laufen. Ja, die Jubenpresse jubelt darüber und selbst die Pariser Blättec bringen Telegramme. Wir haben ein Mandat verloren, froßdem wir in diesem Kreise die höchste Stimmenzahl auf uns vereinten. Es ist eine ehrenvolle Niederlage, denn wir haben 23 pCt. der Stimmen erhalten, obwohl die Sozialdemokraten und die Anhänger der Nordd. Allg. 8tg." gegen uns stimmten. Nicht wie man politische Gegner angreift, ist man gegen unseren Kandidaten vorgegangen, wie ein Wild hat man ihn gehegt. Ich gebe Ihnen aber die Versicherung, daß ich meine Gegner auch nicht schonen werde. Wenn am 1. Januar mein Mandat abgelaufen ist, wird der Antisemiten- Führer Pickenbach seine Gegner ohne Glaceehandschuhe angreifen.( Stürmischer Beifall.) Den Vortrag des Abends, den Dr. Capristrano aus Kassel hielt, können wir übergehen. Erwähnenswerth ist nur, daß während des selben die Versammlung zwei Mal vertagt werden mußte, da mit einige Juden und Judenknechte" hinausgeworfen werden tonnten. Herr Bidenbach en suchte bei der zweiten Bertagung auf fünf Minuten die noch anwesenden Juden freiwillig den Saal zu verlassen, um ein dritte Vertagung" zu ver meiden. Dem Schri tjeter Kunkel, Der auf den Vortrag erwidern will, wird das Wort verweigert; er verläßt mit den Saal, übrigen Arbeitern den
Vermischtes.
„ Ein unblutiger Hugo Schent" lautet sensationell genug die Ueberschrift einer Erzählung in dem ,, Neuen Wiener Tagblatt". Der unblutige Hugo Schent" ist, wie man fich wohl denken kann, ein Heirathsschwindler, der ohne Blutver gießen arbeitet". Unähnlich jenem Ungeheuer aber, das es auf die Spargrofchen armer Dienstboten abgesehen hatte, richtete unser Mann sein Augenmert auf Töchter wohlhabender Familien, auf Mädchen, die von der Natur besonders bevor zugt waren, durch Jugend, Tugend und Schönheit glänzten, und überdies noch auf eine bedeutende Mitgift zu rechnen hatten. Hier die Geschichte dieses Hochstaplers, wie sie das N. W. Tgbl." erzählt:
den Parteien. Wenn jeder von dieser wahren Nächstenliebe, wie am Weihnachtsfest, durchdrungen, wenn jeder es sich zur Aufgabe macht, in seinem ganzen Thun und Treiben nur da hin zu wirken, daß dieser oben ausgesprochene Wunsch endlich realifirt wird; wenn jeder bei all seiner Thätigkeit vor Allem fein werthes Jch in den Hintergrund stellt und nur aus Liebe au seinem Nächsten handelt, dann erft werden wir bald ein Weihnachtsfeft feiern, bei welchem wir uns die Hand reichen und sagen fönnen Friede auf Erden!" Viel giebt es bis dahin noch zu thun. Ein großer Theil von uns ist noch vom Egoismus voll: Jeder sorgt für sich und Gott für uns Alle!" sowie„ Es hilft ja doch nichts!" Wie oft hört man nicht diese alten Sprüchwörter? Ja, wenn wir Alle so fagen wollten, dann würde die Menschheit fein anderes Biel tennen als den nackten Kampf ums Dasein. Daß dem aber nicht so ist und nie werden wird, das lehrt uns die Weltgeschichte. Immer und immer waren es einzelne ideal veran lagte Menschen, welche mit Begeisterung für Recht und Wahr heit eintraten, ja fich selbst opferten und dadurch die Ent widelung des Menschengeschlechts zum Guten und Besseren förderten. So wollen wir es uns zur Pflicht machen, mit Dieser vollen Nächstenliebe im Herzen tahin zu wirken, daß Das geistige Band, welches uns Alle vereint, immer herrlicher und schöner fich befestigt, auch daß endlich das Weihnachtsfest ehe er in Büte" hinaus befördert wird. Einige Fragen geben mädchen die Visitenkarte überbrachte. Der Name des Fürsten
erscheint, von dem jeder sagen lann: Friede auf Erden und den Menschen ein Woblgefallen!"
