ketodtet worden fein; die Uebrigen fielen in Folge des Kreuz- feuers der Angreifer. Da diese Nachricht aus englischer Quelle gefloffen ist, so wird man dieselbe mit Vorficht auf« nehmen muffen. Es ist übrigens auS diesen Zeilen nicht er« fichtlich, warum die Buren gegen die Eingeborenen ins Feld zogen. Daß es ihnen lediglich nur um die Entwaffnung zu lhun war, läßt fich kaum annehmen. Amerika « Aus New- Nor! kommt die Meldung von einem Aufsehen erregenden Siege, den die New-Uorler Gewerkschaftsvereinigung, dieCentral Labor Union", im Kampfe gegen den Direktor desThalia- Theaters" und desStar. Theaters" errungen bat. Herr Amberg , der besagte Direktor, hatte nämlich der Beginn der Saison die Thearerkapelle des Thalia- Theaters entlassen und an Stelle der der Mustier. VereinigungMutal Musical Protedive Union" angehörenden Musiker billigere Kräfte von auswärts herangezogen und engagirt. Es war dies eine Kapelle, welche vordem in einem einfachen Biergarten in Philadelphia für einenHungerlohn", wie die New» Jorker Musiker behaupteten, konjertirt hatte. Die Theatermufiker, welche unter fich eine besondere Vereinigung unter dem Namen Carl Sahm Club" bildeten, wandten fich nun an dieCentral Labor Union" mit der Bitte, sie in ihrem gerechten Lohnkampfe gegen den Direktor Amberg zu unterstützen. Die genannte Ver- rinigung der Gewerkschaften machte in der Sitzung vom 8. No­vember 1885 die Sache, nachdem ein vordem ernanntes Komitee die Sachlage geprüft, zur ihrigen und beauftragte den Ausschuß mit der Emleitung und Durchführung deS LohnkampfeS. Herr Amberg behandelte die abgeordneten Delegirten sehr von oben herunter und erklärte, daß er nur dann auf die Forderung, Enllassung derScab- Musiker" und Wiedereinstellung des Carl Sahm Club", eingehen könne, wenn dieCentral Labor Union" die Differenz trüge, welche auf pro Mann und Woche 6 Dollars ausmache. Damit war der Krieg erklärt und dai Thalia« und Star« Theater wurde von dem Komitee der vereinigten Gewerk« schaftengeboycottet". Sämmtliche den Arbeitern zugängliche Zeitungen New Doris brachten täglich große Annonzen folgen- den Inhalts: Boycott ! Boycott! Das Thalia« Theater. Direktor Amberg arbeitet mit unter Kontrakt imvortirten Musikern und setzt allen New-Uorler Musikern den Stuhl vor die Thür. Aufforderung! Wir appelliren an daS Publikum im Allgemeinen, speziell aber an alle Mitglieder von Gewerkschaften, Gesang- und ÄrankenunterstützunaS-Vereinen, Logen rc., um ihre thatkräftige Unterstützung und Mitwirkung, um unS behilflich zu sein in unserem Kampfe gegen den Direktor des Thalia-Theaters und fordern deshalb Alle, welche mit den zurückgesetzten und aus- aebeuteten Musikern sympathtfiren, auf, mit allen Kräftm Direktor Amberg , resp. des Thalia-Tbeater, zu boycotten. Die Zentral Labor Union von New-Borl und Umgegend. Des gleichen Inhalts prangten riesige Plakate an den Straßenecken und Anschlagsäulen, auch wurden Zirkulare dieses er- hängnißvolle Aufforderung zu ignoriren, Mitterwurzer vom Wiener Hosburgtheater traf in Newyork zu einem Gastspiele bei Amberg ein, und spielte zunächst in demStar<Theater" vor leeren Bänken. Vierzehn Tage dauerte dieser Krieg. Endlich suchte fich Amberg der Mufiker-Union zu nähern, diese aber erklärte, daß sie mit der Angelegenheit nichts zu thun habe, und wies ihn an dieCentral Labor Union. Diese stellte ihm ihre Bedingungen und nach einiger Bedenkzeit ließen Direktor Amberg und der Besitzer deSThalia-Theaters", Herr Kramer, daSBoycott".Komitee benachrichtigen, daß sie bereit seien, sämmtliche