hoch geehrte volksthümliche Agitator, will fich jest wieder in Irland niederlassen, nachdem er seit einigen Jahren in Eng Land seinen Wohnfit hatte. Swischen Davitt und Parnell besteht eine große prinzipielle Gegnerschaft, da ersterer dafür eintritt, daß der Grund und Boden dem gesammten Volke ge hören soll, während Barnell nur will, daß den irischen Bächtern zunächst Erleichterungen und dann das gepachtete Land als Eigenthum werde. Parnell fühlt sich mit seinen Forderungen nicht mehr recht sicher, er glaubt und wohl nicht mit Unrecht und wohl nicht mit Unrecht daß die Ansicht Davitt's schließlich die Oberhand gewinnen wird. Deshalb hat er bereits eine große Generalversammlung der irischen Nationalliga ausgeschrieben, der Delegirte aus England, Amerita und Australien beiwohnen sollen, um von thr durch eine feierliche Erklärung das Prinzip der Landnationaliftrung verurtheilen und das des bäuerlichen Eigenthums farttioniren zu laffen. Die Hauptstüße für seinen Ein fluß glaubt er aber zu finden in seiner und seiner Genoffen eigener parlamentarischer Thätigkeit.
Amerika.
Philadelphia , 30. September. In Seattle , Washington Territorium, fand gestern eine Versammlung von Delegirten verschiedener Arbeitervereine statt, um gegen die Ausbreitung der Chinesen an der Pacificküfte zu berathschlagen. Resolutionen wurden mit großer Mehrheit angenommen, worin alle Bürger aufgefordert werden, die in ihren Diensten stehenden Chinesen zu entlassen, um das Land von dem Druck der chinesischen Sllavenarbeit zu befreien. Die Einwohner aller Städte werden aufgefordert, Versammlungen betreffs Berathung über diese wichtige Frage abzuhalten und gemeinsam mit dem BentralKomite in Seattle vorzugeben. Die heutigen Telegramme melden, daß die in den Kohlengruben bei Seattle beschäftigten Chinesen sämmtlich entlassen sind und sich schnell entfernen, und daß ferner zahlreiche Mühlen ihre Chinesen durch weiße Arbeiter ersegen.
- Das farbige Element des Landes, welches Anfangs durchaus nichts von der demokratischen Administration wissen wollte, da es befürchtete, daß ihm nicht dieselbe Beachtung im öffentlichen Leben zu Theil werden würde, wie unter republika nischer Verwaltung, hat sich bereits mit dem Regierungswechsel ausgeföhnt, da fich seine Befürchtungen nicht realifict haben. Herr Cleveland hat mehrfach bei der Besetzung von Aemtern die Farbigen berücksichtigt, was ihm dieselben sehr hoch ange rechnet haben, obwohl ein solches Vorgehen doch ganz selbst verständlich ist und im Einklange mit dem Geist der Verfaffung des Landes steht. Ferner haben Farbige gute Stellen im Generalpoftamt und im Finanzminifterium erhalten und viele der unteren Stellen in den verschiedenen Regierungsdepartements find ebenfalls in Händen von Negern.
Aus Kanada wird gemeldet, daß der Gerichtshof in Battleford, im nordwestlichen Territorium, über mehrere Indianer wegen deren Betheiligung an der Rebellion sein Urtheil gefällt hat. Big Bear und acht andere Häuptlinge erhielten eine dreijährige Gefängnißftrafe, während 16 andere für Brandstiftungen und Pferde diebstähle mit Gefängnißstrafen von 2 bis 17 Jahren belegt wurden. Vier Häuptlinge Waudering Spirit, Mongrand, Dressyman und Charlebois find wegen Mordes zum Tode verurtheilt worden und Brigh, tenes erhielt wegen Todschlags eine Gefängnißstrafe von 20 Jahren.
Lokales.