Statistik über die Betheiligung an den Stadtver ordneten- Ergänzungswahlen. Bom Magistrat ist ein Ver zeichniß der am 24., 25., 26. November und 15. Dezember gewählten Stadtverordneten nebst statistischer Uebersicht der Betheiligung an diesen Wahlen herausgegeben. Bei den Ers gänzungswahlen am 24. November betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler( II. Klaffe) 61 591, davon erschienen 19 233, b. h. 31,23 pCt. Wähler II. Klaffe waren 16 019 ein. getragen, von ihrem Wahlrecht machten 6916, d. h. 43,17 pet. Gebrauch. Wähler I. Klaffe maren 3195 vorhanden, hiervon wählten 1670, d. h. 52,27 pSt. Bei den Stichwahlen, die bekanntlich nur in dritter Abtheilung nothwendig waren, erschienen von 35 993 eingeschriebenen Wählern 12 967, d. h. 36,03 pCt.; die stärkste Betheiligung war im 8. Kommunalwahlbezirt, hier wählten 47,60 pCt. der Wähler. Bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1883 war die Betheiligung stärker als jest, fie betrug in der III. Klaffe 39,78 pet.( gegen 31,23 jezt), in der II. Klaffe 59,13 pt.( gegen 43,17 jest), in der 1. Klaffe 78,28 pCt.( gegen 52,27 jest).
b. Ein Gerichts- Vollzieher versteigerte gestern post festam 500 Tannenbäume aus einer Streitfache. Ob dieselben wohl die Insertionstoften eingebracht haben mögen?
Simon May ist, wie die„ Germ." berichtet, am zweiten Weihnachtsfeiertage durch den Pastor Schwarz in der Simeonfirche getauft worden.
g. Die Hafenhaide war schon wieder einmal und awar in der Nocht zum 28. d. M. der Schauplah eines blutigen Renkontres zwischen Zivilisten und Militärmann schaften. Wie in den meisten derartigen Fällen, so fam es auch diesmal in einem Tanzlokal wegen einer Tänzerin zum Streit, der bald in arge Thätlichkeiten überging. Das D.fer war ein Brauer, welcher, wie uns mitgetheilt wird, mit den Säbeln der 1ückhaltslos einschlagenden Soldaten derartig zuge richtet wurde, daß ihm thatsächlich das Geficht zerhackt worden war. Der Schwerverlette wurde von der Sanitätswache in der Adalbertstraße, wo er nur mühsam die vorgedachten Angaben machen fonnte und woselbst ihm ein Nothverband angelegt wurde, nach dem Krankenhause Bethanien befördert. Es soll gelungen sein, sämmtliche an der Schlägerei betheiligten Ber fonen, darunter auch die Soldaten, festzustellen, so daß der Vorfall noch ein Nachspiel vor dem Strafrichter haben wird.
Gerichts- Zeitung.
Krefeld . Die hiesige Straffammer verurtheilte den Bolizeifergeanten A. Mewes wegen widerrechtlich er Freiheitsberaubung im Amte und Körperverlegung im Amte in drei Fällen zu 18 Monaten, den Polizeisergeanten Wilhelm Hambloch und den Polizeidiener Schmidt wegen Mißhandlung im Amte zu 9 Monaten Gefängniß. Bezüglich der Körperverlegung wurde, wie die„ ,, Crefelder 3tg." meldet, die ganz außergewöhnliche und gemeine feige Weise gegen Wehrlose" in Betracht gezogen. Gegen Schmidt wurde außerdem in einem zweiten Falle wegen gefährlicher Körperverlegung im Amte auf weitere 1 Jahr 9 Monate Gefängniß erkannt.
