6 ine Andeutung üb« die Art, in welcher die Prozedur bei der Vernehmung der Anna Rother stattgefunden hat, falsch darge- stellt worden ist. Hier anschließend bemertt Vorfitzender Landgenchtsdrrettor Müller in längerer Ausführung:Dasjenige. waS der Herr Landaeiichtsrath Johl soeben gesagt hat, giebt wir Vnanlassung. an Sie, meine Herren Geschworenen, die recht dringende Bitte zu richten, daß Sie lediglich den Wahrspruch fällen auf Gnmd Dessen, was vor Ihnen verhandelt wird. Ich bitte Sie, auf dasjenige, was in der Preffe schon jetzt, nicht nur in Referaten, sondern in aburtheilenden, resumirenden Arttkeln, gebracht wird, nickt, in keiner Weise zu rückfichtigen. Sie haben allein auf Grund der Totalität der Verhandlungen Ihr Urtheil ab« zugeben. Es wäre höchst voreilig und ungerechtfertigt, schon jetzt, nachdem ein Theil der Verhandlungen stattgefunden hat, nachdrm Ihnen vom Henn Staatsanwalt noch nicht gesagt worden ist, worauf Sie zu achten haben, und nachdem von den Herren Vnlheidigern die Ausführungen noch nicht gemacht find wenn Sie da schon wollten ein voreiliges Urtheil fällen. Wenn andere Leute glauben dies verantworten hu können, dann ist dieS im höchsten Grade unrecht und em frivoles Unternehmen, wenn schon jjetzt resumirende Urtheile und Artikel gebracht werden. Ich habe weit« anzuführen, daß mir berichtet worden ist ich habe selbst nicht die Zeit die Berichte nachzulesen aber es ist mir von den verschieden- sten richterlichen Seiten gesagt worden, daß leider sich die Presse nicht korrekt hält, nicht objektiv ref«irt, daß sie nament- lich durch Hervorheben einseitiger Beobachtungen und Ver- schweigen anderer, welche zu einem objektiven Urtheile noth- wendig sind, ein solches nicht erscheinen lasse. Es werden so- gar falsche Thatsachen angegeben, wie eS z. B. bei der Bekun« Dung des Herren Landgcnchtsrath Johl d« Fall gewesen ist. Es ist mir heute ein Referat gezeigt worden über eine Vernehmung, welche ich selbst vorgenommen habe mit der Klara Adler. Diese Vnnehmung wird nicht nur unrichtig geschildert, sondern dahin dargestellt, als ob ich die Zeugin zar nicht erst vernommen hätte und zu eigener Aussage zuge- äffen hätte, sondern, als ob nur das Protokoll genommen und vorgelesen worden wäre, und als ob die Zeugin nichts an- zugaben gewußt hätte. Das ist unwahr, das können nur die Bmchterstattcr verantworten. ES ist von mir in sorgsamster Weise versucht worden, die Zeugin zu eigener Aussage zu veranlassen, wobei ich von der königlichen Staatsanwaltschaft unterstützt wurde. Erst alS die Zeugin schlechterdings nicht sich auslassen konnte ob« wollte, dann erst bin ich Dazu geschritten, wozu ich durch das Gesetz verpflichtet bin, ihr ihre früheren Aussagen vorzuhalten, da sie sich nicht zu erinnern vermochte. So ab« werden die V«hand- lungen entstellt; dieS bedauere ich außerordentlich. Es ist für die gegenwärtigen Verhandlnngen die Oeffentlichkeit aus- geschlossen worden. Als dies geschehen sollte, habe ich mich geprüft, ob ich einzelnen Personen, wie es daS Gesetz gestattet, Die Gegenwart genehmigen darf, namentlich ob ich sie der Preffe genehmigen solle. Ich Hab« in einem früb«en Falle mit Rigorosität auch die Preffe ausgeschlossen' es ist aber von ander« Seite auck gesagt worden, daß die Anwesenheit der Vertreter der Presse«wünscht sei, damit nichts Unrichtiges über die VeihanDlungen in die Oeffentlichkeit