Die Arbeiter- Abends- und Sonntagsschule" soll, nachdem am vorigen Dienstag( in der Versammlung in den Industriehallen, Mariannenstraße 33) das Projekt allgemein Billigung gefunden hat, noch einmal auf die Tagesordnung einer in einem anderen Stadttheile abzuhaltendenden Vers sammlung gesetzt werden. Lestere ist auf Montag, den 5. Of tober, nach dem Lolale von Seefeld, Grenadierstraße , einbes rufen.( S. Inserat.) Es fehlt hier der Raum, um das Prin zipielle und Geschäftliche des Unternehmens ausführlich zu ent wideln. In lepterer Beziehung sei nur gesagt, daß die Theil nahme fich ganz billig stellt( 1 Mart pro Monat) und der bes ftimmt zu erwartende Ueberschuß nicht einem Privatunternehmer zufällt, sondern der Schule gehört und zur Anschaffung einer Bibliothek und sonstigen geeigneten Zweden verwandt werden soll. Zur Auskunft im Einzelnen find folgende das provisorische Kuratorium bildende Herren bereit: F. Berndt, Pallisadenstraße 35, Bruns, Reichenbergerstraße 105, Hamm , DieffenbachStraße 67, Kirchner, Neuenburgerstraße 17 a, Riglaff, Friedrich Karlstraße( in Friedrichsberg) 24, R. Richter, Grüner Weg 30, G. Schöller, Landsberger Allee 148, K. Schöppler, Fürsten ftraße 2, D. Sillier, Admiralstraße 12. Selbstverständlich hat zu der Versammlung am Montage Jedermann Zutritt.
* Der Berliner Verkehrs- Verein veranstaltet, wie früher, im Laufe dieses Winters Versammlungen, in denen instruktive, gemeinnügige Vorträge gehalten werden sollen. Bunächst wird Herr Direttor Gellert ein Bild Berlins aus der Geschichte des legten Jahrhunderts entwerfen. In weiteren Vorträgen werden auf Veranlassung des Vereins die zukünftigen Berliner Verkehrsverhältnisse erörtert werden. Ferner wird beabsichtigt, verschiedene zur Zeit noch bestehende Uebelstände im Verkehr der Reichshauptstadt demnächst durch praktische Maßregeln zu beseitigen.
Eine Eintagefliege. Unter dem Titel„ Spandauer Tageblatt" erschien vorgestern in Spandau eine fonservative Beitung. Sie war in ihrem politischen Theil ein Auszug aus dem Deutschen Tageblatt"; der lokale Theil sollte in Spandau hergestellt werden. Das neue Blatt gab sich selbst das Beugniß, eine wider Erwarten günstige Aufnahme gefunden zu haben. In Wirklichkeit war aber die Bahl der Abonnenten so gering, daß eine weitere Nummer nicht ausgegeben wurde. Die eingelaufenen Abonnementsgelder find theilweise zurückgezahlt worden. An Eifer für das Unternehmen hat man es auf jener Seite nicht fehlen lassen; selbst Behörden legten sich ins Mittel. So wurde, wie der Anz. f. d.." zu berichten weiß, um nur ein Beispiel, aber ein markantes zu geben. durch Kommandantur Barolenotiz vom 16. September bekannt gegeben, daß im Kommandanturbureau eine Lifte zur Einzeich nung von Abonnements ausliege, und der Vorsteher des Büreaus erklärte fich gern bereit, ihm schriftlich zugehende Abonnementsaufträge in diese Liste aufzunehmen. Ja die Parole Empfänger führten an jenem Tage eine Probenummer des Blattes behufs Abgabe an die Truppentheile und Institute bei fich. Ob es der hilfreichen Unterstüßung aller Wohl gefinnten", an welche das Blatt appellitte, gelingen wird, das Unternehmen noch zu retten, bleibt abzuwarten.
