Politische Uebersicht.
Der Nordd. Aug. 3tg." gefällt unsere Anficht über die Sonntagsarbeit natürlich nicht, und so dürfen wir uns auch nicht wundern, daß fie von der in unserer Freitagsnummer geübten Kritit über einen von ihr produzirten Artikel ganz wild geworden ist. Sie schreibt:
Recht charakteristisch für die demagogische Manier, in welcher die Bevölkerung in einer belannten Preffe aufgebett wird, zeigen fich die folgenden Bemerkungen des Berliner Voltsblatt" zu unserem neulichen Artikel über das an den Reichstag gelangte Material, betreffend die Ruhe an Sonnund Feiertagen."
Und nun zitirt das führungen gegen den von gewiß ohne Absicht- selben verschwinden läßt.
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Blatt einen Theil unserer Aus ihm gebrachten Artikel, während es einen wesentlichen Saß von den Bum Schluß heißt es dann Wäre die Nordd. Allg. 8tg." für absolutes Verbot der Sonntagsarbeit eingetreten, so würde das sozialistische Blatt natürlich über die Mucker und Pharisäer schimpfen, welche dem nothleidenden Volle die ohnehin sparsame Arbeitsgelegenheit schmälern wollen. Schimpfen unter allen Umständen, das nennt diese Art Preffe ,, Vertretung des arbeitenden Volles."
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Wir hätten dieser ,, Erwiderung", weil es eben eine solche nicht ist, feine Beachtung geschenkt, wenn dieselbe nicht auffallend gehässig gehalten wäre. Von einer demagogischen Manir" und von Aufhegung" zu reden, wo wir von nadten Thatsachen und wahrheitsgemäß sprechen, lenn zeichnet das Vorgehen des offiziösen Blattes zur Genüge. Glaubt denn das Blatt dem arbeitenden Volke imponiren zu fönnen, wenn es die Agitationsmittel, welche von den Libe ralen auf den manchesterlichen Wegen als abgenust fortge worfen wurden, eifrig aus dem Schmutz aufhebt und als nagelneue Argumente gegen die gefeßliche Sonntagsruhe in feinen Spalten präsentirt? Deder ist das Manchesterthum wohl noch niemals vertreten worden als es jegt von einem freiwils ligen Regierungsblatte geschieht, welches sonst mit großer Emphase bei jeder Gelegenheit gegen dasselbe zu Felde zieht. Diese Art des Austretens aller manchesterlichen Pfade wäre töstlich amüsant, wenn es sich nicht um eine recht ernste Sache handelte. Wir wollen gerne gestehen, daß uns ein beschämendes Gefühl überkommen würde, wenn wir unsere Vertheidigungsmittel aus der Trödellammer veralteter Anschauungen nehmen müßten. Aber solchen Anwandlungen des Gefühls steht die Nordd. Allg. Btg." er haben gegenüber, solche Herzensbeklemmungen sind höchstens noch den Demagogen" eigen. Gar zu lindisch ist die Behauptung, daß wir gegen die Nordd. Allg. 3tg.", wenn sie das strikte Verbot aller Sonntagsarbeit gefordert hätte, gewiß den Vorwurf erhoben hätten, fie wolle den Arbeitern den fargen Verdienst noch weiter schmälern. Daß Dampfschiff und Lokomotive plöslich still stehen sollen, wenn der Sonntag beginnt, oder daß solche Arbeiten, die absolut auch Sonntags verrichtet werden müssen, unterbleiben sollen, wird fein ver nünftiger Mensch verlangen. Andererseits ist aber allen voran gerade die Nordd. Allg. 8tg." mit der Behauptung hervorgetreten, daß der arme Arbeiter durch das Verbot der Sonntags arbeit schwer geschädigt werde. Man sieht, das offiziöse Organ versteht sich auf sachliche" Erwiderungen.
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Die Branntwein- Monopolvorlage wird, wie verlautet, etwa Mitte Februar im Reichstage erwartet. An den Bundesrath foll das Projekt in Form eines preußischen Antrages wie früher auch das Tabatsmonopolprojekt in der zweiten Hälfte des Januar gelangen.