Soziales und Arbeiterbewegung. Die Wohnungsverhältnisse der ärmeren Bevölkerungstlassen sind nicht nur in den großen Städten, sondern auch auf dem Lande vielfach erbärmliche. So veröffentlicht das Landrathsamt zu Gera für das platte Land folgende das Schlafstättenwesen betreffende Verordnung:„ Die Schlafräume der Kost- und Quartiergänger dürfen mit den eigenen Wohnund Schlafräumen des Kost- und Quartiergebers und dessen Hausangehörigen weder in offener Verbindung stehen, noch durch eine Thür verbunden sein. Jeder Schlafraum für Kost und Quartiergänger muß gedielt und mindestens mit einem Fenster in der Außenwand des Hauses versehen sein, auch darf derselbe nicht mit Abtritten in offener Verbindung stehen. Der Schlafraum muß für jede Person mindestens 10 cbm Luftraum enthalten. Für mindestens zwei Quartier nehmer ist ein Waschgeschirr zu stellen, auch muß jedem Quar tiernehmer mindestens ein Strohfad, eine starte wollene Dede Handtuch gewährt werden. Der Quartiergeber ist verpflichtet, für tägliche Reinigung zu sorgen und nicht tapezirte Miethsräme jährlich einmal tünchen zu lassen. An der Thür des Schlafraumes muß auf der Innenfeite eine Tafel hängen, auf welcher die zulässige Zahl der den Schlafraum benußenden Kost- und Quartiergänger anzugeben ist. Die Schlafräume dürfen nicht von Personen verschiedenen Geschlechtes als Schlafraum benugt werden. So wie der Quartiergeber bei der Aufnahme von Quartiernehmern dem Gemeindevorsteher Anzeige zu erstatten hat, so hat er dies auch beim Ausbruch ansteckender Krankheiten zu thun." Daß eine solche Forderung nothwendig oder auch nur möglich ist, zeigt uns, wie jammervoll es mit dem Schlafftättenwesen auch in jener Gegend bestellt ist.
Die Flachs spinnerei von Leeds ist, wie wir schon mitgetheilt haben, fast vollständig zu Grunde gegangen. Vor etwa 25 Jahren eristirten dort etwa 40 Fabriken mit 200 000 Spindeln, 1400 Dampfwebestühlen und Dampfmaschinen mit ist mit Ausnahme einiger kleiner nur noch die große Spinnerei der Firma Marshall u. Comp. übrig, welche aber wegen NichtRentabilität auch Ende dieses Jahres geschlossen wird. Sie beschäftigte 4000 Leute und galt für die größte Flachsspinnerei
Der Welt.
Vereine und Versammlungen.
Herrn Bidenbach noch Gelegenheit zu der Erklärung, daß er im 27. Kommunal- Wahlbezirt nicht kandidiren werde, um häuslichen Streit in der Partei zu vermeiden. Luſt hätte er dazu gehabt, im Parteiintereffe aber will er Abstand nehmen. Die Versammlung nahm schließlich einstimmig folgende Reso lution an: Die heute in der Berliner Bockbrauerei in Bahl von über 2000 versammelten deutschnationalen Bürger Berlins erklären fich voll und ganz mit den Ausführungen des Dr. Capistrano aus Kaffel einverstanden, fte erhoffen und erstreben mit ihm die Bildung einer selbstständigen deutschen antisemitischen Partei, welche im Reichstage durch eigene Abgeoronete vertreten ist und geloben feierlich, bei den bevorstehenden Wahlen aus allen Kräften das Thrige zu thun, um der heiligen, rechten antisemitischen Sache zum Siege zu verhelfen."
