wörtlich heißt;Ihr Stück ist sehr hübsch, aber es stehen der Aufführung mancherlei Schwierigkeiten im Wege. So bean- spiuchcn Sie für den einen Mitspielenden einen hellgrauen Jäger Normal-Anzug. Nun, in einer Saison ist der Vertreter dieser Rolle ein kleiner Mann, in der andern ist es ein dicker Herr oder ein schlanker! Auf diese Weise könnte man jede Saison einen neuen Anzug anfertigen lassen und das geht nicht\" Der Lustspieldichter soll beabfichtigcn, dem Theater. direltor bald ein neues Stück zu überreichen, das im Pa» radiese spielt! Als Pendant mag eine Ziffer aus dem Etat einer Berliner Bühne gegenübergestellt werden: Das Viktoria- Theater hatte für sein BalletMessalina " bereits 140 000 M. Unkosten gehabt, ehe der Vorhang zur Premiere aufrollte.

Gerichts-Zeitung. Prozeß Graes. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) Nach der Pause giebt Geh. Rath Liman sein Gutachten ab. Daffelde steht ganz auf dem Standpunkte der übrigm. Es steht außer Frage, daß Anna Rvther eine epileptisch Kranke ist und es steht eben so außer Frage, daß diese schreckliche Krankheit auf den Geisteszustand von vier Fünfteln dieser Kran- len einen störenden Einfluß ausübt. Freilich hat es auch zu jeder Zeit Epileptiker gegeben, wie Cäsar, Napoleon, Muhamev, die mit der seltenen Energie des Willens, die ihnen zu eigen war, diese störenden Wirkungen paralystrt haben; dies kann man bei Anna in keiner Weise behaupten. Das ganze Verhalten der Angeklagten in der Verhandlung, ihre vollständige Apathie bei wichtigen Momenten und ihr Schluchzen bei weniger!be« deutsamen stimme durchaus mit denjenigen Wirkungen zusam- men, welche die Epilepste auszuüben pflegt. Die Ange- klagte ist gedächtnißschwach, ebenso schlecht rst es mit ihrem Urtheil bestellt und man kann sagen, daß fie nicht im Stande ist, eine Hypothese zu fassen, daß fie voll- kommen von einer unrichtigen Auffassung der Verhältnisse bc- fangen ist. Als der Inspektor ihr die Vorladung zum Termin übergab, antwortete sie: er möge fie morgen hinrichten. Die Angeklagte lügt weniger, als fie unbewußt die Unwahrheit sagt, weil fie unfähig ist, Erlebtes wiederzugeben. Sie ist nicht Idiotin oder blödsinnig, aber Schwachfinn sei ebenfalls eine Form der Geisteskrankheit, bei welcher die freie Willensbestim« mung ausgeschlossen erscheint. Im Gegensatz zum Landgerichts- rath Johl, der zweifellos ein mit scharfer Beobachtungsgabe ausgerüsteter Untersuchungsrichter sei, behaupte er, daß die Anna Rother keine Simulantin ist. Richter und Laien seien begreiflicher Weise immer sehr geneigt, bei auftretender Störung der geistigen Funktionen an Simulation zu glauben; thatsäch- lich sei aber festgestellt, daß Simulationen überhaupt sehr selten find. Ein französtscher Arzt fand unter 63 000 Gefangenen in 54 Jahren 264 Geisteskranke und darunter nur einen Simulanten. Bei der Hemmung der GeisteS träste, welche bei der Anna Rother obwaltet, kann man nicht voraussetzen, daß dieselbe im Stande war, voll und ganz die Schwere des Vorwurfs zu begreifen, der ihr gemacht wird und den straf- gesetzlichen Begrrff des Meineids in seiner Abgrenzung flch klar zu machen. Ueber die Frage, ob auf Grund dieser Beobach- tungcn das Resultat dahin zu gehen habe, daß eine freie Willensbestimmung bei der Angeklagten ausgeschlossen erscheint, tnthalte er fich jedes Urtheils, vielmehr überlasse er die