Die letteren in der Fabrik mit Erfolg gewirkt und dieselbe zur bohen Blüthe gebracht haben, glauben wir recht gern; der Mohr hat nun seine Schuldigkeit gethan und kann gehen,
Dänemart.
Kopenhagen , Sonnabend, 3. Oktober. Der Präfident bes Follething, Berg, lehrte gestern Abend nach seiner Verurs theilnng nach Kopenhagen zurüd. Eine große Menschenmenge hatte fich zu seinem Empfange eingefunden. Die Sozialisten(?) spannten unter Gesang ihres Kampfliedes das Pferd von seinem Wagen und zogen ihn nach Hause, woselbst er eine längere Ansprache an die Versammelten hielt.
Lokales.
Herr Polizei- Präsident von Madai ist von seiner Ur laubsreise zurückgekehrt, hat aber die förperliche Kräftigung, die er von dem legten Erholungs Aufenthalt im Taunus fich versprach, nicht in dem erhofften Maße gefunden. Das Fußlei den, welches dem Polizei- Präsidenten schon früher zeitweise die Wahrnehmung seiner Dienstobliegenheiten erschwerte, hat fich berartig verschlimmert, daß Herr von Madai die Ueberzeugung gewonnen hat, den Anforderungen seines Amtes nicht mehr Genüge leiften zu können. Er hat deshalb, wie das„ Berl. Tabl. von bestunterrichteter Seite hören will, bereits von Königstein aus an den Kaiser die Bitte gerichtet, ihm den Abschied aus dem Staatsdienst zu bewilligen, und bis zum Beitpunkt feines Eintritts in den Ruhestand ihm Urlaub zu ertheilen.
”
-
-
Wieder ist ein Stüd altes Berlin dahingegangen - diese jest in den Tagesblättern zur stehenden Titelüberschrift gewordene Wendung kann man mit beftem Recht auch auf Mutter Tautenhahn" anwenden, die vorgestern in der Charitee gestorben ist. Die würdige Obsthändlerin an der Ede des Neuen Museums gehörte zu den sogenannten„ Originalen" Berlins , zu jenen mit dem Berliner öffentlichen Leben verwach fenen Figuren, die Jeder kannte und von der jedes Berliner Kind bestimmte Geschichten zu erzählen wußte. Die mythen bildende Kraft des Volkes hatte eine Episode aus der Jugendgeschichte der Verstorbenen als Ausgangspunkt zu einem ganzen wie dem B. Sagen yllus genommen, deffen Einzelheiten T. ein alter Berliner berichtet in unserer Jugend mit geheimnisvollem Schauer gehört und weitererzählt wurden. Es hieß, Mutter Tautenbahn's Mutter habe ihren Gatten er. schlagen und fie, die eben Gestorbene, habe als fleines Rind bei der graufigen Mordthat das Licht gehalten". Sie soll auch mit in die Untersuchung verwickelt gewesen sein, man habe thr aber, ihrer Jugend wegen, nichts anhaben können. Parallel mit der romantischen Mythenbildung des Kleinen Volles über Mutter Tautenbahn ging aber auch die erfinderische Bosheit der Studenten, die an dem kleinen grünen Bretterhäuschen der umfangreichen Obsthändlerin vorüber mußten. Die pietätlosen Stus biofen hatten das Märchen aufgebracht, Mutter Tautenhahn habe schon bei Lebzeiten ihre umfangreiche Körperlichkeit gegen eine Summe von fünfzig Thalern der Anatomie verkauft, dort würde fie als besonders für Fettbildung interesantes Präparat noch nach ihrem Tode in Spiritus prangen. Die Schuljungen haiten verschiedene Mameren erfunden, Mutter Tautenhahn mit dieser Geschichte zu ärgern. Die gebräuchlichste war die folgende: Sie gingen zu Fünfen oder Sechsen vorüber und fagten möglichst laut im Chor das Einmaleins mit der Fünf her: einmal fünf ist fünf, zweimal fünf find zehn u. f. w. Und so wie fie an zehnmal fünf ist fünfzig" famen, schrie die Rotte ihr die fünfzig" überlaut ins Geficht und lief dann rasch da von. Aber mancher nicht ganz neuer" Apfel, manche ,, mudice" Birne, aus Mutter Tautenbahn's Träftiger Faust geschleudert, In der früheren