Mr. 301.
Donnerstag, den 24 Dezember 1885.
II. Jahrg
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen
Das Berliner Volksblatt
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Das Ministerium Clemenceau.
der Arbeiter.
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dem hausbadenen Präsidenten Grevy paste. Wenn Clemen ceau Ministerpräsident wird, so kommt eine demokratische Richtung an's Ruder, die sich bald genug gegen das Institut der Präsidentschaft selbst richten und damit den Ast abfägen wird, auf dem Herr Grevy sitzt. In der That ist die Präsidentschaft in Frankreich schon jetzt nur noch ein wesen loses Schattenbild. Daran fönnen die Hofnachrichten, die tagtäglich in den offiziöfen Pariser Blättern stehen, nichts ändern.
Die Frage, ob ein Ministerium Clemenceau möglich sei, wird vielfach erörtert und wir gehören zu denen, die sie mit Ja beantworten. Warum sollte ein Ministerium Clemenceau benn nicht möglich sein? Eine andere Frage wäre, ob ein Dauer sein könnte, und solches von das hängt unferes Erachtens allein von der Haltung des Herrn Clemenceau felbft ab, wenn ihm die Leitung der Regie rungsgeschäfte anvertraut werden sollte. Alle die Regierungen, die bisher in Frankreich aus den republikanischen Oppositionsparteien genommen worden sind, haben die VerOppositionsparteien genommen worden sind, haben die Vers sprechungen, die ihre Mitglieder als Oppositionsmänner machten, in feiner Weise erfüllt. Am evidentesten war dies beim Ministerium Gambetta der Fall. Wenn Herr Clemenceau darin einmal eine rühmliche Ausnahme machen wollte, so würde dies für Frankreich sicherlich kein Unglüd sein.
Uns scheint, die Aufgaben einer volksthümlichen Re gierung in Frankreich wären folgender Art:
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Das Erste wäre die Einstellung der kostspieligen und gefährlichen Abenteuer in Ostasien . An diesen hat Niemand ein Interesse, als die militärischen Abenteurer, die auf diesen Bügen Ruhm und Reichthum zu erlangen hoffen und die Börsenbarone, Börsenbarone, diesen zu Abenteuern bie Gelder vorschießen und sich vom französischen Volte dafür schwere 3infen zahlen Milaffen. Die Republit braucht nicht die Bloire" welche die Napoleone nöthig hatten und mit der sie eben doch nicht auf die Dauer bestehen konnten. Die Republik braucht Frieden die Dauer bestehen konnten. Die Republik braucht Frieben und Wohlstand im Innern und es wäre gut, wenn endlich eine Regierung fäme, die dies begreifen wollte.
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Das Andere wäre eine durchgreifende Reform der Steuergesetzgebung. Die armen und arbeitenden Klassen müssen mittelst einer indirekten progressiven Eins kommensteuer, die zugleich die Beiseitigung der indirekten Steuern bedingt, entlastet werden.
einer radikalen Unterrichtsreform; allein die Wirklichkeit bleibt hinter seinen Idealen in geradezu abschreckender Ferne zurück. Ein Staatsmann, der die Energie befäße, den Franzosen eine wirkliche Unterrichtsreform zu geben, würde auch endlich dahin gelangen, der wühlerischen Geistlichkeit den Boden abzugraben und die jetzt so Vielen unmöglich ers scheinende Trennung von Staat und Kirche vorzubereiten.
Die Hauptaufgabe einer voltsthümlichen Regierung in Frankreich aber wäre eine umfassende und energische Sozialreform, die ernst genug gemeint sein müßte, um nicht an den Rücksichten auf die Spezialinteressen der herrschenden Klassen zu scheitern. Alle bisherigen republikas nischen Regierungen haben die Interessen ber so sehr be drängten Arbeiterschaft nicht nur vernachlässigt, sondern auch in den meisten Fällen geradezu ignorirt. Man denke nur an die geradezu alberne Haltung des Kabinets Ferry den Arbeitern gegenüber.
Wir wissen ganz wohl, daß zu einer wirklichen Sozial reform Muth gehört, aber wenn Herr Clemenceau diesen Muth nicht hat, so foll er lieber die Regierung nicht übers nehmen. Der Normalarbeitstag, der in Frankreich nur auf dem Papier steht, müßte endlich zu einer Thatsache gemacht und die Arbeiterbevölkerung gegen übermäßige Ausbeutung geschützt werden. Was wir unter wirklicher Sozialreform verstehen, brauchen wir hier nicht erst zu wiederholen; wir haben das schon oft genug in diesen Blättern auseinanders gefeßt. Die französischen Arbeiter werden in diesem Punkte wohl kaum anders denken, denn die deutschen .