Schluß- folgerung aus seinen ärztlichen Feststellungen den Geschworenen. Präs.: Sind die Herren Sachverständigen der Meinung, daß auch Irre, trotz ihres Irrsinns, die schlauesten Kombi- Nationen zu machen rm Stande find V Die Sachverständigen bejahen dies. Präs.: Kommt dies nun auch bei Schwachfinnigen vor? Geh. Rath Dr. Lewin: Das kann vorkommen. Präs.: Nun hat die Angeklagte Anna Rother bei ihrer Vernehmung ganz genau erzählt, daß fie nach ihrem polizellichen Verhör zu Graes gegangen sei und ihm das Re- iultat desselben mitgetheilt habe, daß dann Graes fie gebeten habe, fie nicht im Termin zu dlamiren, weil viele Kollegen von ihm im Saale seien rc. Nun frage ich Sie: halten Sie die Geistesstärke von Anna Rother für eine derartige, daß dieselbe im Stande wäre, ganz aus fich heraus fich so etwas zuer- finden" und eine derartige doch scyvn bei geistig intakten Per- sonen wunderbare Kombination einfach aus der Luft zu greifen. Die Geh. Rathe Lewin und Liman erklären die Geistes- stärke der Anna nicht für so groß, daß fie aus fich selbst heraus zu diesen Kombinationen gekommen sein könnte, viel- mehr müssen diese dann von dritter Seite an sie heran ge- bracht worden sein. Geh. Rath Wolff hält die Kombina- tionsfähiakeit der Anna Rsther in dem angedeuteten Sinne für möglich, da dieselbe eben ihre Tage hatte. Rechts- rnwalt Cassel: Meine Frage an den Geheimen Rath Lewin geht nun dahin: Wenn nun eine dritte Person in irgend einer Weise zur Anna Rother etwas von einer event. Blamage des Prof. Graes geäußeit haben sollte halten Sie eS dann für möglich, daß nach solchen Anregungen die Anna Rotber doch eine derartige Kombination angestellt haben könnte. - Bei Gelegenheit dieser Erörterungen bemerkt der Vorfitzende gegenüber einer Aeußerung der Vertbeidiaung, welch, mehr auf das Gebiet der Deduktion hinübergriff:Ich kann hier nichts weiter thun, als einfache Thatsachen feststellen. Ich würde es für ein Verbrechen halten, wollte ich hier nach irgend einer Richtung hin meine eigene Anschauung durchblicken lassen. Ich habe nur die Aufgabe, die Wahrheit an den Tag zu bringen und den Anforderungen, welche nach dieser Richtung hin von der Staatsanwaltschaft wie von der Vertheidigung an mich gestellt werden, möglichst gerecht zu werden." Staatsanwalt Heinemann läßt nun einzelne Stellen aus Graes's Tagebuch verlesen, aus denen hervorgehen soll, daß Bertha direkt fich um Geld an ihn gewandt hatte. Ferner wird das Protokoll über die Vernehmung Graes's bei dem Untersuchungsrichter Landgerichtsrath Johl verlesen. Ueber die Art dieser Vernehmung, die Art der Protokollirung und die Bedeutung der Fragen, die ihm vorgelegt worden, herrschen mehr acke Differenzen zwischen dem Anaekl. Prof. Graes, dem Landgerichlsrath Johl und deffem Protokollführer Referendarius Eschker. R. A. Kleinholz benutzt die Gelegenheit, um zu kon. statu en, daß Pros. Graes fich in der ganzen Verhandlung noch nirgends versprochen und ihm noch nirgends ein Abweichen von der Wahrheit nachgewiesen worden sei. Der Präsident be­merkt, daß das Urtheil da- über den Geschworenen überlassen werden müsse. Auf Antrag des Justizraths Eimson konstatirt der Vorsitzende, daß in dem Tagebuche des Angekl. Graes an einer Stelle die Bemerkung fich findet: Helene Hammermann hat fich heute einer wahnstnnigen Verdächtigung gegen mich fchulvig gewacht: ich muß meinen