Ihre Mittheilungen über das Branntweinmonopol segen die offiziösen Berl. Pol. Nachrichten" in folgendem Artikel fort:
Mit der größten Befriedigung wird in den weitesten Kreifen aus den Andeutungen über die beabsichtigte Reform der Branntweinsteuer ersehen worden sein, ein wie entschei dendes Gewicht auf die wirksame Bekämpfung der im mora lischen, gesundheitlichen und wirthschaftlichen Intereffe gleich gefährlichen Branntweinpest gelegt wird. Wenn die schädlichen Wirkungen der Branntweinpest einerseits auf dem Uebermaß, andererseits auf der gesundheitsgefährlichen Beschaffenheit des Tonsumirten Branntweins beruhen, so erscheinen die beabsich tigten Maßregeln geeignet, dem Uebel nach beiden Richtungen wirksam zu steuern.
Bei der Beurtheilung wird davon auszugehen sein, daß dem Privatverkehr außer dem zu gewerblichen Zweden de naturirten Spiritus nur vollständig reiner Trinkbranntwein zu einem nach dem beabsichtigten hohen Ertrage bemessenen Bertaufspreise staatsseitig überlassen wird, im Uebrigen aber dem Vertriebe keine unerträglichen Schranken auferlegt werden. Insbesondere würde weder eine über das Maß des Nothwendigen hinausgehende Einschränkung der bestehenden Echanlstätten, noch eine Belästigung der sich mit dem Vertriebe von Branntwein als Nebenwerth befassenden Gasts wirthe, Restaurateurs, Cafétiers, Konditoren 2c. mit dem Monopol verbunden sein. Im Gegentheil würde für lettere, neben der Sicherheit, um reines Fabrikat zu erhalten, eine Beschränkung auf die von den Verschleißern inne zu haltenden Klassischen Bedürfnißlosigkeit von dem bescheidenen Eins tommen erübrigte, ging fein einziger aus seiner Hand, der nicht bestimmt gewesen wäre, eine Thräne zu trocknen oder herben Kummer zu lindern. Aber er war ein Kind nicht nur an Herzensgüte, sondern an Unerfahrenheit und Unfenntniß der menschlichen Eigenart. Mancher gewissenlose Geselle machte sich die Leichtgläubigkeit des„ pflanzenessenden Narren" zu Nuß, und mancher seiner sauer erarbeiteten Thaler wurde verschlemmt und vergeudet. Es that ihm erst weh, wenn er es erfuhr, aber er ließ darum boch feinen Bittenden ungetröstes von seiner Schwelle gehen.
Eines Abends, als ich ihn zur gewohnten Stunde besuchte, faß er nicht, wie sonst vor einem alten Philosophen am Tische, sondern er streďte mir seine magere, gelbliche Hand von der harten Bettstätte her entgegen; auf seinen Baden fnochen brannten rothe Flecken und in seinen Augen flimmerte das Fieber.
„ Ich muß da noch einen kleinen Läuterungsprozeß durchmachen," sagte er heiteren Sinnes,„ das stedt noch von früher her im Blute und muß heraus, ehe ich zur vollen Gesundheit gelangen kann. Na, die Natur wird es schon recht machen!"
Und sie machte es recht!
Acht Tage später gingen wir bei firömendem Regen hinter seinem schmucklosen Sarge her. Es war kein großes Trauergefolge, das wir zwei Studenten repräsentirten, und aus zwingenden Gründen waren wir auch ganz ohne jedes Gepränge gekommen, ohne Equipage und weiße Kravatte, nur ganz hübsch zu Fuß und obendrein mit aufgeschlagenen Beinkleider. Der Tobtengräber hatte es sehr eilig, und wir fanden kaum Zeit, dem armen Vegetarier die üblichen brei Handvoll Erde nachzuwerfen, die als schwere, nasse Klumpen auf seinen Sarg niederpolterten. Dann gingen wir schweigend davon, und erst in der Kirchhofsthür sagte mein Freund er war der Weltere von uns Beiden-: , Es ist doch schade um ihn!- Ein angenehmer Gesells schafter war er nicht, aber einer, von dessen Gesellschaft man beffer wurde, ohne es zu wissen!"
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Und das war seine Leichenrede!
Preise nicht einzutreten haben, auch eine besondere Schank oder Vertriebssteuer von ihnen nicht zu erheben sein. Allerdings stünde eine Erhöhung des Preises des Trinkbrannt weins zu erwarten, weil in den vermuthlich innerhalb bestimmter, für längere Zeit gesetzlich festgestellter( Minimal und Marimal-) Grenzen fich bewegenden Regierungsantaufspreisen der zur Aufbringung des Steuersolls erforderliche Steuerartige Buschlag zu den Erstehungskosten enthalten ist.
