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die arme, an die Rähmaschine gefeffelte Stäberin hörte dabei wohl auch die Engel im Himmel fingen; zu dem eintönigen Bellapper und Geschnarre der Maschine er tönte so manches Klagelied, so mancher banger Seufzer und verballte ungehört; so manche Thräne rann langsam und Leise die abgehärmten Wangen herab und tropfte in sanftem Falle auf die Arbeit, ungesehen, ungehört! Geduld, thr Armen! Alles wird jest anders werben! Nicht sollt Ihr mehr einsam weinen und flagen! Denn gleichwie der Elfen Licht­geftalten aus Sonnenstrahlen und Mondscheinlicht ihr luftiges Gewand zusammenweben, also werden jegt all' Euer Kummer, Leid und Sorge, Euer Hoffen und Sehnen, Eure Seufzer, Eure Thränen turftgerecht in Mufit gesezt und klingen wird es fortab aus allen Häusern, aus dem elenden Dachftübchen Lied herunter und aus dem dumpfen Keller herauf das vom Hemde". Hinaustönen wird es in alle Welt und wird fich Gehör verschaffen. Und ist dieses erst geschehen, nun, dann breht sich wohl das Blatt und mit ihr auch die Walze. Dann tommt ein anderes Stücklein dran und das frohe Herz wiegt fich in holden, füßen Träumen, eingelullt durch Richard Wag ner'iche Zukunftsmufit. Mit der Götterdämmerung " fängt es schließlich wohl auch bei den Menschen zu dämmern" und nach Diesem zu tagen" an. Nicht braucht Ihr mehr zu fürchten, des Nachts den schlafenden Liebling zu stören, ein Drud- und die Nähmaschine spielt ein holdes Schlummerlied, nicht braucht Ihr ferner die Klagen über das Gerumpel" eurer Nachbarn zu fürchten, denn Ihr werdet bald teine mehr haben, Die Leierlaften werden aussterben und die Frrenhäuser fich bes völkernfurzum, der Himmel wird auf Erden sein; und das Alles hat mit ihrem Spielen die musikalische Nähmaschine gethan.

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Aus Lübbenau geht der Staatsb.- 8tg." folgende Mits theilung zu: Ein ziemlich reges Treiben entfaltete fich am Nach­mittage des Neujahrstages auf den oberhalb von Lübbenau , in der Nähe der Stadt, gelegenen Wiesen. Alt und Jung ans der Stadt und den umliegenden Ortschaften beschäftigte sich mit Schlittschuhlaufen. Viele setten ihre Fahrt bis zum Dorfe Leipe fort, dem beliebtesten im Spreewalde belegenen Ausflugs­orte der Lübbener im Winter. Hierbei war jedoch die größte Vorsicht geboten, da einige größere Fließe und Kanäle noch nicht vollständig oder doch wenigftens an einzelnen Stellen mit einer ausreichend starken Eisdecke versehen waren. Abge: sehen von einigen fleinen Unannehmlichkeiten war aber fein Unglücksfall zu beklagen. Der Schmiedemeister Döring, welcher einer offenen Stelle ganz nahe gekommen war und im legten Augenblick noch die Gefahr bemerkte, rettete sich noch dadurch, daß er sich schnell rücklings niederwarf. Der von den Schlittschuh­läufern gefürchtetste Spreewaldstrom ist die in der Nähe der Stadt fließende Gorrischoa, welche nur bei der größten Kälte vollständig und fest zufriert.

r. Von seinem Mittagschläfchen erwachte vor einigen Tagen das vierjährige Söhnchen eines in der Adalbertstraße wohnenden Kaufmanns mit etwas erftauntem Geficht, hielt das Händchen auf sein rechtes Dhr und verficherte fortwährend, daß es da drin Irabbelt". Die vorgenommene mütterliche Untersuchung und Behandlung der Dhrmuschel und des äußeren Gehörganges hatte nur einen negativen Erfolg, denn nach der Versicherung des Kleinen ,, trabbelte" es da brin weiter. Unter diesen Umständen hielt man es für nöthig, einen Arzt zu rufen, der nach sorgfältiger Erwägung aller von ihm ermittelten Um­ftände dem kleinen eine start alloholhaltige Flüffigkeit in das betreffende Dhr sprigte, worauf dieser in Schlaf verfiel und später über sein Ohr feine weitere Klage führte. Bei seinem aweiten Besuche nahm der Arzt sodann eine Aussprigung des Obres vor, und förderte dabei den Leichnam eines Insetis zu Tage, deffen Vorhandensein beim Gebrauch von Kinderbetten allerdings unvermeidlich zu sein pflegt, das aber hier dem mörderischen Alkohol zum Opfer gefallen war.

