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Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 12.
Parlamentsberichte.
Eröffnung des Landtages.
Gestern wurde der preußische Landtag durch folgende Thronrede eröffnet:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages! Indem Jch Sie am Eingange einer neuen Legislatur periode willkommen heiße, ist es Meinem Herzen Bedürfniß, von dieser Stelle aus nochmals Meinem Volte Meinen Königs lichen Dank zu sagen für den einmüthigen und erhebenden Ausdruck der Liebe und Anhänglichkeit, der Mir zu dem Tage entgegengebracht wurde, an welchem Ich auf die fünfundzwanzigjährige Dauer einer durch Gottes Gnade nach Innen und Außen reich gefegneten Regierung zurückblicken fonnte.
Bu gleicher Befriedigung hat es mir gereicht, daß bei dieser Gelegenheit auch außerhalb der Grenzen des Vaterlandes ein Maß von wohlwollender Theilnahme an Unserer Feier zu Tage getreten ist, welches den freundlichen Beziehungen des Reiches zu allen auswärtigen Regierungen und Meinem vollen Vertrauen auf die gesicherte Fortdauer des Friedens entspricht.
Im Uebrigen will Ich hiermit den Präsidenten Meines Staatsministeriums beauftragen, Ihnen weitere Mittheilungen über die Lage des Staatshaushalts und über die auf dem Gebiete der Gefeßgebung an Sie herantretenden Aufgaben zu machen.
Die Finanzlage des Staates hat sich gegen das vorige Jahr, wo ihre Unzugänglichkeit angefichts einer nothwendigen Erhöhung der Matitlularbeiträge fich in erheblichem Maße geltend machte, wieder günstiger gestaltet.
Das legte abgeschloffene Rechnungsjahr zeigt auf faft allen wichtigeren Verwaltungsgebieten erfreuliche finanzielle Ergeb. nife. Wenn dasselbe gleichwohl feinen für das tommende Etatsjahr verfügbaren Ueberschuß hinterlassen hat, so ist dies die Folge der gefeßlichen Vorschriften über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahnverwaltung, nach welchen der beträchtliche, über die Voranschläge erzielte Ueberschuß dis Jahres auch in der Rechnung eben dieses Jahres schon zu ent fprechender Mehrtilgung der Staatseisenbahnschuld hat in Ausgabe gestellt werden müssen.
Von dem laufenden Jahre find nach den bisherigen Wahr nehmungen ganz so günstige Ergebnisse nicht zu erwarten, ins besondere wird der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung urter bem Einfluß einer verminderten Verkehrsentwickelung den Voranschlag vielleicht nicht voll erreichen. Deffenungeachtet er fcheint die Hoffnung berechtigt, daß das Gesammtergebniß auch des laufenden Jahres tein ungünstiges sein werde.
Für das nächste Jahr fällt ins Gewicht, daß inzwischen durch die gefeßliche Ueberweisung von Bollerträgen an die Kommunalverbände, und durch die Pensionirung der Lehrer an den Vollsschulen die ersten Schritte gethan find zur Befrie digung der auf dem Gebiete der Kommunal und Schullasten feit Jahren hervorgetretenen Bedürfnisse, für welche aus den bisherigen Einnahmequellen des Staates die erforderlichen Mittel weder zu beschaffen waren noch in Aussicht stehen. Die Mehrausgaben infolge jener beiden Geseze nehmen die Mehr einnahmen, welche der Staatslaffe inzwischen durch die Reichsgefeßgebung neu zugeführt worden sind, zum größeren Theile in Anspruch, während der Reichshaushalt eine erneute Stei gerung der Matrikularbeiträge für das nächste Jahr vorzusehen nöthigt. Unter diesen Umständen tönnen auch die größeren Ueberschüffe, auf welche bei den meisten Betriebsverwaltungen des Staates nach den sorgfältig aufgestellten Voranschlägen wiederum zu rechnen sein wird, und die beträchtliche Erleich terung der Binslast des Staates, welche durch die Ummandlung bisher höher verzinslicher Schulden in vierprozentige gefichert ist, bei aller Sparsamkeit und Beschränkung in der Berücksichtigung neuer Bedürfnisse nicht hinreichen, um das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben im nächstjährigen Staatshaushaltsetat herzustellen.