So hätte eine radikale Regierung wohl Gelegenheit, in Frankreich eine wohlthätige Umgestaltung der öffents lichen Verhältnisse anzubahnen und zwar auf friedlichem Wege. Ob Herr Clemenceau der Mann dazu ist, wissen wir nicht. Wenn eine Regierung in Frankreich volksthüm lich werden will, muß fie ganz andere Wege einschlagen, als die bisherigen. Sonst wird Herr Clemenceau bei den skeptischen Franzosen einfach den Weg der Gambetta , Ferry u. f. w. wandeln und bald verbraucht sein.
Politische Uebersicht.
Die französische Presse spricht so viel von einem nisterium Clemenceau, daß man annehmen muß, ein solches werbe über kurz oder lang eine Thatsache sein. Wenn Herr Grevy am Ruder bleibt, so wird es ihm sicherlich schwer fallen, den radikalen Politiker zum Leiter der Staatsge Schäf.e zu ernennen. 3war haite Herr Grevy in seinen jun gen Jahren selbst sehr radikale Anwandlungen, allein mit ber Beit hat er sich mehr konservativen Anschauungen zuge neigt und ist somit ganz die Persönlichkeit geworden, welche die französische Bourgeoisie auf dem Präsidentenstuhl der Sodann wäre erforderlich eine durchgreifeude Schulfünftigen Zivilgesetzbuch des Deutschen Reiches der Ehre theilRepublik braucht. Wir müssen gestehen, daß uns dieser und Unterrichts Reform. Man hat in diesem „ honette" Advokat aus dem Jura weber als Präsident der Rammer noch als Präsident ber Republik jemals imponirt Bunkte in Frankreich schon viele ſchöne Borte gehört, hinter denen die Thaten leider sehr zurückgeblieben sind. Herr hat. Gegenwärtig wird ihm die Neugestaltung der inneren Politik viel Ropfzerbrechen machen. Der haus- Paul Bert namentlich hat den Franzosen viel schöne Bil der an die Wand gemalt von den Wirkungen badene Brisson war ganz der Minister, der zu
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ainut sexbetes.]
Feuilleton.
Die Hand der Nemesis.
Roman
. ( Fortsetzung.)
Ein heiseres Lachen war die Antwort Rabe's, er
lange auf und nieder, über den Plan, den er bereits ent worfen hatte, nachdenkend.
Dann und wann blieb er am Tische stehen, um ein Glas Wein zu trinken, er that es mechanisch, mehr aus Gewohnheit als Bedürfniß.
Der Abend dämmerte schon, eben wollte Rabe nach dem Glockenzuge greifen, um Licht zu fordern, als als die Thüre geöffnet wurde und der 3immermann Siebel eintrat.
Beim Anblick dieses Mannes trat Rabe erschreckt zus ihm auf.
Entmündigung und Zwangshetlung werden vom Verein gegen Mißbrauch geistiger Getränke für Gewohn heitstrinter verlangt. Neben den Verschwendern und den Geisteskranken sollen die Gewohnheitstrinfer in dem
baftig werden, daß man sie einem geregelten Entmündigungsverfahren unterwerfen fann, sowohl was ihre Vermögensrechte,
wie was ihre unumschränkte persönliche Freiheit betrifft. Als
Gewohnheitstrinker soll gelten, wer dem regelmäßigen oder dem periodischen Trunk notorisch in dem Maße ergeben ist, daß er seine Selbstbeherrschung und die Fähigkeit, seine Ge
Ich? Soll mir nicht einfallen! Ich denke mir, der Gefangene hat sich selbst verrathen. Wie wäre das möglich!"
"
„ Der Untersuchungsrichter soll ein geriebener Beamter sein, und der Amerikaner hat ja selbst erklärt, es liege ihm nichts daran, ein offenes Geständniß abzulegen. Er hat auch an die Generalin schreiben wollen-
Wenn er Eurem Schwager einen Brief an die Genes ralin giebt, dann soll dieser Brief mir überliefert werden hört Thr?" sagte Rabe befehlenb. Der Mann bringt sich Bis er im Buchthaus sist, wie?"
"
bachte an seine Rache, mit bem Affeſſor zugleich sollte sie rück, aber im nächsten Moment loberte der 3orn wild in ſelbſt in's Unglück, er follte sich gedulden und abwarten."
auch Arabella treffen.