r. Die verloffenen Feiertage scheinen zahlreiche Ent laffungen von Arbeitern und namentlich von Arbeiterinnen zur Folge gehabt zu haben. Allabendlich bei der Ausgabe des In­telligenzblattes ist der Andrang der Stellesuchenden auf den jenigen Blägen, wo dieses Blatt zuerst zur Vertheilung zu ge­langen pflegt außerordentlich groß. Nur den wenigsten der vielen Beschäftigungsuchenden glückt es, Arbeit zu finden und unter den weiblichen Arbeiterinnen suchen die Kupplerinnen, Diese Hyänen des Arbeitsmarktes, ihre Opfer. Bei dem licht­scheuen Gewerbe dieser Personen tommt ihnen besonders der Umstand zu statten, daß die Polizeibeamten auf den betreffenden Blägen streng auf die Freihaltung der Passage achten und so einzelne fleinere Gruppen auf die Hausflure der benachbarten Häuser treiben. Stehen dort einige junge Mädchen beim Lesen des Blattes zusammen, so ist flugs eine solche Kupplerin bei ihnen, die unter dem Vorgeben, gleichfalls Arbeit für ein junges Mädchen zu suchen, mit jenen ein Gespräch beginnt und trop ihrer angeblich traurigen Lage fich doch bereit erklärt, noch einem oder einigen jungen Mädchen, die augenblicklich ohne Obdach und Stellung find, Aufnahme zu gewähren, denn ste wiffe, wie das thue. Was aus solchen jungen Mädchen wird, die in die Hände einer solchen Person fallen, brauchen wir wohl nicht weiter zu sagen. Mögen alle Arbeiterinnen vor der ihnen bei solchen Gelegenheiten drohenden Gefahr gewarnt sein.

Polizeiliche Milchrevifionen. Im Laufe des Monats Dezember 1885 wurden in Berlin im ganzen 3817 polizeiliche Milchrevistonen vorgenommen, bei denen in 26 einzelnen Fällen 1971 Liter Milch, als zu leicht wiegend vorgefunden, zur Ver­nichtung gelangten. Gegen die Uebertreter wurde das straf­gerichtliche Verfahren eingeleitet.

ar. Die Familie eines hiesigen Fuhrunternehmers ift, wie wir nachträglich erfahren, am Neujahrstage von einem argen Mißgeschick heimgesucht worden. Der Sohn, welcher in einem großen Modewaarengeschäft in der Kommandantenstraße thätig ist, hatte eben sein Monatsgehalt in Empfang genommen und mit seinen Kollegen die bayerische Gebirgstneipe aufge sucht, um daselbst ein halbes Stündchen gemüthlich zu ver leben. Als er das Lotal verlassen wollte, vermiste er sein eben erhaltenes Salär, das er in einer Tasche seines Uebers siebers aufbewahrt hatte. Allem Anschein nach ist ihm das Geld gestohlen worden. Inzwischen hatte sein Vater einen Herrn nach Stegliß gefahren, und während er dort vor einem Hause seinen Baffagier erwartete, braufte ein Bug vorbei; die Pferde wurden scheu und gingen durch, der Führer der Droschle suchte sich durch einen fühnen Sprung zu retten, ver legte sich aber bei dem Falle innerlich derart, daß er noch heute sehr bedenklich krant darniederliegt.