engen flog den Spöttern um die Dhren. Bude sab die korpulente Dame noch dicker aus als in den legten Jahren, wo fie fich ein elegantes Häuschen a la Trini halle errichtet hatte. Auch war ehedem fast immer ein förperAuch war ebedem fast immer ein förper licher Gegensatz zu ihr an der Ecke vorhanden: ein kleines, Dünnes Männchen von schneiderhafter Magerkeit- ob er ihr Gatte war, vermögen wir nicht zu sagen. Nun ist Mutter Lautenbahn", die in den legten Jahren übrigens bedeutend magerer geworden war, auch dahin gegangen. Daß fie noch eitel war, ist aus ihrer Anmeldung bei der Charitee zu ersehen: fie hatte sich als im Jahre 1829 geboren ausgegeben, hat aber schon zehn Jahre früher das Licht der Welt erblickt. Mutter Tautenhahn ist an einem chronischen Lungenleiden in Verbindung mit Altersschwäche geftorben. Der Tod der Mutter Tautenbahn" ruft übrigens die Erin. nerung an zwei andere volksthümliche Figuren, die vor dem Berliner Museum ihren Blat hatten, wach, die einst mit der Dicken" Freud ' und Leid getheilt und schon vor einigen Jah en das Zeitliche gesegnet haben. Es find daß der Schlangenbändiger" und der öffentliche Erklärer". Der erftere hatte bis zur Mitte der sechsziger Jahre neben der Obstbude seine Käfige aufgestellt, in denen er Blindschleichen, Salamander, Eidechsen, Laubfrösche und andere Amphibien feilbot. Dft ftand die Berliner Schuljugend vor der Miniatur. Menagerie, der gutmüthige Alte erklärte den Neugierigen die Art der Thiere, und zum Dant dafür nannte ihn die erfin berische Jugend den Schlangenbändiger". Schließlich verbot ihm die Polizei, fernerhin seine Thiere öffentlich auszustellen, und grollend zog fich der Alte zurüd. Sein Freund war der öffentliche Erklärer", der auf der Treppe vor dem Museum ben Schaulufti en von den Thaten des Theseus und Herkules erzählte und alle ringsum fichtbaren Denkwürdigkeiten genau erklärte Sein Publikum bestand gewöhnlich aus Landleuten und fleinen Handwerkern, die ihm willig für seine Bemühun gen einige Groschen und Sechser opferten. Der Mann machte immer einen feinen Eindruck, trug ein Monofle und sprach sehr gewählt. Es war ein originelles Stück des alten Berlin dies würdige Dreiblatt: die Lautenbahn", der Schlangen. bändiger" und der öffentliche Erklärer".
"
r Gelegenheit macht Diebe! und der Umzugstag am Donnerstag mit seinem Regenwetter am Abend war eine solche prächtige Gelegenheit für unsere Herren Langfinger. Von den zahlreichen, fleinen, verdeckiosen Möbelwagen suchte man überall Die Sachen so schnell als möglich ins Trockene zu bringen und hier lagen und standen dann Möbel und Paquete so bunt durcheinander, daß ein unberufener Liebhaber in einem unbe wachten Augenblide nur zufaffen brauchte. Auf dem Trottoir am Heinrichsplay stand ein Kleiderspinde und zwar mit der Borderseite gegen den heftig herniedergehenden Regen. Das fo gemikhandelte Möbel lockte denn auch bald einen Sach tenner an, der bei näherer Betrachtung entdeckte, daß beim Transport in Folge des Druckes der im Innern befindlichen Garderobe die Thüren aufgefprungen waren. ,, Theilnehmend", wie solche Leute find, machte fich der Fremde dabei, den In halt des Schrantes auf offener Straße auszuräumen, wurde aber bierbei von der Eigenthümerin desselben überrascht, der er ganz dreift erwiderte, er habe die Sachen nur ins Trodene bringen wollen. Auf der Polizei konnte fich der bilfsbereite Mann über seine Person wenigstens soweit ausweisen, daß von seiner fofortigen Verhaftung Abstand genommen wurde. Welche Meinung das Gericht von der Sache haben wird bleibt noch abzuwarten.
