Beilage zum Berliner Volksblatt.
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Der Chemnizer Prozek.
Ein liberales Blatt, die ,, Saale- Beitung" schreibt: Der große Sozialistenprozeß vor dem Chemnizer Landgericht, über welchen wir ausführlich berichtet haben, ist zwar noch nicht völlig beendet worden, denn sein eigentlicher Abschluß, bas richterliche Urtheil, steht noch aus, allein ohne demselben irgendwie vorgreifen zu wollen, glauben wir heute schon einige allgemeine Bemerkungen zu diesem gerichtlichen Verfahren machen zu sollen. Wir meinen uns nicht zu täuschen, wenn wir sagen, daß die hohen Erwartungen, die von vielen Seiten an die vorausgesezten Enthüllungen" des Prozesses geknüpft wurden, fich nicht erfüllt haben; alles was durch die eingeben den Verhandlungen festgestellt wurde, waren Dinge, die fun bigen Beobachtern der sozialistischen Bewegung längst bekannt find. Es ist nichts, gar nichts aufgedeckt worden, was bisher das Licht des Tages gescheut hätte.
Sonntag, den 4. Oktober 1885.
II. Jahrg.
stens unsere Genugthuung darüber ausdrücken, daß die gerichts| Gleichgewicht zur Wahrung der Intereffen der verschiedenen lichen Verhandlungen die an sich schon bekannte Thatsache, daß unser deutsches Volt auch in feinen revolutionär gefinnten Schichten teinerlei Anlage und Neigung für jenes geheime Ver schwörerwesen hat, welches die politischen Kämpfe in Frankreich , Italien , Spanien von jeher so sehr verbitterte, nochmals in feierlichsten Formen bestätigt und zur allgemeinsten Kenntniß gebracht haben.
Politische Uebersicht.
In Betreff der Karolinen - Frage streiten sich die hie figen Blätter noch darum, ob der Papst nur vermitteln oder Direkt als Schiedsrichter fungiren soll. Inzwischen veröffentlicht die englische Central News" folgende Mittheilung: ,, Deutschland hat die spanische Dffupation der Insel Yap aner fannt. Spanien hat Deutschland freie Schiffahrt und treien Handel, sowie das Recht, eine Kohlenstation auf den Karolinen
ist nunmehr nicht mehr nothwendig, da die Ange legenheit geordnet ist."- Die Richtigkeit dieser Nachricht muß abgewartet werden.
Die Anllage ftüst fich auf zwei Paragraphen des Straf- Inseln anzulegen, gewährleistet. Die Vermittelung des Bapstes gesetzbuches, welche die Zugehörigkeit zu einer geheimen Verbindung, die auf ungefeßliche Swede abzielt, mit Gefängnißhaft bedrohen. Die Frage also, um welche sich das ganze Verfahren drehte, ging dahin, ob die sozialdemokratische Partei in irgendwelcher geheimen Weise organisirt ist. Das hohe Intereffe dieser Frage liegt auf der Hand. Es könnte nicht nur mit ernsten Gefahren für die öffentliche Sicherheit im äußerlichen Sinne des Wortes verbunden sein, wenn eine über eine halbe Million Wähler zählende Bartei sich in den Formen einer geheimen Verschwörung bewegte und entwickelte, sondern es mußte namentlich mit den schwersten Besorgnissen für die öffentliche Sittlichkeit erfüllen, wenn sich in den arbeitenden Klaffen eine Geheimbündelei einnistete, die nach allen Er fahrungen, welche namentlich mit den Geheimbünden der_romanischen Völker in diesem Jahrhundert gemacht worden find, auf Charakter und Geist der Theilnehmer äußerst verderblich einzuwirken pflegt. Diese Gefahr besteht glücklicherweise für Deutschland nicht und den betreffenden Nachweis mit aller Gründlichkeit geführt zu haben, ist derjenige Umstand, welcher dem Chemnizer Prozeß seine zeitgeschichtliche Bedeutung giebt. Was derselbe ans Tageslicht gefördert hat, find, wie gesagt, burchaus bekannte Dinge, welche jeder Politiker kannte, der Die proletarische Bewegung aufmerksam verfolgte und überhaupt jeder Politiler tennen konnte, der fie aufmerksam ver folgen wollte.