Aehnlich würden nebenbei wohl auch die Preise bestimmt werden, welche den Spiritusproduzenten für den Robspiritus gezahlt werden sollen. In der Erhöhung des Preises des Trinkbranntweins erbliden wir in erster Reihe das Korrektio der Branntweinpest, mag auch der zu gewärtigende Rüdgang des Konsums feineswegs das Interesse des Schänkers för dern, aber dieses Intereffe wird gleichmäßig getroffen, mag die Ursache der Vertheuerung des Branniweins in dem Monopol oder in einer anderen Form der Besteuerung liegen. Die an einen möglichst hohen Branntweinkonsum sich knüpfenden Erwerbsintereffen find eben unvereinbar mit der im moralischen, gesundheitlichen und wirth schaftlichen Interesse der Branntwein tonsumirenden Bevölle rung gebotenen Einschränkung dieses Konsums; wer diese ernstlich will, wird die geschäftlichen Interessen der Branntwein schänker nicht allein gelten laffen dürfen.
Für die Konsumenten, welche fich wesentlich mit den breiten, minder wohlhabenden Schichten der Bevölkerung Norddeutsch lands deden, liegt neben der Steuerung des übermäßigen Branntweingenuffes in der besseren, der Gesundheit nicht gefährlichen Beschaffenheit des Branntweins ein Ausgleich für den höheren Detailpreis. Branntwein aus reinem oder nahezu reinem Aethylallohol ist bei mäßigem Genuß der Gesundheit genau ebenso wenig schädlich, als der Genuß reinen Bieres oder Weines. Ein mäßiger Verbrauch reinen Altohol enthal tenden Branntweins ist bei den klimatischen, wirthschaftlichen und Ernährungsverhältnissen eines großen Theiles der Bevöl ferung Norddeutschlands sogar im Interesse der Gesundheit und der Erhaltung der Arbeitskraft dienlich. Üm so wichtiger ist es, daß dem bisher in so hohem Maße üblichen Gebrauche unge eigneten, mit dem giftigen Fuselstoffe noch vermischten Spiritus zur Branntweinbereitung ein Ende gemacht wird. Wie segens reich die Verdrängung des fuselhaltigen Branntweins durch fusel freie Getränke wirft, fieht man an Schweden , wo trop der feineswegs ausreichenden Kontrole des Verbots fuselhaltiger Branntweine seit Erlaß desselben eine überaus ftarfe Abnahme der Verheerungen des chronischen Alkoholismus wahrzunehmen ift. Offenbar aber läßt fich eine wirksamere Beseitigung der Verwendung fuselbaltigen Spiritus faum denken, als wenn gar fein anderer Trint- Branntwein in den Verkehr gelangt, als solcher, welcher in den Regierungsfabriten von den fufelhaltigen Giftstoffen gereinigt und so der schwer berauschenden gesundheitsgefährlichen Beschaffenheit beraubt ist. Auf diesem Wege fann man allerdings der Branntweinpest auf das Wirtsamste steuern. Wer daher die beiden wichtigsten Quellen der Trunksucht und ihrer schlimmen Folgen, den übermäßigen Branntweingenuß wie den Genuß gesundheitsgefährlichen Branntweins, wirklich verstopfen will, wird nicht umhin fönnen, die geplante Branntweinsteuerreform mit lebhafter Sympathie die geplante Branntweinsteuerreform mit lebhafter Sympathie zu begrüßen.
Ueber die sozialdemokratische Agitation in der Stadt Bosen berichtet die Pos. Btg.":" Die polnische sozialdemo fratische Agitation scheint, so wenig Erfolge fie bisher auch unter den polnischen Arbeitern unserer Stadt aufzuweisen ge habt hat, doch nicht müde zu werden, hier immer neue Ver suche zu machen, um die polnischen Arbeiter für die sozialdemokratischen Jdeen zu gewinnen. So find hier in den Mor genstunden eines der legten Tage an den Straßeneden wie berum gedruckte Blafate in polnischer Sprache bemerkt worden, welche an die polnischen Arbeiter gerichtet und von der NeDaltion des Przedswit" unterzeichnet waren. Da der Przedswit"( Morgendämmerung), das aus dem Mendelsohn' schen Sozialistenprozesse bekannte, in Genf erscheinende polnische Organ, nach Mittheilung polnischer Beitungen eingegangen sein sollte, wobei gleichzeitig der Siz der polnisch sozialistischen Agitation nach Paris verlegt sein soll, so läßt sich nur annehmen, daß die hier angeschlagenen Blafate entweder aus früherer Zeit herrühren, oder daß der„ Przedswit" in Paris neu erstan den ist."
