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Sonntag, dex 13. Dezember 1885.
II. Jahrg
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
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Berlin feet in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Softabonnement 4 M. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Rummer mit illuftr. Beilage 10 f ( Eingetragen in ber Postzeitungspreislifte für 1885 unter Nr. 746.)
Redaktion: Beuthstraße 2.
Das Arbeiter- Wahlkomitee für die Kommunalwahlen hat am Freitag, den 27. November, nach langer Debatte in Gegenwart von Reichstagsabgeordneten and Stadtverordneten beschlossen, in allen Bezirken,
die Liberalen mit der Bürgerpartei zur Stichwahl kommen, die Wähler, welche für die Kandidaten der Arbeiterpartei gestimmt haben, aufzufordern, sich der Abstimmung zu enthalten. Das Komitee erwartet, daß die Wähler der Arbeiterpartei diesen Beschluß zu dem ihrigen machen werden. Im 34. und 25. Bezirk, welchen die Kandidaten der Arbeiterpartei, Böhl and Franke, mit den Gegnern ringen, haben alle Arbeiter und Handwerker sich kräftig an der Agitalion und Abstimmung zu betheiligen.
Das Arbeiter- Wahlkomitee.
Unsterblichkeit für Geld.
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Alles für's Gelb!" so lautet eine Divise unserer Seit; warum sollte man da nicht auch den Nachruhm nach
Tonnen?
bem Tode, die sogenannte Unsterblichkeit, für's Geld haben
"
fe ift oft nur Sache des Zufalls. Wie mancher bedeutende Rame bes griechischen und römischen Alterthums mag aus ber Beschichte verschwunden sein, weil die Aufzeichnungen, die ihn verewigen" sollten, zufällig verloren gegangen find!
Diefe Unsterblichkeit" ist zwar eine große Illusion;
Bas
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ift überhaupt ewig bei dem ununterbrochenen, Alles mgestaltenben, Altes begrabenden, Neues gebärenden Wechsel Stoffes? Haben nicht jüngst eine Menge von ,,, berühmten" Männern für ihre„ Unsterblichkeit" gezittert, als ein boshafter Caratter nachwies, daß das gegenwärtig erzeugte Papier icht sonderlich dauerhaft sei und daß in absehbarer Beit e die Schrifistücke und Drudsachen, die der Nachwelt von Inferen Heroen erzählen sollen, vermodert sein würden?
Unb
ist nicht auch der materialistisch tonservative Kultur biftorifer von Hellwald ein Anhänger jener Theorie, nach belcher die Erde allmälig erfaltet und alle die Denkmäler
Beichen menschlicher Rämpfe und Errungenschaften Zeichen einftmals unter einer Eiskrufte begraben sein werden? Auch
Beine fagt sleptisch:
Unser Grab erwärmt der Ruhm? Thorenwarte! Narrenthum!"
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Insertionsgebühr
beträgt für die 3 gefpaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 e Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annonces Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Zimmerstraße 44.
alter leider so ziemlich es feil ist, so auch die fogenannte Unsterblichkeit.
Dafür ist in diesen Tagen wieder ein hervorragendes Beispiel geliefert worden und zwar im gelobten Lande der Jagd nach dem Gold, in Nordamerika .
Dort ist ber Eisenbahnkönig" Banderbilt ge ftorben. Er war, wie sein Vater, ein Parveau ersten Ranges, aber er hat ein Vermögen von 800 Millionen Mart hinterlassen. Das reicht freilich hin, um jene Presse, heren Handwerk es ist, den glüdlichen Spekulanten enthusiastisches Lob zu zollen, zum Gipfel der Begeisterung zu erheben,
Ja ja, ber Vanderbilt war ein großer Mann! Er verstand es, mit den ererbten Millionen zu wuchern, er hat fein Pfund nicht vergraben. Indem er durch geschickte Spetulationen den Rahm von den Erträgniffen der nationalen Arbeit abschöpfte, gelang es ihm, das von seinem Vater auf ähnliche Weise aufgehäufte Vermögen zu vervierfachen. Das ist schon eine That, die hinreicht, den sämmtlichen Börsenblättern des Erdballs Ausrufe der Bewunderung zu Rann wie mehr leiften? Und entloden. ftehen diesen Helden armselig gegenüber fo manche Dichter und Denter da, bie zwar herrliche Kunstwerke und große been hinterlaffen haben, aber oft teine warme Stube oder keine ganze Hose besaßen und bitteren Mangel litten. Als Schiller starb, ward er verhältnißmäßig armselig begraben. Das tann einem Vanderbilt oder Rothschild nicht so leicht paffiren.
