Landgerichtspräsidenten die Anordnung getroffen, daß in| Ladenkaffe, welche fte mit dem aus den Beinkleidern des
jenen Vorraum Niemand, weder Richter, noch Staatsanwälte, noch Rechtsanwälte, noch Referendarien, noch Vertreter der Preffe, ohne Genehmigung des Vorsitzenden eintreten dürfe. Für die Proffe find in allen Fällen au den vordersten Bänken des Buböierraums besonders bezeichnete Bläge reservirt. Im großen Schwurgerichtssaal find den Staatsanwälten, Richtern, Anwälten und Referendarien eigene Logen vorbehalten, so daß den hiesigen großen Verhältnissen entsprechend für die Herren wohl das Möglichste geschehen ist. Bisher ist aus den Reihen der Richter, Staatsanwälte und Referendarien über die neue Anordnung keine Beschwerde laut geworden, auch von den Anwälten halten viele fte für nothwendig. Nur ein Theil der selben findet darin eine Verlegung und Beeinträchtigung und broht mit einer öffentlichen Erflärung, wonach fte bis zur Burücknahme des Verbots vor dem Strafgericht nicht mehr vertheidigen wollen. Es handelt sich hier um ein durch feine gefeßliche Vorschrift eingeräumtes Verzugsrecht der Juristen von Fach vor dem übrigen Publikum, und für dieses Vorzugsrecht giebt es teine erheblichen sachlichen Gründe. Deffent lichkeit und Mündlichkeit soll für Jedermann vorhanden sein. Wir fönren deshalb, so fügt die Freis. Stg." hinzu, die Verfügung des Herrn Landgerichtspräsidenten nur billigen. Jeden falls entspricht fie dem vor allem hochzuhaltenden Grundsatze der Gle chheit vor dem Gesez.
Aus dem Berichte des Verwalters des Konkurses von Julius Lepke, der, wie erinnerlich ist, seinem Leben durch Selbstmord ein Ende machte, geht hervor, daß der Verstorbene durch das Spiel ruinirt worden ist, gleichzeitig aber auch, daß in gewissen Kreisen das Spiel ganz ungeahnte Ausdehnung ges wonnen. Das Geschäft Leple's ist außerordentlich lebensfähig gewesen. Er hat im Jahre 1882 allein 115 000 m. verdient. Dagegen hat er innerhalb dreier Jahre mehr als eine Million Mart im Spiele verloren. Die jetzt noch verbliebenen Spiel schulden belaufen fich nominell aur 700 000 m.
j. Die Wechselschwindlerin Frau Vogel, geb. Kähler, foll, wie gerüchtweise verlautet, fich in Warschau bei Verwandten authalten. Von anderer Seite wird dagegen versichert, daß fie fich nach Krakau geflüchtet hat. Jedenfalls ist fie der beutschen Justiz gerade in dem Augenblic entschlüpft, als die felbe ihre Hand auf sie zu legen beabsichtigte. Der angebliche Verlobte der Schwindlerin, der Ulanenrittmeister z. D. v. N., befindet sich noch auf freiem Fuße, weil er nicht unter dem Bivilgericht steht. Die gegen ihn als vermuthlichen Komplizen der Entflohenen gerichtete Untersuchung wird vom Militär gericht geführt. Der am meisten Geschädigte ist nächst dem Grafen von W. ein biefiger angesehener Militär- Effekten Fabrikant, welchen der Rittmeister von N. schon bei seinem Regiment als sehr bemittelt tennen gelernt und jest seine Braut" vorgestellt hatte. Da dieselbe sich als Bestzerin mehrerer Häuser, als Rentiere 2c. aufspielte, gelang es ihr bald, zu dem Fabrikanten Herrn A. in Geschäftsverbindungen zu treten, indem sie ihm zahlreiche Wechsel übergab, deren Be trag er ihr vertrauensvoll auszahlte. Er gab fie dann im guten Glauben an ihre Echtheit an seine Kunden 2c. weiter. Die meisten derselben haben sich nunmehr als gefälscht herausgestellt, so daß Herrn A. die Bekanntschaft mit Frau Vogel theuer zu stehen tommt.
