befinden

Während der Feiertage find, wie gewöhnlich, mehrfache Soziales und Arbeiterbewegung. I ben fich fogar folche, bie 20-25 Jahre lang in befelben

Einbrüche in den ohne Aufficht gelassenen Wohnungen ausge­führt worden. Am ersten Weihnachtsfeiertage wurde in der Wohnung eines Technikers in der Barnimstraße ein Einbruch Dadurch verübt, daß das Schloß der Korridorthüre mittels Nachschlüffels geöffnet, das zweite Schnepperschloß dagegen mittels Stemmeisens erbrochen worden ist. Der Dieb ist so= dann in das eine Vorderzimmer gegangen, in welchem Werth­fachen aufbewahrt waren, hat aber die anderen Bimmer un­Durchsucht gelaffen. Aus einem Schreibsekretär resp. aus einer Kommode, welche gleichfalls mittels Stemmeisen erbrochen worden find, wurden außer verschiedenen Goldsachen vier Ein­hundert und zwei Fünfzig Markscheine, zwei Privatschuldscheine über 1200 beam. 2700., zwei Lebensversicherungs- Policen über je 300 M. und Feuerversicherungs Papiere der Gesellschaft Teutonia über 4500 M. gestohlen. Die Ermittelungen nach dem unbekannten Thäter find seitens der Kriminalpolizei ein­geleitet.

Das fönigliche Amtsgericht zu Sandau   bat Sted. briefe hinter zwei Schmiedegesellen erlassen, weiche verbächtig find, den Tischlergesellen Schmidt aus Borna   in der Haide bei Schönfeld im II. Jerichomer Kreise am 8. d. Mts. beraubt und durch Erhängen ermordet zu haben. Nachdem der Er mordete, welcher ein Goldstück, mehrere Thalerſtüde und eine Uhr bei fich geführt, am genannten Tage in einem Gasthause in Schönfeld mit den Schmiedegefellen eingelehrt war und für fte die Beche bezahlt hatte, machten fich alle drei auf den Weg nach Wultau, um dort zu übernachten. Dort tamen nur die Schmiedegesellen an, welche über Havelberg   in der Richtung nach Wilsnad respektive Wittenberge   weiter reiften, während 2c. Schmidt am folgenden Tage erhängt gefunden wurde. Von ben Schmiedegesellen ist jeder ca. 35 Jahre alt, der Eine etwa 5 Fuß 6 Boll groß, von starker Statur, breitschultrig, hat dunkelblonde Haare, blonden Schnurrbart und eingefallene Baden, der Andere etwa 5 Fuß 2 Boll groß, mittlerer Statur, hat langes, schwarzes Haar, schwarzen Schnurrbart und aufge bunsenes Geficht. Der Größere trug seine Sachen in einem fog. Berliner  ( schwa: ze Wachstuchdecke), der Kleinere in einem rothen Tuch.

Einem Kaufmann in der Kurfürstenstraße wurden am zweiten Weihnachtsfeiertage Silbersachen im Gesammt. werthe von etwa 1000 M. mittelst Einbruchs aus seiner Woh nung gestohlen. Der größte Theil der gestohlenen Sachen war mit S. T. gezeichnet. Die Diebe waren so frech, daß ste auf einem in der Wohnung befindlichen Leierkaften gespielt haben.

Der zu Anfang d. Mts. unter dem Namen Ludwig Vollmers in Glückstadt   aufgetauchte vermeintliche Schwindler, welcher Bestellungen auf Freiburger, Bukarester und Braunschweiger Lotterieloose entgegennahm, ist nach einer Mittheilung der" faiserlichen Ober- Post- Direttion in Riel in Hamburg   festgenommen und zur haft gebracht worden.