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Aus Anlaß der preußischen Massenausweisungen wird in der Warschauer Gazeta Polska" an§ 41 des preußis schen Landrechts erinnert, in dem es ausdrücklich heißt: Fremde Unterthanen haben bei dem Betriebe erlaubter Bes schäfte in hiesigen Landen sich aller Rechte der Einwohner zu erfreuen, so lange fte fich des Schutzes der Geseze nicht un würdig machen." Die Germania " meint dazu: Ob die Ur heber der Maßregel an diese Bestimmung gedacht haben? Wenn das der Fall gewesen ist, so wäre es interessant zu er fahren, wodurch die von der Ausweisung Betroffenen plöglich fich des Schußes der Gefeße unwürdig gemacht haben sollen, nachdem fie fich lange Jahre bindurch deffelben erfreut haben. Und selbst wenn die preußische Regierung in Bezug auf einzelne Individuen dies behaupten, ja selbst beweisen lönnte, so find damit immer noch nicht die Maffenausweisungen zu entschuldigen. Bei der Einführung des Landrechts durch tönigliches Patent vom 5. Februar 1794 ist ausdrücklich erklärt worden, daß dasselbe bei Vollziehung und Beurtheilung aller rechtlichen Handlungen wie deren Folgen, sowie bei Entschei dung der sich ereignenden Rechtsstreitigkeiten zu Grunde ge legt werden soll."
Der Reichstagsabgeordnete Vissering, welcher den 2. Hannoverschen Wahlkreis( Aurich ) vertrat, ist, wie ein Telegramm meldet, heute gestorben.
Der Journalist Röttger wurde nach einer Meldung der Frantf. Big." aus Mainz gegen 5000 Mart Raution aus der Der Hoch Saft entlassen und ist in Mainz eingetroffen. verrathsprozeß beginnt am 1. Februar in Leipzig . Franrreich.
Ueber die neuesten Vorgänge in Frankreich wird der Nat- 8tg." telegraphirt: Das Kabinet demissionirt. Briffon beharrt bei seiner Abficht, zurückzutreten. Der Präsident der Republik hat zunächst die Präsidenten des Senates und der Deputirtenfammer, le Royer und Floquet, zur Berathung bes rufen. Freycinet zögert angeblich, die Neubildung des Ka binets zu übernehmen, jedoch ist diese Uebernahme laum zweifelhaft. Freycinet soll beabsichtigen, das Kabinet weſentlich durch radikale Elemente zu verändern. Es ist noch unbestimmt, ob die parlamentarische Seffion heute beendet oder der Schluß wegen der Krisis auf morgen verschoben wird.
Spanten.
Der Bank um die Krone beginnt bereite. Die ,, Voz de Galicia" veröffentlicht einen Brief des Advokaten und früheren republikanischen Ministers Carvajal, in welchem fich dieser zu Gunsten der Königin Jfabella II. erklärt. Der Brief er regt um so größeres Aufsehen, als Carvajal es übernommen hat, den Herzog von Sevilla vor dem Kriegsgericht zu ver the digen. Carvajal schreibt:„ Der Tod des Königs Alfons hat verschiedene Rechtsfragen entstehen laffen, deren eine sehr fchwerwiegender Natur ist. Abgesehen davon, daß die Ver. faffung einen Fall wie den jeßigen, wo der König bei Schwan gerschaft seiner Gemahlin nur Töchter hinterläßt, nicht vorgefeben bat ist die gegenwärtige Lage deshalb so zweifelhaft, weil die Abdantung der Königin Jsabella II. niemals veröffent licht worden ist. Außerdem haben weder Alfons noch seine Mutter den Eid auf die Verfassung geleistet, und endlich ist eine Abdankung nicht gleichbedeutend mit einer Verzichtleistung. Die Geschichte hat mehrere Beispiele aufzuweisen, wo Könige ihre Ansprüche wieder aufgenommen haben, nachdem sie vorher zu Gunsten eines Sohnes, der inzwischen verstorben war, ab
gebankt hatten. Würde ich mich nach dem monarchischen Recht über die zweifelhafte Frage Wer ist der König von Spa nien?" zu äußern haben, so würde ich mich, anstatt zwischen der jungen Prinzessin von Asturien und der noch ungewiffen Leibesfrucht der Wittwe Alfons XII. zu schwanken, dahin ents scheiden, daß das Recht auf Seiten Isabella's 11. ift."
