Nr. 302.
Freitag, den 25 Dezember 1885.
II. Jahry
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
erfchetat täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Boßabonnement 4 M. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Nummer mit illuftr. Beilage 10 Pf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)
Insertionsgebühr
beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 f Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Whe Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annoncen Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Redaktion: Benthstraße 2. Expedition: Zimmerstraße 44.
Abonnements- Einladung.
Bum bevorstehenden Vierteljahrswechsel erlauben wir uns, alle Arbeiter Berlins zum Abonnement auf das
Berliner Volksblatt"
mit der Gratisbeilage
einzuladen.
„ Illustrirtes Sonntagsblatt"
Wer der Sache der Arbeiter dienen will, helfe ein Unternehmen befestigen, welches bestimmt ist, die berechtigten For derungen und Wünsche der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen.
Suche ein jeder von unseren bisherigen Anhängern, in dem Kreise seiner Freunde und Beltannten das Berliner Volksblatt zu verbreiten und sehe darauf, daß jeder neu ge fundene Gefinnungsgenosse sein Versprechen, zu abonniren, auch wirklich hält.
Unsererseits werden wir bemüht sein, den Inhalt unseres Blat es immer reichhaltiger zu gestalten.
Das
Berliner Volksblatt"
loftet für das ganze Vierteljahr frei ins Haus 4 Mark, für den Monat Januar 1 Mart 35 Bf., pro Woche 35 Vfg.
Bestellungen werden von sämmtlichen Beitungsspediteuren,
fowie von der Expedition unseres Blattes, Bimmerstr. 44, ent gegengenommen.
Für außerhalb nehmen alle Poftanstalten Abonnements für das nächste Vierteljahr zum Preise von 4 Mark entgegen. Die Redaktion und Expedition des„ Berliner Volksblatt".
"
Am 1. Januar 1886 beginnt das Berliner Voltsblatt" seinen dritten Jahrgang. Nicht gering waren die aus den öffentlichen Verhältnissen refultirenden Schwierigkeiten, welche sich unserem Bemühen, mit diesem Organ in erster Linie die Interessen der Arbeiter zu verfechten, entgegenstellten. Doch glauben wir dreift be haupten zu dürfen, daß es uns gelungen ist, allen berech tigten Anforderungen in dieser Richtung nach Möglichkeit zu genügen. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß uns das auch ferner gelingen wird. Jedenfalls werden wir nach wie vor in jedem Theile des Blattes mit aller Entschiedenheit eintreten für eine wirklich freisinnige und gründlichesozial- politische Reform. Stets werden wir handeln in dem Bewußtsein, daß es unsere heiligste Pflicht ist, ben Arbeitern über alle politischen, sozialen und wirthschaftlichen Verhältnisse und Vorkommnisse rüdhaltlos bie
62
Feuilleton.
Die Hand der Nemesis.
Roman
Don
Ewald Auguft König. ( Fortfehung.)
Würden Sie sich damit einverstanden erklären, daß das gesammte Vermögen von Ihrem Schwiegervater oder Ihrer Frau verwaltet wird und Sie selbst nur ein erbärmliches Taschengeld erhalten?"
,, Das wurde Ihnen geboten?"
" Herr von Lossow hatte die Güte!"
"
"
Und das gnädige Fräulein?"
Es genügte mir, daß der Baron mir sagte, seine Tochter sei mit seinen Bedingungen einverstanden; weiter verlangte ich nichts zu wissen."
" Sie haben also definitiv gebrochen?" " Jawohl," nidte Rabe,
und darauf wollen wir eine
Wahrheit zu sagen, damit die Erkenntniß des Rechten und Guten immer mehr Plaz greife. Mit allzeit offenem Visir wollen wir kämpfen gegen alle falschen Freunde des Volkes, gegen Lüge, Heuchelei, Servilität und Halbheit, gegen die unverhüllte wie gegen die versteckte in's Gewand bes ,, Liberalismus " gehüllte te aktion. Unsere Parole ist und wird bleiben: Alles für des Volkes Wohl fahrt, Freiheit und Würde!
Möget Ihr, Arbeiter Berlins , durch ein zahlreiches Abonnement auf dieses Blatt beweisen, daß Ihr die große Aufgabe, welche dasselbe in Eurem Interesse sich geftells hat, zu schätzen wisset! Bedenkt, welch gewaltige Anstrengungen von den geschworenen Gegnern Eurer Interessen fortgesetzt gemacht worden, um Euch zu verwirren, zu täuschen und zu entzweien. Keiner von Euch wird die Einheit der Interessen Eures Standes verleugnen wollen; um wie viel mehr müßtet Ihr den hohen Werth anerkennen, den die einheitliche, nach streng abgeschlossenen Prinzipien bemeffene Vertretung dieser Interessen durch eine täglich erscheinende Zeitung hat.
Weihnachten.
Millionen von flimmernden Kerzen auf grünen Tannenbäumen haben angezeigt, daß ein Tag der Freude erschienen ist für die arglofen Herzen der Rinder.