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Eine intereffante Rechnung. Unsere Vorfahren waren in Geldsachen sehr genau und sfrupulös; nachstehende, dem Magiftrat von Berlin seinerzeit eingereichte Rechnung illuftrirt deutlich, daß schon in alter Beit in Geldfaden die Gemüth lichkeit aufhörte. Wir behalten die Orthographie des Originals bei: Rechnung wegen den am 15. Auguft 1786 lebendig verbrannten Maleficanten Höpner. Für Verrichtung der Ere lution Scharfrichter Gebühren nach f. f. Rathsbestallung 16 Gr. Baare Auslagen, für Geräthschäften, so ich auf f. f. Raths. befehl anschaffen und bestreiten müssen, find folgende. Bum Segen des Scheiterhaufens habe nöthig gehabt noch zwei fremde Scharfrichter. Bothlohn diefelben Anbero au holen/ weil Die Beit, auf die Boft zu schreiben zu furg fiel/ einen nach Brandenburg 8 Meilen a 3 Gr. 1 Thlr., dite einen nach Oranienburg 4 Meilen a 3 Gr.12 Gr. Beiden Scharf richtern auf 6 Tage ihre Dieten nemlich, Erfterer 3 Tage zur Her- und Hinreise, 2 Tage beim Segen und 1 Tag bei Verrichtung der Execution a Tag incl. tau und harten Futter( die Scharfrichter find jedenfalls hergeritten oder gefahren) 16 Gr. fac. 4 Thlr., Legteren 2 Tage zur Her- und Hinteise, 3 Tage
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beim Seßen des Scheiterhaufens und 1 Tag bei der Execution beim Seßen des Scheiterhaufens und 1 Tag bei der Execution a dito 16 Gr. fac. 4 Thlr. 3wei Schock große starke Nagel 3wei Schock große starte Nagel zur Beveftigung derer Latten 10 Gr. Drey Mandel Bund gutes, gerades Stroh a 1 Thlr. 8 Gr.= 4 Thlr. Daffelbe nach der Gerichts.Stäte zu fahren 8 Gr. Dem Sellermeister Unger für gebrauchte Materialien laut Rechnung bezahlt 8 Thlr. 7 Gr. N. B. Da mir kein troden Holz geliefert worden, so habe noch 1 Stein Pech, 1/4 Tonne Theer und zwei alte Theertonnen zum entzweischlagen, um fie mit im Scheiters baufen zu sehen, und des naffen Holzes wegen defto ge= schwinder zu befördern, mehr nehmen müffen, als angefeßet worden: dieses alles aus der Stadt nach der Gerichtsstelle zu fahren= 8 Gr. 6 Bfund gezogenen Schwefel als zwei Pfund mehr wie angefegt find des naffen Holzes balber a 2 Gr.12 Gr. Dem Schmiede Meister Jaender für Eisengeräthschaften bezahlt laut Rechnung 17 Thlr. 22 Gr. Einen Nagelbohr 1 Gr. Die Stangen in der Krücke und Feuerhaafen in der Space(?) zu machen, habe einen Tagelöhner überhaupt bezahlt 8 Gr. Einen Helm und Stiel in der Art und dem Hammer zu machen 4 Gr. Einen fleinen Schemel, wo Inquifit drauf figen müffen, 6 Gr., zwei Leitern, so zum sezen des Scheiterhaufens gebraucht, à 16 Gr. 1 Thlr. = 1 Thlr. 8 Gr. Dem Böttchermeister Hart für die Wasserthiene bezahlt der Gerichtsstelle zu fahren 8 Gr. Zwei Fuhren Waffer, eine laut Rechnung 3 Thlr. 18 Gr. Selibge aus der Stadt nach haafen bei der Erefution, die andere das übrige Feuer in benannte Thiene zum Abkühlen der Krücke und der Feuerauf den Abend zu Berhütung alles Schadens bei entstehenden Sturmwinde mit auszugießen, nach der Gerichtsstelle zu September 1786 datirten Rechnung noch eine nicht spezifizirte fabren à 6 Gr.= 12 Gr,"- Außerdem ist in der vom 13. September 1786 datirten Rechnung noch eine nicht spezifizirte Schlofferrechnung mit 7 Thlr. 14 Gr., so daß die vom Scharfrichter Brand quittirte Rechnung vom 19. September fich auf 56 Thlr. 6 Gr. beläuft. Doch der Malefilant Höpner loftet der guten Stadt Berlin ein erhebliches Stück Geld mehr, wie wir aus Rechnungen ersehen, die dieselbe Exekution betreffen. Es liquis dirt der Fuhrmann Friedrich Boder für Wasserholen aus der Pandow" 4 Thlr. Fuhrmann Krämer Bretter und Latten Latten und Bretter 5 Thlr. 16 Gr., Fuhrmann Sensecte 5 Thlr. nachs Gericht zu fabren" 1 Thlr., Friedrich Meyerhoff für 4 Gr. Fuhrlohn ,,, den Herrn Commiffarii Wilde zu verschiedes nen Malen nach der Richtstätte hinaus zu fahren", Förster Leh mann für eine junge Eiche, 14 Fuß lang, 1½ Fuß dick, zum Brandpfahl 3 Thlr., Förster Schraute liefert für 27 Thr. Holz zum Scheiterhaufen. Die Exekution tostete, soweit aus den Belegen hervorging, alles in allem 104 Thlr. 6 Gr., und tracht zicht, so kann man, wie die„ Staatsbrg. 3tg," meint, mit wenn man den Werth des Geldes zu damaliger Beit in Bes Recht sagen, daß die Verbrennung eines Miffethäters ein theurer Att der Juftiz war.