Rechtsbeistand darüber be- fragen. Ferner wird aus dem Tagebuch konstatirt, daß die Einnahmen Graes's im Jahre 1881 31 656 MI., 1882 61280 Mk. und 1883 30 612 Mk. betrugen. Damit ist die Beweis- ausnähme bezüglich des Verhältnisses zwischen Graes und Bertha Rolher vorläufig beendet...... Als adminikulirmbes Beiwerk folgt nun die Beweis- aufnähme über das Verhältniß des Professor Graes zu der jüngsten Rother'schen Tochter, Lieschen Rotber. In dieser Beziehung ist eine Anklage gegen Prof. Graes nicht erhoben, dagegen steht Frau Rother dieserbalb unter der Anklage der schweren Kuppelei. Angeklagter Graes bestreitet, wie schon früher, daß er bezüglich Lieschcn's irgendwie ein böses Ge- wissen habe. Es sei durchaus richtig, daß er das Mädchen schon früher freundlich behandelt und rhr auch öfter kleine Ge« schenke mrtgebracht habe. Als Bertha Rother nicht mehr im foruse ihrer Mutter war, habe fich die letztere an ihn mit der Bitte gewandt, doch Lieschen als Modell zu benutzen. Er habe deshalb nochmals den Körper des Mädchens angesehen,"

alle

wetteren Beschuldigungen seien aber aus der Luft gegriffen. Auf Vorhalten des Präfidenten, weihalb er denn mehrfach diese Befichtigung vorgenommen, obgleich er fich schon beim ersten Mal davon überzeugt hatte, daß das Mädchen zum Modell noch zu unentwickelt war, erklärt Pro- fessor Graes: Mein Gott, ich bin eben Maler und die Darstellung weiblicher Körper ist mein Spezialfach, und wie ein Schlachtenmaler die Soldatm nicht in seinem Atelier aufstellen kann, so kann ich mich zur Ausfüllung meines Spezialfaches nicht auf mein Atelier beschränken. Jeder Sach- verständige wird mir zugeben, daß der Körper eines Mädchens der Entwickelung sehr fähig ist und einmaliger Augenschein die Frage nicht entscheiden kann, ob fich das Mädchen zu einem Modell eignet. Frau Rother bestreitet, daß jbei diesen Besuchen des Graes irgend etwas Bedenkliches vorgekommen. Zur Verlesung gelangt ein Brief des Angeklagten Graes an das Mädchen, in welcher er daS Gesuch, der Mutter 300 Mark zu schicken, ablehnt, ferner ein in der Wohnung der Frau Rother vorgefundener, von fremder Hand geschriebener Brief des MädchenS an Graes, in welchem dieselbe fälschlicher Weise angiebt, daß fie 15'/: Jahre alt sei und um die Hilfe des Professors bittet, damit fie fich der theatralischen Karriere zuwenden könne. Ein Dritter nur in Ab- schrist vorhandener Brief enthält wieder ein Gesuch um Geld für die Mutter; er trägt die Ueberschrift liebes Profefforchen!" und schließt:mit vielen Grüßen und Küssen." Lieschen Rother, welche schwer krank damieder liegt, hat bei ihrer kommissarischm Vernehmung bestritten, daß fich Graes ihr gegenüber irgend welche Zärtlichkeiten oder Un- anständigkeiten erlaubt habe. Die Einzelheiten dieser Aussage entziehen fich der Oeffentlichkeit. Zu bemerken ist, daß Lieschen Rother erklärt hat, fie habe den Brief, in welchem ihr Alter auf 15V: Jahre angegeben ist, nicht geschrieben, wisse auch nicht, wer ihn geschrieben habe. Bezüglich des nur in Absckrift vorhandenen Brieses giebt Lieschen R. zu, daß fie möglicher Weise denselben mit der Phrase geendet bade:Mit vielen Grüßen und Küssen!" Professor Graes erklärt be- züglich des Briefes, der von der Theaterlust Lieschens spricht und daran erinnert, daß der Adressat auch an Bertha viel gethan habe: er erinnere fich dunkel, daß ihm einmal