vom Wege: Mittwoch, den 7.: Fauft; Donnerstag, den 8.: Der zerbrochene Krug, Der beste Ton; Freitag, den 9.: Minna von Barnhelm; Sonnabend, den 10.: Echtes Gold wird flar im Feuer, Der Winkelschreiber; Sonntag, den 11.: Egmont. Das Refidenz- Theater sollte nach einer am Freitag Vormittag um 9 Uhr auf den Feuerwachen eintreffenden Meldung in Feuersgefahr schweben. Die sofort mit dem umfangreichsten Löschapparat auf der vermeintlichen Brandstelle erschie nene Feuerwehr konnte nur fonstatiren, daß es fich um einen blinden Feuerlärm, veranlaßt durch eine ruchlose Inbetrieb segung des gegenüber dem genannten Theater befindlichen öffentlichen Feuermelders, handelte. Der grobe Unfug soll, wie Augenzeugen berichten, von einem halbwüchfigen Burschen auss geübt worden sein, der fich aber durch eine schleunige Flucht einer Feststellung seiner Persönlichkeit entzog.
Die Frau Stadträthin", ein zeitgemäßes Lustspiel in drei Akten von Gustav Dahms und M. v. Steinborn ge langt im Laufe dieses Winters im hiesigen Wallner- Theater zur Aufführung.
Im Deutschen Theater geht als nächste Novität am Sonnabend, 10. d. Mts. Ein Tropfen Gift" Schauspiel in 4 Aufzügen von Dstar Blumenthal zum ersten Mal in Szene. Heute, Sonntag, wird Jungbrunnen" und morgen, Montag, " Der Hüttenbefizer" gegeben. Außerdem bringt das Repertoire Dieser Woche Aufführungen von„ Romeo und Julia "," Die große Gloce", Sungbrunnen" und" Des Meeres und der Liebe Wellen."
-
Polizei- Bericht. Am 29. v. Mts., Nachmittags, fiel der 9 Jabre alte Knabe Fischer aus dem Fenster der im 3. Stocke des Hauses Stralsunderstraße Nr. 15 a belegenen elterlichen Wohnung auf den Hof hinab, erlitt dabei jedoch nur eine Verstauchung der linken Hüfte. Am 1. d. Mts., Abends, ftürzte ein Mann in der Potsdamerstraße von seinem Geschäftswagen und erlitt dabei eine Verrenkung des linken Arms. Um dieselbe Zeit fiel eine 62 Jahre alte Frau auf dem Grund stück Müllerstraße Nr. 161 in eine Grube und brach ein Bein. Am 2. d. Mts., Vormittags, stürzte der Arbeiter Hartwig beim Ausladen von Spiritusfäffern aus einem Kahn nach dem Viktoriaspeicher, in der Köpniderstraße, von der Krahnplatte auf das etwa zwei Meter tiefer liegende Kahnverdeck hinab und erlitt dabei anscheinend eine äußerst schwere Gehirnerschütterung. Er wurde nach Bethanien gebracht.- An demselben Tage, Mittags, fiel ein Schußmann in der Müllerstraße beim Verlassen eines Pferdebahnwagens zur Erde, so daß er besinnungslos liegen blieb und, nachdem er sich wie der erholt hatte, nach seiner Wohnung gebracht werden mußte. Er hatte Verlegungen im Geficht und an der Schulter davon getragen. getragen. Einige Beit später wurde in der Rheinsbergerstr. ein fünf Jahre alter Knabe von einem Bierwagen überfahren und erlitt dabei einen Knöchelbruch. An demselben Nachmittage stürzte der auf dem Neubau Holzmarktstraße 49 be schäftigte Bimmermann Bud beim Balkenlegen aus dem 4. Stod auf das Schutzdach und, dieses durchbrechend, auf den Bürgersteig hinab. Er erlitt hierbei so schwere Verlegungen, daß er mittelst Krantenwagens nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht werden mußte. Um dieselbe Zeit wurde eine Frau in der Oranienburgerstraße von einem Möbel wagen überfahren und, anscheinend lebensgefährlich verlegt, nach dem Katholischen Krankenhause gebracht.
Projettirtes Repertoire der Königlichen Schauspiele vom 4. bis 11. Oftober 1885. Im Opernhause. Sonn tag, den 4. Lucretia Borgia , Wiener Walzer ; Montag, den 3. Der Wiederspenstigen Zähmung; Dienstag, den 6.: Tann häuser( Herr Niemann); Mittwoch, den 7: Das goldene Kreuz, Wiener Walzer ; Donnerstag, den 8. Die Stumme von Por c. Freitag, ben 9.: Morgano; Sonnabend, den 10.: Die tici; Walküre ( Herr Niemann); Sonntag, den 11.: Carmen. Im Schauspielhause. Sonntag, den 4.: Minna von Barnhelm; Montag, den 5.: Narziß ; Dienstag, den 6.: Ein Schritt
-
-
-
Gerichts- Zeitung.
( Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)
Bei Wiederaufnahme der Sigung wird in der Verlesung der Schriftstücke fortgefahren. Da ist zunächst ein Brief an Graef , der mit schlechter Handschrift geschrieben ist und von dem Vater der Rother herrührt. Derselbe flagt darin über das„ schlechte Frauenzimmer", die Bertha, verräth, daß er teine Miethe zahlen fann und bittet um Geld. Die Charakteristik, welche der Vater von seiner Tochter Bertha entwirft, ist die denkbar schlechteste. Der Brief ist bei Frau Rother gefunden worden. Ebenso ein anderer Brief des J. Rother, welcher Drohungen enthält und damit schließt:„ Ein Wort, ein Brief Drohungen enthält und damit schließt:„ Ein Wort, ein Brief und mit Eurer Herrlichkeit ist es zu Ende." Ein Bleistiftbrief des Ehemannes an seine Frau lautet: Sch, der Herr Rother, verabschiede mir von meiner gewesenen Frau Rother. Ich wünsche Ihnen viel Glück, denn ein so gemeines Frauen almmer wie Sie, giebt es unter Gottes Erdboden nicht mehr. Fräulein Bertha giebt Feten mit ihrem Strolch und der Vater Fräulein Bertha giebt Feten mit ihrem Strolch und der Vater muß halb verhungern. Hütet Euch vor mir, als vor Eurem Feind!" -Dann folgt ein langer, hoch poetischer und mit vielen poetischen Arabesten versehener Brief der Frau Rother an ihre Tochter Bertha, welcher, wie fich herausstellt, nach ihrem Dittat von dem früheren Dienstmädchen Adler geschrieben worden ist. Es geht aus dem Briefe hervor, daß Bertha etwas fehr Böses über ihre Mutter gesagt haben muß, denn diese überhäuft dieselbe mit den größten Vorwürfen und erzählt, daß fie in ihr Kämmerlein gegangen sei und ihre Tochter, die so etwas gegen ihre Mutter ausspräche, verflucht habe. In dem Briefe fommt auch der Satz vor:" Der alte Mann, Der uns Allen mit Rath und That zur That zur Seite gestanden und uns Allen aufgeholfen hat, Der Geld und immer wieder Geld hergegeben hat, er hat jezt gewiß mit uns Allen abgeschlossen. Aber deshalb ihn zu verdammen, das fann ich nicht. Er lebt jegt in einer schredlichen Lage und muß für all seine Gutmüthigkeit und all' sein Wohlthun offen vor Gerichte hintreten und fich von Ge findel vernehmen laffen. Aber ehe er unsern Ruf geschändet hätte, wäre er wohl in den Tod gegangen."-Der Vorfigende macht die Geschworenen darauf aufmerksam, daß dieser Brief drei Tage nach dem Termin in der Hammermann'schen Sache geschrieben ist. Frau Rother behauptet, der Brief sei nur des hasb geschrieben worden, weil Bertha von ihr behauptet habe, fie sei von der Mutter einmal mit einem Juden ein geschloffen worden. Den Schlußpaffus erklärt die Ange flagte in etwas flagte in etwas schwankender und fich fich widersprechen der Weise dahin, daß es ihr leid that, daß Professor Graef um ibre Familie schließlich auch noch aufs Gericht und fich öffentlich blosstellen mußte. Der Präfident erklärt, daß er es den Geschworenen überlassen müsse, den Schlußpassus so zu deuten, wie fie es für richtig halten. Der Vorfigende ver liest sodann 40 Quittungen über Gelder, welche Frau Rother vom Prof. Graef erhalten hat. Dieselben beziffern sich auf 32 995 Mart.- Prof. Prof. Graef: Ich selbst habe von Anfang an zugegeben, daß ich etwa 35 000 Mart hergegeben habe. Ich habe alle diese Gelder nicht gern gegeben, indeffen man hat es verstanden, mich immer wieder zur Hergabe derselben zu be wegen. Die größeren Summen beziffern fich auf die Zeit, wo Frau Rother ein Milchgeschäft und dann ein Fuhrgeschäft einrichtete und die Schuldscheine lauten immer auf eine Verzinsung Au 4 pet. und Rückgabe in einer bestimmten Beit.- Bertha Rother weist darauf hin, daß in diesen Summen fich auch all die Honorare befinden, welche sie durch die Jahre für das Modellstehen zu fordern hatte. Angell. Graef bes ftätigt dies. Als die Geldsummen zu groß wurden, habe er barauf gedrungen, daß auch all' diese Honorare in die Schuldsumme mit hinein genommen wurden. Der Präfident macht darauf aufmerksam, daß diese Verfion mit den Schuldscheinen doch nicht übereinstimmt, da diese von einer Rückgabe des
Geldes sprechen.