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Es wird daher, wenn auch in geringerem Unfange wie für das laufende Jahr, abermals der Staatskredit zur Deckung des Fehlenden in Anspruch zu nehmen sein.
Die Regierung hat hierin und in der Ueberzeugung, daß es bei den geringen Anfängen einer Erleichterung des Druckes Der Kommunal und Schullasten und dem Aufschube der Ver befferung der Beamtenbesoldungen nicht etwa sein Bewenden haben tann, erneuten Anlaß gefunden, auf die Weiterführung Der Reichssteuerreform hinzuwirken, insbesondere hat fie fich angelegen sein laffen, reichegefeßliche Bestimmungen zur Ein führung des Branntweinmonopols vorzubereiten und zu beantragen, von deren Annahme fie ausreichende Erträgniffe zur Befriedigung der dringenden Bedürfnisse in Staat und Reich und günstige Folgen für Moral und Gesundheit erhofft.
Die Entwürfe des Staatshausbaltsetats für das nächste Jahr und eines Gefeßes wegen Aufnahme einer Anleihe zur Ergänzung der nächstjährigen Einnahmen des Staates werden Shnen alsbald vorgelegt werden.
Auf dem Gebiete der industriellen Thätigkeit macht sich in einzelnen Betriebszweigen eine Stodung des Absages be mertbar.
Diese Erscheinung läßt fich auf eine durch die bisherigen günftigen Erfolge der gewerblichen Arbeit angeregte Steige rung der Betriebſamkeit und auf den Wunsch zurückführen, dem deutschen Fabritat im Wettbewerb mit den tonfurrirenden Industriestaaten den Vorsprung zu sichern. Eine Abhilfe hier. gegen liegt außerhalb des Bereichs unserer Gefeßgebung. Nur bie Burückführung unserer Produktion auf das Maß des Be dürfniffes wird die ungünstigen wirthschaftlichen Folgen fern zu halten vermögen, welche eine Anhäufung nicht absagfähiger Erzeugniffe nach fich zieht.
Die erfreulichen Ergebnisse unserer Eisenbahnpolitik ge ftatten, Ihnen auch in diesem Jahre die Herstellung einer Reihe von Schienenverbindungen in verschiedenen Theilen des Landes vorzuschlagen, durch welche wichtige Verkehrsgebiete erschlossen und erhöhter wirthschaftlicher Entwidelung entgegen geführt werden sollen.
Von der Fürsorge für die Förderung der Binnenschifffahrt wird neben den weiteren beträchtlichen Forderungen für Stromregulirungen und Schifffahrtsanlagen in dem Staatshaushalts etat eine Vorlage Beugniß ablegen, welche die im Jahre 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals von Dortmund nach den Ems Häfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projektes und zugleich den dem gegenwärtigen Verkehrsbedürf niß entsprechenden Ausbau der Wasserstraße von der mittleren Dder nach Berlin bezweckt.
Nachdem in Folge der jüngst ergangenen Kreis- und Pro vinzial- Ordnungen die Einführung der Verwaltungsreform sich in der Provinz Hannover in erwünschter Weise vollzogen hat und für die Provinz Hessen- Nassau in nahe Aussicht gerückt ift, bleibt die Vollendung des in feinen Grundzügen gesicherten und bewährten Reformwerts für noch vier Provinzen der Monarchie eine wichtige Aufgabe der Gesetzgebung. Zu diesem
Freitag, den 15. Januar 1886.
Behufe ist zunächst der Entwurf einer Kreis- und ProvinzialOrdnung für Westfalen ausgearbeitet worden, welcher Ihrer verfaffungsmäßigen Beschlußnahme unterbreitet werden wird. polnische in einigen östlichen Provinzen legt der Regierung die Das Zurüddrängen des deutschen Elements durch das Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, welche den Bestand und die Entwickelung der deutschen Bevölkerung ficher zu stellen_ge= lagen werden Ihnen seinerzeit zugehen. eignet find. Die zu diesem Zweck in Arbeit befindlichen Vor
Geehrte Herren!
Sie ersehen aus dem Verlesenen, daß der Landesvertretung Ich hoffe, daß Ihre wrbeit auf demselben sich auch in diesem wiederum ein ausgesehntes Feld wichter Thätigt.it eröffnet ist. Jahre zu einer fruchtbringenden und unter Gottes Segen für die Woh fahrt des Landes förderlichen gestalten werde. Auf Befebl Seiner Majestit des Königs erkläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet.