einen solchm Brief Frau Rother vorgezeigt habe. Die Zeugin Marie Reim hat keine Vertraulichkeiten und Zärtlichkeiten gemerkt; fie habe einmal gehört, daß Prof. Graes zu Frau Rother gesagt: er könne und werde an Lieschen nicht soviel thun, wre an Bertha; das habe ihm zu viel Geld gekostet. Den Theaterbrief hat die Zeugin gleichfalls geschrieben, behauptet aber, daß derselbe gar nicht an Prof. Graes gerichtet war, sondern an einen andern Herrn. Präs.: An wen war er denn gerichtet? Zeugin(zögernd): Muß ich den Namen hier nennen? Präs.: Sie dürfen hier nichts verschweigen. Zeugin: Nun denn, an Herrn Hertzog. Präs.: An welchen Herrn Hertzog? Zeugin; An Herrn Rudolph Hertzog in der Breirenstraße. Präs.: In dem Briefe wird doch daran erinnert, daß der Adressat so viel auch an Berthalgethan habe. Hat denn Herr Hertzog so viel an Bertha gethan? Zeugin: Wie viel, weiß Ich nicht. Präs.: HaW Sie denn den Brief selbst verfaßt? Zeugin: Nein, ich habe ihn nach dem Diktat der Frau Rother geschrieben. Präs.: Wie kommt es denn, daß in dem Briefe fälschlich steht:ich bin 15'/, Jahre alt." Thatsächlich ist doch Lieschen Rother heute noch nicht einmal so alt. Zeugin: Jedenfalls war es nur damals so gesagt worden und jedenfalls sollte auch der Adressat dadurch mehr Zutrauen zu den Fähigkeiten von Lieschen gewinnen. Frau Rother giebt zu, daß fie der Zeugin fälschlicher Welse gesagt habe, der Brief sei für Hertzog, that- fächlich sei er aber für Prof. Graes bestimmt gewesen. Der Präsident hält ihr dagegen vor, daß es dann doch auf- fällig sei, warum in dem Brref ein ganz anderer Ton ange- schlagen worden sei und warum denn dem Prof. Graes, der doch mit den Verhältnissen ganz vertraut gewesen, das falsche Alter angegeben worden sei. Die Zeugin Reim giebt sodann die Möglichkeit zu, daß Frau Rother ihr den Wunsch ausge- drückt habe, daß Prof. Graes in ein Verhältniß zu Lieschen treten möchte. Daß dies ein geschlechtliches sein sollte, habe sie fich nicht denken können. Der Vorfitzende ermahnt die Zeugin wiederholt eindringlichst zur Wahrheit und hält ihr namentlich vor, daß fie nichts verschweigen dürfe. Staatsanwalt Heinemann: Ich bitte, daß fich Bertha Rother zu dem Fall äußett. Bertha Rother: Als ich am Wilhelmstheater zum ersten Male auftrat, war dort ein Frl. Kopka, zu welcher Herr Rudolf Hertzog in Beziehung stand; er hat mich damals auch kennen gelernt, ob er mir aber damals eine Aufmerksam- keit erwiesen hat, weiß ich nicht. Staatsanwall Heinemann erklärt seinerseits die Aussage der Zeugin für unwahr, ebenso hält er es für erfunden, daß der Brief an Rudolf Hertzog ge- richtet gewesen sei. Zeugin Reim erklärt dem gegenüber, daß sie sogar einmal einen Brief an Herrn Hertzog geschrieben, adreffirt und auf die Post getragen habe. Staatsanwalt Heinemann: Ich behaupte, daß.Herr Hertzog nie in irgend welchen Beziehungen zur Familie Rother gestanden hat. Die Zeugin bleibt dabei und bemerkt noch: in jenem Briefe war auch darauf hingewiesen worden, daß Herr Hertzog, der doch so viel für Schauspielerinnen thue, doch auch für L»eschen, welche Talent habe, etwas thun möge. Den Brief sollte Lieschen abschreiben, es sei jedoch nicht dazu gekommen. Nach einigen Fragen des Beisttzers Dr. Fricdenthal an die Zeugin beantragt der Staatsanwalt die Vorladung des Herrn Rudolph Hertzog als Zeuge. Die Vertheidiger Justizrath Simson und R. A. Kleinholz protestiren gegen diese Ladung. Das Zeugniß des Herrn Hertzog sei ganz irrelevant, denn eS könne event. nicht die Tharsache aus der Welt bringen, daß die Mutter Rother die betr. Mittheilung an die Zeugin gemacht haben kann. R.