j. Strögel verhaftet. Wie die ,, Limmat " in Zürich aus guter Quelle erfährt, ist dort der berüchtigte Berliner Kom missions- und Prämienloos Schwindler Louis Strögel, früher in der Schönhauser Allee wohnhaft und Mitinhaber der fingir ten Firma A. Strögel jun., von der Kantonalpolizei verhaftet worden. Er hatte dort ein Agentur und Kommissionsgeschäft eröffnet, um auf diese Weise in- und ausländische Geschäftsleute zu plündern. Zu diesem Zweck suchte er fich durch Be ftechung gute Referenzen zu verschaffen, die er stets an seine Opfer weiter gab. Strößel, der hier mehrfach wegen ähnlicher Verbrechen bestraft worden ist, wird auch vom hiesigen Landgericht I steckbrieflich verfolgt. Seine Auslieferung an die Deutsche Behörde dürfte also erfolgen, sobald er sein Konto mit den Gerichten in der Schweiz beglichen haben wird.
Der Bädergeselle Seidel, welcher unter dem Verdacht, das Attentat auf die Frau Quast in Potsdam ausgeführt zu haben, vor einiger Zeit verhaftet wurde, ist am Freitag als gänzlich unschuldig nach beinahe vierwöchiger Untersuchungshaft entlaffen worden. Seidel ist gänzlich mittellos und sucht Arbeit. Jm Gefängniß hat er nach den P. N." Erbsen verlesen und nach seiner Entlaffung 52 Pfennige herausgezahlt erhalten; das ist das Ganze, was er bestzt.
Mit einer beispiellosen Dreiftigkeit ist in der Nacht zum 18. d. M. bei einem Kaufmann in der Alten Jakobstraße ein Einbruchebiebstahl verübt worden. Die Diebe haben in die hofwärts belegene Kellerthür ein Loch gebohrt, durch das. felbe den von innen vorgeschobenen Riegel zurückgezogen und Sie stießen jedoch auf dann die Thür zu öffnen versucht. Widerstand, hoben deshalb die Thür aus und orangen durch den Lagerfeller in den Laden. Hier zündeten die Einbrecher Licht an, begaben sich in das Schlafzimmer des Kaufmanns, den fie muthmaßlich durch narkotische Mittel betäubt haben, und entwendeten eine auf dem Tische liegende Uhr sowie aus der
feiner Schärfe. Sie sind Sie selbst und kein Echo eines andern Klanges.
Wenn ich fortfahre, mich in Gedanken so lebhaft um Sie zu beschäftigen, bitte ich Sie allernächstens um ein Rendezvous. K. M.
Werther Herr!
10. Mai 188
Mag es eigensinnig aussehen, aber ich schicke Ihnen dennoch mein Bild nicht. Wozu denn? Unsere Rorre spondenz ist nun so hübsch im Geleise, die zwei Monate, feit wir uns schreiben, find mir so prächtig schnell vergangen ich möchte nicht gern diesen Zustand gegen einen neuen eintauschen.
Ich schrieb Ihnen neulich, daß ich meinen früheren Verlobten wiedergesehen habe; das ist mir gestern wieder begegnet; ich fuhr und er ging und sah mich nicht. Ich tam aber doch wieder ganz unbrauchbar nach Haus. Wirks lich, ich glaube, ich darf nicht heirathen. Wenn man dreißig Jahre alt geworden ist und noch immer den Mann liebt, ben man vor dreizehn Jahren liebte, dann ist Hopfen und Malz verloren. Meinen Sie nicht auch? Es müßte denn fein, daß Jemand anders mir in den Weg trete, der noch flärter wäre als Jener und sein Bild verdrängte. Aber baran zweifle ich.
Soll man eigentlich mit dreißig Jahren noch tanzen? Ich glaube nicht; aber in meiner gewohnten Rolle als Lamm lasse ich mich richtig wieder heute zum Ball führen. Es wäre ein nedischer Zufall, wenn wir schon irgendwo einmal zusammen getanzt hätten, ohne zu wiffen, wer wir find.
Verehrte Freundin!
M. K.
15. Mai 188
Ich bitte um Vergebung, wenn ich heute nicht viel schreiben kann. Geschäfte, Berufspflichten, es geht nicht. Ihre Handschrift war in Ihrem letzten Briefe flüchtiger K. M. als sonst, woher kam das?