Lokales.
Vom 1. Januar 1886 ab wird ein Austausch von Postpadeten ohne Werthangabe, bis zum Gewicht von 3 Kilogramm, mit der Postverwaltung des vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Jrland eingerichtet, an welchem auf deut scher wie auf britischer Seite sämmtliche Postanstalten theil nehmen. Die Beförderung der Postpacete erfolgt nach Bestimmung der Absender entweder auf dem direkten Seewege über Hamburg oder Bremen oder auf dem Wege durch Belgien . Das im Voraus zu entrichtende Porto beträgt für Padete aus Deutschland : 1) für den Weg über Hamburg oder Bremen : a. für ein Packet bis einschließlich 1 Kilogr. 1 Mart, b. für ein Badet über 1 Kilogr. bis einschließlich 3 Kilogr. 1,50 Mart; 2) für den Weg über Belgien : a. für ein Packet bis einschließ lich 1 Rilogr. 1,30 Mart, b. für ein Padet über 1 Kilogr. bis einschließlich 3 Rilogr. 1,70 Mark. Den Postpacketen nach Großbritannien und Filand müssen bei der Leitung über Ham burg bezw. Bremen zwei Boll- Inhaltserklärungen in deutscher Sprache, bei der Leitung über Belgien drei Boll- Inhaltserklärungen in deutscher oder französischer Sprache beigegeben werden. Ueber die sonstigen Versendungsbedingungen ertheilen die Postanstalten Auskunft.
j. Weihnachten in Alt- Moabit. Traurige Feiertage pflegen die zahlreichen Gefangenen des Untersuchungs- Gefängniß zu Alt- Moabit zu verleben. Die Anstalt hatte allerdings auch in diesem Jahre für die Häftlinge in der Anstaltskapelle eine Fefifeier mit Tannenbäumen arrangirt. Das Licht der Weihnachtskerzen bringt diesen Unglücklichen eben felten Troft, Ermuthigung und Freude; es erinnert ja gerade an die verlorene Freiheit, an Eltern, Geschwister, Gattin, Kinder, welche daheim ihren Fall beweinen. Von den Auffebern begleitet, ziehen fie im Bänsemarsch in die Kirche, um den Worten des Anstaltsgeistlichen zu lauschen. Ist der Gottesdienst zu Ende, führt man sie in die einsamen Zellen zurück und überläßt fte dort Der Langeweile und der Reue, jenen beiden Todfeinden des Gefangenen, welche mit fürch terlicher Ausdauer an threm Lebensmarke nagen. Schon um 4 Uhr Nachmittags wird an den Festtagen die Suppe", das übliche Souper in Alt- Moabit, ausgegeben, so daß die Gefangenen den ganzen langen Abend sich selbst überlaffen bleiben. Ihre einzige Unterhaltung bleibt dann das Anstaltslesebuch, meistens eine erbauliche Weihnachtsgeschichte und das Neue Testament nebst dem Gesangbuch, die in den Bellen ausliegen. Der Kontrast zwischen der unerträglichen Dede des Kerkers und der fich freuenden und jubelnden Außenwelt soll für schwache Seelen schon verhängnißvoll geworden sein und gerade während solcher Fefttage pflegen im Unterfuchungsgefängniß Anfälle von Wahnsinn am häufigsten zu sein. Wer sich der goldenen Freiheit freut, wird fich laum in das Gefühl dieser Dor fich hinbrütendeu Unglücklichen hineindenken können, deren traurige Ruhe nur durch das Geraffel der Schlüffel und die dröhnenden Schritte der dienstthuenden Aufseher gestört wird. Es fommt dazu, daß fte während der Festtage auch die kleine Erholung der Spaziergänge auf den Anstaltshöfen, wie fie Wochentags üblich find, entbehren müssen, weil es wegen des Fefturlaubs an Aufsehern feblt. Die Gefangenen sehen denn auch dem Feste stets mit Mißbehagen entgegen. Selbst die außerordentliche Mittelresp. Fleischkost" und die halbe Flasche Braunbier, welche ihnen in dieser Zeit gewöhnlich verabfolgt wird, vermag ihren Humor nicht zu heben, zumal in der Festwoche auch die Unterredungen mit ihren Verwandten unterbleiben müssen.