Eine öffentliche Versammlung der Steinträger Berlins und Umgegend, welche sehr stark besucht war, tagte am 27. d. M. in der Tonhalle unter Vorsitz des Herrn Wal lenthien. Die Tagesordnung lautete: Die Lohnbewegung in diesem Jahr und wie stellen wir uns im nächsten Frühjahr zu derselben." Der Referent Herr Rennthaler führte etwa folgen des aus: Vor 5-6 Jahren hätte man den Steinträgern für 1000 Steine 1,25 bis 1,50 M. im Rellergeschoß und eine Bue lage pro Etage von 50 Pf. gezahlt. Die Schuld an dem verhältnismäßig geringen Berdienst fet aber nur den Kollegen selbst zuzumeffen, weil fie Tag und Nacht gearbeitet haben und eine geregelte Arbeitszeit nicht fannten. Durch den verflossenen Streit der Maurer waren fie zu der Erkenntniß gekommen, daß fie fich organifiren müffen, um ihre Lage zu verbessern. Es seien zwar noch viele indifferente Kollegen vorhanden, jedoch auch diese würden einsehen, daß man in diesem Jahre Erfolge erzielt habe; die Arbeitgeber zahlen heute schon einen ganz andern Preis wie zuvor. Die größte Nothwendigkeit sei, daß sich jeder Kollege dem bestehenden Fachverein der Berliner Steinträger anschließe. Redner unterzog alsdann einen Artikel der Nordd. Allg. 8tg." einer Kritit, in welchem von einem Bau in der Bülowstraße die Rede ist, auf welchem sämmtliche Steinträger die Arbeit niedergelegt haben, weil man ihnen ihre gerechte Forderung nicht bewilligt hat. Dieselbe Beitung schrieb, daß die Steinträger dort die Arbeit nur aus Revanche Revanche gegen fte die Maurer niedergelegt hätten, sein, daß fie noch Arbeit hätten.
"
sollten zufrieden
Die genannte Beitung fet im Frithum, die Arbeiter, ob Stein. träger, Maurer oder Zimmermann, seien alle gewillt, ihre Lage zu verbessern. Derartigen Ergüffen der Preffe würde Niemand, der die Verhältnisse fennt, Glauben schenten. Diese Preßorgane vertreten nur die Intereffen der Arbeitgeber, die Interessen der Arbeiter vertrete allein das Berliner Volksblatt". Redner führte ferner aus, der jezt bestehende Tarif müffe noch vers beffert werden. Einigkeit sei vor allen Dingen nöthig und Jeder, der noch nicht Mitglied des Vereins sei, müsse sich demselben anschließen.( Beifall.) An der Diskussion betheiligte sich zunächst Herr Kunkel im Sinne des Referenten. Jeder Einzelne ftrebe darnach, seine Lage zu verbessern. Der Arbeiter müsse vor allen Dingen eine geregelte Arbeitszeit herbeizuführen suchen. Eine starke Vereinigung fönne dies erreichen, organifiren fie fich also, dann wird bei einem etwaigen Streit der Sieg nicht ausbleiben." Auch Herr Behrend sprach seine Anerkennung darüber aus, daß der Fachverein der Steinträger eine Mitgliederzahl von 850 erreicht habe. Redner, welcher auf dem erwähnten Bau in der Bülowstraße beschäftigt ist, legte der Versammlung flar, daß die Steinträger, welche daselbst die Arbeit eingestellt haben, dies feineswegs aus Revanche gegen die Maurer gethan hätten, davon tönne niemals die Rede sein. Die Steinträger
feien auch schon Willens, mit den Arbeitern zu unterhandeln. Hedner appellirte ebenfalls an die Versammlung, fich dem Fachverein anzuschließen, sowie nur auf das„ Berliner Boltsblatt" zu abonniren. Herr Krandemann( Maurer) äußerte fich dahin, daß bei dem verflossenen Streik die Steinträger die rechte Hand Der Maurer gewesen seien. Dieselben eingestellt. haben im Interesse der Maurer die Arbeit
