Beilage zum Berliner Volksblatt.
c. 304.
I.
Neber Arbeiterverhältnisse im Wiener Verkehrswesen. Als vor etwa zwei Jahren auch in Desterreich die For berung nach einer ausgiebigen Arbeiterschutz- Gesetzgebung immer dringender und lauter wurde und die Regierung fich veranlaßt sah, in die Vorlage einer neuen Gewerbeordnung Bestimmungen zum Schuße von Leben und Gesundheit der Arbeiter aufzunehmen, behaupteten die Fabrikanten und Unter nehmer wie überall, daß solche Bestimmungen überflüssig, ja schädlich seien, daß die Arbeitszeit ohnehin nur furz und dem freien" Uebereinkommen der Arbeiter mit den Arbeitgebern überlassen sei; daß auch sonst die freie Initiative der Arbeitgeber längst das erreicht habe oder noch erreichen werde, was man mit der Gesetzgebung nur mangelhaft und vielfach zum Schaden der Industrie durchseßen wolle. Aber schon die vor dem Ausschuße des Abgeordnetenhauses vernommenen Experten aus dem Arbeiterstande sangen ein ganz anderes Lied und man gewann aus ihren detaillirten Angaben, die später viel. fache Bestätigung fanden, ein höchst trauriges Bild von der Lage des Arbei erstandes in vielen Theilen Desterreichs. Geradezu sensationell wittte aber eine Serie von Artikeln, die in der Desterreichischen Monatsschrift für chriftliche Sozial reform" veröffentlicht wurden und die unter Nennung der betreffenden Unternehmungen ein bis in die kleinsten Einzelheiten reichendes Bild von der materiellen Lage des öfterreichischen Arbeiterstandes entwarfen, das Empörung und Abscheu in den weitesten Kreisen der Bevölkerung hervorrief. Hier wurde nachgewiesen, daß in der Metropole der öfterreichischen Textilindustrie, in Brünn , 14-18 ftündige Arbeitszeit die Regel bildet, die Arbeiter in den staubigen und dunstigen Fabritsmerkstätten essen und schlafen und nur über die Sonn- und Feiertage nach Hause kommen; daß die Löhne nur felten die Höhe von 5 fl. in der Woche übersteigen und daß die sanitären Zustände in den Fabriken schauderhaft find. Der Privatdozent an der Wiener Universität Dr. J. Singer hat ähnliche Zustände im nordöstlichen Böhmen entdeckt. Damit ift wohl endgiltig der Schleier von der Heuchelei des öfterreichischen Manchesterthums heruntergeriffen und das vielge, rühmte Land der Gemüthlichkeit hat gezeigt, daß in Geldsachen auch dort die Gemüthlichkeit aufhört.
Leider übersteht man sehr häufig, daß solche Zustände nicht b: os in fabrikmäßig organifirten Unternehmungen, nicht blos in der Produktion, sondern auch in allen anderen Erwerbsarien fich vorfinden, wo das Großkapital Gelegenheit gefunden hat, die Ausbeutung ins Schrankenlose auszudehnen. Ja, in manchen der legteren find die Zustände noch greulicher, weil die Gesetzgebung schwerer einzugreifen vermag und weil die Arbeiter fich schwie riger organiftren können. Es ist bekannt, welche Zustände z. B. im Gastgewerbe, in laufmännischen Geschäften bestehen. Wir baben es heute speziell mit den Bediensteten der Wiener Pferde bahn Gesellschaft zu thun, über welche ebenfalls in der öfter reid ischen Monatsschrift für chriftliche Sozialreform" authentische Daten veröffentlicht wurden, deren Inhalt es in der That recht fertigt, daß jene Bediensteten in der Aufschrift des erwähnten Artikels als weiße Stlaven" bezeichnet werden. Es verdient wohl auch befonders erwähnt zu werden, daß diese Daten von einem fatholischen Geistlichen gesammelt und veröffentlicht wor Den find, der sich auch schon früher große Verdienste um die Erforschung der Arbeitszustände in Floridsdorf , einem großen Fabritsvororte von Wien , erworben hat.