Forderungen zu bewilligen. Darauf begab fich das Komitee am 5. Dezember nach Kramers Office, wo folgender Vertrag zu Stande kam:Gegenseitiges Hebet« einkommen der Central Labor Union und des Carl Sahm Elud mit Herrn G. Amberg.Ich, Gustav Arnberg, ver­pflichte mich hiermit, in allen unter meiner Leitung stehenden Theatern Musiker des Carl Sahm Club, welcher in der Central Labor Union vertreten ist, anzustellen, und ich verpflichte mich ferner, denselben den vollen Union-PreiS. wie derselbe durch die Konstitution der Musical Productive Union von New-Nork vorgeschrieben ist, zu bezahlen, und ferner verpflichte ich mich, in Fällen, wo spezielle Instrumente erforderlich find, eine Woche vorher Austrag zu aeben. Ich verpflichte mich außer« dem, an den Carl Sahm Club 400 Doli, als Kosten der Aus» gaben für das Boycott-Verfahren zu bezahlen. Die unterzeichneten Vertreter der Central Labor Union erklären hiermit, daß in Erwägung dieser Thatsachen daS Boykott-Berfahren gegen da»Thalia-Theater" und da»Star« Theater" eingestellt ist, und wir versprechen, unseren Einfluß aufzubieten, den bisher angerichteten Schaden wieder gut zu machen. In Fällen von Differenzen zwischen der Direktion über, nehmen werde," erwiderte Zoseph.Wußten Sie das noch nicht?" In der That nein. Ich glaube, Sie machen ein gutes Geschäft." Will es hoffen, Herr von Barnekow.' Jedenfalls wollen wir einmal darauf anstoßen!" Sie sind sehr gütig." Ah bah, ich bin niemals stolz gewesen," sagte Barne« low ru vertraulichem Tone, während er de« Kammerdiener durch erne Handbewegung einlud, ihm gegenüber Platz zu nehmen.Zch wünsche Ihnen von ganzem Herzen, daß e» Ihnen gut gehen möge." Ja, daS wünsch« ich mir auch," erwiderte Zoseph köpf, schüttelnd,aber dre Aussichten si.d noch sehr trübe." .Inwiefern? fragte Barnekow, während er da» GlaS des Kammerdieners füllte. Weil ich kein Geld habe," W« Zoseph leise.Herr Rabe hatte mir zehntausend Thaler versprochen, jetzt zögert «r. sie mir zu geben. Und ich muß das Geld binnen drei Tage» haben." Herr von Barnekow wiegte mit bedenklicher Miene da» Haupt und reinigte die Gläser seiner Lorgnette. .Und Sie können sich das Geld auch nicht auf einem anderen Wege verschaffen?" fragte er. Wer sollte es mir geben?" Hm, es finden sich immer Leute, die unter guter Bürg« schaft Kapitalien ausleihen." .Eine gute Bürgschaft kann ich nicht bieten, denn eine zweite Hypothek wird nicht als solche betrachtet." Da» allerdings nicht, aber" Und Herr Rabe hatte mir das Geld versprochen," fuhr Joseph gereizt fort,muß er da nicht Wort halten?" «Zwingen können Sie ihn nicht dazu!" "Wer weiß!" «Wollte er Ihnen die Summe schenken!" »Jawohl." Barnekow füllte die Gläser wieder und schüttelte aber walz de» Kopf. dieser Theater und dem Carl Sahm Club sollen dieselben durch das Schiedsgericht der Central Labor Union geschlichtet werden. Die Mitglieder des Orchesters sollen fich den Regeln und Vor» schriften der verschiedenen Theater fügen. New-Hork, 5. De­zember 1885. G. Amberg. Paul Mayer, Vorsitzender deS Boykott« Komitees der Central Labor Union. Jobn Huber, Sekretär. Emil Sander. I. A. Raab. Eduard Feltenberg. John Mollenhauer. Vertreter des Carl Sahm Club: Hermann Schunke. Henry Frey." Dem Vo-sttzenden des KomtteeS, Herrn Paul Mayer, wurde, wie derNeuen Mustker-Zeitung" gemeldet wird, bevor er seinen Namen unter diesen Vertrag setzte, ein auf vierhundert Dollars lautender Che! eingehändigt, nachdem das Komitee seine Belege für die Kosten des Boykott» Verfahrens vorgelegt hatte, unter denen