Herr Tischler Nöste: Wenn en Arbeiter eine Wohnung miethen wolle, so bekäme er of: die Antwort, die Wohnung müsse so und so viel Miethe bringen; die Hauswirthe seien fich darin alle einig, obwohl man von einem Streit der Haus wirthe noch nie etwas gehört habe. Die Arbeiter müßten für fich in ähnlicher Weise sorgen, indem sie einen festen Bund bilden. Herr Michelsen: Ein jeder Arbeiter müffe fich darüber flar sein, daß, wenn die Arbeitgeber wiffen, die Arbeiter haben teine Vereinigung, fie dann ganz gewiß dem Arbeiter noch ungünstigere Arbeitsbedingungen stellen würden. Deshalb appellire auch er( Redner) an die Steinträger sowie an die Maurer und Zimmerleute, einig zu sein und gefchloffen vorzus gehen. Der Vorftpende legte llar, daß die Steinträgt auf dem felben Boden stehen wie andere Korporationen; er forderte eben falls die Versammelten auf, fich dem Fachvercin anzuschließen. Folgende Resolution wurde hierauf angenommen: Die heutige Versammlung der Steinträger Berlins und Umgegend erklärt fich mit den Ausführungen des Referenten und anderer Redner einverstanden und verpflichtet sich, im Sinne derselben u wirken. Zu Verschiedenes" wurde nach kurzer Debatte ein stimmig beschloffen, für drei ekranite Kollegen eine Tellers Sammlung zu veranstalten. Zum Schluß machte der Vor figende bekannt, daß die nächste Vereinsversammlung am 10. Januar bei Scheffer, Inselstr. 10, stattfindet, worauf er die Versammlung mit einem Hoch auf das Gedeihen des
Fachvereins der Berliner Steinträger schloß.
Halle a. S. 28. Dezember. Der hiesige Fachverein der Tischler hat in seiner am 5. d. M. abgehaltenen Versammlung beschloffen, eine Deputation an den Herrn Oberbürgermeister Staude zu senden, um denselben zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß die für das hiesige neue Theater in Submission zu vergebenden Tischlerarbeiten soviel wie möglich hiesigen Tischlermeistern übertragen werden und daß nicht dem Mindestfor dernden die Ausführung der Arbeiten übertragen werde. Am Herrn Oberbürgermeister, welcher schon auf deren Empfang vorbereitet war. Er versprach, soviel in seinen Kräften steht, dafür einzutreten, daß die hieſigen Meister zunächst berücksichtigt
Die Antisemiten wollen bei den nächsten Reichstags- 27. Dezember hatte diese Deputation eine Besprechung mit dem wahlen eigene Kandidaten der Deutschen antisemitischeu Bartei" aufstellen. Eo ist es gestern Abend in einer Ver
werden sollen. Die Deputation beabsichtigt außerdem noch eine
Boff. Biz." berichtet da: über folgendes: Kaufmann Kreper Stadtverordneten Pidenbach den Vorsiz. Pickenbach, melancholisch fommission der hiesigen Stadtverordneten- Versammlung zu bewegt: Ich übernehme den Vorfiz allerdings noch als richten. Stadtverordneter, aber mein Mandat ist am 31. Januar abge
Jm vorigen Jahre war es. Jm Theater An der Wien tam eine Reprise der Fledermaus" zur Aufführung. In einer Barterreloge faß der Großindustrielle Alois R...... mit seiner Frau und feiner ältesten Tochter. Die Loge nebenan war von einem einzelnen Herrn besetzt, der sich so benahm, daß er die Aufmerksam leit seiner Nachbarn erregte, doch that er nichts, was irgendwie ein Mergernig hervorrufen konnte. Wenige Tage darauf ließ fich im Hause dieses Großindustriellen Fürst K- wiß melden. Der Hausherr war nicht wenig erstaunt, als ihm das Stuben= war ihm vollends unbekannt. Nicht lange sollte er über das Motiv des Besuches des seltsamen Gaftes im Untlaren bleiben. Der Fürst stellte fich nach einer ganz furzen Einleitung als ernster Brautwerber vor. Die Sprache, die er führte, war die eines vornehmen Kavaliers. Er führte fich damit ein, daß er vorweg seinen Namen, Stand