dringe, damit, natürlich unt« Weglaffung anstößiger Stellen auch wortgetreu berichtet werde. Ich habe mich dem Zutreffenden Dies« Gründe nicht verschließen können und mich entschlossen, die Presse und ein anderes Publitum zuzulassen. Aber ich hatte dabei darauf gerechnet, daß die Presse objektive und wahrheits­getreue Berichte bringen würde. Und es soll gar nicht in Abrede gestellt werden, daß ein Theil der Preffe diesem Erforderniß nachkommt, aber ein ander« Theil thut es nicht; es wird zum Theil mit offenbarer Färbung gearbeitet. Ich habe, bevor ich Den Entschluß faßte, die Preffe zuzulassen, erwogen, daß im Publikum die verschiedenartigsten Erzählungen über den Gegen- stand des Prozesses kurflrten. Es wurde auf der einen Seite aufgebauscht zu unendlich schw«ercn Anklagen, als vorliegen, andererseits wurde eS dargestellt, alS ob ein genügendes Material zur Anklage gefehlt habe. Dies ist auch in den letzten Wochen vor dem Termin d« Fall gewesen und geltend ge- macht worden. Diese Momente haben mich bestimmt, damit das Wahre und die Wahrheit nicht verschlossen bleibe, die Theil- nahm« zum Theil auch zu nichtöffentlichen Sitzungen zuzu- lassen. Wenn eS nun ab« in dieser Weise wie bish« fort- gehen, und ich leider die Wahrnehmung machen sollte, Daß die Berichte nicht objektiv find, wie es bei einigen, ich sage ausdrücklich, nicht allen, leid« bei einigen uns«« sonst ehienwerthesten, hochgeachtetsten Zeitungen d«Fall ist, wenn dieS weiter der Fall sein würde, dann würde ich in d« Lage sein, zu prüfen, ob ich nicht besser thäte, die Presse ganz aus« zuschlreßen, ob der Schaden, der durch die Ausschließung ent« steht, nicht ein geringerer ist, als wenn durch sie die öffent- licke Meinung in einer oder d« anderen Richtung beeinflußt würde. Ich sage Ihnen dieses Alles, meine Herren Geschwo« renen, um deswillen, weil ich dringend wünsche, daß Sie sich durch solche unrichtige Darstellungen nicht beeinflussen lassen. ES ist sehr wohl möglich, daß Sie sich in einzelnen Punkten nicht genau erinnern und glauben, weil es gedruckt steht, wird es auch wahr sein und sich auch so verhalten. Wollen Sie sich dies beherzigen: ich bitte recht dringend, nicht vorschnell zu urtheilen, namenttich sich nicht durch irgend welche Pr.ß- darstillungen, welche der Wahrheit nicht entsprechen, bestimmen zu lassen. Hierauf wird in die eigentliche Verhandlung eingetreten. Geh. Sanitätsrath Lervin macht auf eine nach seiner Meinung herrschende Differenz zwischen den Aussagen des Landgerichts« raths Johl und dessen Protokollführer Ref«endar Eschke be- züglich der während der Voruntnsuchung gemachten Wahr« nehmungen über die Geistesschwachheit oder Beschränktheit d« Anna Rother aufmerksam. Es wird festgestellt, daß Landgerichts- rath Johl nach seinen Betrachtungen die Anna Rolher von Anfang an nicht für geistesschwach gehalten hat. Frau Rother: Wie soll man es denn anders nennen als geiftes. schwach, wenn ein Mensch von Jug-md an Krämpfen leidet, so Daß er nicht die Schule besuchen kann. Meine Tochter weiß keine Hausnumm«, kann nicht rechnen, kennt keine Zahl, weiß feinen Monatstag. Bitte, überzeugen Sie sich selbst. Zeuge Stellmacher Kühnle hat einige Zeit bei Rothns gewohnt unD bekundet: daß Bertha Rother ein Verhältniß mit Prof. Graes halte, hat mir Frau Roth« selbst erzähtt. Sie hat mir eines Tages mitgetheilt, daß d« Professor, welcher ein Mädchen angefaßt