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Die Wiener Pferdeeisenbahn- Gesellschaft, welche weitaus den größten Theil der Pferdebahnlinien von Wien und den ist Vororten im Betriebe hat jegt gegen 40 Kilometer eine Aktiengesellschaft, in deren Verwaltungsrath verschiedene liberale Abgeordnete und sonstige liberale Politiker figen, die fortwährend mit der Wahrung des Deutschthums beschäftigt find. Wie sie aber mit ihren Angestellten, die ebenfalls fast lauter Deutsche find, verfahren und wie traurig es da mit ihrem Deutschthum aussieht, wird aus den folgenden Daten hervorgehen. Im Fahrpersonal find die Höchstangestellten die Revisoren; bei ihnen giebt es drei Gehaltsstufen: bie 1. Klaffe bat monatlich 70 fl.( 117 M.), die 2. 60 fl. ( 100 M.), die 3. 50 fl.( 83 M.) Die Dienstzeit ist durch schnittlich 12 Stunden, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß die Revisoren bei Sturm und Regen auf offener Straße bes ftändig Wagen auf und abspringen müssen. Jene Revisoren,
Auch ein Apostel.
Eine Erinnerung von Reinhold Ortmann.
( Rachbruck verboten.)
wenn
Sie wird mir nicht so leicht aus dem Gedächtniß schwinden, die hagere, starktnochige Gestalt mit den scharf geschnittenen, energischen Gesichtszügen, dem gewaltigen Schnurrbart und den sanften, beinahe kindlichen Augen. Wie er so baher fam, dröhnenden Schrittes, in seiner er heuchelten Strammheit und Elastizität, mit einem dünnen, fadenscheinigen Röckchen angethan und alle Taschen ge spidt mit Beitungen, Büchelchen und Brochüren; wie er mit feinem biden Stod in der Luft herumfuchtelte und dabei immer halblaut vor sich hinredete, machte er unbedingt einen tampfesmuthigen, friegerischen Eindruck, und während bie Kinder auf der Straße scheu vor ihm zur Seite wichen, wandten sich die Erwachsenen mit einem spöttischen Wort oder mit einem mitleidigen Lächeln nach ihm um. Und wie spotteten und lächelten sie erst, wenn er zu ihnen sprach, wenn sich alle Muskeln seines eingefallenen Gesichts be lebten im Eifer für seine Sache, und es auch sogar aus den sonst so sanften Augen zuweilen hervorschoß wie ein Aufleuchten des 3ornes ober wie Wie lächerlich ein heller Strahl der Begeisterung. kam es ihnen vor, daß sich ein vernünftiger Mensch so gewaltig ereifern könne über die gleichgiltigsten und nebenfächlichsten Dinge von der Welt: über Essen und Trinken; und wie thöricht war es obendrein, mit einem ganzen Apparat von Medizin, Statistik, Ethnologie und sonstiger Wissenschaftlichkeit für die Verbannung aller thieristen Nahrung, aller Leckerbissen und raffinirten kulinarischen Genüsse zu plaidiren! Er war ein Vegetarier aus vollster, tief innerfter Ueberzeugung. Er war es gewesen aus bitterer Nothwendigkeit, noch ehe er von einem Pythagoras oder von einem anderen Schußheiligen der Pflanzeneffer auch nur das Geringfte gewußt haite; denn sein Vater war ein armer Handwerker, der fünf lebendige Kinder zu ernähren hatte,
Mittwoch, den 30. Dezember 1885.
