Kommunales.

w. Nach dem Geschäftsberichte der städtischen Svar- kasse im Quartal Juli/September 1885 blieb am 30. Juni 1885 bei der Eparkaffe ein baarer Bestand von 7 839 839,61 Mark. Eingezahlt wurden im zweiten Vierteljabr von den Interessenten 4 852 755,62 M., die Rückzahlunaen an die In« teressenten betrugen in demselben Quartal 3 304 395,60 M. Hiernach ergiedt fich pro Quartal Juli/September 1885 eine Mehremnahme von 1548 370,2 M. Die Forderungen der Interessenten belief fich ult. Juni 1885 auf 58717184.39 M., fie erhöhte fich ult. September 1885 auf 60 265 554,41 M. Im genannten Quartal find ferner vereinnahmt an Valuta für verlooste Werthpapicre, für zurückgezahlte Hypotheken, an Zin« sen:c. 13 436 575,86 M., verausgabt für erworbene Werth- papiere ic. 6 433 854,20 M-, in Abzug kommen die Ausgaben des Grundstücksfonds mit 41897,44 M. Hiernach bleibt ult. September 1885 ein Gesammtbestand von 7 036 507,67 M., darunter in Wechseln 6 434 597.54 M. Baar 100 913,13 M., in Vorschüffen 500 996 M Außerdem waren ult. September 1885 vorhanden an Dokomente 56 065 297,50 M., ausstehende Sparkaffenbücher zum Werlhe von 25 273,50 M. und der Grundstückswerth mit 1 036 517,33 M. DaS Gesammtvermö- gen der Sparkafie betrug somit ull. September 1885 64 163 595 M. Für den 135. Stadtbezirk werden an Stelle des ver« storbenen BezirkSvorstehers Wachs die Geschäfte bis auf Weiteres durch den Bezirksvorsteherl Stellvertreter Herrn Kauf- mann Hoppe, Alte Jakobstc. 67 wohnhaft, erledigt. Nach Mitthcilung des Statistischen AmtS der Stadt Berlin find bei den hiestgen Standesämtern in der Woche vom 20. Dezember bis inkl. 26. Dezember zur Anmeldung ge- kommm: 203 Eheschließuugen, 709 Lebendgeborene, 39 Toot- geborene, 534 Sterbefälle.

Lokales. Die Witterung des Monat? Dezember v. I. dürfte Wenige zufriedengestellt haben. Es wollte nichts Rechtes wer« den mit der Herrschaft des Winters, der zwar in der Zeit vom 8. 12. einen energischen Anlauf unternahm, aber das Feld nicht behaupten konnte, daS ihm der unausgesetzt wehende Aequatorialstrom streitig machte, Der Streit zog Alles in Mitleidenschast, indem die Temperatur heute über, morgen unter null Grad stand. Bekanntermaßen üben bereits die ge- ringsten Schwankungen um den Gefrierpunkt einen großen Einfluß aus auf das Wohlbefinden der Menschen; die Klage über daS Wetter und der Wuntch nach einem ordentlichen Winter war mithin allgemein- eS scheint aber, als ob die Kundigen, die aus dem frühen Fortzug der Vögel, aus dem festen Verschluß der Bienenstöcke und aus all den anderenun- trüglichen" Anzeichen einen strengen Winter prophezeit haben, wieder Unrecht haben sollen. Allerdings dürfen wir eingedenk des alten Sprichworts:Wenn die Tage beginnen zu langen, kommt die Kälte gegangen," nicht zu früh frohlocken. Daß der Winter noch Macht hat, wenn er will, davon gab schon der 12. Dezember Kunde, der kälter war als irgend ein Tag der letzten beiden Winter. DaS Resultat der in dieser Zeitung täglich veöffentlichten meteorologischen Be« obachtungen war für ven vergangenen Monat folgendes: Der mittlere Barometerstand betrug 761,2 nun, war mithin bedeutend zu hoch. Am 18. stieg das Barometer bis auf 773,1 mm und hielt fich ziemlich lange auf einem ähnlich hohen Standpunkte. Die Schwankungen waren nur zeitweise beträchtlich, trotzdem vielfach stürmische Winde wehten. Sein Minimum erreichte das Barometer mit 740,8 mm am 6. Die mittlere Monats­temperatur betrug 0,0 Grad; fie war um 0,5 Grad zu niedrig. Veranlaßt ist diesesiManko lediglich durch die Kälte in den Tagen vom 8. 