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Aber Vanderbilt war fein gewöhnlicher Mensch, so lefen wir in den Börsenblättern, er war ein Förderer der Künste und der Wissenschaften. Und was hat er gethan? Er nahm von seinen 800 Millionen vielleicht sind es auch mehr, denn man schätzt sein Vermögen nur oberflächlich fo vier Millionen und gründete damit eine Univers fität. So ist sein Nachruhm bei seiner Ration gesichert und sein Name verewigt.
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Wir sind über die literarische und künstlerische Ge fchmadsrichtung des Herrn Vanderbilt nicht informirt. Allein er brauchte weder Geschmack noch Bildung, noch fünftlerischen Sinn, noch irgend ein Intereffe für ideale Und wir dürfen auch vermuthen, Bestrebungen zu haben. daß von allen diesen Dingen bei ihm wenig oder nichts daß von allen diesen Dingen bei ihm wenig oder nichts vorhanden war, denn die Bankee's pflegen nicht an Ueber maß von Idealismus zu leiden.
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den Tisch zu legen. Damit war sein Nachruhm gesichert ,. und feine Familie genießt nun die Genugthuung, ihr vers ftorbenes Haupt als Beschüßer der Wissenschaften gepriesen zu sehen.
So fauft man sich heute den Nachruhm" und die Unsterblichkeit". Die Vanderbilt und Genossen haben sonach alle Ursache, dies 3eitalter als ein goldenes" zu bezeichnen. Leiber haben Millionen und aber Millionen anderer Leute keine Ursache dazu.
Der großen und stolzen Republik, die vor dem Hafen. von New- York das Riesenstandbild der Freiheit aufgestellt hat, würde es aber besser angestanden haben, wenn fie ihrem Bolte die nothwendigen Bildungsmittel gewährt hätte, ohne erst auf die Großmuth eines Eisenbahnkönigs" zu warten, ber mit seiner Stiftung keinen anderen 3wed hatte, als seiner persönlichen Eitelkeit zu fröhnen. Mögen die Börsen. blätter das Lob dieses Vankee- Mäcenas fingen
"
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Politische Uebersicht.
wir nicht!