welche keine Betrügereien entdeden, werden gewöhnlich bald entlaffen, diejenigen, welche die meisten Anzeigen machen, be tommen jedoch Prämien ausgezahlt. Es ist daber begreiflich, daß fich sehr wenig anständige Menschen um diese Stellen bes werben, da fie zu wahren Heziagden gegen die Kondufteure genöthigt find, die bei ihrer schlechten Bahlung allen Scharf finn anwenden, um die Gesellschaft um einige Gulden per Monat zu prellen. Die Expeditoren, welche die nächste Rang stufe einnehmen, haben die Ankunft und Abfahrt der Wagen an den Endstationen und an den Krnuzungspunkten zu leiten, die Zeit einzutragen, die Fahrkarten an die Kondukteure auszugeben und außerdem legtere mit allem Nöthigen Lampen, Riemen für den Kutscher 2c. zu versorgen. Der
Expeditor
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II. Jahrg
Dienftesinstruktion der Rondukteure, Rutscher ac. hinzuzufügen, daß fich an Schneetagen die an diesen Tagen vom Dienste Befreiten, ohne eine Aufforderung abzuwarten, ihren Vorständen zur Dienstesverfügung zu stellen haben.
Ueber das Durchschnitts- Einkommen eines Kondukteurs, der bereits definitiv angestellt ist, hat ber angestellt ist, hat der erwähnte katholische Geistliche anf Geistliche anf Grund seiner Erkundigungen eine Berechnung angestellt, die seines Erachtens so genau als möglich ist. Ein definitiver Rondutteur befommt täglich 1 fl. 40 tr., macht im Sommer, wenn er immer fährt, pro Woche 9 fl. 80 fr. Davon muß er 30 fr. an die von der Gesellschaft gegründete Krankenkasse geben, es verbleiben also 9 fl. 50 fr. Wochenverdienst im Sommer. Im Winter ist der Verdienst meit geringer, da der Mann in der Regel für 2 Tage in der Woche außer Dienst fommandirt wird, also nur für 5 Tage, b. i. 7. fl., ausgezahlt bekommt, wovon er 21 fr. an die Krans lenkaffe zahlt. Bleibt also ein Verdienst von 6 fl. 79 fr. pro Woche. Davon find aber auch noch die Marode resp. Üre laubstage in Abzug zu bringen, denn Erkältungen kommen im Winter häufig vor. Ein Kondukteur und ein Rutscher beziffer
vom November bis März 10 Tage. Sieben Monat Sommer verdienst machen 266 fl., fünf Monate Winterverdienst 135 fl. 80 fr. Sonach beträgt der Jahresverdienst mit nur 14 Mas rodetagen im Jahre( 14 fl. 56 fr. Abzug) 401 fl. 80 fr. ( 669,67 M.), der Durchschnittsverdienst pro Woche 7 fl. 73 fr. ( 12,88 M.) oder pro Stunde 8 fr.( 13 Bf.), da durchschnittlich 16 stündige Arbeitszeit anzunehmen ist.
ist ein wahres perpetuum mobile und hat taum Beit, die dringendsten menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Dafür bezieht er einen Monatsgehalt con 60 fl.( 100.) oder 45 fl.( 75 M.) und Monteur. Der Kondukteur( Schaffner) ist jedoch der verantwortungsvollste und geplagteste Funktionär. Er muß sein 60§§ und 83 Drud feiten enthaltendes Instruktionsbuch, 24 weitere Instruktionsbüchlein( bis zu 28 Seiten) über die Markirung der Fahrten die Marodetage auf mindestens zwei pro Monat, macht tarten auf einzelnen Streden, dann das Fahrkartenbuch zum Erkennen der verschiedenen Fahrkarten genau lennen, und jedes Uebersehen einer der zahllosen Vorschriften hat eine Strafe zur Folge, für deren Arten es eine eigene Eyftematik giebt. Ein schlagender Beweis für die Schwierigkeit, alle diese Vorschriften inne zu haben, ist die Bestimmung, daß ein Kondukteur, ber 3 Monate gedient hat, ohne gestraft worden zu sein, Anspruch auf eine Prämie hat. Früher bestanden die Strafen meist in Geldstrafen, jest find sogenannte Straftouren, d. h. nicht bes zahlte Fahrten an freien Tagen, an die Stelle getreten. Das durch hat fich die Gesellschaft einen neuen Profit verschafft; während nämlich die früheren Strafgelder an die Krankenkasse abgeliefert wurden, fällt jezt der Gewinn blos der Gesellschaft zu. Nach einer sehr mäßigen Berechnung erspart die Gesell schaft durch die Straftouren 9 Angestellte, die ihr jährlich 4586 fl. 40 fr.