Herrenhaus.
1. Sizung vom 14. Januar, 2% Uhr. Am Regierungstische: Friedberg .
Ter Präsident der vorangegangenen Seffion, Herzog Don Ratibor, eröffnet die Sigung mit eine Ansprache an die Mitglieder, in welcher er des jüngst stattgehabten Re gierungsjubiläums des Kafers und Königs gedenkt.
Der Präsident bringt darauf auf Se. Majestät den Kaiser und König ein hoch aus, in welches die Mitglieder, die sich von ihren Pläzen erhoben haben, dreimal begeistert
einstimmen.
Bu Schriftführern werden provisorisch vom Präsidenten die He ren Theune, Diege, Graf v. 8ieten- Schwerin, v. Neumann berufen.
Seit dem Schluffe der legten Session des Landtages find in das Herrenhaus neu berufen worden die Herren von Arnim, Fürst von Bentheim Tecklenburg Rheda, Graf zu Dohna Kl. Rogenau, Graf v. Frankenberg , Graf v. Keyserling . Rautenburg, Oberbürgermeister König( Memel ), Oberbürgermeister Küper( Krefeld ), Kammerherr v. Mellenthien, Dberbürgermeister de Nys( Trier ), Riedsel Freiheir zu Eisenbach, Bräfident der Stehandlung Rötger, Regierungspräfident von Wedell Piesdorf und Regierungspräsident v. Wurmb.
Auf der Tagesordnung steht die Konstituirung des Hauses, welche sofort erfolgt, da durch Namensaufruf die Anwesenheit von 104 Mitgliedern festgestellt wird, zur Beschlußfähigkeit aber schon die Anwesenheit von 60 genügt.
Auf den Antrag v. Kleist Rezom werden die bis. herigen Präsidenten Herzog v. Ratibor , Graf v. Arnim. Boizenburg und Befeler durch Attlamation wieder. gewählt und nehmen die Wiederwahl dantend an.
Ebenso werden die acht Schriftführer der vorigen Seffion wiedergewählt: Lotichius, Dieße, Theune, v. d. Often, v. Wiedebach, v. Neuman, Graf Bieten Schwerin und von Schöning,
Das Haus ist damit konstituirt; die bezügliche Anzeige wird vom Präsidenten an Se. Majestät den König sofort et stattet werden.
Schluß 3 Uhr. Nächste Sigung Freitag 12 Uhr. ( Entgegennahme von Regierungsvorlagen und Beschlußfaffung über die geschäftliche Behandlung derselben.)
Abgeordnetenhaus.
1. Sigung vom 14. Januar. Um 14 Uhr wurde die erste Sigung des neugewählten Hauses durch den Alterspräsidenten Abg. v. Lessing mit folgender Ansprache eröffnet;
Meine Herren! Der älteste Abgeordnete hat die Pflicht, die erfte Sigung zu eröffnen. Im Bureau hat man mir ges sagt, ich sei der Weltefte. Ich bin am 14. November 1809 ge boren: ist einer der Herren älter? Da Niemand fich meldet, so liegt die Verpflichtung zur Eröffnung der Sigung mir ob. Wir haben zuerst wohl den Wunsch auszudrücken, daß unsere Sizungen zum Heile des Vaterlandes ausfallen. Wir haben heute aus Allerhöchftem Munde den Dant aussprechen gehört, daß Se. Majestät der Kaiser den 3. Januar erlebt hat, daß derselbe so feierlich begangen wurde. Wir Alle haben uns gewiß glücklich geschäß, diesen Tag erlebt zu haben, wir haben uns der Großthaten unseres faiser. lichen Herrn erinnert und waren gewiß Alle von dem Wunsche beseelt, daß er uns in seiner Kraft und Frische noch lange erhalten bleibe. Diefen Gefühlen laffen Sie uns in der ersten Sigung durch den Ruf Ausdrud geben: Se. Majestät Der Kaiser, unser Allergnädigster Herr und König, er lebe hoch! ( Das Haus stimmt dreimal lebhaft in den Ruf ein.) Nun frage ich, ob die Herren geneigt sind, daß die Geschäftsordnung, wie früher, angenommen werde. Da. Niemand das gegen das Wort ergreift, so nehme ich die Buftimmung an.- Nunmehr ernenne ich zu provisorischen Schriftführern die Abgg. Immalle, v. Quast, Bopelius und Worzewski. Die Verloosung in die 7 Abtheilungen werden wir, wenn Niemand widerspricht, nach der Sizung vornehmen. Morgen bitte ich die Abtheilungen, über deren Bildung Ihnen noch heute Abend Nachricht zugehen wird, die zur Beschlußfäbigkeit des Hauses nothwendigen Wahlprüfungen und am Sonn abend 2 Uhr die Wahl der drei Präsidenten und Schrift. führer vorzunehmen. Das Haus ist damit einverstanden.