-
-
Es folgen dann einige Badete, welche von dem Angeklagten Graef für seine Söhne bestimmt waren. Es find bies bie Quittungen der Frau Rother, ferner ein Badet mit
Daffelbe enthält poetische Aufschrift:
Ergüffe und enthält die
Präfident: Wie find Sie denn dazu gekommen, diese Gedichte gerade dem Testamente und der Ansprache an Ihre Söhne beizulegen?- Angell.: Meine Söhne und meine Fa milie wußten ja alle von den Beziehungen, die ich zu Bertha hatte. Es drängte mich, für den Fall meines Todes noch einmal die Bedeutung dieses Verhältnifies und seinen wahren Charakter klar zu legen und ihnen zu überlassen, die Gedichte zu lesen oder nicht. Bräs.: Damit stimmt doch aber nicht die Aufschrift, daß fie ihre Söhne bitten, das Badet ungelesen zu öffnen. Angell. Graef bleibt dabei, daß seine Söhne, wenn sie die Quittungen fanden, die er unter allen Umständen aufbewahren wollte, fte zugleich damit auch die Gedichte gelesen oder das Ganze verbrennen sollten.
-
Die zur Verlesung gebrachten Gedichte find voll poetischen Schwunges und zeugen von einem tiefen, warmen Empfinden und haben eine seltene Formvollendung. Die Gedichte bes ginnen mit einem unter dem Titel Buspruch". Daffelbe fängt folgendermaßen an:
Ruh nur an dem Herzen, Kind, des Freundes aus, Schütt' ihm alle Schmerzen, Alle Sorgen aus 2c. 2c.
Im weiteren Verlauf des Gedichts kommen Stellen vor, wie: Schmieg Dich, wilde Rose, an den alten Stamm, Blüh' zu stolzer Freude mir noch manches Jahr" c. 2c.
Dann folgt ein Gedicht, welches einen eigenthüm lichen Ursprung hat. Bertha Rother hatte nämlich ein Gedicht und mit dem Titel Berlorene Liebe" verfaßt, welches sich auf einen Schatz bezog, den sie damals hatte. Es fängt an: Durch den stillen Wald rauscht der Wind so sacht, Und das Herz es blutet und das Auge weint schmerzlich durch die Nacht, und endet:
das
Weil' ich auch im fernen Lande,
Dann ist mein Herz bei ihm,
Und weil' ich auch am fernen Strande, Dann dent' ich immer nur an ihn.
er
Während der Verlesung dieses und der anderen Ges dichte hält Bertha Rother verschämt das Taschentuch vor Geficht, fichert aber fortgesetzt unter demselben hervor. Profeffor wie Graef hatte, bekundet, das Gedicht von Bertha Rother zufällig gefunden, eingesteckt und ein Jahr nachher den Inhalt dieses Gedichtes formgerecht hergestellt und es Bertha Rother überschickt. Dann folgt ein Afrostichon Graef's auf Bertha, welches wie folgt lautet:
Blühendblondes Rind, herein!- Einzig blaues Augenpaar, Reizend winkt Dein froher Schein, Tief Hineinschaun bringt Gefahr, Heißen Wunsch, von vollen Lippen Ach, nur einen Ruß zu nippen. Nose, schlanke, wilde Rose, Deffne Deine frische Blüthe! Thau aus Deinem jungen Schooße Haucht mir Jugend in's Gemüthe; Es durchftrömt mich Lieb' und Luft, Rose, blüh' an meiner Brust!