Wir streiten uns mit Niemandem über die Bedeutung des Tages. Jeber mag sie sich zurecht legen, wie er will; aber es ist wohl Niemand vorhanden, der den Kleinen ihre Freude mißgönnt. Und so können auch wir nur wünschen, daß diese Freude den Kleinen und auch den Großen unvers fümmert zu Theil werde soweit dies überhaupt denkbar ist in unserer Seit der schweren Noth.
-
Ja, die Zeit der schweren Noth! Wir wollen Niemanden's Weihnachtsfreude stören, aber wir können so manchen trüben Gedanken nicht los werden, der sich uns aufdrängt, trot all der Fröhlichkeit und trotz all dem lustigen Kerzengeflimmer des Weihnachtsabends.
Unsere Zeit drückt Allem, was vergeht, ihren grob materialistischen Stempel auf. So auch den Tagen, in materialistischen Stempel auf. welche das Weihnachtsfest fällt. Da wird die eigentliche
Schon allein der Hinblick auf die so überaus wichtige Festfreude zur Nebensache, denn Tausende und Abertausende von Geschäftsleuten, Handwerkern, Arbeitern sind gewohnt, parlamentarische Session in der wir uns be um Weihnachten ihre Haupteinnahme zu machen; ja Viele finden und die unausgesetzt die freimüthigste Kritik heraustönnten ohne eine gute Weihnachtseinnahme gar nicht bes fordert, dürfte genügen, unferem Blatte bie größte Auf merksamkeit zu widmen. Die nächsten Monate werden auf dem Gebiete der wirthschaftlich sozialen und der politischen Gesezgebung sehr viel Neues, Interessantes und Ueberaschendes bringen. Wir werden es nicht bei einer objektiven Berichterstattung darüber bewenden laffen, sondern vom Rechte der Kritit einen möglichst umfassenden und freimüthigen Gebrauch machen.
Den lokalen Angelegenheiten, insbesondere der Arbeiterbewegung, dem Vereins, und Versammlungswesen, sowie auch der feuille. tonistischen Unterhaltung und Belehrung werden wir unausgesetzt mit Eifer und Gewissenhaftigkeit Rechnung tragen und uns dabei leiten lassen von dem Grundsaße: Wer Vieles bringt, wird Jedem
"
Etwas bringen".
So hoffen wir, uns Eures Vertrauens, Arbeiter Berlins , immer mehr würdig zu zeigen, und unterstützt von Euch, im engsten Bunde mit Euch, redlich beitragen zu fönnen zum Siege der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Vernunft!
Die Redaktion bes, Berliner Boltsblatt".
Sie denken wirklich daran, die Heimath zu verlaffen?" Weshalb nicht? Hier fesselt mich wahrhaftig nichts!" Der Blick Barnekow's ruhte lauernd auf dem fahlen Gesicht Rabe's.
" Für den Assessor v. Stuckmann würde es ein Triumph sein, wenn Sie heute oder morgen auf Nimmerwiederkehr Der junge Mann würde behaupten, abreiften," sagte er. die Furcht vor ihm habe Sie fortgetrieben, und diese Be hauptung wäre in Wahrheit scheinbar begründet."
"
Dem Assessor v. Studmann werde ich zuvor den Be weis liefern, daß ich ihn nicht fürchte!" erwiderte Nabe auf brausend. Wissen Sie, wie der Oberst v. Studmann sich über Sie ausgedrückt hat?"
"
" Der Oberst?" fragte Barnekow, die Augenbrauen emporziehend. Wo sind Sie denn mit ihm zusammenge troffen?"
"
Er hat mich bei dem Baron v. Lossow aufgesucht, fein Sohn hatte ihm bereits die Herausforderung berichtet, offenbar nur zu dem Zweck, den Schutz des alten Poltrons anzurufen. Feiglinge find Beide, ich habe es dem Oberst in's Geficht gefagt, er hatte auf diese Beleidigung nur die wohlfeile Erwiderung, er könne von mir feine Ge
Flasche Champagner trinken." Herr von Barnekom klemmie fein goldenes Lorgnon auf die Nase und blickte seinen Freund mit sichtbarer Be- nugthuung fordern." wunderung an.
Sie haben Muth, Nabe," fagte er, ich wäre vollständig vernichtet, wenn ich eine so glänzende Hoffnung zu Grabe getragen hätte."
Bah, ich traure nicht allein an diesem Grabe," scherzte Rabe, während er die Glode zog.„ Es war ja auch die legte Hoffnung des gnädigen Fräulein, und Herr v. Lossow wird sich wohl mit dem bitteren Gedanken vertraut machen müssen. daß er der Letzte seines Stammes ift."
Höhnisches Lachen, in welches auch Barnekow einftimmte, begleitete feine Worte. fragte Herr von Barnekow nach
"
Und Sie?"
einer Weile, während Nabe die Champagnerflasche ents
fortte.
" Ich werde meinen Weg finden, wenn nicht hier, bann in einem andern Lande."