R. Ueberfahren. Durch fein eigenes Fuhiwe.t wurde gestern Abend der bei der Wittwe Völker, Kronprinzen Ufer 18, in Stellung befindliche Kutscher Wolff aus Friedrichsberg, vor Dem Hause Drantenstr. 33. W. erlitt hierbei eine Berquetschung der Muskeln und der rechten Kniescheibe, sodaß die Knochen blant lagen. Nachdem ihm ein Nothverband auf der Sanitäts wache in der Adalbertstraße angelegt, wurde W. per Droschte nach dem städtischen Krantenbeufe geschafft.

R. Auf eine bedauerliche Weise verunglückte Montag gegen Abend der Arbeiter Bergmann in der Chauffeeftraße. Ein mit Bausteinen belasteter Wagen war im Thorweg eines Neubaues feftgefahren. Da fich die Pferde vergebens abmühten, den Wagen vorwärts zu bringen, eilten einige Baus arbeiter berbei und griffen fräftig in die Speichen der Räder. Den vereinten Kräften gelang es, den Wagen etwas vorwärts zu bringen, da ließen vorn die Pferde nach, der Wagen rollte einige Schritte zurüd, wobei der B. mit seinem rechten Fuß unter das Rad tam und ihm die Behen zerquetscht wurden. B. wurde von Kollegen in die Charitee gebracht.

R. Am Neujahrstage wurde der Maurergeselle Chriftian Jahn, Ackerstraße 126, in die Cbaritee eingeliefert. J. war am Donnerstage von einem Neubau an der Friedrichsgracht her

unter geftürzt und hatte einen Schädelbruch erlitten. Da der schwer Verwundete in seiner Wohnung, wohin er zunächst ge­schafft war, die erforderliche Pflege nicht erhalten kann, brachte man ihn Tags darauf nach der Charitee, sein Leben steht in Gefahr.