Belle Alliance Theater. Am Mittwoch feiert der Schwant Die Leibrente" von G. v. Moser das Jubiläum seiner 50. Aufführung; von den Kouplet Einlagen, die von derer Verve vorgetragen werden, find einige schon sehr populär, Herrn Emil Thomas und Frl. Dedmann mit ganz beson und so hat der luftige Schwant die berechtigte Aussicht, auch fein 100. Jubiläum zu feiern.
Gerichts- Zeitung.
Prozeß Graet. Sechster Tag.
Landgerichtsdirektor Müller eröffnet die Sigung um 10 Uhr. Bei Beginn der Sigung präzifirt Prof. Thumaun fein früheres Beugniß dahin: Er habe, als Prof. Graef den Eid geleistet hatte, s. 3. ursprünglich denselben für etwas bedenklich gehalten. Als er dann aber später in der befannten Reisegeldfrage mit Prof. Graef konferirte, habe er demselben seine Ansicht direkt ausgedrückt, Prof. Graef habe aber geantwortet: ein Berhält niß in dem Sinne, welchen die Welt diesem Worte unterlegt, besteht zwischen mir und dem Mädchen nicht. Es wäre ja be quemer gewesen, den Eid zu verweigern, ich würde aber damit in ein ganz falsches Licht gekommen fein und gerade im Intereffe der Wahrheit war ich verpflichtet, den Eid zu leisten." Der Beuge segt hinzu, daß er seitdem die Sittenreinheit Graefs allen Bekannten gegenüber betont hat. Angeft. Prof. Graef be stätigt diese Darstellung. stätigt diese Darstellung. Hieran schließt sich die Bereidigung der noch nicht vereidigten Zeugen: Hammermann und Krischen, Marie Reim, Prof. Kretschmer und Ihlow . Der Präfident ermahnt namentlich die Beugin Reim eindringlichst, fich noch einmal forgfältig zu prüfen, ob sie alle ihre Befundigungen bes schwören fönne, namentlich ob fie beeidigen wolle, daß tros ihres langen Verkehrs mit der Bertha ihr nie etwas von intimen Beziehungen zwischen Graef und der Bertha aus eigener Wahrnehmung bekannt geworden sei. Trogdem bleibt die Beugin dabei, daß sie nie etwas Anstößiges gesehen habe.