> A.Cassel schließt fich diesem Prorest an. Die Sache müsse doch nun mal endlich zu Ende geführt werden und nachdem auf Antrag des Staatsanwalts nun schon Zeugen aus Rügen geladen worden find, weil deren Väter einmal fich geäußert haben, ihre Kinder könnten am Ende mehr wissen, bitte er doch dringend, die Beweiserhebung nicht ins Unendliche auszudehnen. Der Gerichtshof beschließt, die Ladung deS Herrn V"hnrrfl als Zeugen zu morgen früh. Damit wird die Sitzung rNN-5 Uhr vertagt. Soziales««d Arbeiterbewegung. Den Drechslern und Berufsgenoffen zur Nachricht, daß in der Werkstadt des Herrn O. Schwarz. Mariannenstt. 18, von den dort arbeitenden Kollegen die Arbeit eingestellt worden ist. Dieselben haben eine Lohnerhöhung von pCt. gefordert, welche Herr Schwarz mit der Mottvirung ablehnte, daß er erst die verlangte Erhöhung zahlen könne, wenn die Konkurrenten ebenfalls dazu gezwungen würden. Wir ersuchen, den Zuzug fern zu halten. Die Kommisfion. I. A.: R. Eündermati-t, Gitschinerstr. 61 I. Eämmtliche Klavierarbeiter, Tischler und Berufs- genossen werden gebeten, den Zuzug von der Piano-Fabrik von Klingmann u. Ko., Köpnickerstr. 175, wegen Lohnabzüge von 5 und 7'/: pCt. fernzuhalten. Die streikenden Arbeiter ge- nannter Fabrik._ Uereine«nb Nersammlungen. bk». Die öffentliche Versammlung der Drechsler und verwandten Berufsgenossen, welche am Eonnabend, 3. d. Mts., bei Keller, Andreasstr. 21, unter Leitung des Herrn Krause stattfand, um über das Vorgehen mit einer Lohnerhöhung-for« derung definitive Beschlüsse zufassen, war zahlreich besucht. Herr Sündermann begründete als Referent der Versammlung dre bereits von der allgemeinen öffentlichm Drechsler- Per-

sammlung am 27. d. Mts. einstimmig anerkannte Nothwendig- keit, mit einer solchen Forderung jetzt so schnell als möglich vorzugehen, durch den Hinweis auf die bekannte Thatsache, daß der durchschnittliche Wochenverdienst der Drechsler nur 13,50 Mk. betrage und der jetzige Zeitpunkt nach Lage des Geschäfts zu einem derartigen Vorgehen fich am besten eigne, weil momentan und bis nach Weihnacht die Nachfrage nach Arbeitskrästen am stärksten sei. Man möge, empfahl der Red- ner, die in der vorigen Versammlung gewählte Vierer- Kom- Mission auf 7 bis 11 Mitglieder beliebig ergänzen, dieselbe dann mit der schleunigsten Ausarbeitung eines Mmimal-Stück» lohn-Tarifs beauftragen und zugleich so bald als irgend mög- lich in allen hiesigen Werkstätten einen Minimal- Wochenoer- dienst von 18 Mark(alsonicht unter" 18 Marl ) für den sogenanntenschwachen Arbeiter" bei einer täglichen Maximal- arbeitszeit von 10 Stunden, bezw. dre Anerkennung des auszuarbeitenden Minimal- Stücklohn- Tarifs fordern. In der fich hieran anschließenden mehrstündigen Diskusfion, an welcher besonders die Herren Pindric, Echmaedicke. Funke, Prause, E. Hildebrandt, Buchmann, Drechslermeister Kühn, Matutad, Schräder, Thun u. e- A. hervorragenden Antbeil nahmen, waren bis auf einen Redner, der behufs Ermöglichung der Ansammlung eines großen Streikunterstützungsfonds die Bewegung bis zum nächsten Jahre vertagt wissen wollte, alle übrigen mit dem Referentm in