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Nr. 288.
Mittwoch, den 9. Dezember 1885.
II. Jahrg
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
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Abonnementspreis für
fetat täglich Morgens außer nach Sonn- und Fefttagen. Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Betabonnement 4 Mt. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Nummer mit illuftr. Beilage 10 f. ( Eingetragen in ber Postzeitungspreislifte für 1885 unter Nr. 746.)
Redaktion: Benthstraße 2.
Die„ Herberge der Gerechtigkeit".
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Insertionsgebühr
beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Whe Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annonces Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Zimmerstraße 44.
Beamte. Auch der nationalliberale Abgeordnete Dr. Buhl, der bekannte Leisetreter, steht darunter. Die So nannte man einst die stolze und feste Burg des Beiträge werden bei Bleichröder in Berlin und bei Bon berühmten Ritters Franz von Sidingen, die Ebernburg abnemacher in Frankfurt angenommen!!! bet Kreuznach. Sie war während der furmbewegten Refor diesem Romitee sollen Sidingen und Hutten„ einge mationszeit die Zufluchtsstätte aller derjenigen, die für Deutschlachtet werden, b. h. die beiden historischen Gestalten werden benutzt, um das deutsche Boll mit einem Schwall lands Einheit, Freiheit und Größe gekämpft, die dessen Los reißung aus der römischen Knechtschaft gefordert und dafür abgestandener und över nationalliberal- konservativer Phrasen geachtet und flüchtig geworden waren. Hier hielt sich Ulrich zu überschütten! on Hutten, der glühende Vorkämpfer für Deutschlands Einheit und Freiheit auf; er ließ von der Ebernburg seine flammenben Schriften ausgehen. Hier war der Mittelpunkt großen Ritterverschwörung, die sich nach Franken, Heffen Schwaben , und bis Böhmen binein erstreckte und von hier aus unternahm Sidingen feinen 3ug nach Wien , ber so unglücklich ausfiel und ben tragischen Untergang des Nitters und seines Freundes Butten herbeiführte.
jenen
Auf der Ebernburg, der jetzt in Trümmern liegenben ehemaligen Herberge der Gerechtigkeit", ein Denkmal für bie politischen Diosturen Franz von Sidingen und Ulrich von Hutten zu sehen, ist gewiß ein Gebanke, der jedem freiheitlich gesinnten Manne sympathisch erscheinen muß. leber bie Natur ber Hutten- Sidingen'schen Idee find wir uns heute völlig flar. Sie wollte an Stelle bes burch die Herrschaft zahlloser kleiner und großer Territorial fürsten zerrissenen und geschwächten Deutschland ein einiges Deutschland herstellen. Der Fehler von Hutten Sidingen war, baß sie glaubten, ein freies und iniges Deutschland auf die Ritterschaft, auf den bel begründen zu lönnen; sie wollten, wie ein Hifto tifer richtig fagt, eine gleichmäßige aristokratische Ordnung wifchen ben Raifer und die große Maffe des Volles Rellen. Das Voll wäre fonach in Abhängigkeit vom Adel
geblieben. Allein man muß bem kühnen und entschlossenen Kampfe Huttens und Sickinges gegen die Territorialfürften unb gegen ben römischen Despotismus alle Anerkennung ollen. Hutten ging auch viel weiter als Sidingen; er hilberte in feinen Schriften mit begeisterten Worten das Blend des VBoltes und wenn er auch kein be timmtes fozialpolitisches Programm hatte, so ist er doch ein Borläufer jener großen jener großen Bewegung anzu ſehen, die in den berühmten zwölf Artikeln der Bauern ihr Populares Programm hatte.
als
Aber wer it's ber heute ein Denkmal für Sidingen unb Butten verlangt? Von Kreuznach aus ergeht ein Aufruf To um Beiträge zu einem folchen Denkmal; an der Spike des Romitees fehen ein preußischer Landrath und ein ofbuhändler und unter ben Unterzeichnern bes Aufrufs stehen noch mehrere 2 anbräthe und hohe
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Feuilleton.