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Mit einem unheimlichen Weihnachtsgeschenk wurde eine Hebeamme in der Gneisenaustraße bedacht. Am 24. d. Mts. Mittags erhielt sie durch die Post eine Riste mit dem Aufgabeort Berlin   Bostamt 1 C. Auf dem Koupon der Be. gleitadresse war als Absenderin Louise Schulz, Blumenstraße 5, angegeben. Beim Deffnen der Rifte fand sie einen Bettel fol genden Inhalts: Wenn Sie die fleine Leiche begraben lassen tönnen und mir durch das Berliner Tageblatt unter L. S. fagen, wo, erhalten Sie am 2. Januar t. J. 300 M. durch bie Post. Unter einer Schicht heu fand die Hebeamme eine in ein ungezeichnetes Stück Parchent eingewickelte neugeborene Rinderleiche männlichen Geschlechts. Dem äußeren Anschein nach war das Kind Tags zuvor geboren und hat bei der Ge­burt gelebt. Aeußere Verlegungen waren an der Leiche nicht wahrzunehmen und scheint nicht ein Verbrechen, sondern ein Alt der Bosheit vorzuliegen.

Das Deutsche Theater nimmt für den Schluß des Jahres eine Sitte in Anspruch, welche an den meisten großen Bühnen bereits durch Tradition befestigt ist. Dem Beispiel des Wiener   Burgtheaters, sowie des hiesigen töniglichen Schau­spielhauses folgend, bringt es am Sylvesterabend eine beson­Dere, der scherzhaften Stimmung des Jahreswechsels und der tommenden Faschingszeit entsprechende Novität, den vierattigen Schwant ,, Der Büreaukrat" von Gustav v. Moser.

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Polizei- Bericht. Am 25. d. M. Vormittags wurde eine 95 Fahre alte Frau an der Ecke der Weber- und Gr. Frant furterstraße von einem Wagen überfahren und erlitt eine Quetschung des Oberschenkels, so daß fie mittelst Droschte nach dem Krankenhause im Friedrichshain   gebracht werden mußte. -An demselben Tage Mittags erhielt eine Hebeamme in der Gneisenaustraße von einer unbekannten Person durch die Post ein Riftchen, in welchem fich die Leiche eine neugeborenen Kindes befand. An demselben Tage Nachmittags wollte ein Schuzmann ein dem Handelsmann Schneider gehöriges Fuhr. wert, als baffelbe, von einem berittenen Bolizei- Wachtmeister verfolgt, im schärfsten Trabe Unter den Linden   entlang fuhr, an der Ede der Wilhelmsstraße anhalten, wurde jedoch dabei überrannt und überfahren und erlitt an beiden Beinen und am linken Arm Verlegungen.- Bu derselben Zeit fiel der Kürschner Berger auf dem Gendarmenmarkt zur Erde und brach ein Bein. Er wurde mittelst Droschte nach der Charitee gebracht. Am 24. dieses Monats Vor dem Leipzigerstraße 84 84 befind mittags brach lichen Lager des Zentral- Magazins der vereinigten Tischler meifter Feuer aus, durch welches ein nicht unerheblicher Schaden angerichtet wurde. Am 25. d. M. Vormittags gerieth der Schloffer Edmann auf dem Lehrter Bahnhofe zwischen die Buffer zweier Güterwagen und erlitt hierbei eine erhebliche Quetschung der Brust, so daß er nach der Charité gebracht werden mußte. Am Abend deffelben Tages wurde eine Frau beim Ueberschreiten des Straßendammes vor dem Hause Fried richsstraße 133 von einer Droschte überfahren und hierbei am Bein und am Kopfe gequetscht, so daß sie nach der föniglichen Klinit gebracht werden mußte.- Um dieselbe Beit fiel ein Mann in der Trunkenheit in der Stralauerstraße zur Erde und erlitt einen Bruch des linken Unterschenkels. Eine gleiche Ver legung batte fich ebenfalls der Zimmermann Brees durch einen Fall vor dem Hause Martgrafenftr. 90 zugezogen. Beide fanden in der Charité Aufnahme.- Am 26. d. M. fand Schwerin  . Straße 21 ein bedeutendes Feuer statt, durch welches der Dach fluhl des Hauses zerstört wurde. Die Feuerwehr war 24 Stunden auf auf der Brandstätte thätig. Weitere 27. b. unbedeutende Brände wurden Alvensleben Monats gemeldet: gemeldet: Potsdamerstraße 76, ftraße 10, Manteuffelstraße 15., Sorauerstraße 22 und Bapen­Straße 3.- Am 26. d. M. Nachmittags wurde der Arbeiter Hennig in der Tresdomstraße von einem Schlächter- Fuhrwert überfahren und erlitt dabei außer Verlegungen am Kopfe mehrere Rippenbrüche, so daß er nach dem Städtischen Kranten­hause im Friedrichshain   gebracht werden mußte. Am 27. d. M. früh wurde eine Frau in ihrer Wohnung erhängt vorge­funden und an demselben Tage Vormittags wurde im Louisen städtischen Kanal unweit der Zwillingsbrücke die Leiche eines unbekannten, etwa 60-70 Jahre alten, anscheinend dem Ar­beiterstande angehörenden Mannes aufgefunden. Beide Leichen wurden nach dem Dbduktionshause geschafft. An demselben Tage Nachmittags gerieth in dem Hutgeschäft von Bapist, Große Frankfurterstraße 134, beim Gasanzünden eine Portiere in Brand. Das Feuer ergriff auch die Waaren im Schau­fenfter, Lonnte jedoch noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr gelöscht werden. Einige Stunden später brannte in einer Küche des Hauses Liebenwalderstraße 52 die Balfenlage unter einer Kochmaschine.