habe, Furcht habe und sie hat mich sodann nach der Franseckisttaße geschickt, um mich zu erkundigen, ob Frau Hammermann ans dem Gefängniß ist. Ich habe nichts erfahren können und erst bei einem zweiten Male habe ich ge- hört, daß die Frau noch nicht aus dem Gefängniß heraus ist. Ich habe dies der Frau Rother mitgetheilt, dieselbe gab mir eine Mark für den Gang, ich habe ab« eine Quittung über 20 M. ausgestellt, welche Fi au Roth« dem Professor vorlegen wollte. Am folgenden Tage hat mir Frau Rocher erzählt, daß sie von dem Professor sogar 30 M. erhalten zabe. Präs.: Angekl. Graes, welches Jntnesse hatten Sie denn daran, d« Frau Roth« einen solchen Auftrag zu geben und dafür 20 Mark ,u bezahlen. AngeN. Graes: Ten Auftrag habe ihr auch gar nicht ertheilt, sie hat das mehr aus eigenem Antriebe gethan und hat mich dann be« wogen, ihr 20 Mark zu geben, weil sie behauptete, mehrere Gänge und Auslagen gehabt zu haben. Angell. Frau Rocher: Es ist nicht richtig, daß ich den Kühnle direkt nach der Franseckistiaße zu Hammnmann'S geschickt habe: derselbe hat für mich vielmehr eine Wohnung gesucht und bei dieser Gelegen« heit auch nach Hammermann's«fragt. Präs.: Haben Sie ich denn von Prof. Graes 20 Mark geben lassen? Angekl.: Das weiß ich nicht mehr genau. Nach ein« Weile sucht die Angekl. diesen Umstand dahin aufzuklären, daß d« Kühnle sie immer um Geld angegangen sei und sie denselben auf alle Weise unterstützt habe. Sie habe nun dm Weg der Aus- stellung ein« Quittung üb« 20 Mark gewählt, um das Geld an Kühnle zu überreichm. Präs.: Haben Sie ihm denn nun daS Geld gegebm? Angekl.: Nein. Präs.: Dann wird wird man an ihre edle Absicht wohl nicht recht glauben. Der Zeuge seinerseits erklärt diese Darstellung für erlogen. Zeuge Kühnle giebt fern« an, daß er einmal von der Mutter und der Anna Rother zur Bertha geschickt wordm ist, um 10 M. zu holen und als« damit aus d« Pritzwalkerstraße wieder heimkehrte, habe man ihn ge- fragt,was macht das Raubthier?" Er habe von der Bertha selbst gehört, daß jedes Stück, welches im Geschäft der Mutt« sei, ihr gehöre. Zeuge ist auch gerade nach der mehr- fach dercgten Zankszene in das Rotherssche Haus gekommen. Er hat dabei gehört, wie Bertha Rüther in voller Wuth sagte: Sie nennen mich Professorenh... und haben einm Meineid geschworm. Ich werde sie an den Galgen bringen. Aus der ferneren Aussage dieses Zeugm geht hervor, daß« später mit Hammermann in Verbindung getreten ist. Er giebt an, daß er lediglich aus Aerger darüber, daß in Folge eines Meineids eine unschuldige Frau bestraft worden, sich in die Sache ein« gemischt habe. Er habe schließlich dem Hammermann gesagt: Wenn Sie dm Professor nicht denunziren, dann thue ich es jetzt!" Eine Anfrage des Vertheidigns, R-Ä. Kleinholz, ob der Zeuge von Hammermann Geld oder Versprechungen «halten habe, bestreitet Zeuge ganz energisch. Er habe kerne selbstsüchtigm Zwecke verfolgt, sondern lediglich einem inneren Drange Folge geleistet. R. Ä. Kleinbolz: Ich habe ein Interesse daran, zu«fahren, auf welche Weise der Zeuge in den Besitz d« Briefe deS Prof. Graes gelangt ist, die« an Hammermann ausgeliefert hat? Zeuge: Ick verweigere darüber die Aussage, weil ich fürchte, mich einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, wenn ich die Wahrheit sage. Der nächste Zeuge ist der Kutscher Ihlow  , welch« etwas schwankenden Schrittes dm Saal betritt. Präs.: Hören Sie, Zeuge, es kommt mir so vor, als ob Ihr Schritt sehr unstch« ist. Haben Sie etwa stark getrunken? Zeuge: Nein, He« Gerichtshof, einen Schnaps habe ich ja getrunken. Präs.: Nur einm? und wie viel Bier? Zeuge: Ein Glas. Ich habe Draußen gesessen und bin eingeschlafen ge- wesen. Angekl. Frau Rother: Dm Mann nehme ich als Zeugen nicht an. Präsident: Wamm denn nicht? Angeklagte: Ich betrachte den Mann als meinm Mann, denn ich habe so mit ihm gelebt. Präsident: Gott sei Dank, haben wir doch noch nicht solche Zustände, daß Jeder, d« mit einem andern in Konkubinat lebt, als deren Mann zu betrachten ist. D« Zeuge giebt zu, mit der Frau Roth« in Konkubinat zu leben, wird aber in seinen Aussagm so schw«fällig, daß der Vorsitzende ihn doch nicht für ganz dispofitionssäyig hält. Er entläßt den Zeugm deshalb vor- läufig ins Zeugmzimmer,«mahnt ihn aber, nichts zu trinken. Die Zeugin unverehelichte Staub war Dimstmädchen bei d« Bertha Roth« in der Pritzwalk  «straße. Sie bezeugt, daß die von einem Referendar L. ausgestattete Wohnung d«selben recht luxuriös war und daß Bertha Rother auch eine sehr schöne Garderobe hatte. Bertha Roth« hatte ein Konto auf der Deutschen Bank und ließ sich fast regelmäßig alle 14 Tage auf einen Check Geld aus der Bank holen, 50 Mark, 100 Mark und einmal 1000 Mark. Das meiste Geld davon erhielt ge- wohnlich die Schneiderin. Wo das viele Geld herkommt, hat ihr Bertha Rother nie gesagt. Sie habe nur einmal angedeutet, daß dieS ihre Ersparnisse aus der Schuspielerei seien. In der Wohnung sei manchmal der Vater Roth« gewesen, ebenso ein- mal die Anna Roth«, fem« der Referendar L., der aber mit dm Familimgliedem nicht zusammentraf, sein«seits ab« wohl einmal einen Freund mitgebracht hat. Ändere H«ren hat sie nicht gesehen, wenn auch manchmal Henen dieselbe aus dem Theat« bis an ihre HauSthür brachten. Sie hat zweimal einen Brief von der Bertha an den Prof. Graes üb«bracht und von demselben den Bescheid erhallen, daß er eine direkte Antwort ertheilen werde. Ob diese Besorgung der Briefe nach der Vernehmung der Anna Roth« rn der Hammer- mann'schen Sache stattgefunden hat, weiß die Zeugin nicht, dagegen erinnert sie sich, daß eines TageS bei einem Be­suche, den Anna Rother mit ihrem Bräutigam Lawisch der Bnlha machte, zwischen dm Schwestern von ein« Vernehmung die Rede war. Anna Roth«, welche manchmal zu der H«tha kam und von derselben auch Geldunterstützungen erhielt, war vorher länge« Zeit nicht da gewesen. Bertha hatte ihr ge« sagt, sie brauche nicht zu kommen, weil sie sie immer an- pumpe. Es folgt die Verlesung des Protokolls über die heut früh stattgefundene Vernehmung des Zeugen Lawisch. Dnselbe hat ausgesagt, daß« die Anna Roth« im Jahre 1880 kennen ge­lernt und sich mit ihr verlobt habe, als sie 17 Jahre alt war. Im November v. I. ist das Verlöbniß wieder aufgehoben wordm. Zeuge hat Graes zweimal im Rother'ichen Hause ge- sehen, indeß ist ihm von einem Veihäitniß der Bertha mit Gr. aus eigener Wahmehmuna nichts bekannt. Er hat die Anna zum polizeilichen Termin begleitet und ihr, da er wußte, daß sie zur Unwahrhastigleit neigte, ernste Vorhaltungen gemacht, daß sie streng bei der Wahrheit zu bleiben habe. D« Zeuge schildert dann weit« den Verlauf deS Termins vom 6. Juni und giebt an, daß, als Bertha nach Ablauf des Termins von demselben hörte, sie in hohe Aufregung gerathen sei, woraus er ersehen, daß