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Auf Wunsch des Staatsanwalts tritt der Hotelier Bopenberg aus Bing nochmals vor und erzählt, daß zwei Dienstmädchen von ihm einmal Mittheilung davon ge macht haben, daß sie an der Thür des Rimmers, in welchem der Profeffor Graef wohnte, gelauscht und deutlich die Worte der Angeklagten Bertha R. gehört haben: Aber Herr Profeffor, das ligelt so!"- Prof. Graef: Die Sache erklärt sich sehr einfach damit, daß Bertha Rother damals am Halse litt, so daß sie bei dem schlechten Wetter im Freien nicht Modell stehen konnte, daß ich deshalb in meinem Bimmer mehrfach arbeiten mußte und der von dem Dienstmädchen gehörte Ausdruck fich nur auf die Halspinselungen beziehen fonnte, die er an der Bertha Rother vornehmen mußte. Mein Tagebuch, welches in den Händen des Präsidenten ist, muß ja volle Aufklärung darüber bringen, auch muß ja das Rezept noch beschafft werden können.-Beuge Bopenberg erklärt weiter, daß er furz nach jener Mittheilung der Dienstmädchen in dem Zimmer des Professors eine Modellskizze vorgefunden habe, aus welcher er erst erfah, daß die Dame Modell stehe. Als er hier nach Berlin zum Termin reifte, habe er von mehreren Drtseinwohnern gehört, daß einzelne eingeseffene Personen wahrscheinlich mehr wie er betunden fönnten. Der Staats anwalt läßt fich infolge deffen die Namen dieser Zeugen nennen und beantragt die Labung berselben.- Der Präfident verliest zunächst aus dem Tagebuch des Angell. Graef die Notizen über seinen Aufenthalt in Binz , Es geht daraus hervor, daß in der That in der ersten Beit das Wetter sehr schlecht war und ein Arbeiten im Freien verbot, ferner daß Bertha Rother halsleidend war und daß in Der Apotheke Medizin gemacht werden mußte. Rechtsanwalt Holz: ft die Familie des Herrn Prof. Graef von Saßniß aus auch nach Binz gefommen? Beuge: Jawohl. R.A. Holz: Hat dabei Bertha Rother nicht auch mit der Familie an demselben Tische gefeffen? Beuge: Das weiß ich nicht. Der Zeuge bestätigt schließlich, daß Bertha R. damals allerdings hals. leidend war und daß er Medizin aus der Apotheke holen mußte. - Der Gerichtshof beschließt, die angegebenen Beugen aus Bina reip. Prora telegraphisch zu laden.- R.- A. Kleinholz: Die Vertheidigung beantragt nun auch noch die Ladung zweier Juristen, die in dem Prozesse Hammermann zugegen waren. Diese beiden Herren, Referendar Isaac und Dr. Salomonson, werden in Uebereinstimmung mit dem Rechtsanwalt Dr. Bernstein bekunden, daß die Fragen bezüglich des Berhältnisses" nicht vom Direktor Bachmann, sondern vom Vertheidiger Dr. Bernstein gestellt seien und daß sie nicht im Berfettum, sondern im Präsens gelautet haben. Auch diese Beugen sollen geladen werden.
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Der Präfident schreitet nunmehr zur Verlesung verschie dener Schriftstücke. Dahin gehören zuerst die Tauffcheine der beiden Schwestern und die Aften der Sittenpolizei. Es ergiebt fich daraus, daß Bertha R. schon im Jahre 1878 aufgeschrieben
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wurde, weil fie fich in der Friedrichstraße mit bestimmt erkenns barer Abficht umhertrieb, daß darauf mehrfache Verwarnungen folgten, fie dann unter fittenpolizeiliche Kontrole gestellt wurde, aber nach einiger Zeit wieder entlassen worden ist. Es folgten dann wieder einige Denunziationen, Vorladungen, Vers warnungen 2c. und es heißt in den Aften, daß fich Bertha R.( zu der Beit, als fie schon allein wohnte) aus dem Belle Alliance- Theater wegen auffälligen Betragens hin ausgewiesen worden ist, in der Ausstellung ein auffälliges Bes nehmen zur Schau getragen hat, vielfach Unter den Linden flanire, namentlich bei den Offizieren des Gardelorps bekannt fet, oft den Birkus besuche 2c. 2c. Angell. Graef : In den polizeilichen Atten steht auch, daß Bertha eine fürstlich einge richtete Wohnung befize. Das kann unmöglich zu meiner Zeit gewesen sein. Damals hatte die Familie die einfachsten Möbel, jogar mit zerriffenen Bezügen, und wenn das Gegentheil in den Alten steht, so wäre dies eine Unwahrheit. - Präs.: Es fteht allerdings in den Akten. fteht allerdings in den Atten.