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Die Sozialreform im Deutschen   Reiche ist nun voll­ftändig in's Stoden gerathen. Von der Altersversorgung für Arbeiter, die als Krone dem staatssozialistischen" Gebäude aufgesezt werden sollte, hört man nichts mehr. Ob die Re gierung den ganzen Plan aufgegeben hat, weiß man nicht; das eire aber iftificher, daß an die gegenwärtigeSession des Reichs­tags feine dahin zielende Vorlage gelangen wird. Damit wäre die medizinische Sozialreform vorläufig verfahren- einem Hause gleicht dieselbe ohne Dach, in welchem Kälte, Wind und Wetter sich ihr Stelldichein geben.-Aber der hygienischen" Sozialreform, nicht der nachträglichen Heilung, sondern der Vorbeugung von Krankheiten will fich die Regierung nunmehr verständiger Weise annehmen? Gefeßliche Sonntagsruhe, Ver bot der Kinderarbeit, Beschränkung der Frauenarbeit, Marimo arbeitstag u. s. w.- fie sollen das arbeitende Volt beglüden? Mit nichten! Nach einer offiziösen Nachricht gilt es jezt als völlig ficher, daß die Regierung auf eine reichsgesetzliche Re­gelung der Sonntagsfrage nicht eingeht." Wenn das schon feststeht, dann wird die Regierung noch viel weniger auf eine weitere reichsgefeßliche Regelung der Kinder und Frauen arbeit und der Arbeitszeit eingehen.- Die Arbeiter mögen aber nicht verzagen und treu und fest bei ihren gerechten und bescheidenen Forderungen in Bezug auf den Arbeiterschuß, auf eine volksthümliche Sozialveform beharren. ,, Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden" und" Viele Tropfen höhlen den Stein aus das sind zwei wahre Sprichworte.