Bertha von dem Termin und AnnaS Ladung vorher nichts gewußt haben müsse. Anna sei lügenhaft, unzuver- lässig, gerathe oft in Wuth und zwar ganz ohne Grund, tobe, schimpfe, zerreiße, waS ihr in die Hand komme, werfe sich dann aufs Sopha und kühle sich mit einem nassen Lappen die Stirn. Mal« Carl Etauffer hat die Anna Rother als Modell ge- braucht und als dieselbe v«haftet wurde, hat er d«en Sachen in Verwahrung genommen, damit dieselben nicht gestohlen wurden. Ihr habe die Anna gelegentlich von einem Verhält- niß ihr« Schwest« Bertha zu Prof. Graes etwas gesprochm, da aber d«artiger Mod-llklalsch schon mehrfach kolportirt wor- den war und die Anna Rocher gcwohnheitsmäßrg, zwecklos und dumm zu lügen pflege, so habe« diesen Dingen keine Bedeutung beigelegt. Nach dem Termin in der Hammer- mann'schen Sache hat ihm die Anna erzählt, daß sie in dem Termin Entlastungszeugin gewesen und beschworen habe, daß ,hr von einem intimen Verhältniß ihrer Schwester Bertha zu Rother nichts bekannt sei und daß sie selbst mit Prof. Graes nichts zu chun gehabt habe. Ferner hat ihm die Anna Roth« erzählt, sie sei im Termine gefragt worden, ob ihr von dem Vergehen Äraef's gegen die Helene Hammnmann etwas be« könnt sei. Da habe sie gesagt, daß sie selbst zugegen gewesen sei, als die Helene Hammermann sich als Modell bef Prof. Graes präsentirte und Prof. Graes habe dem Mädchen sofort zugnufen:Ziehen Sie sich nur schleunigst wiedn an, Sie sehen ja auS, wie ein Spatz!" Präs.: Dann haben Sie doch gelogen, Anna Rother, denn Sie find weder in dem Termin Danach gefragt worden, noch in dem Graef'schen Ateli« zugegen gewesen, als Helene Hammermann dort war..Die Angeklagte schweigt dazu. Auf Befragen der gerichtlichen Sachv«ständigen«klärt der Zeuge dann noch, daß die Anna Roth« wirklich gern, ober recht dumm zu lügen pflege und nicht sehr logisch denke, daß sie aber entschreden wenn auch schlecht schreiben könne. Der Zeuge L., welcher für Bertha Roth« die Wohnung in der Pritzwalkerstraße hergnichtet hat, hat mit derselben vom Septemb« 1883 bis zu ihrer Verhaftung im intimen Verhält- gestanden. Er habe, so bekundet«, dieselbe iir Burg bei Magdeburg kennen gelernt, wo sie eine ganz allgemein ver- ehrte und geachtete Schauspielerin war und ein anständiges zurückgezogenes Leben führte. Alle jungen Leute in Burg hätten sich um ihn Gunst bemüht und chm selbst sei es sehr schwer geworden, ihre Bekanntschast zu machen. Er habe sie nach ihrem ganzen Austreten für ein moralisch intaktes Mädchen gehalten, die auf ihn einen vorzüglichen Eindruck machte und welch« er sich ohne alle Nebengedanken näherte. Er gestehe offen, daß er für sie sodann nicht blas Interesse, sondern große Liebe hegte. Auf seine V«anlassung habe sie Burg verlassen und habe sich nach Berlin   begehen. Er habe zunächst mit ihr Ko«espondenzen unterhalten und sei dann selbst nach d« Nähe von B«lin versetzt worden. Präs.: Ist Ihnen denn nickt aufgefallen, daß die Schrift eigentlich auf eine ungebildete Person schließen ließ; daß eS mit ihr« Schreib« kunst doch etwas problematisch aussah. Zeuge: Sie schrieb schlecht, aber Styl und Orthographie waren ganz ko«ekt. D« Zeuge erzählt weit«, daß« hi« in Berlin   in nähere Be- ziehungen zu Bertha R. getreten sei. Als er die Familien« v«hällniffe derselben kennen gelernt, habe er sofort Sorge ge- tragen, daß sie aus diesem Kreise entfernt wurde und habe ehr