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Die Berufung des Polizeidirettors Krüger als tommiffarischer Hilfearbeiter ins Auswärtige Amt erregt hier, so schreibt das B. T.", insofern einiges Interesse, als Herr Krüger, der vor einem Jahre noch Polizeirath war und überhaupt eine schnelle Karriere gemacht hat, in seiner Stellung als Chef der Exekutive der politischen Polizei, die er auch fernethin beibehalten wird, gewissermassen der Nachfolger Stieber's ift. Sein neues Amt attachitt ihn noch mehr der Person des Fürsten Bismard, den er schon seit Jahren nach Kissingen und überallhin begleitete.
Ein schwerer Unglüdsfall mit tödtlichem Ausgange er eignete fich am 24. d. M. gelegentlich der legten Schießübungen der Artillerie auf dem Schießplage bet Boffen. Beim Abfeuern eines Hinterlabergeschüßes zerborst das Verschlußstück und ein Theil desselben flog einem zur Bedienung der Kanone tommandirten Artilleristen mit solcher Gewalt gegen den Kopf, daß das Eisenstück den Schädelknochen durchdrang und im Kopfe figen blieb. Der schwerverwundete Soldat wurde zu nächst nach Schöneberg transportirt, von wo aus seine Ueberführung nach dem Militärlazareth in Tempelhof erfolgte. Dort foll er, wie uns ein Berichterstatter meldet, nach einigen Stun den verstorben sein.
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g. In der wichtigen Frage der Erwerbung und des Verlustes der Bundes- und Staatsangehörigkeit verdient darauf bingewiesen zu werden, daß nach den Bestimmungen des bes züglichen Gefeßes vom 1. Juni 1870 die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat für einen Ausländer durch Naturalisas tion, für einen Norddeutschen ausgedehnt auf Baden, Heffen und Württemberg , Bayern , Elsaß Lothringen durch Verträge resp. Geseze durch Aufnahme begründet wird. Leptere sowohl, als auch die Naturalisation erfolgt durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Urkunde. Vor Ertheilung der Naturalisationsurkunde hat jedoch jene Behörde die Gemeinde- bezw. den Armenverband desjenigen Orte, wo der Aufzunehmende fich niederlassen will, namentlich Darüber mit ihrer Erklärung zu hören, ob der Antragsteller an dem betreffenden Orte nach den daselbst bestehenden Ver hältniffen sich und feine Angehörigen zu ernähren im Stande ift. Dergleichen Gesuche von Ausländern resp. Anfragen der höheren Verwaltungsbehörde find für Berlin ( Königl. Polizeis Bräfidium) an die hiesige städtische Gewerbedeputation im legten Verwaltungsjahre 65 eingegangen. Von denselben find 61 mit Befürwortung zurückgesandt, während in 4 Fällen wegen mangelnder Erwerbsfähigkeit der Betheiligten die Ablehnung der Anträge vom Magiftrat beantragt worden ist.
Weihnachten ist vorüber, das schöne Fest mit seinen Freuden und Leiden. Mit seinen Freuden für alle diejenigen, welche fich noch in der Lage befinden, ihren Lieben, ihren Kindern, sowie ihren Freunden einige kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten zu bereiten. Am Weihnachtsfest zeigt sich die wahre Nächstenliebe; jeder sucht den Andern zu erfreuen, jeder sucht die Ueberraschung, welche er für seine Lieben bestimmt hat, bis auf den legten Augenblid geheim zu halten, damit die Freude für den Beschenkten um so größer ist. Die frohen Ge fichter und die Herzen voll Liebe am Weihnachtsfeste, in Familiens und Freundeskreise, könnten sie endlich für immer auf die ganze Menschheit übertragen werden! Wann wird endlich für Alles, was Menschenantlig trägt, wann wird endlich in jeder Wohnung, in jeder Hütte für fleißige Arbeiter ein Weihnachtsfest, ein Fest der Liebe anbrechen, wo es heißt: Friede auf Erden und den Dien fchen ein Wohlgefallen!" So traurig wie auch für den Einen oder den Andern das Weihnachtsfest ausfällt, sei es durch schlechte Beiten oder Geschäftsverhältniffe, so hat es doch im Großen und Ganzen den Vortheil, daß es uns wieder näher zusammen enger aneinander schließen und dem die Hand zur Versöhnung führt, daß wir, zum Feft der Liebe versöhnlicher geftimmt, uns reichen, dem wir webe gethan zu haben glauben. So wirft Das Fest versöhnend im Familienleben, in dem Verein und in