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Die aggressive Handelspolitik Deutschlands   beginnt mehr und mehr in den Nachbarländern die unvermeidliche Gegenwirkung bervorzurufen. Wenn irgend ein Land, so hat bisher die Schweiz   ebenso der Ueberzeugung der großen Mehrheit der Bevölkerung entsprechend wie in Ueber­einftimmung mit der thatsächlichen Gestaltung des Bolltarifs das Bestreben bekundet, mit allen benachbarten Staaten ein friedliches handelspolitisches Verhältniß zu unterhalten. Weder der Rückfall Deutschlands   in das Schutzollsystem im Jahre 1879, noch die Tarifrevifionen Frankreichs   und Desterreichs im Jahre 1882 haben diese handelspolitische Stellung der Schweiz  erschüttern können. Auch der neue, im Beginn d. J. in Kraft getretene schweizerische Bolltarif soll nicht sowohl eine tünstliche Begünstigung einzelner Gewerbzweige schaffen, als die Vermehrung der Bundeseinnahmen herbeiführen; der Boll tarif der Schweiz   trägt auch nach dieser letzten Revision noch vorwiegend einen finanspolitischen Charakter. Erst die in diesem Jahre im Deutschen Reiche beschlossenen Bollerhöhungen, welche fich zum Theil speziell gegen schweizerische Industrie- Erzeugnisse ( Taschenuhren, Seidenzwirne, Stickereien, Seidenstoffe, Müller gaze 2c.) richten, haben in der Schweiz   einen solchen Mißmuth erzeugt, der zur Aufnahme des zollpolitischen Krieges geneigt fcheint. Einfügung eines Kampfartikels in den Bolltarif, Er höhung des Mehlzolles, Verdoppelung der Viehzölle, Kündi­gung der Handelsverträge mit Deutschland   und mit Defter reich das find die wichtigsten Vorschläge, mit denen fich Diesmal die Bundesversammlung zu beschäftigen haben wird. -Ueberhaupt hat sich in den lezten Jahren in den politischen Kreisen in der Schweiz   eine große Verbitterung gegen Deutsch  land festgelegt, die mehr oder weniger durch das gegenwärtige Boll- und Wirthschafts Eystem des Deutschen Reichs entstanden ift. Gewinnt diese Stimmung die Oberhand und werden dem nächst strenge Vergeltungsmaßregeln gegen das Deutsche Reich ergriffen, so werden die bedrohten deutschen Industriezweige, welche an der Schweiz   bisher einen guten und zuverlässigen Abnehmer gehabt haben, nur die allen anderen Staaten feind felige Bollpolitik Deutschlands   selbst dafür verantwortlich machen

tönnen.

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Werken und Hüttenbetrieben thätig waren. Was diese Aermsten machen sollen, das ist nicht zu sagen. Den Wanderftab tönnen fie nicht ergreifen es winfen Armenhaus und vielleicht dann gar Gefängniß und Zuchthaus. D, des Jammers! Wie aus Liverpool mitgetheilt wird, ist endlich der Safenarbeiterstreit beendet, da die Hafenbehörde in die Lohnerhöhung von 6 Pence täglich gewilligt hat. Auch sollen später noch einige Bugeständnisse an die Arbeiter hin fichtlich Verkürzung der Arbeitszeit erfolgen.

Vereine und Versammlungen.