Es ist vollkommen richtig seit dem Erlaß des Sozialistengefeßes bestand eine gewisse Organisation" der sozialdemokrafischen Partei und sie besteht heute auch noch. Ob und inwieweit diese Organisation gegen die genannten Paragraphen des Strafgefegbuchs verstößt, ift Sache des Richterspruchs, dem wir in feiner Wrise vorzugreifen gedenken, wenngleich, wir heute schon faum irgend einen Zweifel darüber hegen, wie er lauten wird. Aber diese Organisation" ist sehr weit entfernt von irgend welcher Geheimbündelei; fie ergab fich gewissermaßen aus der Sache selbst; fie war das nothwendige Erzeugniß der Umstände und nicht das Wert einzelner Personen. Eine so ftarte Partei wie die sozialdemokratische läßt sich eben nicht einfach weablasen, selbst durch das schärffte Gefeßt nicht; so lange fte über mehrere hunderttausend Mitglieder verfügt, wird fie auch über einen gewiffen geistigen Busammenhang verfügen, und es fann nicht ausbleiben, daß diefer geistige Busammenhang fich auch hier und da äußerlich kundgiebt, indem man sich ge meinsam gegen die Verfolgungen zu decken und zu schüßen sucht, denen die Partei ausgefegt ist. Das ist aber feine Geheimbündelei, sondern eine sehr menschliche und natürliche Same, und man sollte sich unseres Erachtens davor hüten, den Bogen allzu straff zu spannen. Hat man fich das Sozialistengeses geschaffen, um jede formelle Organisation der sozialdemokratischen Baitei zu zertrümmern und jede Ermannung derselben im Keime zu ersticken, dann will es uns nicht als billig erscheinen, nun noch mit dem gemeinen Strafrecht gegen jenen geifligen Busammenhang vorzurücken, der nun doch einmal nicht zu ver nichten ist. Vom geschichtlichen und moralischen Standpunkte aus wird das Urtheil über die sozialdemokratische Agitation dadurch nicht strenger, sondern milder, daß sie von Beginn des Sozialistengefeßes bis auf diesen Tag jede Geheimbündelei verschmäht hat, aber daß ihre Genoffen in der Noth treu znſammenhalten. Von diesem Sandpunkte aus fönnen wir nicht umhin, unser Bedauern darüber auszusprechen, daß die Anklage in Chemnitz überhaupt erhoben worden ist.
Inzwischen, da es einmal geschehen ist, müssen wir wenig
Berliner Sonntagsplanderei. R.C. Mit gerollten Achselklappen ist der Reservist nach der Heimath entlassen, die lustigen Manövermärsche sind verklungen und der junge Mann, der noch vor wenigen Tagen hoch zu Roß oder stolz zu Fuß mit den Dorfschönen feurige Liebesblicke wechselte, ist seinem bürgerlichen Beruf wiebergegeben. Schaarenweise tamen sie in Berlin av, die Garnison von Berlin selbst ließ ein bedeutendes Kontingent berjenigen Leute zurück, die jetzt noch unter den Stellensuchenden erkennen zu sind, die tagtäglich mit brennender Sehnsucht die Ausgabe des Intelligenzblattes er
warten.