Bewegung der Bevölkerung der Stadt Berlin . Im Monat November v. J. fanden 1136 Eheschließungen statt. Bei 994 Eheschließungen waren Mann und Frau gleicher Konfeffion, und zwar waren 921 evangelische, 43 tatholische, 30 mosaische Paare. Evangelische Mischehen waren 61, mit 58 fatholischen, 2 mosaischen, 1 Diffidenten- Frau. Katholische Mosaische Mischehen waren 75 mit evangelischen Frauen. Mischehen waren 3 mit evangelischen, 1 mit fatholischer Frau. 2 Diffidenten ehelichten evangelische Frauen. Zum ersten Male heiratheten 946 Männer, 1004 Frauen; zum zweiten Male 173 Männer( 149 Wittwer, 24 Geschiedene), 127 Frauen( 92 Wittwen, 35 Geschiedene), zum dritten Male 16 Männer( 14 Wittwer, 2 Geschiedene), 5 Frauen( Wittwen), zum vierten Male 1 Mann( Wittwer). Lebendgeboren wurden 3635 Stinder, darunter 474 außereheliche. Todtgeboren waren 152 mit 22 außerebelichen. Es fanden 37 eheliche, 5 außereheliche Zwillingsgeburten und außerdem 1 eheliche Drillingsgeburt statt. Die Bahl der Sterbefälle betrug 2340. Von den Gestorbenen erlagen an Masern 35, Scharlach 47, Rose 7, Bocken 1, Diphtheritts 169, Bräune 14, Reuchbuften 45, Kindbettfieber 15, Typhus 17, Ruhr 1, Syphilis 2, Altersschwäche 68, Ge hirnschlag 87, Lungenentzündung 220, Lungenschwindsucht 328, Diarrhöe 39, Brechdurchfall 16, Magendarmtatarrh 15. Durch Bergiftung famen 13 Personen um, hiervon 4 durch Selbstmord 6 durch Alkoholvergiftung( Delirium tremens). Eines gewalt famen Todes starben 42 Personen, und zwar durch Verbren nung 3, Ueberfahren 1, Sturz ober Schlag 14, Erichießen 3, Erhängen 12, Ertrinten 2, andere gewaltsame Todesursachen 7. Hierunter find 20 Todesfälle durch Unglücksfälle, 20 durch Selbst. mord, 2 durch Tödtung herbeigeführt. Unter den Gestorbenen find 1169 incl. 171 außereheliche Kinder unter 5 Jahren, also 50 pSt. Im Alter von 5 bis 15 Jahren ftarben 130, 15 bis 20 Jahren 30, 20 bis 30 Jahren 151, 30 bis 40 Jahren 221, 40 bis 60 Jahren 322, 60 bis 80 Jahren 154, über 80 Jahren 63 Per­fonen. Im ersten Lebensjahre starben 573 ebeliche, 132 un eheliche, zusammen 705 Kinder, und zwar im 1. Donat 208, 2. Monat 106, 3. Monat 73, 4. Monat 65, 5. Monat 42, 6. Monat 29, 7. Monat 33, 8. Monat 19, 9. Monat 24, 10. bis 12. Monat 106, davon waren ernährt mit Muttermilch 154, Ammenmilch 4, Thiermilch 371, Milchsurrogaten 4, ge mischter Nahrung 95, nicht angegebener Rahrung 147. In hiesigen Krantenhäusern starben 528, einschließlich 38 auswär fige, welche zur Behandlung hierhergebracht waren, und zwar: im Elisabeth- Krankenhaus 21, Elisabeth Kinderhospital 2, Be­thanien 49, Friedrichshain 119, Hedwigs- Strantenhaus 42, Jüdisches Krantenhaus 10, Klinifum 21, Universitäts - Frauen­Alinit 18, Augusta Hospital 16, Lazarus Krankenhaus 36, Militär Lazareth 4, Städtisches Krankenhaus Moabit 47, Charitee 152. Auf die 13 Standesämter vertheilen fich die Todesfälle folgendermaßen: Berlin - Kölln- Dorotheenstadt 87, Friedrichfindt 68, Friedrich und Schöneberger Vorstadt 115, Friedrich und Tempelhofer Vorstadt 157, Louisenstadt jenseits 297, Louisenstadt diesseits und Neu- Köln 186, Stralauer Viertel 366, Rönigftadt 149, Spandauer Viertel 131, Rosen thaler Vorstadt 268, Oranienburger Vorstadt 186, Friedrich­Wilhelmstadt und Moabit 148, Webbing 182. Die Lebend geborenen find 34,00, die Todtgeborenen 1,42, die Sterbefälle 21,89 pro Mille der fortgeschriebenen Bevölkerungszahl. Es wurden 11 103 Bugezogene, 7739 Weggezogene gemeldet, und in Gasthäusern 2c. nach polizeilicher Meldung 26 458 Fremde beherbergt. Die Zahl der im Monat November zur Meldung getommenen Infektions- Erkrankungsfälle betrug an Typhus 69, Boden 1, Masern 421, Scharlach 260, Diphtheritis 747, Kind bettfieber 20. Die größten Bahlen unter diesen Erkrankungen entfallen auf Standesamt VII mit 825, X mit 164, IV mit 146, VI mit 128 Fällen.

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Polizei- Berit. Am 2. d. M. Abends gerieth in der Druderei von Danziger, Dresdeneftr. 84, der Lehrling Strumpf durch eigenes Verschulden mit der rechten Hand zwischen die Walzen einer Schnellpreffe, wodurch ihm der Daumen zerquetscht wurde. Er mußte nach der föniglichen Klinik gebracht werden.

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In der Nacht zum 4. d. M. wurde ein Mann bei einer Schlägerei in der Fehrbellinerstraße durch Stock und Schirm schläge auf den Kopf so schwer verlegt, daß er mittelst Droschte Am 4. d. M. nach der Charitee gebracht werden mußte. Vormittags wurde ein junger Mann in einem hiesigen Hotel Vormittags wurde ein junger Mann in einem hiesigen Hotel todt vorgefunden. Derfelbe hatte sich durch einen Revolverschuß in den Mund getödtet. Die Leiche wurde nach dem Obduktions Um dieselbe Beit fiel der Arbeiter Parch hause geschafft. mann auf dem Hofe des Grundstücs Mödernstr. 94 beim Auf laden von Müll mit dem gefüllten Kaften in Folge Aus­pleitens zur Erde und brach das Bein. Er wurde nach der Shari ee gebracht.- An demselben Vormittage wurde in der Nähe der Leffingbrüde die Leiche des Töpfers Krutloff ange schwemmt und nach dem Dbduktionshause gebracht. An demselben Tage Nachmittags wurde ein unbekannter Mann, in welchem später der Former Schäfer festgestellt wurde, finnlos betrunken in der Dalldorferstraße betroffen und zur Ausnüch terung nach der Wache des 58. Polizei Reviers gebracht. Als derselbe Abends geweckt werden sollte, fand man ihn todt, und ist er nach Feststellung des hinzugezogenen Arztes am Schlag fluß verstorben. Am 5. b. M. früh brach in einer Barten halle des Grundstücs Thurmftr. 31 Feuer aus, durch welches die Halle und die daranstoßende Kegelbahn völlig zerstört wurden. Auf welche Weise das Feuer entstanden, hat sich nicht feststellen lassen.