13., die sehr intensiv war. Am 12. Morgens erreichte die Temperatur ihr Minimum mit 13,5 Grad; das Tagesmittel betrug 10.5 Grad; die folgende Nacht versprach noch kälter zu werden, da schon Abends um 10 Uhr 12 Grad Kälte beobachtet wurden, doch ging der Wind nach Südwest herum und das Minimum kam nur auf 13,0 Grad. TagS über stieg die Temperatur bettächtlich, so daß fie Abends nur noch 2 Grad betrug. Der folgende Tag brachte dann das Thauwetter. Im wetteren Verlaufe des Mo- natS sank das Thermometer nicht mehr unter 5 Grad Kälte. Ihr Maximum erreichte die Temperatur am 1. mit 7,3 Grad, so daß also Maximum und Minimum um 21,3 Grad aus­einander lagen. 20 Tage waren Frosttage(Minimum unter 0 Grad). Die Windrichtung war in so fern sehr abnorm. alS im Verlaufe des ganzen MonatS nicht ein einziges Mal Ost-, Nordost- oder Südostwind beobachtet wurde. Vorherrschend waren reine Westwinde(27), dann folgen Südwest(23), Nord- west(17), Nord(8j und Süd(6). Windstille wurde 12 mal konstatirt. An 3 Tagen dagegen erhob fich der Wind zum Sturm. Die mittlere Windgeschwindigkeit betrug pro Stunde 22,0 Kilometer gegen 17,8 im November. Die Bewölkung war geringer, als fie im Dezember zu sein pflegt. Sie bettug, wenn 0 ganz heiter und 10 ganz büieckt bedeutet, im Monats- mittel 6,3. 4 Tage waren völlig wolkenlos, 7 völlig trübe. Als trübe im meteorologischen Sinne(über 8) konnten 12 Tage gelten. Die Luftfeuchtigkeit war mit 82,5 pCt. normal Das Maximum betrug 100 pCt. am 8. bei Nebel, das Minimum 50 pCt. am 29. bei sehr starkem Winde und heiterem Himmel. Niederschläge fielen nur an 11 Tagen, darunter 3 mal in Ge­stalt von Schnee. Die Gesammthöhe der Niederschläge bettug 26,6 mm, d. i. 23,4 mm weniger, als für den Dezember nor« mal ist. Von der kolossalen Frequenz der königliche« CHmUee dürsten nachstehende Zahlen einen ungefähren Begriff geben. Es wurden in dieselbe im Laase deS verfloffenen JahreS aufgenommen 9493 Männer und 7662 Frauen. In der Entbindungsanstalt wurden 575 Knaben und 605 Mädchen »bind, 46 Knaben und 46 Mädchen todt geboren. In Summa rft also 18 000 Menschen Hilfe und Beistand gewährt worden. Gestorben find in der Anstalt 1120 Männer und 732 Frauen, sowie 47 männliche und 37 weibliche Säuglinge. Der Berliner Goldgräber. Man schreibt demNeuen Wiener Abendbl." aus München : Vor zwei Jahren tauchte das Gerücht auf, daß bei Deggendorf (Niederbayern ) Gold« lager entdeckt worden seien. Die Sache machte natürlich großes Aufsehen und wurden auch von Seite unserer Bergwerksdehörde Untersuchungen angestellt, die nichts weiter ergaben, als daß fich geringwerthige Erze mit einem Minimalgoldgehalt, so viel, als etwa der Sand der Berliner Hasenhaide mit fich führen dürfte, vorfanden. Ein spekulativer Bruder Berliner hat fich nun neuerdings der Sache angenommen, 16 ParzellenGold- trund" zu billigem Preise erworben und einBankhaus" in >«lin beauftragt, eine halbe