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th. Eine große Voltsversammlung tagte am 27. d. M. unter Vorfiz des Herrn Krause im Konzerthause Sanssouci  . Die Tagesordnung lautete: Die Kommunalwahlen und das Dreillaffenwahlsystem mit öffentlicher Stimmabgabe." Der Referent Herr Dr. Lütgenau fnüpfte mit seinem Vortrage an die stattgehabten Kommunal Stichwahlen an. Das Versprechen, das die Liberalen öffentlich gegeben, an dem übrigens herzlich wenig gelegen sei, hätten fte dergestalt erfüllt, daß für den Schlossermeister Frante 67, die Uebrigen für Krampf gestimmt hätten. Ebensowenig hätten die Konservativen für Böhl ge= ftimmt. Die zwei Mandate seien weniger wichtig, als der große Stimmenzuwachs, den die Arbeiterpartei zu verzeichnen habe und mit Stola tönne fonstatirt werden, daß das Panier der Arbeiterpartei rein erhalten worden sei. Die geringere Bes theiligung an den Wahlen zum Landtage und zur Kommune, als zum Reichstage beruhe nicht auf Wahlmädigkeit, sondern auf der Abneigung des Volles gegen die Zensuswahl. Das Reichstagswahlsystem habe 1849 auch furze Zeit für Landtag und Kommune bestanden, sei aber sehr bald auf gehoben und burch die Bensuswahl ersetzt worden. Die Arbeiter namentlich seien fozial abbängig, Kün digungen in Folge von von öffentlicher Stimmabgabe nichts seltenes; ein ellatanter Fall sei die Entlassung Böhl's. Man brauche auf keinem Parteistandpuntte zu stehen, sondern nur Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zu lieben, um ein Gegner der öffentlichen Stimmabgabe und ein Freund des allgemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu sein auch für Landtag und Kommune. Er brachte eine diesbezügliche Beti­tion an das Abgeordnetenhaus zur Verlesung, dieselbe zur An­nahme empfehlend. Das allgemeine gleiche, direkte und ge. heime Wahlrecht set nur schwer zu erringen. Die konservative Partei sei teine Freundin desselben, die liberale Partei begnüge fich mit einer theoretischen Befürwortung desselben, trete aber nicht praktisch dafür ein. Nur durch eigenen festen Busammen schluß und durch die eigene Kraft tönne etwas erreicht werden. Das einzige Bollwert für die Freiheit des Voltes sei die Ar beiterpartei. beiterpartei. Von stürmischem Beifall begrüßt nahm darauf Reichstagsabgeordneter Singer das Wort. Das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht wurzele so tief in den Herzen des Volles, daß selbst die konservative Partei nicht ge magt habe, direkt gegen daffelbe zu operiren, sondern auf Schleichwegen ihr Biel zu erreichen suche. Der Antrag auf Verlängerung der Legislaturperioden sei nur ein verdeckter Angriff auf das allgemeine gleiche, geheime und direkte Wahl recht. Dieser Angriff sei aber so ernster Natur, daß energisch Protest dagegen erhoben werden müffe und die sozialdemokras tische Partei werde bis zum legten Athemzuge für das gleiche und geheime Wahlrecht tämpfen. Dieselbe wisse sehr wohl, daß nur innerhalb der gefeßlichen Schranken eine Befferung der Verhältnisse herbeigeführt werden könne. Durch Aus­nahmegeseße und Verkürzung des Wahlrechts werde aber das letzte Ventil verstopft und dies sei schädlicher als eine freiheit liche Entwickelung. Den Konservativen scheine es unbequem zu sein, daß alle 3 Jahre ein Tag erscheine, wo alle die Millionen, die sich sonst in Abhängigkeit befinden, gleichberechtigt sind, deshalb suchten fie diesen Tag möglichst hinauszuschieben. Die Kontrole der Wähler über die Gewähl fen müsse aber nach Möglichkeit ausgedehnt werden, deshalb habe die sozialdemokratische Fraktion im Reichstage eine ein­jährige Legislaturperiode beantragt. Am besten würden aller dings die Verhältnisse reformirt durch Einführung der Volks abstimmung, wie in der Schweiz  . Die Unauflösbarkeit des Reichstages sei auch nicht genügend gewürdigt worden in den Debatten im Reichstage; nur der Abg. Windthorft habe die Bedeutung richtig erfaßt, indem er meinte, daß dadurch eine Stärkung der Volksmacht herbeigeführt werde. Abgeordnete v. Helldorff hätte nicht nöthig gehabt, zu ver sichern, daß er fein Freund des allgemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts sei; das Bentrum sei dies ebenso wenig; sehr zweifelhaft sei, ob die freifinnige Partei energisch für das bedrohte Wahlrecht eintreten werde; nur die sozial demokratische Partei habe den Antrag Helldorff als das genom­men, was er ist, als einen Angriff auf das allgemeine, ge heime Wahlrecht und werde dieses bis aufs Aeußerste verthei­bigen. Wenn auch einer Petition fein so hoher Werth beizumeffen set, wenn es auch wichtiger sei, daß in Bollsver fammlungen hierzu Stellung genommen werde und sich immer weitere Kreise zur Vertheidigung zusammenschließen, wenn auch feine Aussicht auf Erfüllung der Petition vorhanden sei, so sei dies doch kein Grund, dieselbe nicht abzusenden, denn dieselbe wäre wohl im Stande, eine wohlthuende Anregung zu geben. " Friede auf Erden" sei jest überall verkündigt worden. Dieses erhabene Wort tönne nur zur Wahrheit werden, wenn Freiheit und Gerechtigkeit walte auf Grund des all­gemeinen gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts. Herr Guttmann sprach fich für die Petition aus, wünscht die­selbe jedoch erweitert und zwar dahin, daß der Staat die Armenpflege als Aequivalent für die Pensionen der Beamten übernehmen soll, damit den Arbeitern durch die Armenpflege nicht das Wahlrecht entzogen werde; ferner, daß der Staat ben Reichstagsabgeordneten Diäten zahlen soll. Auch be zweifelte er, daß das Panier der Arbeiterpartei durch den Be schluß des Wahllomitees, die Wahlenthaltung bei den Stich­wahlen betreffend, rein erhalten worden sei.( Widerspruch.) Der Antrag Helldorff bezwecke nur, die sozialdemokratische Bartet zu ungeseglichen Handlungen zu provoziren, um einen Grund zur Verlängerung des Sozialistengesezes zu haben. Man solle recht besonnen handeln, dann würde das Gesetz fallen. Herr Krause machte darauf aufmerksam, daß die Petition für das Abgeordnetenhaus beſtimmt sei und daß dort Diäten gezahlt würden. Das Wahlkomitee habe, dem allgemeinen Wunsche entsprechend, teine Kompromiffe geschlossen. Herr Gottfried Schulz verwarf ganz entschieden die Petition und verlangte eine Resolution. Man habe nicht zu bitten, sondern zu fordern. Allgemeine Wehrpflicht Allgemeine Wehrpflicht allgemeines Wahlrecht. Auch er nahm das Wahltomitee in Schuß, Hasenclever habe nur seine persönliche Ansicht geäußert. Herr Krohm betonte, daß der Be­schluß des Wahlfomitees in Gegenwart Hafenclevers gefaßt worden sei. Auch er( Redner) verwarf die Petition. Dieselbe würde von Vielen nicht unterschrieben werden, daher mehr schaden, wie nüßen. Abg. Singer erklärte, daß eine Ver legung des Prinzips nicht stattgefunden habe. Man tönne sehr wohl Sozialdemokrat ſein und dennoch für einen Freis finnigen gegen einen Antisemiten stimmen. Besser wäre es gewesen, wenn fich das Wahlfomitee dieser modernen Anschauung zugeneigt hätte. Man solle fich leinen Illus fionen hingeben, das Sozialistengeset werde auf alle Fälle vers längert werden, dessen ungeachtet würden die sozialdemokra tischen Abgeordneten nach wie vor ihre Schuldigkeit thun. Nach noch längeren unwesentlichen Debatten und nach warmer Empfehlung des Berliner   Boltsblatt", sowie Genehmigung einer Tellersammlung für die Arbeiter der mechanischen Schuh­waarenfabrit in Offenbach  , welche einen Ertrag von Mt. 14,17 ergab, gelangte folgende Resolution einstimmig zur Annahme: Die am 27. Dezember 1885 in Sanssouci   tagende allgemeine