Gerichts- Zeitung.

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Die bereits zweimal vertagte Anklagesache gegen den Dr. philadelphiae Simon Michael May wegen öffent licher Beleidigung des Rechtsanwalts Jonas mittels übler Nachrebe gelangte gestern wiederum zur Verhandlung, aber noch nicht zum Ürtheilsspruch, da ste auf neue Einwendungen des Angeklagten abgebrochen werden mußte. Bum nächsten Sonnabend ist von dem Gerichtshof die Fortsetzung der Ver handlung anberaumt worden. Der Angeklagte hat in seinem mehrfach besprochenen Vortrage in einer Versammlung des D. A. B. am 29. Mai v. J. von dem Justizrath Matomer bes hauptet, daß er für Leute Prozesse geführt habe, obgleich ihm deren wucherisches Treiben aus diesen Prozessen bekannt ge worden sei. Den gleichen Vorwurf hatte der Angeklagte gegen ben derzeitigen Generalsubstituten des Rechtsanwalts Ma tower Rechtsanwalt Jonas erhoben. Nur der lettere hat den In dem 18. September Strafantrag gestellt. v. J. angeftandenen Termin hatte fich der Ange flagte auf das Beugniß eines Hauptmanns v. Goretti Kornit darüber berufen, daß der Kaufmann V. Dauß seine aus wucherischen Geschäften erwachsenen Prozesse durch den Justiz­rath Malower in der Beit haben führen laffen, in welcher Rechtsanwalt Jonas thn als Generalsubstitut vertrat; daß Rechtsanwalt Jonas ihn als Generalsubstitut vertrat; daß B. D. als notorischer Wucherer in Berlin bekannt sei und daß bies den Mandataren unmöglich hätte entgehen lönnen. Außerdem hatte der Angeklagte die Behauptung aufgestellt, daß Juftizrath Makower auch die Prozesse der Getreide handlungsfirma Simon Boehm, der in gleichem Rufe ftebe, wie V. D., geführt habe. Diese Behauptung nahm der An­getlagte, nachdem festgestellt worden, daß Justizrath Malower einmal der Mandatar von Simon Boehm gewesen sei, zurüd. In dem am 10. Oktober pr. angestandenen Termin stellte fich heraus, daß nicht der richtige v. G.-R. geladen war. Der Angeklagte erweiterte damals noch seine Anträge auf Er.