Glauben Sie wirklich, daß er feige ist?" fragte Bar
nekow, bedenklich das Haupt schüttelnd." Ich würde großes
Bedenken tragen, das so offen zu äußern."
Er wird auch von Ihnen keine Genugthuung for ,, Was kann er gegen mich haben?"
dern!"
Er sagte, Sie feien nicht besser als ich," spottete Rabe; barin liegt freilich kein Tabel für Sie, aber
"
Erlauben Sie, welcher Sinn lag diefen Worten zu Grunde, und was bewog ihn, sie zu äußern?" unterbrach Herr von Barnekow ihn entrüftet. Ich bin dem Oberst in feiner Weise in den Weg getreten, was habe ich mit ihm feiner Weise in den Weg getreten, was habe ich mit ihm zu schaffen?"
Zoffow sprach auch über Sie, er stellte mir unter Anberem auch die Bedingung, daß ich den Umgang mit Ihnen abbrechen müsse. Sie sehen, man beschäftigt sich mehr mit
stehen. Da beginnt benn ein fieberhaftes Treiben, ein Laufen und Rennen, ein Anpreisen und Ueberbieten, wie auf dem Jahrmarkte. Und was ist dann Weihnachten für ben, der ein schlechtes Geschäft gemacht hat!
Wir tabeln Niemanden, der an dem Treiben Theil nimmt; der Einzelne fann sich der allgemeinen Be wegung nicht entziehen und soll es auch nicht. Aber wir mollen nur darauf hinweisen, mie die Gestaltung unferes fozialen und wirthschaftlichen Lebens auch dem fröh lichsten Feste einen guten Theil seiner Harmlosigkeit nimmt und den Kampf ums Dasein selbst bis an den Weihnachts baum trägt.
Aber glücklich sind noch Diejenigen, denen die Mög lichkeit gegeben ist, sich einen fröhlichen Weihnachtsabend zu machen, sich und den Ihrigen das Herz zu erfreuen. Es giebt gar Biele, für die der Weihnachtsbaum überhaupt nicht leuchtet.
Ach, das ist eine alte Geschichte, wird da so Mancher fagen.
Ja, das ist sie, aber wenn sie so alt ist, warum hat man sich noch nicht mehr mit ihr beschäftigt. Solch' eine ,, alte Geschichte " ist für den, der sie mit Verständniß be obachtet, manchmal bedeutend lehrreicher, als bicke Folianten, an denen sehr weise thuende Professoren Jahre hindurch im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet haben.
Gerade zur Weihnachtszeit sticht das traurige Loos der
Ihnen, wie Sie glauben, und eine gute Meinung hegt Niemand von Ihnen."
Herr von Barnekow lehnte sich in seinen Sessel zurück und hüllte sich immer dichter in Rauchwolfen, es war ihm doch nicht angenehm, daß man so verächtlich über ihn sprach. ,, Der Oberst erklärte mir höhnisch, ich könne Ihnen unverhohlen sagen, wie er sich über Sie ausgedrückt habe," fuhr Rabe fort, aber was er alles gesagt hat, das habe ich inzwischen vergessen. Wollen Sie ihn fordern, so-"
Ich denke nicht daran!" fiel Barnekow ihm in's Wort. Affeffor erhalten haben, will ich mir nicht holen! Aber ich Eine beleidigende Antwort, wie Sie dieselbe von dem werde mich daran erinnern, er soll an mich denken."
Und was wollen Sie thun?"
" Ich weiß das noch nicht, so rasch kann ich keinen Plan entwerfen, ich will die Gelegenheit abwarten."
Ein höhnisches Lächeln umzuckte die Lippen Rabe's, er füllte die leeren Gläser wieder und heftete den glühenden Blick durchdringend auf das bleiche Gesicht Barnefow's, in deffen Bügen Hak und Rachsucht sich spiegelten.
,, Der Verdacht, ben Sie auf mich geworfen haben, bes ruht auf einem Irrthum," fuhr Herr von Barnekow nach einer kurzen Pause fort, ich habe nie mit einem Andern
über Sie gesprochen, ich spreche überhaupt über mein
Freunde nicht. Wohl aber glaube ich, daß wir die Läster zunge in unserem Kreise suchen müssen, ich errathe bereits, wer uns Beiben diesen Gefallen erzeigt hat; sobald ich Ge wißheit habe, werde ich ihm einige Worte sagen, die ihm nicht angenehm sind. Und die Herren von Stud mann sollen sich in Acht nehmen; fann ich auch als Freund ihnen nicht nüßen, so kann ich doch als Feind ihnen schaden."
„ Ich überlasse das Ihnen", erwiderte Rabe achselzuckend, ich gebenke meiner Schwester einige Mittheilungen zu machen, die den alten Hader zwischen ihr und dem Oberst wieder wecken sollen. Der Assessor hat sich heut mit dem
gnädigen- Fräulein verlobt, aber ich werde diese Verlobung lösen."