Schlafenden hervorgeholten Schlüffel öffneten, an barem Gelde 165 M. Daß die Diebe fich bei Ausübung der That sehr ficher fühlten, beweist der Umstand, daß fie sich in dem Laden, der von dem Schlafraum nur durch ein Regal getrennt ist, restaurirten, wie die vorgefundenen leeren Bierflaschen beweisen. Die Thäter find bis jezi nicht ermittelt.
i. In der Marunge'schen Mordangelegenheit zu Charlottenburg bebarrt die Frau Marunge sowie ihre Söhne im Untersuchungs: Gefängniß zu Moabit bei ihrer Aussage, daß fie nicht wissen, wie der Körper ihres Gatten resp. Vaters in den Keller des Hauses in Charlottenburg gekommen. Der jüngste fleine Sohn jedoch hat bereits als sehr gravirend ausgefagt, daß die Mutter und Albert den Vater in den Keller geschleppt hätten." Bur Sicherheit der Untersuchung, um den Einwand, daß die gefundene Leiche mit der Marunge'schen nicht identisch sei, zu widerlegen, ist der Kopf des Marunge tonfervirt und aufbewahrt worden. Als sehr belastend für Die Frau Marunge bat fich noch herausgestellt, daß fie dem mitverhafteten Schiemann 900 Mart Schweigegelder versprochen hatte, und furs vor ihrer Verhaftung fich vergeblich bemühte, eine hypothet von 900 Mart auf ihr Grundstück auf. zunehmen.
Belle- Alliance Theater. Der Personenzettel der Ge fangs Boffe Lucinde vom Theater", die am nächsten Freitag zum ersten Male in Szene geht, weist außer den beiden Sou bretten des Wallner- Theaters, Frl. Bäders und Dedmann, auch die Damen Fröhlich, Möller, Wend, Schmidt, Timmling, Lettau und die Herren Niedt , Dorn, Tyikowski, E. Achterberg, Göschte, Schmidt, Wagner und Winter in hervorragenden
Rollen auf.
-
Polizei- Bericht. Am 21. d. Mts., Mittags, wurde ein Mann auf einem Grundstück in der Müllerstraße im Stall erhängt vorgefunden. Die Leiche wurde nach dem Obduktions hause geschafft. Einige Zeit später verunglüdte der Arbeiter Caspar auf dem Görlizer Bahnhofe dadurch, daß er beim Abspringen von einem Güterwagen fiel und die linke Knie scheibe brach, so daß er nach der Charitee gebracht werden mußte. In der Nacht zum 22. d. Mis. wurde ein Herr in der Weinmeisterstraße nach vorangegangenem Streit von einem Anderen mit einem Steintopfe derartig gegen den Kopf ge schlagen, daß er mittelst Droschke nach der Sanitätswache in der Invalidenstraße gebracht werden mußte.
Gerichts- Zeitung.
der
In ihrem Verlauf interessant ist eine Anklagesache wegen Uebertretung des Bahnpolizei- Reglements, wegen Er regung rubeftörenden Lärms und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, welche gestern gegen den Landwirth Otto Kehl aus Oranienburg vor der sechsten Straitammer hiesigen Land. gerichts I verhandelt wurde. Der Angeklagte war am 21. April cr. mit seiner Frau aus seinem Heimathsort nach Berlin ge fommen, um diverse Einkäufe zu machen, und beabsichtigte, mit dem um 8 Uhr Abends vom Stettiner Bahnhof abgehenden Buge nach Hause zurückzufahren. Während Frau Kehl bereits eingestiegen war, hatte fich der Angeklagte um einige Augenblicke verspätet, und der Bug sette fich bereits in Bewegung. Be areiflicherweise hatte Kehl das Bestreben, im Koupee noch Play zu nehmen, zu welchem Behufe er dem Zuge nachlief. Kurz vor dem noch geöffneten Koupee wurde er von dem diensthabenden Stationsbeamten Riebensohn aufgehalten, wo bei er zu Boden stürzte. Vor Schmerz über die erlittene Armverlegung wurde er etwas laut und begab sich in das Stationsbureau, um wegen des seiner Anficht nach zu frühen Ablaffen des Buges eine Beschwerde zu Protokoll