Wer jener männlichen Beschäftigung, die der Unteroffizier mit dem Runstausbruck Griffe floppen" bezeichnet, jemals obgelegen hat, der kennt auch das Gefühl der Beängstigung, welches den jungen Mann überkommt, ber nach Absolvirung feiner Dienstzeit nunmehr wieder selbst. ständig für seine Bedürfnisse sorgen soll. Wird er, der ur plöglich dem Strudel des Lebens preisgegeben ist, einen Treffer oder eine Niete ziehen in der großen Lotterie, die unser ganzes Leben darstellt, wird er das wieder erringen, was er vorher aufgeben mußte, oder wird es für ihn heißen: Dinaus mit vir aus der Geſellſchaft, es ist kein Raum mehr für dich? Hente fißt ihm vielleicht noch die Soldatenmüge frisch und teck auf einem Ohr, Berlin ist ja so groß Millionen finden hier ihr Auskommen, deshalb verliert er ben Muth noch nicht, wenige Tage schon belehren ihn vielleicht eines Besseren oder vielmehr Schlechteren: theilnahmslos fluthen die Tausende an ihm vorüber, Niemand nimmt sich seiner an, Niemand kennt ihn und will ihn es wird ihm flar, er hat eine Niete ge
fennen
gogen.
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Die Wogen des Lebens schlagen in dem Getriebe der Weltstadt über dem Einzelnen zusammen, es ist ja nur Giner, ein Einzelner- das bedeutet nichts!
Яlles geht seinen gewöhnlichen Gang. Der Oktober mzug ist größtentheils vorüber, am eigentsichen 3iehtage
Zur Unfallversicherung macht der Reichs Anzeiger" die Ausführungsvorschriften zur Durchführung derselben im Be reich der preußischen Heeresverwaltung befannt. Die Beftimmungen lauten folgendermaßen: Bu§ 1. Betriebe der Heeres verwaltung im Sinne dieses Gefeßes find nur solche, in denen bürgerliche Arbeiter oder Arbeiterinnen beschäftigt werden. Bu § 2. Die Befugnisse und Obliegenheiten der Ausführungs§ 2. Die Befugnisse und Obliegenheiten der Ausführungsbehörden werden durch die Korps Intendanturen wahr genommen. Der Geschäftsbereich jeder Ausführungsbehörde erftredt fich auf alle zum Territorialbezirk des betreffenden Armee- Korps gehörigen Betriebe. Bu§ 4. Die Versicherungspflicht wird auch erstreckt auf alle Betriebsbeamte mit einem 2000 Mart übersteigenden Jahresarbeitsverdienst, welche in den unter Biffer 1 erwähnten Betrieben ohne festes Gehalt und Benfionsberechtigung angestellt find(§ 2 des Unfallversiches rungsgefeßes vom 6. Juli 1884, R.- G..BI. S. 69 ff.). Bu § 6. Für den Geschäftsbereich jeder Ausführungsbehörde- Korps- Intendantur wird bis auf Weiteres ein Schieds gericht errichtet, dessen Sig von den zuständigen Behörden §46 des Gesetzes vom 6. Juli 1884 bestimmt werden wird. Bu§ 7. Die Feststellung der Entschädigungen für die durch Unfall Verlegten und für die interbliebenen der durch Unfall Getödteten§§ 57/59, 61, 63,65 des Gesetzes vom 6. Juli 1884 erfolgt durch die Korps- Jntendanturen.
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Vorstehende Ausführungsvorschriften werden mit dem Hin zufügen bekannt gemacht, daß auf Grund des§ 109 des Unfallversicherungsgefeßes vom 6. Juli 1884 für den Bereich der preußischen Heeresverwaltung die in den§§ 45, 51-56 a. a. D. den Orts- Polizeibehörden zugewiesenen Verrichtungen denjenigen örtlichen Verwaltungsbehörden der genannten Heeresverwaltung übertragen worden sind, in deren Dienstbereich sich der Unfall ereignet hat.