M'.llion Mark als erste Schuld auf seinGolddergwerk" zum Kurse von 96 Prozent zur Eub- skription zu bringen. Die Subskribenten erhallen Genußscheine, welche ihnen 10 Prozent vom Reingewinn zufichern. Die Deggendorfer bereuen jetzt, zum Bau einer Kirche eine Lotterie veranstaltet zu haben, wo fie eS doch viel bequemer gehabt hätten, einfach das nöthige Baukapital auszugraben. Hier erregt die Geschichte viel Hetterkeit. . Wegen eines zu geringen Weihnachtsgeschenks hat ern Bediensteter deS Rcstaurateurs S. in dem benachbarten Reinickendorf , demB. T.' zufolgt, seinem Herrn einen ganz niederträchtigen Streich gespielt. Herr S. veranstaltete am ersten Weihnachtttage ein Konzert mtt Tanzkränzchen. Kurz vor 7 Uhr- es hatten fich erst etwa sechs bis acht Gäste ein- gefunden bemerkte ein Kellner, daß einige Glaszylinder am Kronleuchter geplatzt waren, und stieg, um die Dochte nieder» zuschrauben, auf einen Stuhl. In diesem Augenblick löste fich der mächtige, mit zwölf Petroleumlampen besetzte Kronleuchter

von der Decke und stürzte mit donnerartigem Gepolter zu Boden, den Kellner unter fich begrabend. Ein jäher Schreck lähmte momentan alle Anwesenden, doch zeigte fich bald, daß der Unfall ohne emste Folgen blieb. Der Kellner kam wunder- barer Weise mit einigen unbedeutenden Kontufionen davon und konnte ohne Beschwerden seine Obliegenheiten erfüllen. An dem Kronleuchter war sämmtlicheS Glaswerk zertrümmert, nur die Pettoleum-Basfins blieben unversehrt, und diesem Um- iande ist eS wohl zuzuschreiben, daß kein Petroleum auS« ttömte und fich entzündete. Dem programmmäßigen Verlauft der Festlichkeit that übrigens dieser Unfall keinen Abbruch. Der Verdacht der Thäterschatt lenkte fich alsbald auf einen HauS- knecht, mit dem Herr S. unzufrieden zu sein Ursache hatte, weshalb er ihm bereits zu Neujahr gekündigt und auch zu Weihnachten nur ein geringfügiges Geschenk gemacht hatte. Dieser Verdacht fand bald ferne Bestätigung. Es wurde er- mittelt, daß der Hausknecht aus Rachsucht geäußert hatte, er werde das seinem Herrn schon eintränken und ihm einen Schabernak spielen, an den er denken solle. Weiter wurde estgestellt, daß derselbe den Kronleuchter kurz zuvor geputzt und daß seitdem Niemand daran zu schaffen hatte. Endlich änd fich, daß der Bolzen, mit welchem der Kronleuchter an der Decke befesttgt war, fehlte und trotz emsigen Suchens nicht aufgefunden werden konnie. Wahrscheinlich hatte also der boshafte Mensch beim Putzen des Kronleuchters den Sicher- heitsbolzen herausgezogen und dadurch das Unheil angestiftet. g. Geradezu unglaublich ist es, daß die unausgesetzten Warnungen in der Presse gegen das Abspringen von einem in der Fahrt befindlichen Pferdebahnwagen ganz und zar unbeachtet gelassen werden. So sprang vorgestern Abend in der Leipzigerstraße, gegenüber dem tzaase'schm Geschäft, ein alter Herr von einem nach Schöne- berg fahrenden Pferdebahnwagen und stürzte so unglücklich zur Erde, daß er bewußtlos fortgetragen werden mußte. Recht übel erging es einem Mann mit seiner Frau, welche an dem- elben Tage Abends gegen 8 Uhr in der Oranienstraße, kurz vor der Haltestelle an der Manteuffelstraße, von einem Pferde« dahnwagen sprangen. Sie fielen beide der Länge nach in den Ettaßenschmutz und außerdem kamen fie noch in die Gefahr, von einem dahersahrenden Schlächterwagen überfahren zu werden. Polizei- Bericht. Am 1. d. MtS., Nachmittags, machte ein Mädchen in der Schulstraße, angeblich wegen eines Zer» würfniffeS mit ihrem Bräutigam, den Versuch, fich mittelst Schwefelsäure zu vergiften und erlitt dadurch so schwere Ver- letzungen, daß eS nach der Charitee gebracht werden mußte. Am 2. d. MtS., Abends, war die bei dem Eigenthümer We- gener, Krautsstr. 