zu geben. Weil er fich aber nicht beschwichtigen laffen wollte und fich in sehr lauter Weise erging, ließ der Stationsbeamte einen um den Ruheftörer nach Schußmann herbeiholen, Wache schaffen zu lassen. Der Angeklagte widersette fich aber seiner Fortführung, weil er vor Schmerz nicht gehen tönne und verlangte, in einer Droschle fortgeschafft zu werden. Schließlich warf er sich zu Boden und konnte nur, nachdem er gebunden worden, mit den größten Anstrengungen zweier Bolizeibeamten nach der Wache gebracht werden. Nachdem dort fein Nationale festgestellt worden war, begab er sich nach der Sanitätswache, wo der Polizeiarzt Dr. Füller seinen Zustand feststellte. Nach deffen Befundung war der Angeklagte blut. überströmt und die Marlen der Stride hatten Blutunterlau überströmt und die Marken der Stricke hatten Blutunterlau fungen erzeugt. Die Kleidung war zerrissen und außerdem flagte der Angeklagte über empfindliche Schmerzen im Arm. Im Termin vor dem Schöffengericht verficherte der Angeklagte, Im Termin vor dem Schöffengericht verficherte der Angeklagte, daß er in Folge von schlimmen Krampfadern, die in aufgeregtem Bustande bedeutend anschwellen, in der That nicht habe Der Gerichtshof verurtheilte den An gehen können. der wegen zu je beiden Uebertretungen geflagten 5 Dark und wegen des Widerstandes zu 150 Mart. Hiergegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt und sein Vertheidiger Rechtsanwalt Dr. Flatau führte im Termin aus, daß das Nachlaufen hinter dem Zuge in der Absicht, denselben zu besteigen, noch kein versuchtes Besteigen sei; dazu gehöre
25. Mai 188-.
- und überhaupt haben Sie meine Handschrift noch gar nicht gesehen, denn ich diktire meine Briefe meiner jüngeren Schwester, der die anonyme Korrespondenz sehr viel Amüsement bereitet. Nächstens lasse ich mich vielleicht wirklich zu einem Rendezvous herbei, Ihre Briefe werden fühler, ich liebe das Ganze, alfe will ich Sie entweber burch eine persönliche Bekanntschaft ganz erfälten oder meinen platonischen Freund gänzlich zurückgewinnen. M. K.
27. Mai 188-.
Wie danke ich Ihnen, verehrte Freundin, daß Sie mit immer gleicher Güte meine Fehler ertragen; schon brieflich zeigten sie sich; denken Sie, welche Unzahl Sie gar bei persönlichem Umgang entbeden würden, Sie haben recht, meine Briefe find flüchtiger geworden. Das datirt seit dem 10. Mai. An dem Tage nämlich, als Sie zum Ball gingen, war auch ich zu einem Frühlingsfeste mit Tanz geladen. Ich ging hin in der heimlichen Hoffnung, meine unbekannte Korrespondentin, die so tyrannisch in meinen Gedanken zu Korrespondentin, die so tyrannisch in meinen Gebanken zu herrschen begonnen hatte, dort zu finden. Ach, ich fand da gegen eine Ändere- meine erfte fleine Braut. Dreizehn lange Jahre hatte ich sie nicht gesehen und was war inzwischen aus ihr geworden! Ein Geschöpf voll Anmuth und Geist, eine herrliche Blüthe aus der nichtssagenden Knospe! Welche abgebrauchte Nebensart! Aber sie paßt
hierher.
Sie hat nicht geheirathet und aus ihrem Erröthen und Erblassen durfte ich Glücklicher wohl errathen, daß sie mich
noch nicht vergessen hatte.
Was werden Sie sagen, daß ich Ihnen alles das er= zähle! Aber wenigstens habe ich den Trost, daß Sie zuerst mir berichteten, daß auch Sie noch einen Andern lieben. Das hat mich Wochen lang bitter gekränkt; jetzt preise ich das Geschick. Ich kann Ihnen auch heute nicht mehr schreiben, verehrte Freundin, es ist, als fände ich keine Ruhe mehr, bis ich Gewißheit von ihr habe.