Die Massenpetition schlesischer Kommunalbeamten um Errichtung einer Kaffe zur Versorgung der Hinterbliebenen von Kommunalbeamten wird, wie der Oberschles. Anz." hört, einen direkten Erfolg nicht haben, weil die schlesische Brovine zialverwaltung erwartet, daß zunächst die Städte felbfi die Angelegenheit in die Hand nehmen. Die Zahl der Betenten ift auf 885 geftiegen und die Betenten haben sich auch an die Kreisausschüsse mit der Bitte um Unterstügung des Gesuches bei der Proving gewendet.
Zur fog. bulgarischen Revolution" liegt die Nach richt vor, daß die bulgarische Deputation vom russischen Kaiser in Fredensborg( Dänemark ) empfangen wurde. Weiter wird aus Nisch in Serbien berichtet, daß König Milan die außerordentliche Seffton der Stupichtina mit einer längeren Thronede eröffnete, in welcher es unter A. folgendermaßen beißt: Der Berliner Vertrag habe einen harten Schlag erlitten, heißt: Der Berliner Vertrag habe einen harten Schlag erlitten, das Gleichgewicht auf der Ballanhalbinsel sei erschüttert, die Garantie für die politische Eristenz Serbiens bedroht. In diefem ernsten Momente betrachte es der König als seine diesem ernsten Momente betrachte es der König als seine Pflicht, die Voltsvertreter um fich zu sammeln und ihnen und der Nation zu sagen, daß Serbien auf der Hut sein müsse. Wie bisher wünsche Serbien auch heute den Frieden zu weiterer Kulturarbeit, deshalb wolle es aber seine vitalsten Interessen, die bedroht seien, für die Bulunft sichern. Der König und seine Regierung seien bemüht, die bestehenden Bu stände zu erhalten, oder zu ermöglichen, daß das erforderliche
erlitt der kleine Mann" durch Regengüsse einen erheblichen Schaden an seiner beweglichen Habe, es geschieht ihm Recht, weshalb miethet er auch feinen tomfortablen Möbelwagen, weshalb zieht er mit dem lumpigen Hundefuhrwert oder mit dem erbärmlichen Schubkarren, den er in höchsteigener Person schiebt, während ,, Mutter" zieht?! Alles ist an diesem 3iehtage gewesen, wie es schon von Alters her war. Die Zeitungen, um bescheidener Weise gleich mit uns selbst anzufangen, wärmten mit Hilfe findiger Reporter die Berichte älterer Jahrgänge wieder auf, der Miether, der eine neue Wohnung genommen hatte, fand, wie schon zu Olims Beiten, daß er sich verschlechtert habe, die Herren Hausbefizer" schimpfen auf das Pad, welches zieht, und blicken mißirauisch auf die neu einziehenden Nomaden, und tagiren an den mitgebrachten Sachen, wie lange der neue Miether wohl wohnen bleiben wird. Nach acht Tagen weiß Niemand mehr so recht, daß er gezogen ist. Das ist gewiß doch auch ein Fortschritt in unserer schnellpulfirenden 3eit.
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Nationen auf der Ballanhalbinsel hergestellt werde. Die Regie rung werde durch eine der Stupschtina zu unterbreitende Vorlage Die Mittel zur Bestreitung der augenblicklichen Bedürfnisse schaffen. Der König hoffe, von dem Patriotismus des serbischen Volles überzeugt, auf ein bereitwilliges Entgegenkommen. Die Thron rede wurde wiederholt und namentlich am Schluß mit leb= haftem Beifall aufgenommen.- Die Kommission der Stupschtina nahm das Tabaksmonopol und den Gefeßentwurf, betreffend eine Anleihe von 25 Millionen, an.- Belgrader Nachrichten zufolge werde die Stupschtina dem Könige bis zur Klärung der gegenwärtigen Situation die formelle Diktatur übertragen.
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Aus Athen ( Griechenland ) wird mitgetheilt: Das amt liche Blatt enthält eine Verfügung, betreffend die Einführung des Zwangskurses. Die Nationalbant macht der Regierung ein Darlehn von 12 Millionen in Baar und dürfte, soweit die Bedürfnisse der Regierung es erfordern, noch weitere Darlehne in Papier gewähren.