( 7644 M.) tosten würden. Der Kondukteur 1. Klasse ist im Aussterben begriffen, es giebt fast nur noch Kondukteure 2. Klaffe mit 1 ft. 60 fr.( 2,70 M.) und 3. Klasse mit 1 fl. 40 fr.( 2,33 M.) pro Tag. Die Dienstzeit eines Konbutteurs ist unbestimmt; heute 16, morgen 18 und mit dem Heimweg auch 20 Stunden. Dabei ist demselben verboten, fich niederzuseßen. Die niedrigste Arbeitszeit, die ermittelt werden fonnte, war ohne Hin und Herweg 13% Stunden. Wie an strengend der Dienst eines Pferdebahn- Kondutteurs ift, braucht man wohl nicht ausführlich zu beschreiben. Nicht besser ist der Dienst des Kutschers, der definitiv angestellt 1 fl. 40 kr.( 2,33 M.) Tagelohn hat, provisorisch 1 fl. 20 fr.( 2 M.)
Laut Instruktion hat jeder Bedienstete Anspruch auf einen freien Tag in der Woche, in Wirklichkeit sieht es aber damit so aus: Nur definitiv Angestellte bekommen den freien Tag gezahlt; die erften drei Monate ist jede Anstellung jedoch nur provisorisch und gewöhnlich dauert es ein Jahr und auch barüber, bis Jemand in den Genuß des freien Tages fommt. Die freien Tage werden eben, wie bereits erwähnt, zur AbDie freien Tage werden eben, wie bereits erwähnt, zur Ableistung der Straftouren benugt, von denen jede 2 bis 3 Stun den dauert. Diese Straftouren werden gewöhnlich im Sommer verfügt, da dann der Verkehr stärker ist; im Winter werden aber zahlreiche Urlaube fommandirt, für welche Zeit die Leute nicht bezahlt werden. So erleichtert die Gesellschaft ihre Büdgets und schafft freie Tage auf Kosten der Angestellten.
Alle anderen Bediensteten, mit Ausnahme der Profeffionisten und Stallmeister, beziehen einen Tagelohn von 1 fl. 20 fr.( 2 M.) und haben eine durchschnittliche Arbeitszeit von 14 Stunden täglich. Sonn- und Feiertage haben Alle ohne Unterschied das ganze Jahr hindurch Dienst. Aus der Dienstespragmatik ist folgendes besonders hervoraubeben: In§ 23 heißt es über die Arbeitszeit wörtlich: Insofern als bei einzelnen Diensteszweigen eine gewisse tägliche Arbeitszeit eingeführt ist, sind die betreffenden Bediensteten und Beamten verpflichtet, dieselbe fleißig und pünktlich einzuhalten. Die Beamten und Bediensteten können jedoch von ihrem Vorstand verhalten werden, zeitweilig auch über die feftgesezte Beit in Verwendung zu bleiben oder neben der Erfüllung ihrer gewöhnlichen Obliegenheiten andere, ihrer Stellung und ihrem Berufe entsprechende dienstliche Berrich tungen zu besorgen. Für derartige Wehrleistungen haben die betreffenden Personen feinerlei Anspruch auf eine besondere Vergütung." Dazu ist als weiteres Charakteristikum aus der
und der dem Aeltesten weder auf der Gewerbeschule, noch auf dem Polytechnikum auch nur die geringste Beihilfe ge= währen konnte. Da hatte er freilich der Pflanzennahrung vor aller anderen den Vorzug geben müssen, und auch sonst hatte es Gelegenheit genug gegeben, sich in allerlei Enthalts famkeit zu üben. Seine Studienzeit war nichts anderes gewesen, als eine lange Kette von durchdarbten Tagen und von durchfrorenen Nächten; und als er es endlich zu einer bescheidenen Lebensstellung gebracht, da war die Summe feiner traurigen Erfahrungen fast noch größer als die Summe seiner Kenntnisse.