fick auch die Geldbuße von zehn Dollars defand, zu welcher der Mustker Mollenhauer vom Gericht wegen Vertheilung von Boykott- Zirkularen ver« urtheilt wurde. Der Verstag ist am 6. Dezember in Kraft ge- steten, und von diesem Tage ab spielen wieder die Mitglieder der Mufiker-Union imThalia-Theater". So endete der Kampf der organifirten New« Notker Arbeiter gegen einen hartnäckigen, auf seinem sogenanntenRecht" bestehenden Theaterdirektor. ßokales. Vom Zeitungsiefen. Die Alten, welche uns dock so viele Götter hinterlaffen haben, vergaßen völlig einen Gott oder eine Göttin der Zeitungen, des Zettungswesens, der Zeitungsleser und der Zeitungschreiber. Apollo und Minerva sind zwei viel zu vornebme Götter für Papier und Drucker- schwärze und Odin würde sich dagegen verwahren, wenn man vie beiden Raben, welche ihm die Weltgeschichte ins Ohr raunen, etwaMorgenblatt" undAbendblatt " taufte. Auch zu einem Heiligen hat es die Zeitung noch nicht gebracht und es wäre somit hohe Zeit, in beiden Richtungen abzuhelfen. Die Kinder in der Wiege werden bald nicht mehr mit dem Schlaf', Kindlein, schlaf'" eingeschläfert werden, sondern mit der Vorlesung einer eigens für diesen Zweck geschriebenen Fachschrift für die Jntereffen der Wickellinder", und die Tobten werden, eingehüllt in mehrere Nummern desOrgan für Verstorbene", in den Sarg gelegt. Ist das Zeitunalesen eine Erholung oder eine Arbeit, eine Lust oder Qual? Ist es Gewinn oder Zeitvergeudung? Es ist je nachdem AlleS mit­einander! Es will gelernt und geübt werden wie jede andere Fertigkeit, und Jeder würde staunen, wenn er die Stunden genau gezählt erfahren könnte, welche er zeitlebens mit Nutzen oder Unnutzen aus das Zeitungslesen verwendet hat. Aber wie verschieden ist das Lesen des Einen und des Andern! Der Durchschnittsmensch, der nur sein Leibblatt täglich liest, ist der glücklichste von allen ZeilungSlesern, vielleicht auch un­bewußt der gescheivteste. Das Blatt, wenn er es zur Hand nimmt, ist ihm von Anfang zu Ende so bekannt, wie seine angetraute Eheftau, und wenn irgendwo, so ist das Gleichniß hier anwendbar; Er ist mit seiner Zeitung verbeiralhet. Diese Frau die Zettung nämlich ist eS auch, welche stetS allein spricht, welche allein das Wort führt und daber, wenn nicht schon beim ersten Male, so doch beim zweiten Male Recht de- hält. Diese Ehefrau ist gewöhnlich auch so gefällig, das muß man ihr laffen, dem Geschmack ihres Eheherrn in jeder Weise entgegenzukommen, um ihm den Tisch jederzeit so zu bestellen, wie er es am liebsten hat. EinStammleser" wird selbst in den aufregendsten Zeiten seine Lievlingsgerichte nicht vermiffen. Der Gegensatz zumEtammleser" ist der schwarmgeistige Leser. Ihn interesfitt AlleS, er will Alles wissen, Alles erfahren; er will über dieselbe Angelegenheit Aller Meinungen kennen ler- nen obgleich ihn vielleicht alle diese Geschichten im Grunde gar nichts angehen. Diese Schwarmgeister stürmen in den Kaffeehäusern und Lesesälen hin und her und maidern dort die Zeitungen von allen Tischen zusammen. Der Eine kommt zu spät in s Geschäft und gar Mancher vergißt seine Familie, sein HauS über den ewig auf- und absteigenden Eimern der Zei- tunaslektüre. Der richtige ZeitungSschwärmer nimmt niemals Spielkarten zur Hand, er gönnt fich kaum die Zeit, seinen schwarzen Kaffee zu zuckern: er verspürt es nicht, wenn er ihn ungezuckert schlürft er fliegt von Spalte zu Spalte, von Blatt zu Blatt, von Zeitung zu Zeitung wie eine hungernde Amsel, die Würmer auf der Wiese sucht. Er weiß selbst nicht, warum