhältniß mit Prof. Graef hatte. Sie stand bei andern Künstlern nicht mehr Modell und hatte doch viel Geld." DieS ist Ihre Aussage gewesen. Ist das richtig so?— Zeugin: Ja.— Präs.: Sie haben dann noch hinzugefügt, daß Prof. Graes in jenem Jahre mit ihr nach Düsseldorf und Italien gereist sei. Ist das richtig?— Ja. — Angekl. Graef : Ich habe dazu zu bemerken, daß die Zeugin stets ganz unstcher war. Ich bin in jenem Jahre weder in Düsseldorf , noch in Italien gewesen, sondern in Rügen und zwar, wie ich gesagt habe, mtt der Bertha-— Präs.; Sind Sie überhaupt mit der Bertha einmal in Italien gewesen? — Angekl. Graef : Rein niemals. Meines Wissens bin ich zuletzt 1373—74 in Italien gewesen, sonst aber nicht. Im Uebrigen möchte ich nur bemerken:„Ich habe niemals be- stritten, daß ich öfter im Rother'schen Hause war und Bertha auch manchmal unbekleidet gesehen habe. Ich weiß, daß ich an jenem Balladend dort war, es war aber kein Schlafzimmer, in welches ich getreten bin, sondem Frl. Bertha kleidete fich in einem daneben liegenden Zimmer an. Ich leugne aar nicht, daß ich Bertha manchmal in irgend einer bestimmten Situation zu sehen wünschte.— Bertha Rother: Ich weiß ganz genau, daß ich mich in einem anderen Zimmer anzog, Prof. Graef war mit meiner Mutter im Hinterzimmer. Er sah mich nach- her im Ballstaat.(Pause.) Bei Wiederaufnahme der Sitzung wird die Zeugin Reuter aufgerufen, weil fie selbst gewünscht hatte, noch einmal gehört zu werden.— Präs.: Zeugin, bleiben Sie bei Ihrer Aussage» so wie Sie dieselbe abgegeben haben, oder haben Sie daran etwas abzuändern?— Zeugin(weinend): Die Bemerkung, daß ich nicht direkt gesehen habe, daß an jenem Abend Prof. Graef in die Rother'sche Wohnung gekommen ist, das kann ich nicht aufrecht erhalten.— Präs.: Weiter haben Sie nichts zu sagen? — Angkle. schweigt.— Präs.: Zeugin EaSper, dann kommen Sie mal vor und sagen Sie uns, was Ihnen die Zeugin Reuter im Korridor gesagt hat.— Zeugin CaSper: Die Reuter hat zu mir gesagt, daß ste gar nicht wisse, ob fie ja oder nein sagen solle, da sie so bestürzt sei.— Präs.: Hat fie Ihnen auch einen Grund angegeben.— Zeugin Casper: Sie hat gesagt, daß fie vor der Vernehmung drei Kognaks und einen Seidel getrunken habe.— Präs.; Dann werden wohl die Wirkungen der drei Kognaks jetzt noch nicht geschwunden sein; also setzen Sie sich.— Die Zeugin setzt fich, schluchzt aber auf ihrem Platz wiederholt. Hierauf wird die Zeugin Frau Siefert wieder vorgerufen. Dieselbe destreitet zunächst mit Entschiedenheit die Behauptung der Vertheidigung, daß gestern nach der Sitzung sie mit den Hammermann's ern Gelage in einem Restaurant in Moabit abgehalten habe. Sie habe mit einer anderen Zeugin nur Mittagbrod in dem Restaurant gegessen und in demselben Restaurant habe Hammermann gesessen. DieS wird von einer anderen Zeugin bestätigt.— Zeugin Siefett wiedeiholt nun noch einmal ihre gestrige Aussage, wonach ste gehött habe, daß Graef einmal zu Frau Rother gesagt habe,„ich gehe ein festes Verhältniß nicht mehr ein, das Verhältniß mit Bettha hat mich total ruinirt!"— Prof. Graes bleibt dabei, daß er lediglich daS Ansuchen der Frau Rother um Engage« ment ihrer Tochter Lieschen abgelehnt habe.