14, in Dienst stehende Drzybycz auf die Koch- Maschine gestiegen, um einen über derselben befindlichen Schieber zu putzen. Hierbei stieß fie eine Flasche mit P-tto- leum um, das auSgefloffene Pettoleum gerieth an der glühen- den Maschinenplaite in Brand und ergriff die Flamme auch die Kleider der Przybycz, so daß fie, bevor Hilfe herbeikam, so schwere Brandwunden erlitt, daß fie nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht werden mußte. Am 3. d. MtS., Vormittags, hatte ein unbekannter Mann auf dem Dönhofs« platze durch Einnehmen eines pulverartigen Stoffe? den Ver- such gemacht, fich zu vergiften. Er wurde noch lebend nach der Wache des 40. Polizei« RevierS und später nach der Cha- ritee gebracht. Um dieselbe Zeit wurde der HilfS- Weichen- steller Kreft auf dem BahnhofFriedrichsstraße" mit einge- drücktem Schädel, neben einer Weiche liegend, todt aufgefunden. Auf welche Weise derselbe verunglückt ist, hat fich bis jetzt nicht feststellen lassen- Die Leiche wurde nach dem Obduk- tionshause geschafft. An demselben Tage, Mittags, fuhr in der Chauffeestraße eine Droschke in die die aufziehende Wache des Garde- Füstlier- Regiments begleitende Menschenmenge hin- ein und wurde hierbei ein Knabe derart überfahren, daß er anscheinend schwere innere Verletzungen erlitt und nach der ettcrlichen Wohnung gebracht werden mußte.

Uermischtes.

Tausend Jahre Kerker London befitzt zwei große Ge- fängntffe von erheblichem Alter: den Tower und Newgate. Während aber in dem ersteren die großen historischen Trauer- spielt, an denen Englands Geschichte so reich ist, fich ab­spielten, die Köpfe der Fürsten und Pairs von England hier unter dem Beile des Nachrichters fielen, der Einsatz, den die hier Verhafteten gewagt, sehr oft nicht mehr und nicht weniger wie die Krone Englands gewesen war, ist daS Gefängniß von Newgate der Schauplatz der kleinen Dramen aus dem Volke gewesen, jener kleinen Szenen, die nicht weniger Schmerz, nicht weniger tiefes Leid im Gefolge haben, wie die großen histori- schen Trauerspiele, an denen aber der Geschichtsschreiber acht- los vorübergeht und die in den Werken der Dichter höchstens als kleine Episoden erscheinen. Tausend Jahre fast find es, seit Newgate gegründet wurde; nunmehr ist unter dem Titel Ohroniclw of Newgate" eine Geschichte des Gefängnisses von dem Major und Gefängnißinspettor GaisfithS erschienen, die uns einen Einblick gewährt in die Summe von Jammer, Elend und Thränm, welche fich hier in tausmv Jahren zu- sammengedrängt! Die Lage der Gefangenen in Newgate war lange Zeit eine äußerst bejammernSwerthe; in ihre finsteren und unrein lichen Zellen drang selten der Schimmer des Tages, frische Luft reinigte niemals die übelriechende Atmosphäre. Während es von der Freigebigkeit(!) des