er so hastet und hetzt er hat nur das Bewußtsein, daß er noch ein Blatt nicht in der Hand gehabt hat. So hat er endlich eine Fülle de» Stoffes in seinen armen Kopf hinern- gepackt und nach dieser ungeheuren Arbeit deS Einräumens bleibt ihm leine Zeit, Ordnung in die Verwirrung zu bringen. ES steht in seinem Kopse aus, wie in einer vom Erdbeben zer- störten Stadt und kaum will er beginnen, stch ettvaS zurecht zu legen, kommt eine neue Sendung von der Post und frische ZeitungSblätter flottem auf den Armen hernieder wie die Tau- den dei MarkuSplatzes auf einen Fremden, der Futterkörner in der Hand hält. Was will der Mann? Muß er die Welt retten, oder sie nur verbessern? Sucht er fich das Glück aus diesen endlosen Zahlenreihen, die er täglich durchklittert? Nichts von alledem! Er ist ein Gewohnheitsleser. Zwischm diesen Sie werden auf diese Hoffnung verzichten müffen, sagte er,aus den Aeußerungen Rabe'S geht das unzweifel« Haft hervor." Sie haben mit ihm darüber gesprochen?" Er begann davon, er war wüthend über Sie" Ich halte ihn kurz vorher an sein Versprechen er- innert!" Also deshalb? Ich hätte es mir denken könne»!" Und was sagte er Ihnen?" fragte Joseph ungeduldig. Hm, es ist am besten, we»» ich eS Ihne» unverholen sage," erwiderte Herr von Barnekow im Tone deS Be- dauernS.Er erklärte mir, er sei nicht gesonnen, Ihne» einen Pfennig mehr zu geben, als Sie zu empfangen hätten. Ein Versprechen habe er Ihnen nicht gegeben, auch wisse er nicht, wofür er Ihnen die Summe zahlen solle, er sei nie mit Ihnen zuftieden gewesen." Die Braue» des Kammerdieners zogen sich immer drohender zusammen, sein glühender Blick ruhte durchboh« rend auf dem Gesicht Barnekow'S. Er weiß nicht, wofür er mir da« Geld zahlen soll? fragte er.Er weiß eS sehr gut." Aber ich bin fest überzeugt, daß sie es nicht erhalte« werden." Dann vernichte ich thn! Wenn Sie es können!" Leere Drohungen liebe ich nicht, Herr von Barne- kow!" Dabei kommt auch nichts heraus." Das weiß ich, und deshalb vermeide ,ch sie. Sehen Sie, ich habe meine ganze Hoffnung darauf gesetzt, mir durch die Uebernahme dieser Wirthschast eme sichere Eyistenz zu gründe», sobald ich sie übernommen habe, wrll ich hertaihen, und ich zweifle auch gar nicht daran, daß ich vorwärts komme. Ueber alle Bedingungen haben wir uns geeimgt, es handelt sich jetzt nur«och um da» Geld; soll nun mein Projekt an dem Wortbruch Rabe'S scheitern?" Fast scheint es so l"., Dann geht er mit mir zu Grunde." (Fortsetzung folgt.) Aeußersten bewegt fich die große Menge der ernsten und lustl« gen Zeitungsleser. Da ist der Kleinkrämer, der nur politische Leitartikel liest; da der Lebemann, welcher sich nur um die Tagesereigniffe bekümmert; der Schauspieler, welcher einzig die Theaternachrichien ausschlägt; aber auch jener eifrige Leser aller Theaterkritiken, Jder niemals selbst ein Theater besucht. Da find die Frauen, welche schöne Geschich- ten suchen. Da ist der Schöngeist, welcher nur die Plaude- reienunter dem Strich" auf's Korn nimmt; der Geschäfts« mann, der nur den Kursbericht anblickt; der andere, welcher nur den Marktbericht studirt; der Kaltblütige, Gleichgiltige, Ueberlegene, welcher höchstens die Telegramme überfliegt, dann mit höhnischer Miene die Zeitung aus der Hand legt und fich mit dem kräuselnden Rauche seiner Zigarre beschäftigt: da ist end« lich auch der Zeitungsleser, der täglich zu bestimmter Stunde sein bestimmtesleibeigenes" Blatt in die Hand nimmt, ein Gespräch anknüpft und, das Blatt krampfhaft festhaltend, weiter plaudert, biS er es