Das allgemeine gleiche Wahlrecht ist den Reaktionären schon längst ein Dorn im Auge, obwohl fie fich aus guten Gründen wohl hüten, ihre diesbezüglichen Abfichten öffent lich fund zu geben. Aber nicht immer gelingt es ihnen, ihre geheimen Wünsche zu verbergen, unwillkürlich entfährt ihnen oft ein Wort, welches sie so gerne nicht gesprochen hätten. So wird es auch dem tonservativen Abg. von Helldorff ge wesen sein, der sich bei Berathung des Antrages auf Einführung fünfjähriger Legislaturperioden folgendermaßen äußerte:" Ich habe schon früher ausgesprochen, Daß ich fein Freund des allgemeinen Wahlrechtes sei Ich kann auch dem nicht zustimmen, daß das Reich das allge meine Wahlrecht behalten müffe, weil es mit ihm begründet worden sei; ich spreche offen aus, daß ich es für eine Frage der Zeit halte, wie lange das Reich, überhaupt die Kultur ftaaten, das allgemeine Stimmrecht ertragen fann." Der Abg. Bebel wies sehr zutreffend darauf hin, daß dieses Ge ftändniß des Herrn Helldorff den Konservativen bei den nächsten Wahren doch recht unangenehm werden könnte, und die hoch tonservative Kreuz Beitung" fühlt denn auch bereits, tonfervative Kreuz Beitung" wie sehr das aus der Schule plaudern" des Abge ordneten Helldorff die Bläne der Realtion gefährden kann. Das Blatt nimmt Veranlassung zu erklären, daß die konser vative Partei nicht mit dem Herrn Helldorff in Bezug auf Bea seitigung des allgemeinen gleichen Wahlrechts einverstanden fei. Die alte Base müht fich mit ihrer Versicherung vergeblich ab; was die konservative Partei will, ift den Eingeweihteren längst bekannt, es ist aber recht erfreulich, daß ihre geheimen Blane jest auch öffentlich enthüllt worden find. Das hat der Boltes gegen seinen Willen einen großen Dienst gebg belldorff gethan und er hat damit be as bat
Aber wie einst der König Philipp von Makedonien fich nicht lange mit dem Belagern von Festungen aufhielt, Nun, wir gönnen es dem tüchtigen Manne, wenn Jein Name und seine Thaten von Generationen gefeiert weil er im Befige jenes mit Gold belabenen Gels berben! Man fspreche uns nur nicht vom ewigen" Nach war, der mit Leichtigkeit über die höchsten Festungs- leiftet. uhm! Was uns aber unsäglich anwidert, das ist der„ Nach hm", burch baares Geld erkauft. Wie in unserem 3eit
Feuilleton.
Die Hand der Nemesis.
Roman
Don
Ewald Auguft König.
( Fortsetzung.)
Ich wüßte nicht, was Du mir zu fagen hättest," wiberte die alte Frau, in deren starrem Blid noch immer Angst und Entfeßen sich spiegelten. Gefängnißbeamter ist, und daß ein gewiffer Herr mit einem Semiffen Untersuchungsgefangenen Briefe wechselt." Frau Siebel gab ihrer Tochter einen Wint, fie mußte wieberholen, dann erst entfernte Apollonia fich zögernd. Was haft Du mir zu sagen?" fragte fie.
Du scheinst ganz zu vergessen, daß mein Schwager
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"
Daß Dein Geheimniß morgen an den Tag[ kommen " Unmöglich!" erwiderte die bestürzte Frau mit bebenber Stimme. Wer will es enthüllen?"
" Der Gefangene."
Wie kannst Du das wiffen?"
Er hat es meinem Schwager heute Abend erklärt. bat auch von Dir und Nabe gesprochen; morgen foll Der Untersuchungsrichter Alles erfahren."
Borte zufrieden sein konnte.
Das Antlig der alten Frau war tobesbleich geworden, Hier blidte fie ihren Mann an, der mit der Wirkung seiner Unb was zwingt ihn, dieses Geständniß zu machen?"
fragte Fre.
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mauern sprang, so brauchte Vanderbilt nur in seine Raffette zu greifen und einige Millionen zu Bildungszwecken auf
,, Deshalb braucht er doch nicht Alles zu gestehen," agte Frau Siebel mit wachsender Erregung; er macht fich selbst unglücklich."
Er macht sich noch unglüdlicher, wenn er schweigt; in biesem Falle wird er wegen eines Mordes, den er nicht begangen hat, verurtheilt."
Den er nicht begangen hat? Wer soll ihn denn be gangen haben?"
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Rabe!" erwiderte der Zimmermann, vor deffen lauern bem Blick Frau Siebel verwirrt die Augen niederschlug. Es rächt sich Alles im Leben, wenn die Vergeltung auch erst nach Jahren tommt!"
Die alte Frau schüttelte den Kopf.
" Sprich diese Anklage nicht aus, daß ein Anderer fie hört," fagte fie, Du kannst fie nicht beweisen, fie ist aus
der Luft gegriffen. Unb barum handelt es sich bei diesem
Geheimniß auch gar nicht-"
Das weiß ich!"