- Angell. Graef ( mit Nach bruck): Ich glaube doch, daß sich bis jetzt alle meine Angaben beftätigt haben.- Präs.: Das zu beurtheilen, ist Sache der Geschworenen. - Aus den weiteren Polizeiaften geht geht hervor, daß auch Anna Rother Rother im Jahre 1880 polizeilich verwarnt worden ift. Ein Geschworener wünscht noch näheres über die Ausstattung der Wohnung zu wiffen und namentlich, wie viel Zimmer Bertha N. inne hatte. Bertha R. inne hatte. Nach der Darstellung der Beugin. Reuter bestand die Wohnung aus drei Stuben und Küche.. Swei Stuben nach vorn standen zumeist der Bertha zu Gebote, doch verkehrten auch die übrigen Wohnungsbewohner darin. Das eine Vorderzimmer, welches ein Himmelbett enthielt, diente als Schlafzimmer für Bertha R., in dem anderen Zimmer war eine Garnitur von grünem Rips. Angell. Graef : Jch möchte aber doch noch einmal den Gedanten nicht aufa lommen laffen, als ob ich der Bertha eine Wohnung fürst lich hergerichtet hätte. Präs ,: Die Begriffe darüber find verschieden. Der Polizeibeamte hielt die Einrichtung bet einem Töpfergesellen wahrscheinlich für fürstlich. Nun, Angell. Bertha Rother, ist denn das richtig, daß Sie übrige Gesellschaft in einem Hinterzimmer fampiren muß? zwei Vorderzimmer und ein Himmelbett befißen und die ganze Angell. Bertha R., welche während dieser ganzen Ausein anderseßungen mit gesenktem Kopfe dafigt, bricht hier plöglich in ein länger andauerndes krampfhaftes Schluchzen aus, so daß ihr der Bote mit einem Glase Waffer beispringen muß. Ea folgen mehrere Briefe, die bei der Haussuchung bei Frau Rother theilweise im Ofen- vorgefunden worden find. Dieselben betreffen zunächst Geldangelegenheiten und bestätigen, daß Don Seiten der Frau Rother fortgefegt immer neue Geldforderungen an Graef geftellt worden sind; bald war es zur Miethe, bald zur Begleichung anderer Verlegenheiten. So heißt es in einzelnen derselben: Jest kann ich unmöglich helfen, suchen Sie sich anders zu helfen! Verkaufen und verseßen Sie die Möbel, warum schaffen fie fich auch ein Instrument an, ohne mich zu fragen." In einem Brief aus London heißt es: Eben Ihren Brief er halten und ich schicke Ihnen 150 M. Die 20 M. werden Sie fich noch dazu schaffen. Ich danke Lieschen für ihren Brief; ich will Jonen gerne helfen und Lieschen soll es so ansehen, als ob die 150 m. gleichzeitig ein Geburtstagsgeschenk für ste und zur Miethe für die Mutter find. Geben Sie durch Bertha Nachricht." Aus den ferneren Briefen geht hervor, daß Prof. Graef immer und immer wieder sich gegen die unmäßigen Geldanforderungen der Frau Rother verwahrt, dann aber immer wieder neue Summen gegeben hat. Er schreibt immer wieder: Ich habe nichts mehr!" Sch fann nichts mehr geben." Sch bin ein Mann von 60 Jahren und muß jezt für meine Familie forgen", forgen", Die schönen Beiten, wo ich große Gelder vers diente, find vorüber"," Die kolossalen Ausgaben, welche ich für Sie und die Ihrigen gemacht habe, müssen meine Familie auch nur zu danken", In vier Monaten habe ich für Sie ruiniren"," Sie verlangen immer und immer Geld, ohne mir und Bertha wieder über 7000 Mart gezahlt", Sch fann nichts dafür, daß Sie nicht vorwärts fommen", Ich habe für all meinen guten Willen nur sehr wenig Freude gehabt, dagegen immer nur Geld und wieder Geld" c. c. In den Briefen tommen auch mehrfach Stellen vor, welche auffällig und ver bächtig erscheinen, auf Vorhaltung derselben durch den Präft benten sucht fie aber der Angell. Graef durchweg in ziemlich unbefangenem Tone auf natürliche und unverdächtige Weise zu erläutern. Die Phrase mit den 7000 Mart habe er ge= fchrieben, weil er glaubte, mit einiger Uebertreibreibung mehr abzuschrecken. Die Familie habe nie gewußt, was fie eigentlich im Ganzen erhalten, denn er habe die Gelder immer nur in fleineren Raten gegeben. Baufe eintreten. Hierauf läßt der Präsident eine ( Forts. folgt.)