Best, Sonnabend, 3. Oktober. Abgeordnetenhaus. Ministerpräsident Tisza beantwortete heute die Interpellation in Betreff der Vorgänge in Bulgarien und Rumelien . Er erklärte: Die Entrevue in Kremfter sei als Folge der Stiernies wicer Kaiser - Begegnung ein bloßer Höflichkeitsaft, eine Erneue rung der persönlichen Freundschaft beider Monarchen; von einer Anerion Bosniens oder von einer Union Bulgariens und Rumeliens war in Kremfier keine Rede. Daß eine auf die Union abzielende Agitation bestand, war bekannt; der Ausbruch der Verschwörung überraschte jedoch sämmtliche Kabinette Europas . Die Regierung habe feine Kenntniß, ob irgend eine Macht mit Waffengewalt zu interveniren beabsichtige, sie wisse jedoch, daß alle Mächte die Aufrechterhaltung des Berliner Vertrages und des status quo wünschen. Niemand hindere die Türkei an der Geltendmachung ihrer Rechte. Der Vorschlag einer Botschafter Konferens ftimme mit den Wünschen des Sultans, betreffend eine freundschaftliche Intervention der Mächte über ein. Von einer Anneron Bosniens und der Herzegowina sei, wie der Minister wiederholte, feine Rede, noch weniger beab fichtige Desterreich Ungarn eine Vermehrung der Komplikation durch etwaige Beseßung türkischen Gebiets. Die Regierung müsse jedoch erklären was auch begreiflich seifalls jedes Bea gefährdet würden, werde Desterreich- Ungarn die Freiheit seiner mühen scheitern sollte und die vitalen Intereffen der Monarchie Entschließungen wahren. Die Antwort wurde zur Kenntniß genommen. Damit dürfte die Sache abgethan sein. Jedenfalls find die Herren Deputirten nicht flüger aus der Sigung ges tommen, als wie sie hineingegangen find, denn aus der ge= Drechselten Rede des Herrn Präsidenten läßt sich alles Mögliche schlußfolgern.
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Während der Wahlperiode wurden in Frankreich 402 neue Blätter meit zur Vertheidigung bestimmter Kandidaturen gegründet. Rochefort erklärte einem Besucher, er habe eine Kandidatur blos angenommen, damit in der Kammer endlich Gesicht, Mörder" Jemand sei, der Ferry , welchen man bisher immer mit ,, Herr Ministerpräsident" trattirte, ins Gesicht Mörder" nenne. Rußland.
Aus Warschau meldet man dem Dziennik Poznanski": In der Nacht vom 1. zum 2. wurden in verschiedenen Stadt theilen strenge Haussuchungen vorgenommen; 40 Personen find verhaftet, darunter der Univerfitats Profeffor Dr. Habszewicz und Archangielski, sowie viele Studenten. Grund: libilistische Umtriebe. In der Stadt herrscht angeblich große Aufregung.