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Nun hätte er freilich ein Ende machen können mit dem Hungern und Entbehren; denn so mäßig auch sein Einkommen war, es reichte doch hin zu einem guten Stück Braten am Mittag und zu einem Schoppen Bier oder Wein am Abend. Aber da hatte er etwas gelesen von Pythagoras und von anderen Weisen des Alterthums, die den Menschen auf die Rückkehr zur Natur verwiesen und auf die Freuden eines Lebens, das rein sei vom Blute unschuldiger Mitgeschöpfe, unschuldiger Mitgeschöpfe, da hatte er einen lehrreichen Vortrag gehört über den Vegetarianismus, hatte sich Brochüren und Bücher gekauft und war über Nacht zu einem fanatischen Anhänger der ftrengen Lehre geworden. Er machte sich nicht etwa im Stillen fleine Zugeständnisse, wie die Anderen; er unterlag nicht der lockenden Versuchung, die ein düftender Braten oder ein schäumender Humpen darstellte, sondern er ging unbeirrt mitten durch alle Anfechtungen feinen haarscharf vorgezeichneten Weg. Ein rothwangiger Apfel und ein Stück trockenen Brotes waren sein Morgen- und Abend Imbiß, eine gute Portion Reis oder Mais, in Wasser gekocht, sein Mittagsmahl. Und das war, als ich ihn kennen lernte, seine Lebensweise nun schon seit manchem Jahr! Es hätte nun freilich Niemand Urfache gehabt, sich darum zu kümmern, und es hätte auch vielleicht Niemand gethan, wenn sich nicht allgemach eine gar schlimme Eigenschaft bei unserem Pythagoräer eingestellt hätte und das war der Bekehrungseifer!
Er selber war so vollkommen durchdrungen von der
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Seit dem 1. Januar 1876 besteht bei der Gesellschaft eine Kranken, Unterstüßungs und Sterbelaffe, zu welcher jeder Angestellte vom Lohngulden 3 fr. einzahlen muß. Die Kaffe wurde auch das ist bezeichnend aus den Strafgeldern, die früher statt der Straftouren verhängt wurden, gegründet. Die Verwaltung der Kaffe hat sich aber ganz der Verwaltungsrath der Gesellschaft vorbehalten. Jedes Mitglied der Kaffe, wenn es mindestens 4 Wochen im Dienste der Gesellschaft steht, erhält in Krankheitsfällen durch 20 Wochen eine Unterstüßung in der Höhe des halben Lohnes und seine Familie im Sterbefalle 30 fl. Leichenbeitrag. Steht Jemand seit Jahren ununterbrochen im Dienste, so fann thm ein Drittel seines Gehaltes als Pension bewilligt werden, wenn er durch den Dienst Invalide geworden. Ist genügender Fonds in der Kaffe, so kann dem, der 15 Jabre ununterbrochen gedient hat, die Hälfte, und Jenem, der 20 Jahre gedient, zwei Drittel seines Gehaltes als Penston, d. h. wenn er dienste find jedoch bisher noch nicht vorgekommen. wahrscheinlich weil untauglich geworden, angewiesen werden. Solche Benfionen einerseits es ohnehin nur Wenige so lange bei der Gesellschaft aushalten und andererseits doch Niemand von einer solchen Benfion" leben fann. Eine recht merkwürdige Bestimmung ist auch die, daß Derjenige, der über ein Jahr zur Zufrieden heit gedient hat, einen Ueberschuß bis zur Höhe eines Monats gehaltes gegen sechs Prozent Binsen pro anno erhalten tann. Auf solche Art sucht die Gesellschaft die Fonds der Kaffe zu vergrößern, ohne selbst etwas dazu beisteuern zu müssen.