Der Fabrikinspektor von Düsseldorf   hat sich, wie es scheint, von allen seinen Kollegen den freiesten Blick bewahrt und scheut sich nebenbei auch nicht, das, was ihm bei seinen Inspektionen aufgestoßen ist, offen auszusprechen. So macht er über die Einwirkungen der Beschäftigung in den Fabriken auf das weibliche Geschlecht folgende Bemerkungen:" Es bedarf nur eines Blickes auf die Arbeiterinnen in Fabriken, welche nicht durch völlig ländliche Umgebung oder besondere günstige Einrichtungen und eine besonders forgfältig auswählende Direktion ausgezeichnet sind, um zu erkennen, daß eine große Anzahl derselben von den förperlich herunterge tommenen Arbeiterinnen in den englischen Fabril Distrikten gesundheitlich taum noch unterscheidbar ist, und es ist ebenso in die Augen springend, daß diese Mädchen- je jünger fie in solche Fabriken je jünger fie in solche Fabriken treten sittlich verlommen. Freche Augen, eingefallene oder hohle Wangen, schlappe Kleidung und Haltung, schamlose Reden, namentlich außerhalb der Fabrit, das find häufig die Eigenschaften eines bald mehr, bald weniger erheblichen Bruch­theils dieser durch die Armuth, zuweilen auch durch die absucht oder Nichtsnußigkeit der Eltern in die Fabriken gedrängten be mitleidenswerthen Geschöpfe. Je länger die Arbeitszeit, ie unsauberer, härter und gehegter die Arbeit, je heißer und je mangelhafter Der Arbeitsraum und seine Lüftung, je zahlreicher die ange drohten Drdnungsstrafen, je napper die Löhne und die Attorde, und je geringerer die Fürsorge, die Zahl und die Art der Wohlfahrtsmittel umso mehr treten Die bezeichneten Schäden hervor."- Bravo! Das nennt man offen sein! Wir, die wir schon oft unsere Ansicht über die Frauenarbeit ausgesprochen haben, wollen nur be merken, daß derjenige, der sich solchem Elend, solcher aus dem felben entspringenden Degeneration des weiblichen Geschlechts und somit der Nachkommen desselben des schnöden Mammons halber verschließt, kein Freund des Vaterlan des und der Menschheit ist.