— Präs.: Zeugin Siefert, was ist Ihnen sonst von einem Verbältniß der Bertha mit dem Angekl. Graef bekannt. Zeugin: Die Anna Rotder bat einmal in der Küche erzählt: Die„Gnädige"(womit Bertha R. gemeint sein sollte) wolle wieder Modellstehen gehen. Sie werde aber wohl nicht wieder solchen Maler finden, wie den Prof. Graef. Sie hat dann auch noch einmal erzählt, daß fie zu dem Prof. Graef gegangen sei und ihm gesagt habe: Herr f rofcffor, ich kann das nicht mehr mit ansehen, sondern muß hnen sagen, daß die Bettha mit anderen Herren umgebt, während Sie bezahlen. Nach der Erzählung der Anna habe Prof Graes fich über diese Aufklärung gefreut, habe der Anna 40 Mark gegeben und dann geäußett:„Dann werde ich mit Dir ein Verhältniß anfangen, Du bist nicht so abgelebt, wie die Bertha. Die Anna habe darauf geantwortet:„Nein, dann wäre ich ja eine Ehebrechettn.— Präs.: Anna Rother, entsinnen Sie fich der Vorgänge?— Zeugin Anna R.: Nein, das ist nicht wahr, das kann ich mich nicht entsinnen, ich bin mir davon nichts bewußt.— Zeugin Siefett: Ich bleibe bei meiner Aussage. — Präs.: Angekl. Graef , waS sagen Sie da- zu.— Angekl. Graef : Das ist ganz unrichttg. Es ist möglich, daß die Anna R. einmal zu mir gekommen ist und mir von dem Umgange Bettba'S mit andern Männern erzählt hat. Dies ist aber nur zu der Zeit gewesen, wo Bettha eine eigene Wohnung hatte. Von allem Ändern ist mir nichts bekannt.— Präs.: Haben Sie der Anna einmal 40 M. gegeben?— Angekl. Graef : Es ist möglich, daß ich derselben einmal Geld gegeben habe, ob dies aber 40 Mark waren, weiß ich nicht meyr.— Zeugin Siefeit: Ich habe dann auch noch gebött, wie Prof. Graef fich mit Frau Rocher in sehr lautem Tone über den Hammermann'schen Fall unterhalten hat. Ich habe gehört, wie Graef mehttach sagte: Sie können mir nichiS anhaben, fie sollen mir nur kommen! Ich habe dann auch gehött, wie Frau Rother zwischenwarf:„Herr Professor, sprechen Sie nicht so laut."— Pro!. Graef giebt die Möglichkeit zu, einmal mit Frau Rother über den Hammermann'schen Fall gesprochen zu baben.— Präs.: Nun, es ist doch eigenthümlich, daß Sie m Ihrer Stellung mit einer Frau von diesem Leumund über eine solche Sache fich unterhalten.— Angekl. Graef : Ick wurde ja immerfoit beunruhigt, und da ist ei wohl möglich, daß ich in meiner Aufregung auch zu Frau Rother über den Fall ge- sprachen habe. Die Zeugin erzählt dann nochmal» die gestern von ihr be» kündeten Wnbrncbmungen bei dem Streit, den die Schwester und die Mutter eine» Tages gehabt hatten. Die Zeugin bleibt bei ihrer Behauptung der gestrigen Darstellung, während Bettha Rother die Richtigkeit nochmals bestreitet. Dann beginnt ein sehr sorgsames Verhör mit der Anna Rother, welches sehr schwieng ist. da dieselbe in ihrer Ennnerung sehr unklar est und wieder bei den meisten Fragen sagt:„Das weiß ich nicht." Dazwischen weint ste auch,.so daß fie auS den Schranken heraus und vor den Gerichtstrsch treten muß, während fie Geh. Rath Liman sehr genau beobachtet. Sie bestreitet, daß fie bei dem qu. Streit die Motte gebraucht hat. die ihr die Zeugin Eiefett in den Mund legt. lieber die einzelnen Vorgänge vor ihrer Eidesleistung will fie nicht mehr viel wissen, sie bleibt aber dabei, daß fie nicht vom Prof. Graef und ihrer Schwester zum falschen Eide aufgeredet sei.— Präs.; Bei Ihrer früheren ge- nchtlichen Aussage haben Sie dies aber ausdrücklich zugegeben. Wie kommt denn das?— Angekl.; Ich habe dies auS Wuth