K. M.
mindestens das Betreten des Trittbrettes. Ebensowenig tönne in dem lauten Verhalten seines Klienten eine ungebührliche Störung der Ruhe gefunden werden; Abends um 8 Uhr werde überhaupt in einem start frequentirten Bureau Nieman dens Ruhe gestört. Folgt hieraus, daß überhaupt ein Grund zur Festnahme feines Mandanten nicht vorlag, so müssen auch die Widerstandshandlungen, wenn fie als solche aufgefaßt würden, erheblich milder geahndet werden. Der Gerichtshof adoptirte diese Ausführungen, sprach den Angeklagten wegen Der Uebertretungen frei und verurtheilte ihn wegen des Wider stands zu nur 75 Mart.
Der Chemnißer Sozialisten- Prozeß vor dem Reichsgericht.
erblicken.
-
Leipzig , 21. Dezember. Der politische Prozeß, der gegen den fozialdemokratischen Abgeordneten Bebel und 6 Genossen vor dem Chemnißer Landgerichte am 7. Dftober mit der Freis sprechung sämmtlicher Angeklagten geendigt hatte, tam heute vor dem III. Straffenate des Reichsgerichtes in der Revisionss instanz zur Verhandlung, jedoch nicht zur Erledigung, da die Verkündigung des Urtheils auf Mittwoch, den 23. d. Mts., Mittags 12 hr vertagt wurde. Aus den Gründen des freis sprechenden landgerichtlichen Erkenntnisses, welches noch in der Erinnerung der Leser sein wird, wollen wir hier nur anführen, daß als nicht erwiesen angesehen wurde, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei Partei eine gegen Die§§ 128 und 129 verstoßende Verbindung bestehe und daß die Angeklagten einer solchen Verbindung angehörten. Segen die Dieses Urtheil batte Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und Verkennung des Begriffes einer geheimen Verbindung gerügt. Es sei irrig, so wurde in der Begründungs schrift ausgeführt, wenn das Landgericht annehme, daß die Bugehörigkeit zu einer solchen Verbindung begründet werde durch eine ausdrückliche wörtliche Erklärung, daß der Betreffende seinen Willen dem der Gesammtheit unterordnen wolle. Es sei vollständig ausreichend, wenn die Mitglieder stillschweigend, durch konkludente Thatsachen ihren Willen befunden. Wenn die Anschauung des zangerichtes richtig wäre, so würden die §§ 128 und 129 geradezu illusorisch sein. Das Strafgeset wolle nicht die Form, sondern die Sache treffen. Schon in der Verbindung mehrerer zur fortgesetten Verbreitung der verbotenen Zeitung Sozialdemokrat" sei eine nach den angezogenen Gefeßesbestimmungen strafbare Verbindung ชน In der Annahme der Zeitung liege schon die Zusage, an der Verbindung theilnehmen zu wollen; dazu brauche fein Wort geredet werden. Von diesem Gesichtspunkte aus sei das Beweismaterial vom Landgericht nicht ge prüft worden, auch sei unentschieden gelaffen, ob in der Theil nahme an den Kongreffen in Wyden und Kopenhagen , die den Angeklagten nachgewiesen sei, nicht eine Theilnahme an einer Verbindung zu finden war. Der Reichsanwalt Herr Stenglein erklärte die Reviston für begründet. Er behauptete, das Landgericht sei sich über die Stellung der§§ 128 und 129 nicht im Klaren gewesen und habe den Inhalt derselben vers mischt, während beide Paragraphen fich selbstständig gegenüber ständen. Nur§ 128 spreche von Geheimhaltung, nicht auch § 129; wenn das Landgericht annehme, daß der Thatbestand des§ 129 nicht vorliege, weil die Geheimhaltung nicht nach gewiesen sei, so würde das ein Rechtsirrthum sein. Ferner sage das Urtheil, es sei nicht mit ausreichender Bestimmtheit aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu entnehmen, daß Dasein, Verfaffung und Zweck der Verbindung geheim gehalten werden follten, während es im Geseze heiße: Dasein, Verfassung, oder Zwed". Das Gericht nehme also an, daß sämmtliche Existenzbedingungen