Um die Leistungen dieser Kaffe beffer beurtheilen zu können, sei hier erwähnt, was die Wiener allg. Arbeitertrantentaffe, eine von den Arbeitern sclbst gegründete und verwaltete Kors poration, leiftet. Gegen 16 fr. wöchentlichen Krantenbeitrag wird im Erkrankungsfalle durch 26 Wochen eine tägliche Unter stüßung von 85 fr. und durch weitere 26 Wochen von 42 kr. ausbezahlt. Nebst dem Arzt, Medikamente, billige Bäder, Transport in cin Krankenhaus, Mineralwasser 2c. gegen eine Aufzahlung von 4 fr. wöchentlich. Mitglieder, welche, wenn fte ein volles Jahr frant waren, nach der Krankheit arbeits unfähig bleiben, find ein weiteres Jahr von den Beitragsleistungen befreit. Bei der Pferdebahngesellschaft erhält ein Bediensteter, der bei einem Gehalt von 9 fl. pro Woche 27 fr. an die Kaffe zahlt, durch blos 20 Wochen täglich 70 fr., Arzt und Medikamente und 30 fl. Leichenbeitrag.
Als nach dem großen Börsentrach durch die Spekulationen, welche die Wiener Pferdebahngesellschaft mit ihren eigenen Attien getrieben hatte, der Gesellschaft große Verlufte entstanden, da beschloß der Verwaltungsrath, an den Löhnen des Personals zu sparen. Darum heute noch die niedrigen, oben aufgeführten Löhne. Wenn irgendwo die Nothwendigkeit vorliegt, daß das Gesetz zum Schuße der Arbeiter eintrete, so ist es gewiß hier der Fall.
Richtigkeit seiner Enthaltsamkeitslehre, er bemerkte fos wenig von dem Verfall seiner äußeren Erscheinung und der mächtigen Abnahme seiner Kräfte, daß er es für eine heilige Pflicht erachtete, auch Anderen die Segnungen des Vegetarismus recht oft, recht anschaulich und recht nach drücklich vor Augen zu führen. Und so wurde er aus einem stillen, friedlichen, harmlosen Menschen ein Fanatiker von wüthender Rücksichtslosigkeit, ein opferfreudiger Apostel, den fein Spott zurückzuschrecken, keine schweigende Ablehnung zu entmuthigen, feine unverblümte Grobheit zu tränken vers mochte! Er verließ die stille Abgeschiedenheit seines Bimmers und suchte die im Irrthum Befangenen auf, wo fie nur immer zu finden sein mochten. Kein Alter und Geschlecht, fein Rang und keine Würde schüßten vor seiner flammenden Beredtsamkeit, und wehe der ahnungslosen Gesellschaft, die ihn zur Theilnahme an fröhlichen Tafelfreuden in ihre Mitte aufgenommen hatte. Wenn die Heiterkeit ihren Gipfelpunkt zu erreichen begann, wenn die Hochfluth der Toaste hereinbrach, dann erhob auch er den Blick von seinem un berührten Teller, schlug weithin vernehmlich an sein leeres Glas, und rief sein mahnendes und strafendes Mene tekel hinein in die sorglose Luft. Und so war es benn ge kommen, deß man ihm im weiten Bogen aus dem Wege ging, daß man seine Einladung mit hastigen Entschuldi gungen ablehnte und daß man bei seinen Besuchen zufällig niemals zu Hause war. Er wurde gemieben wie ein Auss fäßiger oder wie ein Schurke, und doch war er bis in die innerste Faser seines Wesens ein grundehrlicher und waderer Mensch!
Ganz obenan unter allen Vortheilen der natürlichen Lebens weise stand ihm die Ueberzeugung, daß sie den Menschen beffer mache, und er hielt tagtäglich strenge Prüfung an fich selbst, ob ihm auch der alte Teufel, ber noch von eheben in seinem Fleische stecken mochte, in Bezug auf die Lauterkeit feines Thuns und Laffens keine bösen Streiche spiele. Seine laute Rede galt vor Allem der Schonung der Thiere, fein verborgenes Handeln war erfüllt von der Liebe zu den Menschen; und von den vielen Groschen, die er bei seiner