und Charakter angab; er erzählte ganz offen, daß er vor Wochen bereits die Tochter des Hauses in einem anderen Theater gesehen, und daß sie einen so mächtigen Eindruck auf ihn gemacht habe, daß er nicht umbin fonnte, fich nach ihren Verhältnissen respettive nach denen ihrer Eltern zu erkundigen, und er fügte hinzu, daß all' das, was er über diese Verhältnisse gehört habe, den Entschluß in ihm wachgerufen habe, als Freier aufzutreten. Nun tönne er freilich nicht vorausseßen, daß man Antrag fofort afzeptiren werde, er bitte deshalb Einsicht seinen zu nehmen in alle seine Dokumente, die er zu diesem Swede mit fich gebracht, und er wolle auch nicht sofort irgend welche andere Bustimmung erzielen als die, daß es ihm ge stattet werde, als ernster Bewerber in's Haus tommen zu dürfen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, ob auch im Taule der Zeit das Mädchen Neigung zu ihm faffen werde, und wäh rend dieser Beit hätte man auch reichlich Gelegenheit, über feine Verhältniffe Erlundigungen einzuziehen. Diese offene Sprache imponirte. Der Fürft wurde der Frau und der Tochter des Hauses vorgestellt und nach diesem kurzen ersten Besuch freundlichst eingeladen, bald wieder zu kommen. Sein Beneh men bei wiederholten Besuchen war ein solches, daß man In tereffe für ihn empfinden mußte. Er hatte nichts junterhaft Hochmüthiges an fich und nichts beleidigend Herablafsendes. Er gab sich einfach und schlicht wie ein Bürgerlicher, und doch mußte man fich allgemein gestehen, daß all' sein Thun das Gepräge des Noblen und Vornehmen an fich trage. Jung männlich schön und von einschmeichelndem Wesen, war es dem Fürsten bald gelungen, das Herz seiner Auserwählten zu ge winnen, und fand auch keine öffentliche Verlobung statt, so hatten sich doch die Parteien untereinander vollkommen vers ständigt, und nach Verlauf von vierzehn Tagen wurde schon viel von der Hochzeit gesprochen.
Ein Lieblingsthema der Brautmutter war die wiederholte Hinweisung auf die reiche Mitgift ihrer Tochter.
Meine
Julie bekommt fünfzigtausend Gulden Mitgift, freilich nicht nebst der reichlichen Ausstattung werthvollen Schmuck, die viel für einen durchlauchtigen Fürsten , aber fie bekommt auch schönen Perlen, die mir meine Mutter vererbt hat." Bei diesem Anlaß wurden die Perlen vorgezeigt, fie waren wunderschön, von ziemlicher Größe und Gleichheit, rund und rein weiß. Nur das Schloß war veraltet. Der fürstliche Bräutigam machte fich anheischig, seiner Braut ein anderes Schloß dazu zu laufen. Die Mutter wollte ihm die Perlen sofort übergeben, der Fürst mies aber den Schmud zurück mit dem Bedeuten, daß in Baris ähnliche Sachen viel schöner und viel billiger zu befommen seien, und da er mit seiner Braut die Hochzeitsreise ohnehin nach Paris machen werde, sei es besser, zu warten. Viel und eingehend wurde darüber gesprochen, wo die Hochzeit stattfinden sollte. Die Mutter der Braut hätte gerne eine pompöse Feier in Wien veranstaltet, zu der alle Freunde und Bee gewiß Vele im Stillen ärgern würden, daß ihre Julie fannten hätten hinzugezogen werden sollen, von denen sich in den Fürstenstand" erhoben werde. Braut jedoch, eine bescheidenere Natur, die lein Aufsehen liebte, war einverstanden mit dem Bräutigam, daß die Hochzeit in einem Kleinen Städtchen in der Walachet ganz im Stillen Eines Tages erschien Fürst K. mit verstörter Miene, und präs fentirte ein Schreiben, das ihn für den nächsten Monat nach
Der Vater der
stattfinde, und daß jedes Aufsehen dabet vermieden werde.