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24. Situng vom 14. Januar, 2 Uhr. Am Tische des Bundesrathes Graf Lerchenfeld, Versmann u. A., vorübergehend v. Boetticher. Auf der T. D. steht zunächst der von Ausfeld und Gen. eingebrachte G. E.:
Unmittelbare Umschließungen( Fäffer, Flaschen, Kruten und dergleichen) zollpflichtiger Flüffigleiten bleiben vom Eingangszoll frei, wenn ihr Gewicht in das für die Verzollung der Flüssigkeiten ermittelte Gewicht einge
rechnet ift."
Abg. Broemel( deutsch freis.): Meine Aufgabe, deren Schwierigkeit mir in Erinnerung an die langwierigen Bolldebatten der letten Seffion einleuchtet, hätte ich mir nach dem damals bewährten Verfahren gern dadurch erleichtert, daß ich auf den Tisch des Hauses ein Petroleumfaß niederlegte, damit ea in seinem h mmelblauen Unschuldskleide wirksamer für seine Sache spräche, als ich es im Stande sein werde. Als vor etwa einem Jahre ber Abg. Möller den preußischen Antrag beim Bundesrathe auf Verzollung der Petroleumfäffer hier zur Distusfion brachte, wurde ihm vom Vertreter des Bundesraths geantwortet, man fönne zur Seit über den Antrag teine Auskunft ertheilen, weil die Entschließung des Bundesrathes nicht vorherzusehen sei. Heute steht zu befürchten, daß, nachdem der Bundes: ath seine Entschließung getroffen hat, auch diese bescheidene Antwort ausbleiben wird. Der Bundesrath hat in seinen Bestimmungen über die Tara
III. Jahrg
erklärt: Unter Bruttogewicht wird das Gewicht der Waare in völlig verpadlem Zustande ve standen." Man sollte meinen, daß der Wortlaut dieser Bestimmung einen Bweifel über die Art, in welcher der Stoff, das Petroleum, und die Umhüllung, das Faß, zu verzollen sei, nicht wohl auftommen läßt, und doch hat der Bundesrath am 18. und 25. September v. J. beschlossen, von dem Petroleumfaß einen besonderen Zoll, einen Buschlagssoll von 4 Mart pro 100 Kilogramm, zu erheben, so. daß der Petroleumzoll von 6 auf 10 Mart erbögt ist, gleich dem Zoll für lacirte Böttcherwaaren. An Gründen dafür liegt uns nur die Interpretation des Herrn Schaßsekretärs vom Januar v. J. vor: die Bestimmung des Gefeßes sei nicht das hin zu verstehen, daß Waare und Faß demselben Bollsatz zu: unterwerfen seien, sondern daß die Waare selbst mit einem Gewicht zu verzollen sei, das sich aus dem Gewicht der Waare und dem tes Faffes zusammenseße, daß aber die Entscheidung über die Verzollung der Tara, d. h. in diesem Falle des Faffes, eine ganz besondere Frage bilde. Diese Ers flärung ist funkelnagelneu, niemals ist auf Grund eines deutschen Bolltarifs das Faß einer Flüssigkeit einem besonderen Boll unterworfen worden. Unser Bollwesen beruht doch auf dem Hauptgrundfaß, daß Boll nur auf solche Waaren erhoben wird, die auch thatsächlich in das Bollgebiet eingehen, und die Einrichtung, von der der Bundesrath in diesem Falle selbst Gebrauch macht, die Einrichtung der zoll freien Niederlagen, welche die Wiederausfuhr zollpflichtiger Waaren gestatten, beruht gerade auf dem Grundsaß, daß die Waaren, welche auf die Niederlage gehen, bei ihrem Wieder ausgang feinen Boll zu zahlen haben. Das Petroleum erfährt ja nicht zum ersten Mal diese absonderliche Behandlung; als vor einigen Jahren das russische Petroleum in Sisternenwagen