Die Hand der Nemesis.
Roman
Don
Ewald August Rönig. ( Fortseßung.)
" Baben Sie oft nachgesehen, ob bie Waffe noch in
ihrem Bertede lag?"
Nie, ich bachte nicht mehr an sie. Wenn ich mich hrer erinnert hätte, würde ich sie bei meiner Abreise mit genommen haben."
Gefangene schüttelte zögernd das Haupt.
Soll man da lachen oder weinen?
Nun, wir sind nicht sentimental- wir lachen!
Aber wenn er aus seinem Grabe steigen würde, Ulrich von Hutten , der Held mit Feder und Schwert, der für sein beal litt, ftritt, barbte und starb, der raftlos die Länder durchzog und manche seiner Schriften auf dem Sattelknopf entwerfen mußte, wenn er bie Rechnungsträger und die 3weibeutigen, die Halben und die Falben andonnern würde in seiner furchtbaren Sprache, die einft seine ganze 3eit erzittern machte in welches Maufeloch würben fich wohl der brave Doktor Buhl und seine nationalliberale Gesellschaft ver friechen, die schon bange find, wenn ein Minister die Stirn rungelt.
Die Herberge der Gerechtigkeit!" Wir würden den Herren Buhl und Genossen aus den Volksschriften Ulrich's von Hutten gerne vorführen, was der eble Ritter unter ,, Gerechtigkeit" verstand. Aber ach, wir thun besser, es zu unterlassen, denn die Herren Buhl und Genoffen haben ja dafür gesorgt, daß der Abbrud bezeichnender Stellen aus Buttens Schriften uns verhängnißvoll werden könnte. Ein Denkmal sehen sie barum freilich doch auf der Ebernburg.
fung bes Bolts und daran kann auch Herr Bleichröder nichts ändern.
Nein, ihr Herren, mit jener ,, Herberge der Gerechtigkeit" habt Ihr nichts zu thun! Wenn ihr es euch aber doch einbildet lachen, und derer, die mit uns lachen, werben nicht Wenige fein.
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Politische Uebersicht.
nux,
mir
Die Apothekenfrage scheint wieder in den Vordergrund zu treten. Wie wir bereits gestern mittheilten, hat ein provi forisches Komitee von Apothekern der Rheinproving soeben einen Aufruf an alle tonditionirenden Apotheler Deutschlands erlaffen, in welchem diese aufgefordert werden, fich an einer Betition an den Reichstag zu betheiligen wegen Einfüh rung der Gewerbefreiheit für die Apotheter, selbstverständlich unter Kontrole der Landesbehörden. Die Motive zu diesem Schritte find der Hauptsache nach darin zu suchen, daß es den meisten geprüften Apothekern unter den bestehenden Verhältnissen nicht möglich ist, selbstständig zu werden, das heißt eine Apotheke eröffnen zu tönnen. Be fanntlich gehört zur Errichtung einer Apotheke die behördliche Rongeffton; ist in einem Bezirke eine Apothele errichtet, so hat der glüdliche Inhaber derselben das Monopol famente; lein anderer darf fich in seinem Bezirk niederlaffen. zum Verlauf der nach ärztlicher Vorschrift verordneten Medi
Nur wenn die Einwohnerzahl bis zu einer bestimmten Höhe gewachsen ist, wird eine weitere Kongeffion
Apotheke ertheilt. So warten nun hunderte unlegung einer
Ulrich von Hutten rief kühn: 3h hab's gewagt!" Nachdem er sich einmal entschloffen hatte, für feine politischen Ideen einzutreten, warf er alle Rücksichten werthvoll, als wenn er mit einem Bruchtheil des großen cooles ab wiewohl mein' fromme Mutter weint," fügt er hinzu und sagt:
Wer wollt' in Solchem bleiben daheim?