gerade DesKalb eine eigene Wohnung in der Pritzwalker- straße gemiethet, welche« allerdings mit seinem Gelde ausstattete. Er habe sie vollkommen erhalten und reichlich mit Mitteln ausgestattet. Wie viel er für dieselbe im Ganzen ausgegeben, könne« annähernd nicht sagen, mehrere Tausend Mark seien es aber gewiß gewesen. Er habe hi« und da ein« mal einen Freund mit in die Wohnung genommen, andere Mann« aber haben dort nicht verkehrt, namentlich keine Ossi- zi«e. Von ihrem Verhältniß zu Prof. Graes habe sie ihm nur das erzählt, daß sie demselben Modell gestanden und daß Prof. Graes sie habe ausbilden lassen, doch habe ihm aus ihren Er« zählungen es nur immer so geschienen, als ob nur«n väter­liches Verhältniß obwaltete. Später habe« einmal gehört, daß ein intimeres Verhältniß stattgefunden habe und als er die Bertha Rother darüber befragte, habe dieselbe ganz indig- nirt gesagt;Es ist dock schändlich, daß man nun auch Dir schon so etwas in die Ohren bläst!" Der Zeuge erklärt fern«, daß er von Korrespondenzen zwischen Bertha und Graes dirett nichts gehört habe, doch habe ihm dieselbe erzählt, daß sie in dn Familie des Prof. Graes ganz gern gesehen sei. Ange« klagler Graes: Ich habe meine Familie vis jetzt nicht in diese Verhandlung hineingebracht. Ich muß jetzt ab« doch bemerken, daß Bertha Rother in mein« Familie in der That gern ge- sehen war und daß sie Jeder kannte. Ich habe ihr gestattet, meiner locht« kleine Geburtstagsgeschenke zu wachen. Ich habe ihr gesagt, wenn sie eine tüchtige Schauspiel«in würde und sich gut halte, sie dahin kommen rönne, daß ich mich nicht geniren würde, sie in meine Familie einzuführen. Präs.: Herr Zeuge, haben Sie für die Bertha Roth« Anweisung auf die Deutsche Bank gegeben? Zeuge: Nein, doch kann eS möglich sein, daß Bertha R. von dem, was ich ihr gab, ohne mein Wissen etwas bei der Deutschen Bank einzahlte. Präs.: Kann dies bis zu 1000 M- herangehen? Zeuge: Ja. Bertha Rolher erklärt hi«zu, daß sie schon lange vorher 2500 M. auf der Sparkasse gehabt habe. Auf wertere Frage des Präfidenten erklärt d« Zeuge, daß Bertha Reim, welche in der Wohnung verkehrte, seines Wissens nach nicht mit B«tha R. befreundet war, sondern sich mehr an dieselbe herangedrängt habe. Schließlich verwahrt sich der Zeuge gegen die in den Akten enthaltene Darstellung, als ob in d« Wohnung unt« sein« Leitung Hazardspiel be- trieben worden sei. Rechleanwalt Dr. Holz: Welchen Eindruck hat die Bertha Rother auf den Zeuaen nach dem Termin vom K.Juni gemacht? Zeuge: Ich bin Bei der Haussuchung zugegen gewesen und ruhig verhalten habe. muß sagen, daß sich die Bertha ganz AlS die Anna R. ihr« Schwester die V -Otlobung zum Termin gezeigt habe, sei Bertha höchst erregt geworden und habe daS Papier auf den Boden geworfen; eS habe ganz den Eindruck gemacht, als ob sie von der ganzen Sache garnichtS wüßte. Als dann Anna Rother unter dem Verdachte deS Meineid» verhaftet worden war, habe er sie«nstlich und eingehendst da« bin inquirirt, ob sie irgendwie auf ihre Schwest« eingewirkt habe. Sie habe dies aber entschieden abgelehnt und hinzugefügt, daß man der Anna schwerlich etwas anhaben könne, da dieselbe unzurechnungsfähig sei. D« Staatsanwalt Heinemann legt nun einen Theater« zetttl vom WilhelmStheater aus dem Jahre 1882 vor, wo Fräulein Rother als eine Nichte deS regi«enden Fürsten d« Hölle aufgeführt steht. Er bitte den damaligen