allem Wesentlichen einverstan« den. Allgemein war man der Meinung, eines größeren Fonds unter den augenblicklich günstigen Verhälniffen nicht zu bedürfen. Das Schlußresultat der Diskusston war die mit allen Stimmen gegen eine einzige erfolgte Annahme einer Resolution, durch welche fich die Versammlung mit der Forderung einer Lohner- höhung einverstanden erklärte und verpflichtete, mit derselben am Donnerstag, den 8. d. M. in allen Werkstätten vorzugehen und in denjenigen Werkstätten, in welchen die Forderung eines wöchentlichen Minimalverdienstes von 18 Mark bei einer Maximalarbeitszeit von täglich 10 Stunden bis zum Sonn- abend, den 10. d. M.. nicht bewilligt ist, am darauffolgenden Montag, den 12. d. M., die Arbeit einzustellen. Die ersten Resultate des Vorgehens sollen darauf in einer am 13. oder 14. d. M. Abends einzuberufenden öffentlichen Generalver- sammlung aller Berliner Drechsler und verwandten Berufsge- nassen bekannt gemacht werden. Derselben sollen auch die be» treffenden Minrmaltarifvorlagen zur Berathung und Beschluß- fassung unterbreitet werden. Ferner wählte dre Versammlung eine auS 11 bezw. 13 Mitgliedern bestehende Lohnkommisston, indem fie die in der letzten Versammlung gcwäblte Viererkom- misfion bestätigte und auf 11, bezw. 13 Mitglieder ergänzte. Die Lohnkommisfion besteht hiernach aus den Herren Prause,. Sündermann, Buchmann, Köppen, Matudad, Zeise, Konrad Meier, Scwnädicke, Thun , Weinhold und Schräder als Kom« misstonsMtgliedern und aus den Herren Weinert und Emil HildeWMdt als Revisoren. Eine öffentliche Versammlung sämmtlicher ler und Klavrerarbeiter Berlins und Umgegend behufs Berichterstattung der Revifionskommisfion in Sachen ödel und Genoffen am 4. d. M. in Sanssouci unter Vorfitz des Herrn Schmitz statt. Zum zweiten Male, bemerkte der Referent Herr Schaar, sehe die Revifionskommisfion fich ver« anlaßt, den Berliner Tischlem Bericht zu erstatten über ihre Thätigkeit und deren Erfolge. Die Kommisfion habe ein sehr schweres Amt. Ihre erste Aufgabe sei es gewesen, Material zu sammeln, ihre zweite, Einsicht in die Bücher zu gewinnen. Dies letztere sei erst am heutigen Tage möglich gewesen. Wie vorauszusehen, stimme in den Büchern mit den Belegen Alles überein. Ein mysteriöses Dunkel umhülle aber das Marken- system, dessen Verwaltung allein in Rödel's Hand lag. Es find zwar die erhaltenen Marken richtig eingetragen, doch ist nicht zu ersehen, wie fie verwendet wurden. Es sei nämlich ein Umstand zu Tage getreten, von dem bisher Niemand eine Ahnung hatte. Die Marken(Werthzeichen für gezahlte Gelder; behufS Konttole) wurden in Hamburg bestellt, dort verfertigt und von dort belogen. Wie jetzt durch Nachfrage bei dem Hamburger Fabrikanten ermittelt worden sei, find bei jeder er- folgten Sendung Marken je ein Gratisbogen(400 Marken) beigegeben worden, als Ersatz für etwa beim Druck oder beim Transpott unbrauchbar gewordener Matten. Neun solcher Sendungen hätten stattgefunden, mir- hin seien 3600 Marken, welche als Ettatzmaterial dienen sollten, vollwerthig verwendet worden, ohne daß darüber irgend eine Angabe gemacht sei oder daß Jemand darum gewußt hätte, da, wie Herr Rödel fich geäußett hätte, dies Vettrauens« fache sei. Von einem Leiter einer Lohnbewegung, bemerke Herr Schaar weiter, müsse man aber auch verlangenffönnen, daß er selbst über Verirauenssachen Rechnung resp. Rechenschaft ab« zulegen im Stande sei. In der Ordnung sei es ferner nicht, daß er den Posten von 30 MI.