jeweiligen Lord-Mayor» ab- hing, ob den Gefangenen reines und frisches Waffer verab- reicht wurde, existirte nicht einmal ein Fonds, aus dem ihre Beköstigung hätte bestritten we.den können. Zu den spär- lichen Rationen, die fie erhielt, n, wurden nur konfiszirte Waaren verwendet, beispielsweise Brot von vorschriftswidriger Qualität oder zu leichtem Gewicht, Fleisch, das verdorben und zum öffentlichen Verkauf untauglich befunden war und dergleichen mehr, weshalb häufig milde Gaben, in Nah rungsmitteln und Kleidungsstücken bestehend, der Anstalt für ihre Insassen übermittelt und sogar gelegenttrch von wohl habenden Bürgern zu dem gleichen Zweck Legate hinterlaffen wurden. Weniger dürfen wir uns darüber wundern, daß die Gefangenen, einerlei, ob fie fich in Straf- oder nur in Unter suchungshaft befanden und ohne Rückficht auf die Art ihrer Verbrechen zusammengesteckt wurden. Eine eventuelle Klasstfizirung war lediglich Sache des GefängnißaufseherS, und der Grundsatz, durch den dieler fich dabei leiten ließ. Er- Pressung einer möglichst hohen Geldsumme. Durch Geld konnte der Gefangene fich den schmutzigen Komfort kaufen, den ihm der Aufseher zu bieten vermowte; aber er war gleichwohl nicht im Stande, fich von der unheilvollen Gesellschaft gewohnbeitS- mäßiger Verbrecher zu retten, die gleichfalls über pekuniäre Mittel verfügten und nicht weniger bestrebt waren, die schrecklichsten unter den Schrecken des Kerkers von fich abzu "�Auch daS Gewicht der Ketten, welche bis in die jüngste Zeit von Schuldigen und Unschuldigen ohne Unterschied getragen werden mußten, wurde nach dem Preise bemessen, den der Gefangene für vre Erleichterung derselben zu bezahlen im Stande war. ES herrschte vre Sitte. den Neuangekommenen mit enormen Ketten zu belasten und dermaßen cinzuschüchtem, daß er fich, wenn er nur irgend die Mittel besaß, alSbald zur Zahlung einer übergroßen Summe herbeiließ. Im Uebrigen war das Gefängniß zu allen Zeiten so entsetzlich überfüllt, daß Krankheit und PestUenz zumeist in demselben wütheten und todtbringende Ansteckung häufig in die benachbarten Gerichtsgebäude hinübergriff. DaS wirkliche Hinderniß einer thatkraftrgen Reform war das Jntereffe, daS eine große Anzahl zum Theil sehr einflußl

reicher Personen daran nahm, daß die Dinge in ihrem alten Stande erhalten wurden. Denn eS gab kaum ein Gefängniß, daS besser, wohl aber mehrere, die noch viel schlechter verwaltet wurdm. Einige der üdelberüchtigtsten Gefangenenhäuser im Lande waren dazumal daS Privateigenthum von Personen, wie der Herzog von Portland und der Bischof von EIy. Das dem letztgenannten kirchlichen Würdenträger gehörige und zu dessen Nutzen verpachtete Gefängniß war eine baufällige Ruine, die gegen das Entweichen der Eingekerkerten so geringe Sicherheit >ot, daß der Pächter und Ausseher fich genöthigt seine Zuflucht zu einem Hausmittelchen zu nehmen, daS folgendermaßen beschrieben wird:Die Ge- angenen wurden rn horizontaler Lage auf dem Boden angc- leitet, einen eisernen, inwendig mit Stacheln versehenen Kragen um den HalS, eine schwere eiserne Evange um jedes Bein." In den früheren Tagen von Newgate wurde der Posten eines Aufsehers des Gefängnisses an den Meistbietenden verauftioniit, und der