Direktor Roth« schild darüber zu vernehmen, daß Bntha Rother beim Theater im Ganzen nur eine Äolontair-Rolle eingenommen habe und daß in Theaterkreisea allgemein bekannt war, daß sie mit einem Professor ein Verhältniß habe. Die Art der Rollen lasse es nicht wahrscheinlich«scheinen, daß sie aus ihrem Theat«, Honorar so viel«sparen konnte. Professor Graes: Der Herr Staatsanwalt spricht hier von ein« Zeit, wo Bntha noch ganz im Anfange ihrer Theat«, Engagements war. Sie wurde damals erst in ganz kleinen Rollen beschäftigt und ich habe damals noch alles Geld für sie gegeben. Auf Ein­spruch d« Vertheidig« zieht d« Staatsanwalt seinen Antrag zurück. Eine Beantwortung d« Frage, unter welchem Namen sie sonst im Theat« aufgetreten, lehnt Bertha Roth« aber« mals ab. Nach kurzer Pause wird die jetzige Buchhalterin Marie Reim vernommen. Dieselbe hat zwei Jahre bei Rother's ge« wohnt und sich dort nützlich gemacht, weil sie pekuniär der Frau Rother nicht lohnen konnte. Sie hat sich theilweise auch davon«nährt, daß sie Prof. Graes in seinem Atelier, währen» derselbe an den Kleidern u. dergl. seines Portraits arbeitete» oft Stunden lang vorla», ihm auch hi« und da einmal Modell stand. Nach ihrer Behauptung ist sie nicht durch Roth«'», sondern durch eine andere Frau mit Graes bekannt geworden. See ist, wie sie zugiebt, der B«tha freundschaftlich nahe ge« . Bat mehrfach mit derselben Reisen gema wofür Bertha die Kosten bezahlte. So ist sie nach Bremen  , nach Burg und von Berlin   über Köln  , Calais  , Boulogne  , nach London   gereist. In Boulogne   haben sie an der Table d'hote Prof. Graef getroffen, sie wohnten in dem« selben Hotel und hatten 3 Zimm« inne, von denen Professor Graes das mittelste inne hatte. Nach lOtägigem Aufenthall in Boulogne   trafen sie mit Graes in London   wieder zusammen und wohnten in gleich« Weise. Von London   ging die Reise nach drei Tagen nach Brighton  , und von dort nach einem Aufenthalt von drei Tagen wird« zurück nach London  . Dort wurde Bertha krank und Graef   begleitete die Damen bis Dov«. Ihre Mitnahme nach London   erklärt die Zeugin da« durch, daß sie etwas Französisch konnte. Heber den Verkehr Graesis im Rolher'schen Hause bekundet die Zeugin, daß der- selbe sehr oft, gewöhnlich Nachmtttags zwischen 4 und 6 Nist oder nach 10 Uhr kam. Sie habe zuerst auch geglaubt, es handle sich um einen Verkehr im schlimmen Sinne, brs ihr Berlha einmal auf ihre direkte Frage antwortete, daß sie ihr Verhällniß N dem Professor ganz falsch auffasse. Wenn er kam, waren oft auch die übrigen Familienglied« zugegen;« küßte ihr die Hand od« auch die Stirn, mitunter auch wohl auf den Mund. Daß« sie ge liebkost hätte, weiß die Zeugin nicht, höchstens könnte es am Geburtstage geschehen sein. Prof. Graef habe Bertha geduzt, diese ab« hatSie" gesagt und nannte ihej Herr Professor"» mitunter auch wohlProfefforchen". D» Trennung zwischen den beiden habe ihren Grund darin, da» Prof. Graef DieS und Jenes über Bertha erfahren und ge« merkt hatte, daß sie nicht so fleißig studirte, wie« wünsch'' Sie bekundet fern«, daß sie den Prof. Graef einmal selbst befragt habe, ob ein Verhältniß zwischen ihm und Bertis cxistire. Darauf habe derselbe ab« geantwortet, ba» ich ganz falsche Anschauungen von seinen Beziehungen Kf dem Mädchen habe. Dasselbe habe ihm Modell gestanben, habe ein großes Jntnesse für dieselbe gehabt und sie auSbllven