(Wintergatten) zu anderen Zwecken verwendet habe, als wozu er gebucht worden sei. Ganz unverantwottlich sei es aber, daß Herr Rödel in dem dieserhalb stattgehabten Prozeß die Arbeiter Berlin ? politisch verdächtigt habe. Des Weiteren sei von Herrn Rödel eine Abrechnung über die Matinee in der Philharmonie zum Besten der verunglückten Bergleute des Camphausenschacht verlangt wor« den. Dieselbe habe bis jetzt noch nicht stattgefunden. Zeil genug wäre wohl gewesen und mit den Verunglückten würde es schlecht bestellt sein, wenn fie auf die Abrechnung hätten matten sollen. Die Verwaltungskosten beliefen fich auf 3035 pCt. und sei dies nicht anders möglich gewesen, da die Lohnkom- misfion schaltete und waltete wie sie wollte. So seien von Kommissionsmitgliedern trotz ihrer ausreichenden Besoldung z. B. für Lokalsuchen 1,35 M, bei Bezirksvereinsoersammlungerr 6,70 Mk., 7,20 M ic. Zehrgeld erhoben worden.(Ruf: Falsche Anschuldigung). Wer fich genau hierüber unterrichten will, der möge fich in meine(des Redners) Wohnung begeben, dort weroe ich ihm genaues Matettal vorlegen. Die Delegitten hätten offenbar nicht gewußt, daß die Lohnkommisfion so witth schatte. Ein Vorwurf treffe hauptsächlich die Revisorm, welche derattige Abrechnungen für richtig befunden und unter« schtteben hätten. Ein Endresultat hätte die UntetfuchungS- kommisfion noch nicht erzielen können, doch würde fie ernstlich weiter arbeiten und später wiederum Bericht erstatten.(Bei­fall) Der nächste Redner war Herr Schmitz: Wenn Künzel nicht aufgetreten wäre, würden die Tischlergesellen vielleicht heute noch auf Rödel schwören. Man sei daher Künzel eigent« lich zu Dank verpflichtet, obgleich er nicht ein Haar besser sei» als Rödel und Konsorten, welche die Tischler einmal ordentlich geleimt hätten.(Oho! Bravo .) In der gemeinsten Weise seien von diesen die Führer früherer Bewegungen verdächtigt worden. Dieselben hätten jederzeit Abrechnungen gehalten. Die Lohnkommisfion ist von der Revifionskommisfion abgesetzt worden.(Sehr ttchtia.) Ist nicht Rödel unter Anklage gestellt? (Freigesprochen.) Es entsteht auf der Galnie ein Tumult, dre Versammlung wird vertagt und einige Ruhestörer hinaus- befördett. Nach diesem Zwischenfalle fährt Schmitz fort: 8# behaupte, Rödel ist vemrtheilt, weil er die 30 M. unterschlagen hat. Kein Staatsanwalt würde die Antlage erhoben iiaben, wenn nicht ein Dolus vorhanden wäre.(Sehr richtig!) E» fehlt nur die juttstische Person, welche zur Klageführung berechtigt rst- Wir wollen aber, um dieS zu ermöglichen, nicht loviel Geld wegwetten für einen Menschen, der moralrsch todt ist.(Sehr richttg-t Niemand hat Rödel Machtvollkommenheit gegeben, mit dern Gelde der Tischler zu schalten wie er wolle, wie Herr Len> vor Gericht behauptet hat. Die Werkstatt ist nur gekauft wor» den, um versönliche Zwecke zu erreichen. Ueber kurz oder W* setzt fich Rödel hinein und wittt alle Anderen hinaus.(Sevr richtig.) Wenn Rödel schuldfrei wäre, hätte er fich nicht(st weigert, die Bücher herauszugeben. Tischler Volbett: Früher habe er manche Lanze für Rödel gebrochen. Durch%% habe er aber erkannt, auf welcher Seite der Betrug liege. müßte er ein Idiot oder ein Fanatiker sein, wollte er

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