Pächter mußte den ZinS auS den Leibern der Unglück- lichen Gefangenen buchstäblichherausschinden". DaS sechszehnte Jahrhundert war jene Zeit, in der man keine andere Strafverhängung kannte, als die Zufügung körper- lichen Schmerzes mochte nun dieser Schmerz in dem Tode 'elber oder in etwas Schlimmerem bestehen. Die Gefängnisse dienten dazumal nicht zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe, andern waren lediglich die Vorzimmer zum Galgen oder Richtblock. Von der Peitsche bis zum glühenden Ersen oder Galgen führte nur ein Schritt. Man liebte kurzen Prozeß. AlS im Jahre 1531 der Koch deS Bischofs von Rochester in der Adficht, seinen Herm zu vergiften, nicht weniger als 16 Per» onen in's JensettS beförderte, wurde sofort ein Gesetz gegeben, reichesTod durch Kochen" als einzige verdiente Strafe be- timmte; der unglückliche Koch ward demzufolge nach allen Regeln seiner eigenen Kunst zu Tode gesotten. DaS Zwicken mit glühendem Eisen, Abschneiden von Gliedem, entwürdi- gende öffentliche Schaustellung waren ganz gewöhnliche Strafen. Der furchtbarste Urtheilsspruch, der gefällt werden konnte, hatte folgenden Wortlaut:Du sollst zurückgebracht werden in daS Gefängniß, von bannen Du gekommen bist, in eine niedrige Zelle, in welche kein Licht eindringen kann; da sollst Du auf dem bloßen Erdbodm auf den Rücken gelegt und an« gekettet werden, mit einem Tuch um Deine Lenden, aber sonst nackend, dann soll man auf Deinen Körper legen ein Gewicht von Eisen, so groß Du eS ertragen kannst, und noch größer; Du sollst keine andere Nahrung haben, als am ersten Tag drei Bissen deS gemeinsten Brotes, am zweiten Tage drei Schluck Waffer aus der erstbesten Pfütze vor deS Gefängnisses Thür, am dritten Tage wieder drei Bissen Brot, wie vor- dem, und solches Brot und solches Wasser von Tag zu Tag, bis Du stirbst." Diese grausam erfinderische Todes- strafe ward zum letzten Male in England im Jahre 1726 und noch etwas später in Irland in Anwendung gebracht. Die Hinrichtungsprozedur ward natürlich mit größrer Kaltblütigkeit als reine Geschäftssacke abgemacht; der schauerlichen Szene fehlte jedes Emste und Feierliche. Für den Mob war natürlich Feiertag; er bildete Spalier und ermuthigte oder schmähte den Münder, je nachdem derselbe fich einer Art Popularität bei gewissen Lolksschichtm erfreute oder ein Unbekannter war. Im ersteren Falle ward er enthustasttsch bewillkommt, man warf ihm Blumen zu oder reichte ihm zu trinken; im anderen Falle bewarf man ihn mtt Roth, überhäufte man ihn mit Schmähungen. Die Rede, welche der Verurtheilte vor dem Tode an die ver- sammette Volksmaffe zu halten berechtigt war, arbeitete d-rselbe oft in Newgate mit seinen Zellengenossen aus; in der Stadt be- sprach man ihren Inhalt Wochen vorher und am Tage der Hin- richtung wurden Exemplare derselben durch Haufirer an den Pöbel verkaust. Als in späteren Jahren die Exekutionen nur noch innerhalb der Gefängnißmauern von Newgate voll- zogen wurdm, prügelte fich der blutdürstige Mob vor den Thoren, und die Helden von blauem Blute frühstückten mit dem Gefängnißaufseher für einen Stehlatz, oder mietheten ein Fmster um einm ungeheuren Preis. Die Zuschauer kämpften wie Rasende um die Plätze in den vordersten Reiben, manche