Paris berief. Fürst K. erzählte mit aller Aufrichtigkeit, um Tagen fich nach der Walachet in seine Heimath begeben werde, um dort seine Heirathsbewilligung zu erwirten, er bat, daß das Gleiche auch hierorts von seinen Schwiegereltern geschehe, das mit Alles in Ordnung sei, und die hochzeit baldmöglichst statt finden könne. Fürst K. reiste in der That bald ab, und, seis nem Wunsche entsprechend, traf der Großindustrielle alle Vor bereitungen, die zur Eheschließung nothwendig waren.
Nach
Im April dieses Jahres reisten der Großindustrielle mit Frau und Tochter an den ihnen bekannt gegebenen Ort, woselbst die Trennung in aller Stille vollzogen wurde. Das junge Ehepaar trat eine Hochzeitsreise an, die glüc lichen Schwiegereltern tehrten nach Wien zurück. faum acht Tagen erhielten fie ein Schreiben, das sie mit Schrecken und Betrübniß erfüllte. Ihr liebes Kind zeigte ihnen an, daß es fich in verzwe flungsvoller Lage befinde. Ihr Mann habe sie eines Morgens, angeblich in G. schäfts Ange legenheiten, verlaffen und sei nicht wiedergelehrt, alles Suchen set vergebens gemesen, die Nachforschungen wären erfolglos ge blieben. Sie schilderte in herzzerreißender Weise ihre Lage und bat die Eltern nach Paris zu fommen, um sie aus ihrer schreda lichen Situation zu befreien.
Was war da geschehen? Warum hatte der Fürst so plöt lich seine junge Frau verlaffen? Der Brief der armen Unglüd lichen ließ auch darüber leinen Bweifel. Sie war das Opfer eines gemeinen Schwindlers und Betrügers geworden, er hatte fte verlassen, nachdem er nicht nur die volle Mitgift, sondern auch ihren ganzen Schmuck, ja Alles, was sie nur Werthvolles besaß, mit sich genommen hatte. Wer war der Fürst? Ein Stedbrief, den die russischen Behörden erst vor wenigen Tagen veröffentlichten, giebt darüber vollen Aufschlug. Nach diesem Steckbriefe, der die vielen Namen aufzählt, unter wel chen sich der Schwindler in Rußland , in der Türkei und in Der Walachei herumgetrieben hat, bestand das verbrecherische Genre dieses Industrieritters darin, daß er Töchter aus besse ren Familien in der gleichen Weise zu födern wußte, wie er es in Wien gethan. Er trat bald als Graf, bald als Fürst auf. Die no bigen Dofumente, die er zur Bekräftigung seiner Angaben stets vormies, waren von seiner eigenen Hand ges fälscht, und er täuschte damit nicht nur die Familien, in welche er fich eingeschlichen, er täuschte auch die Behörden,
ſich auf Grund dieser falschen Dokumente überall nem er Hugo Schent" in den legten drei Jahren vier Damige wohlhabenden Familien schändlich betrogen, bat fle um ibe Ehre und ihr ganzes Vermögen gebracht; in dem furzen Beits raume von drei Jahren hat er nicht weniger als viermal ge
raths: Konsense zu verschaffen wußte. So hat dieser unblutige ihre