geheim gehalten werden mußten, während das Gesez ohne die Geheimhaltung eines derselben bestrafen wolle. Der Redner ging nunmehr zu dem Hauptgrunde über, daß der Begriff einer Verbindung verkannt sei. Das Land gericht beziehe fich auf ein Urtheil des Reichsgerichts vom 8. Januar 1885, worin es heiße: Es erfordert der Begriff der Verbindung, daß eine Mehrheit zusammentritt, daß der Wille des Einzelnen dem Gesammtwillen sich unterordne und daß der Theilnehmer eine seine Willensfreiheit einschränkende Er flärung, eire Busage, welche ihn verpflichten, abgeben müsse, während geben müsse, während das bei den Angehörigen einer Bartei nicht nöthig sei. Denselben Gedankengang verfolge das angefochtene Urtheil, aber die Folgerung, die es daraus zieht, sei eine gründlich irrige. Das Gericht habe angenommen, daß eine Willenserklärung nicht nur geschehen, sondern nach gewiesen sein müsse, so etwa, daß ein Revers beigebracht werden müsse. Er fönne fich feine Verbindung denken, die nicht zuließe, daß in jedem Augenblick jedes Mitglied einfach erklärt: ich thue nicht mehr mit" und austritt. Dann tönne aber von feiner Unterjochung der Willensfreiheit mehr ge sprochen werden. Das Gefeß habe auch hierauf nicht im ent ferntesten Gewicht gelegt. Man müsse also, um den Begriff der Verbindung zu finden, auf den Sprachgebrauch zurüc gehen. Man spreche z. B. von studentischen Verbindungen, Das sei etwas ganz harmloses und man bente feineswegs an etwas dem Staate Gefährliches. Hieraus folge, daß Verbindung viel allgemeiner sei als Verein und sowohl die loseste als die engste Vereinigung bedeuten tönne. Das Gericht habe
1. Juni 188Sollte es bennoch möglich sein, verscherztes Glüd M. K. zurückzuholen? Ich wünsche Ihnen das Beste! 15. Juni.
Liebste Emma! Raum weiß ich, wie ich die Feder halten soll. Wäreft Du doch da, mich zu sehen in meinem Jubel!
Ich will versuchen, ruhig zu erzählen.
Du kennst meine Rorrespondenz mit K. M. Ich hatte diesen Anonymus aus seinen Briefen ordentlich liebgewon nen; leider drang dies Gefühl nicht durch die äußersten Schichten meines Herzens durch; Du weißt, welcher Sous verän in ihm herrscht und seit 13 Jahren geherrscht hat.
Ihn, ben Souverän, den heimlich so treu Geliebten, traf ich nun neulich in einer Gesellschaft!
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Ach Gott , liebes Kind, wie soll ich nur beschreiben, was dann anfing? Er war frappirt, das sah ich; ich mag mich in diesen dreizehn Jahren auch genug verändert haben. Er nun, er war eben Er. Den ganzen Abend blieb er an nichts von unserem früheren Verhältniß wußten. Einige meiner Seite. Wir waren unter lauter fremben Leuten, die Tage darauf schrieb mir K. M. Hier hast Du seinen Brief. Mir ging eine Ahnung auf. Seitdem suchte Er, der Sous verän meines Herzens nämlich, jede Gelegenheit, mich wieder zusehen; es gelang ihm jebe Woche mehrmals. Geftern Abend waren wir im fleinen Kreis wieder zusammen; ich war aufgeräumt und glücklich; nach dem Abendbrod waren ihn zum Lachen zu bringen; er nahm mich bei ber Hanb wir zufällig einige Minuten allein. Mich trieb ein Robolb und immer noch lachend dankte er mir für meine Luftigkeit. " Ja," fagte ich, und dabei bin ich noch nicht einmal ein junger Hund." Er ftuzte, dann schrie er förmlich:.M. K. Ich nichte und wollte antworten, aber er hielt mich plöglich in feinen Armen und für die nächsten fünf Minuten konnte ich kein Wort herausbringen. Komm schnell, Du getreues Herz, und sieh' Dir unser Glück an. Bu beschreiben ist es night. Auf Zeitungs. Annonzen antworten wir in unserem Leben nicht mehr; das haben wir nicht mehr nöthig. Deine felige Melanie.