hebung des Wahrheitsbeweises, und der Gerichtshof beschloß Vertagung und theilweise Erhebung dieser Beweise. Abgelehnt wurde die Vernehmung des Kaufmanns Emanuel Bail in Cherson in Rußland und eines Fel. Neumann, welche bei Bail Buchhalterin war, darüber, daß Viktor D. den B. durch Bes wucherung ruinirt habe. Sm geftrigen Termin wurden die Rechtsanwälte Jonas und Steinschneider, sowie Gerichtsaffeffor birchberg, welche zu verschiedenen Beiten als Hilfsarbeiter des Justizraths Makower fungirt haben, vernommen. Nach deren übereinstimmenden Bekundungen waren die lediglich aus einfachen für Dauß geführten Prozesse Wechseln aus hervorgegangen, beren Namen ein Schluß auf zu Grunde liegende Wuchergeschäfte nimmer zu ziehen geweſen ſet. Juftigrath Malower habe bei Annahme von Mandaten mit peinlichfter Sorgfalt darauf ge­achtet, daß auch nicht das geringfte Anrüchige damit verknüpft set, und ist ihnen eine Instruktion nach dieser Richtung hin ertheilt worden. Aus den Vernehmungen der übrigen Beugen heben wir nur die des kommissarisch vernommenen v. Gorezki­Korniz und des Rorvettentapitäns Olleerg in Constanz hervor. Beide haben von anderen Personen Mittheilungen erhalten, aus denen fie auf einen wucherischen Charaker der Geschäfte des V. D. geschloffen hätten. Sie wiffen aber über die Pro­effe deffelben durch JR. Małower nichts. Gerichtsaffeffor Hirschberg hob in seiner Aussage noch hervor, daß bei einer Subhaftation von den Leuten im Bureau des J.-R. Matower davon gesprochen worden ist, daß der Subhaftat von den Geldgebern, unter denen fich auch V. D. befand, wohl or dentlich hochgenommen worden sein werde. Auch set ihm vor etwa vierzehn Tagen im Privatgespräche mitgetheilt worden, daß V. D. sehr hohe Binsen genommen hätte. Den Namen seines Gewährsmannes würde er nur angeben, wenn dies vom Gericht verlangt würde. Da der Angeklagte den Namen durchaus wiffen will und der Präfident feinen Anlag hat, die dahingehende Frage des Angeklagten als unzulässig zurückzuweisen, benennt der Beuge den Direktor Speyer der Linoleumfabrit zu Röpenid als seinen Gewährsmann. Der zu heute ebenfalls gelagene Beuge Juftigrath Makower fonnte wegen Krankheit nicht erscheinen. Der Angeklagte besteht aber troß des Vorhalts, daß der Zeuge doch ficher nicht anders be­funden werde, als die Beugen Jonas, Steinschneider und Hirschberg, darauf, daß dieser Beuge darüber vernommen werde, Daß ihm die wucherische Qualität seines Mandanten V. D. von seinen Bureaubeamten zur Kenntniß gebracht worden sei. Außerdem beantragt er von Neuem die Bernehmung des Frl. Neumann und des Emanuel Ball. Der Vertreter des Nebentlägers Rechtsanwalt Dr. E. Friedemann widerspricht diesen Anträgen, und der Gerichtshof beschließt kommissarische Bernehmung des Justizraths Matower in deffen Wohnung, die Vernehmung der Neumann und des Bail aber abzulehnen, weil die von denselben zu bekundenden Thatsachen als richtig angenommen werden sollen. Ferner soll zum Sonnabend der Direktor Speyer geladen werden.