„ Die Herrlichkeit wird rasch ein Ende nehmen," fagte er.
Wenn Sie etwas Näheres erfahren wollen" " Ich danke, was fümmert mich die Angelegenheit!" " Der Herr Oberst soll heute Morgen eine sehr ernste Unterrebung mit der Frau Generalin gehabt haben, und zwar über Sie."
,, Was wollt Ihr hier?" fragte er batfch. Wer hat Euch erlaubt, mich hier aufzusuchen?"
" Sachte, sachte," erwiderte Siebel begütigend, wenn Sie nicht zu uns kommen
Dazu hatte ich in den letzten Tagen keine Veran laffung!" fiel Rabe mit wachsender Erregung thm in's Wort. Euer Schwager will ja auf meine Idee nicht Sie hat nur Ihren Namen gehört, das Uebrige eingehen, er ist ein Dummkopf, der nichts Besseres als Armuth und Elend verdient." fonnte sie nicht verstehen."
" Hat Franziska wieder spionirt?"
"
"
Sie soll sich schämen-"
" Verzeihen Sie, Herr Nabe, wenn Spioniren ein Talent ist, so haben Sie bei Franziska dieses Talent ge wedt und ausgebildet, wir mußten ja Alle spioniren, Sie wollten es."
,, Unverschämter!" brummte Rabe, als der Kammerbiener nach diesen Worten hinausgegangen war. Warte nur acht Tage, bann bin ich über alle Berge, und Du kannst einen Andern suchen, der so thöricht ist, Dir die Taschen zu füllen."
Er erhob sich und öffnete seinen Roffer, deffen Inhalt er haftig auspadte. Er hatte sich nicht getäuscht, auf bem Boden des Roffers fand er die Schlüffel zu dem eifernen Schranke, ein triumphirender 3ug glitt über sein fables Geficht, während er sie in die Tasche steckte.
Sobald fich jetzt die günstige Gelegenheit fand, konnte ber Plan ausgeführt werden.
Er kreuzte die Arme auf der Brust und wanderte
Na, er ist ein ehrlicher Mann," antwortete Siebel, während er sich auf einen Stuhl niederließ, so sehr übel fann ich's ihm nicht nehmen. Mit mir läßt sich eher ein Wort reben!"
"
" Ich wüßte nicht, was ich mit Euch zu reden hätte!" Dann will ich auch gleich wieder gehen, ich falle nicht gerne läftig. Uebrigens will ich Ihnen doch rathen, nehmen Sie sich in Acht, man ist der Korrespondenz schon auf die Spur gekommen." Bleibt!" rief Rabe rasch, als er sah, daß der 3immer mann sich erheben wollte. Was ist geschehen?" Man hat den Gefangenen visitirt!"
"
"
"
"
Und auch etwas gefunden?"
Nur die Photographie.
Dann hat Euer Schwager geplaubert."
" So dumm ist er nun doch nicht," erwiderte Sibel,„ er
wird sich nicht selbst an den Galgen bringen."
Dann habt Ihr es gethan!" fagte Rabe erregt.
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Ach was, er ist noch nicht verurtheilt-"
,, Er wird auch nicht freigesprochen werden, und sobald
"
er bas merkt, wird er dem Untersuchungsrichter Alles ents hüllen. Er hat bas meinem Schwager wiederholt gesagt und dabei Drohungen gegen Sie und meine Frau fallen laffen. Wissen Sie, was das Beste wäre?"
Rabe hielt in seiner Wanderung inne, mit fieberhafter Spannung ruhte sein Blick auf dem robusten Manne, deffen Büge er in der Dämmerung kaum noch unterscheiden fonnte.
Sprechen Sie!" fagte er befehlend.
Man müßte den Kerl um die Ecke schaffen," erwis berte Siebel mit gedämpfter Stimme.
Nabe trat näher.
W
Wie könnte das geschehen?" fragte er leise.
" Na, ich habe schon oft gehört, daß Jemand fich im
Gefängniß das Leben genommen hat"
Der Amerifrner wird es nicht thun."
" Das glaube ich auch nicht, aber er fönnte es ja thun, ohne es zu wiffen."
" Ihr müßt Euch deutlicher ausdrücken."
"
Sie wollen mich nicht verstehen," sagte der 3im mermann topfschüttelnd. Ich glaube, wenn man ihm eine Flasche Wein in's Gefängniß schmuggelte, würde er sie trinken."
" Das wäre möglich."
Und der Wein tönnte ihm den Tod bringen!"