fielm nieder und wurden zu Tode getreten; tausend Kehlen schrien und kreischten durch einander. Der Tumult cirnchre seinen Höhehunkt, wenn die schwarzgekleideten Gestalten der die Fallklappe war zurückgezogen, ver-per hing zuckend in der Lust und der elende Sünder war in's Jenseits be- fördert. ... Eine ErdgaS-Stadt. Die Stadt Findlan im nordöst- lichen Ohio bietet ern Beispiel davon, welche Umwälzung vre Entdeckung, daß das dem Erdboden entströmende natürliche Gas für HerzungS- und Beleuchtungszwecke nutzbar gemacht werden kann, nicht nur in den Geschäften, sondern auch in dem ganzen häuslichen Leben der Orte, wo fich solches Gas findet, hervorgerufen hat. Daß in Findlay und Umgegend an vielen Platzen natürliches Gas der Erde entquoll, wußte man schon lange. Die kleinen Jungen benutzten es sogar bei ihren Spielen und machten fich öfter daS Vergnügen, es anzu- zünden. AlS ern alter Zahnarzt, Namens Jakob Carr, sich = B%% entquoll. Er faßte das GaS in eine bleche: ne Röhre und zün- dete eS an. Dann kam ihm der Gedanfe, es in seinem Hause zu gebrauchen und er bat dies seit einer Reihe von Jahren gethan. Aber Niemand kam auf die Idee, Versuche zur Nutz- darmachuag des Gases im Großen zu machen, bis Pittsbura mit gutem Beispiel voranging. Nun trat eine Anzahl Bürger von Findlay zusammen und ließ einen Gasbrunnen bohren. Bei 450 Fuß fand man Oel genug um das Heizmaterial für die Bohrmaschine zu liefern. Ber 1200 Fuß begann das Gas mit großer Kraft emporzusteigen. So wie die Gasges-llschaft des Städtchens dies bemerkte, ließ fie neben ihrer Gasanstalt auch einen Brunnen bohren und hatte das Glück, ebenfalls auf eine reiche Gas- ader zu tteffen. Sie braucht jetzt keine Kohlen zur Gasbe- rerlung mehr, rbre Werke stehen ttrU, aber fie liefert ihren »£.'«Zr « ä%% für einen Kochofen kostet 1 Doll. den Monat. Messer giebt eS nicht. Jeder kann so viel Gas brauchen, wie er will; die Berechnung geschieht nach der Zahl der Flammen. Die Stoßen werden mit aufrecht stchenven Röhren ohne Laternen beleuchtet. Das GaS entströmt denselben. sobald der Hahn aufgedreht wird, es wird angesteckt und eine mächtige Fackel

chlägt in die Höhe, stark genug, um dem Winde zu wider- tehen. Einige größere Fabriken rm Ofte, die bis zu 400

S

,,.<5-------,...... zu 4000 Doll. Kohlen im Jahren brauchten, haben fich eigene GaSbrunnen bohren lassen. Ein solcher Brunnen kostet 1000-1500 Doll. und liefert nachher ohne andere Kosten, als Auslagen für etwaige Reparaturen, HerzungS- und Beleuchtungsmaterial umsonst. Esgiebt in der Stadt jetzt neun GaSbrunnen, die ungefähr 8 Millionen Kubikfuß Gas den Tag liefern- Man braucht also mit dem GaS nicht zu sparen. Der Grundbefitz in der Etadt und Umgegend ist natürlich ungeheuer im Preise ge- tiegen. Farmland. daS stüher 50-100 Doll.Zwerth war. ist etzr kaum für 1000 Doll. zu habe». Auswärtige Kapitalisten lausten Land in der Umaeaend. um Fabriken darauf anzu- legen, in denen daS natürliche GaS zur Feuerung benutzt wer- den soll. Den meisten Brunnen entfließt auch Oel , daS zwar nicht sehr rein, aber als Maschinenöl sehr gut zu benutzen ist. Die einzige Besorgniß ist. daß das Gas einmal alle werden möge, worauf dann die ganze Herrlichkeit zu Ende wäre. SsSm-Z-DZe 6i--