ungelesen mit einemNun muß ich gehen" endlich beiseite legt. Da find auch die Leser auf dem Kutsch» bock, an den Gartenbänken, an den Straßenecken, die Leser, welche stch ihr Blatt mit in's Bett nehmen und schon nach den ersten fünf Zeilen einschlafen, ohne das Licht zu löschen. Ein wunderliches ZeitunaSpublilum find die EonntaaSlefer und die Quartalleser. Ein Sonntagsleser ist wie ein EonntagSreiter: man erkennt ihn sofort und er kommt mit seiner Zeitung ebenso« wenig zurecht wie dieser mit seinem Gaul. Der Dienst deS Lesens ist ein strenger und wer nur ab und zu eine Zeitung zur Hand nimmt, dem fehlt der Zusammenhang der Dinge, der findet fich nicht zmecht in den kleinen und großen Ereignissen. Der bedauernswertheste Leser jedoch ist der ZeitungSschretder. Für ihn ist das Lesen Berufspflicht, harte Arbeit, und wenn er fich zu dem Stoß von Zeitungen setzt, die er täglich durch« schm-ppern muß, so ist ihm nicht and.rs zu Muthe, als dem Holzhacker vor demStoße" Holz, den er sägen, spalten und verkleinern soll. Kern Indianer kennt den Wald, die Spuren auf dem Pfade, die Zeichen an den Baumrinden und Gras- Halmen so gut, als der Zeitungsschreiber die geheimsten Schlupf» winkel der Gedanken und die Zeichen der Mache in den Spalten seiner Berussgenoffen aufzustöbern weiß. Wenn er die erste Zeile eines Artikels liest, kennt er den ganzen Inhalt; mit dem Titel ist ihm das Schlußwort gegeben; sucht er etwas, so tippt er so sicher auf die gewünschte Stelle, wie der amerikanische Schnellschütze die fliegende Taube trifft. Er liest aus jedem Blatte nur, was er brauchen kann, und so gelingt es ihm denn, einen Zeitungsbera vor fich auf dem Tische Vahinschmelzen zu machen, wie der Föyn den Schnee im Gebirge. Die Ma- schinen für den ZeitungSdruck sind so recht die Webstühle der Zeit; die letzten Schwingungen aller Geschehnisse schwemmen stch in Druckerschwärze endlos auf das endlose Papier der Zeitungen; vie Weltseele liegt eingeklemmt in einem zusam- mengefalteten Zeitungiblatte, öffnet man eS, so schwebt die Weltseele, steigeworden, wieder dem unendlichen Räume zu. Wer fie aufzufangen und festzuhalten versteht der ist der richtige Zeitungsleser. ES giebt doch recht komische Leute in Berlin . Da wohnt z. B. im Westen unserer Stadt ein Herr, welcher recht noble Passtonen liebt, leider fehlt dazu fast immer das nöthige kleine Geld. Am Biertisch ist der Herr ein vor« trefflicher Erzähler, er weiß immer etwas Neues, nur spricht er zuviel von fich, so daß seine näheren Bekannten den famosen Aufschneider längst kennen. Heute erzählt der Herr, daß er in nächster Zeit seiner lieben Frau denSalon" neu einrichten läßt und zwar werden diesmal Ebenholz-Möbel gewählt, mor­gen wird von großen Reisen phantastrr. In dieser Tonart wird täglich weiter erzählt und immer neue Phantafie- Artikel werden erfunden. Daß dieser Herr aber soweit geht, seine famosen" Geschichten in Gegenwart von Bekannten zu erzählen, welche er erst vor einigenTagen mit30-50 Mk. angepumpt hatte, ist gewißkomisch." Das Borgen wird in einer geschickten Weise besorgt. Abends erscheint bei Freund K., H., M-, P. rc. das Dienstmädchen des Herrn und überbringt anscheinend einen starken Brief. DieFreunde" kennen die Handschrist und daS starke Kouvert und wissen sofort, daß in Den nächsten Tagen wieder irgend etwasGroßes" geplant ist und Geld gebraucht wird. Dieser besagte starke Brief enthält nämlich, einZigarren- kästchen", gefüllt mitWatte", dahinein wird daS erbetene Geld, meistens 30100 M., gelegt, damit das Dienstmädchen