Ich hab's gewagt! das ist mein Reim!" Aber die Herren Buhl und Genoffen, was wagen fie? Sie wagen" es höchstens, hohen Gönnern ihre un terthänigste Ergebenheit zu bezeugen und sie haben dabei vor Hutten das voraus, daß ihre Mütter nicht zu weinen brauchen, wie die Mutter des Nitters auf der Steckelnburg.
Indeffen eines steht fest: die großen Charaktere unferer vaterländischen Geschichte, zu denen Butten und Sidingen unzweifelhaft gehören, fönnen durch die nationalliberalkonservative Phrafenmache nicht getrübt werden. Das An benken an diese Erscheinungen beruht auf der Auffas
Sprachen Sie mit Jemand darüber?" F Nur mit dem Gärtner."
Aeußerte er eine Meinung über den Vorfall?" Direkt nicht, er war sehr einfilbig, und mir fam es vor, als ob ihn selbst eine Schulb brücke. Ich sage das nicht, um auf ihn Verdacht zu lenten, er fann diese That nicht begangen haben."
Aber es schien Ihnen, als ob er wiffe, wer fie began
gen hatte
Auch das will ich nicht behaupten. Er äußerte nur, man müffe jedes Wort reiflich überlegen; eine Anllage, die man nicht beweisen tönne, sei sehr gefährlich."
Das war im Grunde genommen eine wohlfeile Rebens art, bie nicht meinmal zu Bermuthungen Anlaß giebt. Rein. sath Rein. Aeußerte er feinen bestimmten Verdacht? லும். Sprachen Sie öfter mit ihm?"
Bar es außer Ihnen und Ihrer Frau irgend einem Menschen bekannt, daß die Waffe unter dem Fußboden lag?" Der tung dieser Frage tann für Sie von der größten Wichtig ich Abschied von ihm nahm."
Befinnen Sie fich," sagte Siegfried, bie Beantwor
teit fein."
3 lann Ihnen keine andere Antwort barauf geben,"
3weimal, das legte Mal furz vor meiner Abreise, als Und auch bei dieser Gelegenheit ließ er feine Aeußerung fallen, die auf jenen räthselhaften Mord Bezug
erwiberte Halm, ich habe mit Niemanden barüber ge nahm?"
fprodjen.
Auch Ihre Frau nicht?"
Ich
fte mir etwas barüber gesagt hat." weiß es nicht, ich fann mich nicht erinnern, daß
Sie
erkennen auch die Büchse, die in Ihrer Hütte ge
Doch, aber ich verstand den Sinn seiner Worte nicht. Er fagte mir, es sei merkwürdig, daß die Herren vom Ge zeigen, aber er werde fich hüten, man würde nach Beweis richt gar nichts entdeckt hätten, er könnte ihnen eine Spur fen fragen, und darauf wiffe er bann keine Antwort zu Einen Namen nannte er nicht?"
funden und schon im ersten Verhör Ihnen vorgezeigt wurde, geben." als Thr früheres Eigenthum an"
gegen
" Jawohl."
Ich komme nun auf den Vorfall selbst zurück.