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Eine Tragödie aus dem Arbeiterleben. In ver schiedenen Zeitungen finden wir folgende Notiz aus Dort mund, die wir unsern Lesern nicht vorenthalten wollen: In ber hiesigen Werkzeug- Maschinenfabrik von Wagner u. Komp. war seit einer Reihe von Jahren ein junger Gießer beschäftigt und zwar erst als Lehrling dann als Gehilfe, der im Früh jahr b. J. das Unglüd hatte, fich mit flüssigem Eisen zu ver brennen, in Folge deffen der Verlegte etwa fünf Monate im Krankenhause zubringen mußte. Auch nach Verlauf dieser Zeit war der junge Mann nicht ganz geheilt, doch bekam er auf dem Werte wieder Arbeit. Früher hatte derselbe per Schicht beinahe 3 Mark verdient, nunmehr aber nur einen ganz mini­malen Betrag, so daß er oft nach 14 Tagen einen Lohn von nur 5-6 Mart nach Hause brachte. Wenn der Vater, ein braver Buddelmeister, hierüber ärgerlich wurde, so läßt sich dies begreifen, zumal derselbe noch für mehrere fleine Kinder zu sorgen hat. Die Folge waren Bwiftigteiten zwischen Vater und Sohn, welch letterer ein Rosthaus wählte und das Bater­haus vermied. Mit dem Verdienste wurde es nicht beffer, so daß der junge Mann schließlich seine Sachen verseßen mußte. Am vergangenen Freitag war auf dem genannten Werke wieder Löhnung und der junge Gießer hatte in vierzehn Tagen bei 115 Stunden Arbeitszeit sage und schreibe 2-3wei- Mart verdient, so daß derselbe, da er 2,50 Mart Krantengeld zu sablen hatte, eine leere Lohndüte( die Arbeiter erhalten das Geld abgezählt in Düten) erhielt. Diesen Umftand glaubte Der junge Gießer seinem Meister zu verdanken, dem er Rache schwor. Noch an demselben Abende lauerte er dem Meister auf der Straße auf und jagte demfelben zwei Kugel in den Kopf. Der Mann ist erheblich verlegt, jedoch, wie die Nerzte Kopf. Der Mann ist erheblich verlegt, jedoch, wie die Aerzte annehmen, nicht lebensgefährlich.

Aus Oberhausen  , einem ungemein lebhaften rheinischen Fabriforte, Haupteisenbahnknotenpunkt der Köln Mindener Bahn mit industrieller Umgegend wird gemeldet, daß nun auch dort auf den großen Eisenwerken die Arbeitszeit eingeschränkt und zahlreiche Arbeiter entlassen worden seien. Unter denselben

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