nichts merkt. Ein alter Bekannter dieses Herrn, welcher in den letzten Jahren 4 bis 5 mal ausgeholfen, hatte vor einiger Zeit, als der bekannte Bettelbrief wieder eines Abends mit dem WatteN'Kästchen überbracht wurde, den Much , auf eine Karte zu schreiben:Kann nicht aushelfen" und das Kästchen leer zurückzuschicken. Der Aermste hatte die Rechnung ohne den Wirtb gemacht, denn er erhielt nach 10 Tagen folgenden Brief: Lieber Freund! Mit großem Bedauern ersah ich am 7. d. MtS. aus Deiner Karte, daß Du in Deinen Verhältnissen so zurückgekommen bist, daß Du nicht einmal im Stande bist, 30 bis 50 M- auf 4 Tage entbehren zu können!"(Wer also gewissen Leuten sein Geld vorent» hält, ist pleite. Für unS eine ganz neue Theorie! D. R. ) Der besagst Borger schreibt weiter:Wenn ich bedenke, daß Du die ganze Zeit bis Neujahr noch vor Dir hast und daber das WechnachtSfest noch in Ausficht steht, so dauert mich das sehr und bin lch so frei, Dir einige Hundert Mark zur Aus» Hilfe anzubieten- Du wirst es mir dabei nicht übel nehmen, wenn ich als Familienvater 5 pCt. Zinsen verlange, um so weniger, als ich alS Geschäftsmann weit mehr damit verdienen kann." Für diese Handlungsweise haben wir keine Worte, zumal der Empfänger deS Briefes in ganz guten Verhältnissen lebt und es noch nie nöthig hatte, seine in Gesangvereinen oder am Biertisch gemachten Bekanntschaften anzuborgen. g. Aus der Sylvesternacht wird uns milgetheilt: Di« großen Vorbereitungen, welche man für ein außergewöhnliches Erforderniß in den Berliner Sanitäiswachen getroffen hatte» stellten stch glücklicher Weise diesmal als unnöthig heraus. Die hier geleistete Hilfe überstieg nirgends die gewöhnlichen An- sprüche und die Fälle, welche zur Behandlung kamen, betrafen nur einfache Rempeleien, bei denen eS nur gerinafiinige Ver­letzungen absetzte. Wie uns noch mitgethellt wird, soll beb einem heftigen Andränge deS Publikums Unter den Linden an der Ecke der Frtedrichstraße ein junger Mann durch einen Schutzmann zu Pferde überritten und nicht unbedeutend ver» letzt worden sein. Vor dem Eedlmeier'schen Restaurant kam es gegen 3 Uhr zu einer heftigen Szene. Immer neue Massen wollten daS Lokal, welches bereit» überfüllt war, betteten. In» folge Abschließung der Eingangsthüren sammelte sich vor dem Lokal eine große Menge an, welche man angeblich dadurch zu zerstreuen suchte, daß man mit Waffer auf ste herabgoß. Dies soll nun die Erbitterung dei Publikums derartig gesteigert haben, daß einige Fenster deS Lokals zertrümmert wurden. Ein jugendlicherHutauftreiber", welcher in der Rosenthaler« sttaße einem Herrn den Zylinderhut vom Kopfe zu schlage» versuchte, erhielt von dem Herrn einen derartigenDenkzettel". daß ihm wohl die Lust an ferneren ähnlichen Unarten ver- gangen sein dürfst. Das schöne trockene Wetter be» günstigst ungemein den starken Verkehr während der Nacht. ImDeutsche« Theater" findet heust, Sonntag, zur Feter des RegierungSjudtläumS Sr. Majestät des Kaisers eine Aufführung desPrinz Friedrich von vomburg" statt. Morgen, Montag, wirdEin Tropfen Gift" gegeben. Ferner bringt das Repertoire dieser Woche Wiederholungen vonDas Kätchen von Heilbronn",Der Bureaukrat" undRomeo und Julia ." LouisenstädttscheS Theater. Am Montag, den 4. Januar findet zum Benefiz für den Basfisten Herrn M e y e n eine Auf» führung von Halevy'sJüdin" statt. Die Hauptpartien find tn den Händen der besten Kräfte des zahlreichen Personals, und da diese Oper eine gern gesehene ist, so dürste der Bene» fiziant wohl auf ein volles Haus rechnen können.