" 1
sende geprüfte Apotheker oft viele Jahre auf den Moment, der thnen das Glück in den Schoß werfen soll, ohne dieses Glückes theilhaftig zu werden, weil bei Bergebung der Konzeffton eine gewiffe Reihenfolge inne gehalten wird und die Bevölkerung fich natürlich nicht in solchem Maße vermehrt, daß fortwährend neue Apotheken errichtet werden fönnen. Erhält ein Apotheker Die lang ersehnte Konzeffton, so ist das für ihn faft ebenso von der Göttin Furtuna bedacht wurde. Ift er unbemittelt, so finden fich Dußende von bemittelten Kollegen, die gerne bereit find, ihm die Konzeffion für eine enorme Summe abzulaufen. Ift er bemittelt, so wird er durch den Betrieb der Apotheke bald genug zu einem reichen Manne wers ben. Das Geschäft bringt etwas ein, daher auch der Schacher mit älteren Apotheken. Dies ist aber gerade der springende Bunkt bei der ganzen Angelegenheit. Der Apotheker darf für die auf ärztliche Anordnung hin verordneten Medilamente nur einen bestimmten Preis fordern, aber dieser ist in den meisten Fällen so hoch, daß der Käufer resp. der Patient staunen würde, wenn er den ursprünglichen Werth der Arzneimittel in Erfah nur wenige in der Lage, die lateinischen Worte lesen zu tönnen, ung brächte. Das Etikett macht viel, oft alles. Es find fa das Publikum würde manchmal stumm vor Staunen werden, wenn es die unverständlichen Zeichen in's Deutsche übertragen könnte, denn unter den bochtlingendsten
Dieser Gärtner hat sich vor einigen Tagen das Leben genommen," fagte Siegfried, die blizenden Augen fest auf ben Angeklagten richtend; man fand die Leiche neben einer Branntweinflasche, und der Inhalt dieser Flasche war mit einem fofort wirkenden Gift zersetzt."
Bestürzt war Halm zurückgetreten, sein starrer Blid verrieth das Entsehen, welches diese unerwartete Mittheilung ihm einflößte.
Stimme.
Er hat sich selbst vergiftet?" fragte er mit bebender " Ja, vorausgesetzt, daß nicht ein Anderer es ges than hat." Welcher Andere?"
"
" Ich weiß es nicht," fagte Siegfried gedehnt, ich fpreche nur eine Vermuthung aus."
Das Geficht des Amerikaners war noch bleicher gewor ben, er flüßte fich mit der Hand auf den Tisch, der zwischen ihm und dem Untersuchungsrichter stand, und dem scharf beobachtenben Blid Siegfriebs entging es nicht, daß der fräftige Mann wie in Fieberschauern zitterte.
Halm. ftreiten es." Grunde?"
ein
Hatte der Gärtner fich dem Trunte ergeben?" fragte Herr Rabe will es behaupten, aber alle Uebrigen be= Unb welche Ursache liegt diesem Selbstmord zu ,, Darüber lann Niemand Auskunft geben." Seltsam! Georg war, so lange ich ihn kannte, fleißiger, nüchterner Mensch, eine gutherzige Seele, die Niemanden ein böses Wort sagen fonnte, und nur etwas zu ängstlich, zu schüchtern und bescheiden ,, So ist er mir auch geschildert worden," nidte Siegfried. Wie sprach man damals über den plöglichen Zob des Generals? Man bebauerte allgemein, daß der General so unerwartet gestorben war. Jeber, der ihn fannte, achtete und
Als der Doktor bas Schloß verließ, waren Sie nicht zu erft zuletzt oder gar nicht. Damit brach er das Gespräch war."
Befeben."
Bewahre. Wohl aber fagte er, die großen Verbrecher feien beffer baran wie die Kleinen, denn an sie bente man ab, und ich fragte auch nicht weiter, ich konnte ja nicht habe ihn in jener Nacht überhaupt nicht ahnen, daß der Verdacht auf mich fallen würbe." Sie haben auch über diese Worte des Gärtners nicht weiter nachgedacht?"
Rein, ich Ginige Stunden später wurde seine Leiche in dem
Nein wozu? Solche Leute sprechen wie ihnen der
fein Blid das Geficht des Amerikaners. Grinnern Sie fich Schnabel gewachsen ist, fie benken über ihre Worte nicht liebte ihn."
bellen noch?
Gewiß."
weiter nach, und wenn sie einmal eine Vermuthung aus der Luft gegriffen haben, dann halten fie an ihr feft."
Nur Einer nicht." " Ich weiß es, Herr Nabe!"