" Unfinn, Du weißt nichts."
Hm, weshalb hat der Gefangene die Photographie der Generalin von Studmann verlangt?"
Die hat er verlangt?" fragte die Frau erstaunt. Jawohl und auch erhalten!" Das ist wieder Unsinn."
Ich habe selbst das Bild gesehen. Und was soll es nun geben, wenn der Untersuchungsrichter Dich morgen vors labet?"
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So weit find wir doch noch nicht."
Bah, die Herren befinnen sich nicht lange! Die Vorlabuna ist rasch geschrieben, und aus dem Verhör geht's birekt in Untersuchungshaft, da wird nicht lange gefacelt." Bergeblich hatte die alte Frau versucht, ihre furchtbare
lo wird er verurtheilt, und das Buchthaus hat auch für ihn die Angst war zu mächtig. Om, Günde find genug vorhanden. Gesteht er nicht, Aufregung zu bemeistern, fie fonnte sich nicht mehr bezwingen,
foll fich darüber erklären, weshalb Rabe ihm damals laufend Thaler geschenkt hat." „ Er hätte das nicht sagen sollen." Aber er hat's nun einmal gesagt, zurücknehmen fann
feine Aussage nicht mehr."
Rabe muß das Geständniß verhindern," sagte fie, Dein Schwager foll mit ihm reben. Man tönnte ja den Gefangenen entwischen lassen
"
Dazu ist es schon zu spät," fiel Siebel ihr in's Wort, und Rabe hat erklärt, er fümmere sich nicht darum, die Geschichte gehe ihn nichts an."
Zur Bekämpfung des Geheimmittelschwindels hat der Regierungspräsident zu Liegnig nachstehende Berfügung
"
Was ist das?"
" So sagte er. Die ganze Schuld ruhe auf Dir, Du mögeft zusehen, wie Du fie von Dir abwälzen könnteft. Du hättest das voraussehen müssen; mit großen Herren anbinden, ist immer gefährlich."
Die ehemalige Wärterin schüttelte den Kopf, ein trogiger 3ug umzudte ihre Lippen. ,, Er allein ist der Schuldige!" sagte fie. Er kann diese Erklärung nicht gegeben haben, er weiß, was er zu erwarten hat, wenn Alles an den Tag kommt."
Die Generalin-"
Die laß aus dem Spiele, fie hat von der ganzen Geschichte keine Ahnung, sie weiß nicht einmal, daß ich die Penfion erhalte."
So, fo, also Rabe, Du und der Gefangene!" spottete
"
Siebel. Ein heiteres Kleeblatt! Sieb acht, Rabe gept fret
aus, dem Gefangenen wird wegen feines freiwilligen Ge ständnisses die Strafe erlaffen und Du allein-"
Was soll das Alles? Weshalb willst Du mich ängstigen? Wenn ich reden wollte, so würde mir kein Haar gekrümmt."
,, So rede!"
" Damit ich meine Pension verliere?"
" Ich möchte lieber betteln gehen, als von einem Bera brecher Unterstügungen annehmen."
" Das sind Ansichten."
„ Die Anfichten eines ehrlichen Mannes," erwiderte Siebel. Ich hätte dem Menschen längst die Penfion vor die Füße geworfen; dadurch, daß Du sie lange Jahre hin burch angenommen haft, ist Deine Schuld noch schwerer ge worden." Schweigend blickte die alte Frau vor sich hin, fie tonnte diesen Behauptungen nicht wohl entgegentreten, es lag zu viel Wahrheit in ihnen.
,, Vertraue Dich mir an!" fuhr Siebel fort, hätteft Du es früher gesagt, so würde ich Dir den richtigen Weg gezeigt haben und es wäre Alles anders und beffer gewors den. Du schenktest Dein Vertrauen einem Andern, der Dich jetzt. im Stiche läßt, der Dich verleugnen