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P. Wegen Landfriedensbruche angeflagt erschienen gestern vor den Schranken der 2. Straffammer des Landge richts II: 1. der Arbeiter Karl Friedrich Eichhorn , 2. Arbeiter August Friedrich Fleischer und 3. der Arbeiter Karl Brandt fämmtlich in Spandau wohnhaft. Orte, am Abend des 25. April, lag der Anklage zu Grunde.- Ein Vorgang an legterem Der Angeklagte Brandt und verschiedene andere, bei dem Maurermeister Richter auf einem Bau in Charlottenburg be schäftigte Maurer und Steinträger hatten an jenem Tage ver gebens bis Abends 7 Uhr auf die Auszahlung ihrer Löhne ge barrt und dampften dann nach Spandau , um dort von dem Meister, der, wie fte vermutheten, bei seinem Schwiegervater, dem Brauereibefizer Schulte, fich aufhielt, Geld zu erhalten. Die Arbeiterlolonnen sammelten sich nun in der Brettenstraße vor der Schulte'schen Brauerei, Neugierige, vor der Thür des Schulte'schen Restaurations Lotales barren denen die ben Bauarbeiter einen willkommenen Zeitvertreib boten, blieben ftehen und schließlich staute sich in der Straße die Menschens menge. Als nun aber gar die harrenden Arbeiter gewahr wurden, daß fie den weiten Weg von Charlottenburg umsonst gemacht, denn Richter war überhaupt nicht in Spandau , da machten fie ihrer Erregung in nicht gerade schmeichelhaften Worte Luft. Durch die unberufene Einmischung einiger Span bauer, welche nichts mit der Sache selbst zu thun hatten, nahm Der Auflauf derartige Dimensionen an, daß nunmehr der an wesende Polizei Sergeant Hausmann die fich hin und her schiebende Menschenmenge zum Auseinandergehen aufforderte. Die Charlottenburger, welche gekommen waren ihren Lohn zu holen, wollten begreiflicherweise nicht weichen und wurin diesem durch verschiedene zustimmende Rufe aus dem Boltshaufen bestärkt. Die Polizei Beamten schritten, nachdem die dreimalige Aufforderung an die Menge zum Nach haufegeben fruchtlos geblieben war, zur Verhaftung der Ange flagten Eichhorn und Brandt. Diefelben sollten zur Rathhaus Wache gebracht werden. Auf dem Wege dahin gelang es ihnen zu entfliehen. Der Angeklagte Fleischer soll, als die Berhafteten abgeführt wurden, den Alarmruf Feuer!" ausgestoßen und: aut ibn!" gerufen haben. Die Anklagebehörde hatte in diesen Aeußerungen eine Bedrohung der Polizei- Beamten erblickt und Fleischer und Brandt haften fich außer wegen Landfriedensbruches noch wegen Widerstandes gegen sbie Be
amten vor Gericht zu verantworten. Jm Audienz Termin entschuldigt fich Eichhorn mit dem Ein wand, daß er die Aufforderung nicht vernommen; Polizeisergeant Hausmann bekundet auf die hierauf bezügliche Frage des Staatsanwalts, daß er, Hausmann, diese Aufforderung nicht gerufen, sondern gebruut habe. Der Staatsanwalt beantragt auf Grund des§ 116 bezw.§ 111 R. St.-G. B. gegen Fleischer und Brandt 4 Wochen und 14 Tage Gefängniß, gegen Eichhorn 1 Woche Gefängniß. Der Gerichtshof erkannte gegen Eichhorn dem Antrage des Staatsanwalts gemäß, gegen Fleischer und Brandt lautete das Urtheil auf je 4 Wochen Ge
fängniß.