Von glaubwürdiger Seite wird der Thorner Ditb. 3tg. mitgetheilt, daß der Direktor der Spinnerei in Bawiercie( in Bolen unweit der Grenze bei Rattowig gelegen) sämmtlichen deuschen Beamten und Arbeitern gefündigt hat. Dabei ist die in hoher Blüthe stehende Fabrik seiner Zeit von Deut schen gegründet, später wurde fte an eine polnische Aktienge sellschaft verkauft. Deutsche Intelligenz, deutsche Arbeitskräfte haben bisher in der Fabrit mit Erfolg gewirkt und nun werden die Deutschen einfach entlassen. Die Nationalitätenfrage wird die Befizer der Fabrik wohl nicht zu den Entlassungen veranlagt haben, da männiglich bekannt ist, daß sich die Unternehmer selten um die Nationalität ihrer Arbeiter fümmern, für fte tommt nur die Billigkeit der Arbeitskraft in Be tracht. Höchst wahrscheinlich stehen ihnen jest billigere Kräfte zur Verfügung und deshalb entlassen sie die Deutschen . Daß
werden sie auch die Grenzen der Literatur überschreiten. Was aus uns armen Staatsbürgern endlich wird, sagt Reiner voraus,- ficher ist einstweilen nur, daß das Vieh eine Zukunft hat. Doch weshalb schon vor der Zeit verzweifeln, die Welt ist so groß und der Existenzmittel giebt es so viele. Früher sagte man wohl: ,, Wenn alle Stride reißen, nun, so hänge ich mich auf" in der sicheren Voraussicht, daß man bei reißenden Striden nicht viel für Leben und Gesundheit zu fürchten habe, heute kann man nach berühmten Mustern" sagen:„ Wenn nichts mehr geht, stehe ich Modell" und wenn dieses zarte Wort den rosigen Lippen einer schönen Jungfrau entschlüpft, so heißt es einfach: ich stehe„ Att!"
"
was
Berlin ist seines Rufes als Weltstadt würdig, haben beispielsweise die Londoner mit ihren armseligen„ Enthüllungen" vor uns voraus? Nichts, absolut nichts," jedes lokalpatriotische Herz muß vor jubelnder Freude aufjauchzen in dem Gedanken, daß unser Graef " in seinem Spezial
fache Alles bisher Dagewesene tief in den Schatten stellt. den geheiligten Werkstätten der Runst vorübergeht, was Der Laie hat recht, wenn er in frommer Scheu vor feele geschaffen wird, darf kein profanes Auge erblicken, es hier von dem schöpferischen Geiste der begnadeten Künstler
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Fortschritt überall, wohin wir blicken. Selbst die weltbedeutenden Bretter werden allmählich morsch, es wankt die geheimnißvollen Schauer, in welche uns ein mächtiger der dramatische Grund, auf welchen der Heldenvater baute, geben für gebundene oder ungebundene Poesie. Am Horizontliche Künstlerherz erfüllt. Lauter und rein ſind die ehr
Chor versetzte, schwinden, Niemand will mehr etwas aus
tauchen neue Ideale auf, theilweise sind sie sogar
die
Wirklichkeit übernommen; animalische Kunstbestrebungen
treten in den Vordergrund.
Der Ochse hatte schon vor längerer Zeit seinen Einzug in die Arena gehalten, es fehlten ihm blos noch die Weste und Halsbinde; Hund und Affe erzwangen fich fiegreich den und Halsbinde; Hund und Affe erzwangen fich fiegreich den Weg zum höheren Studium. Auch dem Seehund wird endlich klar, daß er nicht blos zum Fischfressen und Gejagd werden geboren ist; er ist dem Dunkel der nordischen Meere entronnen und unter die Artisten gegangen. Gewiß wird es nicht mehr lange dauern, bis ein findiger Unternehmer junge Seehunde zum Rinberwiegen abrichtet. Haben einmal diese andringenden jungen Kräfte das Gebiet der Kunst erobert,
tönnte erblinden von dem strahlenden Glanze, der das wirkProfessorentitel, kein unkeuscher Gedanke bringt ihr fünstlerisches würdigen Männer mit dem patriarchalischen Geficht und dem Blut in Wallung, sie stehen hoch erhaben über allem Jrdischen. Nur der Unverständige, dessen Fuß nie in den erhabenen Hallen der Kunst gewandelt hat, wird sagen können, daß auch ein Künfiler einen Meineid schwören kann, daß er grober Sinnlichkeit fröhnt, und daß vielleicht Jemand seinetwegen unschuldig im Gefängniß fißt.
Das Drama, welches sich augenblicklich im Moabiter Justizpalast abspielt, wird ihm unzweideutig zeigen, daß in manchen Maler Ateliers nur die Kunst- und höchstens noch etwas gepflegt wird.
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