Reichsgerichts- Entscheidung. Leipzig , 4. Januar. Ein Bismardbeleidigungsprozeß, der wie alle solche Prozesse mancher­lei Intereffantes bot und zum Nachdenken anregte, tam am 4. Januar vor dem dritten Straffenate des Reichsgerichtes zur Verhandlung. Beschuldigt, den Reichskanzler durch die Breffe beleidigt zu haben, war der verantwortliche Redakteur der Altenburgischen Landeszeitung", Herr Hugo Gustav Otto Regel in Altenburg , wobei zu bemerken ist, daß genanntes Blatt feineswegs zu der nörgelnden Oppofitionspresse" zählt und früher den Fürsten Bismard recht gelobt hat. In Frage tam ein in Nr. 105 jener Beitung vom 6. Mai 1885 enthalte ner Driginalbericht aus Kairo , überschrieben Bur Affäre des Bosphore Egyptien" und unterzeichnet mit dem Buchstaben A. Nachdem das Vorgehen der französischen Regierung in jener betannten Sache besonders lobend erwähnt war, folgte ein Ab­fat, welcher ungefähr folgendermaßen lautete: An uns Deutsche tritt unwillkürlich die Frage heran: Würde sich die deutsche Reichsregierung eines ihrer Unterthanen aus dem Ges werbeftande in der Weise annehmen wie die französische? Er müßte mindestens von oben herab gut empfohlen oder vom Adel sein. Der Reichskanzler erblickte hierin eine Beleidigung feiner Person als Leiter der auswärtigen Angelegenheiten und stellte deshalb Strafantrag. In der Sigung vom 3. Novem ber v. J. verurtheilte daraufhin das Altenburger Landgericht den obgenannten Redakteur auf Grund des§ 185 zu 3 Mo naten Gefängniß. Der Einwand, daß es eine deutsche Reichs regierung nach der Verfassung nicht gebe, wurde in den Urtheils­gründen als unzutreffend zurückgewiesen, da der Reichskanzler alle Verwaltungsbehörden des Reichs gewissermaßen als seine Bureaus betrachten tönne und den Strafan trag nicht als Leiter als Privatmann, sondern Der Reichsbehörden, speziell des Auswärtigen Amtes geftellt habe. In der Revifton, welche vor dem Reichsgericht durch Herrn Justizrath Dr. Braun vertreten wurde, rügte der Angeklagte, daß ein von dem deutschen Konsul in Rairo am 25. September abgefaßtes Protokoll über die Vernehmung des dortigen Kaufmanns Anderer, eines deutschen Staatsangehöri gen, der fich zum Verfasser des inkriminirten Artikels bekannte, frog des Antrages des Bertheidigers nicht vorgelesen worden sei. Hieran Inüpfte fich die Ausführung, daß es nach dem Breßgefeße nicht gerechtfertigt erscheine, den Redakteur zur Ver antwortung zu ziehen, wenn der Verfasser bekannt sei und direkt unter dem Griffe der deutschen Regierung, hier Des Ron­fulates in Kairo ftebe. Der Vertheidiger führte dann noch bes fonders aus, daß eine Reichsregierung nicht bestehe, was ja der Reichslangler am 1. Dezember selbst im Reichs tage erklärt habe. Ungerechtfertigt erscheine es auch, gegen den Redakteur zu verhandeln, ehe man gegen den Verfaffer ver handelt habe, weil man sonst nicht über die preßgefeßliche Verantwortlichkeit des ersteren im Klaren sein könne. Der Reichsanwalt bezeichnete die Beschwerde als nicht begründet, da es in das Ermessen des Gerichtes gestellt sei, eine Sache, bei der mehrere Angeklagte in Frage kommen, zu trennen. Die prozesuale Rüge lönne deshalb keinen Erfolg baben, weil jenes Protokoll in Kairo auf Veranlaffung der Staatsanwalt schaft aufgenommen sei. Jm Uebrigen ließen die Feststellun­gen des Urtheils leinen Rechtsirrthum erkennen und er bean­trage deshalb die Verwerfung der Revision. Das Reichsgericht erachtete diese Ausführungen für zutreffend und verwarf die Revision.

Vereine und Versammlungen.

Der Zentral- Arbeitsnachweis für Tischler, im Jahre 1881 vom Fachverein der Tischler begründet, befindet sich Blumenstraße 56 auf der Tischlerherberge. Die Arbeits vermittelung geschieht für beide Theile( Meister und Gesellen) unentgeltlich. Die Adreffenausgabe an arbeitsuchende Gesellen erfolgt an Wochentagen von 8 bis 9 Uhr Abends; Sonntags Vormittags von 9 bis 11 Uhr. Gesuche um Bu schidung von Arbeiten werden per Postkarte erbeten, auch tönnen berartige Gesuche in den am Eingange des Lotals be findlichen Brieflaften gelegt werden.

Der Fachverein der Tischler hält am Sonnabend, den 9. Januar, Abends 8 Uhr, in Säger's Lolal, Grüner Weg Nr. 29, eine Versammlung ab, zu welcher auch Säfte Zutritt haben. Im Norden Berlins findet in dieser Woche teine Ver einsversammlung statt. Die Bahlstellen des Vereins find jeden Sonnabend Abends von 8 bis 10 Uhr geöffnet und befinden fich Belle Allianceplay 6 bei Hilscher, Staligerstraße 18 bei Stramm, Bionstirchplatz 11 bei Hohn und Blumenstraße 56 auf der Tischlerherberge. Daselbst werden die Mitgliederbei träge in Empfang genommen, sowie neue Mitglieder aufge

nommen.

Verantwortlicher Rebatteur R. Erauheim in Berlin . Druck und Verlag von Mar Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2

dieran eine Beilage.