Der Angeklagte Graef macht darauf aufmerksam, daß bei allen poetischen Ergüffen selbstverständliche die Phantafte eine große Rolle spielt. Er bitte, eventuell Sachverständige darüber zu laden, daß Jemand, der poetische Dinge auf's Papier bringt in phantastischer Weise kleine wahre Begebenheiten zu über treiben und auszumalen pflegt. In allen ferneren Gedichten, die von hoher poetischer Schönheit sind, spielt die Rose eine Hauptrolle. Der Angeklagte nennt die Bertha mit Vorliebe wilde Rose", meine Rose"," duftige Rose" verweist darauf, daß er diese Rose unter Unfraut ent bedt und ihre Vorzüge schäßen gelernt habe. Das nächste Ge dicht beginnt:
,, Sah einen wilden Rosenstrauch
Im Feld am Wege blühen;"
und
es schildert dann, wie jeder Vorübergehende einen Zweig, ein Blatt und eine Knospe abbrach, bis er ganz zerzauft war und endet dann wehmüthig:
So blieb der Strauch am Wege stehen, Beraubt wohl seiner Bier,
So hab ich wieder ihn gesehen!" Ein weiteres Gedicht ist an einen Ring" gerichtet, und mit diesem Ring ift Berha Rother gleichfalls gemeint. Es schildert einen Ring, deffen Faffung zwar etwas verlegt ist, deffen Feuer aber für denjenigen, der etwas davon versteht, immer noch echt und köstlich erscheint und der Poet schließt:
An meinem Finger ist für ihn fein Play, Drum berg' ich ihn in meines Herzens Schat. Einzelne Stellen in diesen Liedern hält der Präfident dem Angeklagten Graef vor, derselbe weist aber wiederholt darauf hin, und bittet event. den im Saale anwesenden Paul Lindau als Sachverständigen zu vernehmen, daß in der Poefte die Phantafie viel weiter geht, als die Wirklichkeit und daß man aus Boeften nicht auf Thatsachen schließen tann.
Ein anderes Gedicht schließt mit der Strophe:
Beim Wein ist man sonst wohl gern zu 8wei'n, Doch dies trint' ich allein, dies Faß.
Der edelste Wein, der bleibt mir nicht rein, Trinkt ein anderer davon nur ein Glas. Ich vergeude mein Gut und trinke mich frant, Seel' und Leib mir verloren find,
Schenkst einem Andern vom süßesten Trank
Einen Tropfen, Du reizendes Rind."
Graef erklärt, daß dies Gedicht an eine andere Berfon gerichtet war, daß er dasselbe aber auch an Bertha R. ge geben habe.
Ein anderes Gedicht trägt die Ueberschrift: Braunschweig nach der Oper Carmen ". Es beginnt:
Nun führt in des Theaters Bau Voll Stolz ich Dich an meinem Arm;" es schildert, wie Männer und Frauen verwundert fragten, wa das für ein merkwürdig Baar sein könnte, der alte weißhaarige Mann und das blühende Mädchen und es triumphirt dann Mein füß Geheimniß in der Brust Hab ich doch ganz allein gewußt!"
Der Angell. Graef erklärt dies mit lächelnder Miene da bin, daß es einen gewiffen romantischen Reiz für ihn hatte, ein solch hübsches junges Mädchen ins Theater zu führen von dem wohl Niemand ahnte, daß es bei ihm Modell ge standen.
Ein anderes Gedicht ist an einen Fallen gerichtet und hat folgende Strophe:
Ich hatt' einen Fallen gefangen Trug ihn auf meiner Hand Sein Herr war fortgegangen, Fort in ein fernes Land.
Bald wirst Du von mir weichen, Doch daß Du mir warst hold
Am Schnabel trägst Du das Beichen An der Kralle den Reif von Gold.
Angell. Graef giebt hierzu die wenig romantische Erläuterung
daß Gebiß hatte machen laffen. Modell gemacht habe, welches sich auf seine Kosten ein falsches
Die Babl der Gedichte ist eine sehr große und es befinden der Aufschrift:" Bu meinem Testament. An meine Söhne". deutung einzelner poetischer Varianten fort und fort geht, Der fich manche Berlen darunter. Als das Eramen über die Be ,, An meine Söhne richte ich die Bitte, tisch getreten war und aus dem Gedächtniß vielfach nachhalf Iwo das Entziffern der Handschrift Schwierigkeiten machte, jum
dies Badet uneröffnet zu verbrennen. Euer Vater."