einging, hielt der Bundesrath unerschütterlich daran fest, daß zum Petroleum ein Faß gehöre, und wenn das Petroleum es wagen sollte, ohne Faß einzugehen, die Bollverwaltung ge sezlich verpflichtet sei, fich das Faß zum Petroleum hinzuzudenten( Heiterkeit); deshalb wurde jenes Petroleum mit einem Gewichtszuschlage von 25 pet. versehen, d. h. die Phantaste der Bollbeamten brachte garnicht vorhandene Fäffer zur Ver zollung. Der große Handel, der fich mit den eingehenden Fäffern in allen Ländern abspielt, beruht durchaus auf der Erfahrung, daß die Kosten des Faffes sammt seiner Versollung mit auf den Preis der Waare geschlagen werden. Fässer, die am Ur sprungsorte 10 oder 12 M. foften, find hier im Handel für 1 oder 2 M. zu haben. Jest ist der Preis des Petroleum faffes gerade deshalb fo erheblich gesunken, weil die Betroleum fäffer eben wegen des erhöchten Bollsaßes zum größten Their wieder ins Ausland ausgeführt werden und dort ein so erheb liches Angebot von Fäffern entsteht. Schließlich kommt der höhere Boll im Minderwerth des Faffes zum Ausdruck, und der Handelsstand muß Entschädigung suchen im Aufschlag auf den Petroleumpreis. Der Sinn unserer ganzen Bollgesetz gebung steht mit der Maßregel durchaus im Widerspruch; und wenn die Auslegung des Bundesraths gefeßlich zulässig wäre, so würde unser ganzer Handel in einen Bustand erschreckender Unsicherheit gerathen. Meine Partei meint, daß es fich empfiehlt, dieser durch die Interpretion des Bundesraths ge= schaffenen Unsicherheit durch einen einfachen flaren Busaß zum Bolltarifgesetz ein Ende zu machen. Der Bundesrath fönnte ja, wenn er ernste Uebelstände wahrzunehmen glaubte, einfach. Durch einen Gelegentwurf eine entsprechende Reform bean tragen. Ein so tomplizirtes und fonfuses System, wie es jest gefchaffen ist, fann mit der Klaten Bestimmung über die Vere 30llung nach dem Bruttogewicht nicht gemeint sein; und wenn Sie uns die hand bieten, hier, wo es fich nicht um eine sollpolitische Parteifrage, sondern um eine einfache Rechtsfrage handelt, den durch den Bundesrath ge schaffenen Zustand wieder zu beseitigen, so verhelfen Sie dem Rechte wieder zu seiner Geltung und dem gefunden Menschenverstande wieder zu seinem Rechte.( Beifall links.)
Abg. Strudmann( nat.- lib.): Ich bedauere, feinen Vertreter der Regierung hier anwesend zu sehen; die Regies rung scheint es nicht für nöthig zu halten, auf den Vorwurf zu antworten, der hier erhoben wird, daß sie eine den Gefeßen nicht entsprechende Anordnung getroffen habe. Ein solches Verfahren der Regierung ist nicht geeignet, zwischen Reichstag und Bundesrath ein angemessenes Verhältniß herbeizuführen. Ich hätte gern vernommen, auf welche richterliche Basis der Bundesrath die von uns angegriffene Verordnung zu stüßen versucht. Mir persönlich ist es nicht gelungen, eine solche Basis aufzufinden, und ich erkläre rund heraus, daß ich die Verordnung des Bundesraths als mit den Gesezen in Einlang stehend nicht ansehen kann. Es liegt ja vielleicht ein gesunder Kern den Intentionen der Regierung zu Grunde; Die Bestimmung, daß das Bruttogewicht entscheidend sein soll, ist wohl in der Voraussetzung in das Gesetz aufgenommen worden, daß im Allgemeinen die Tara im Boll minder werthiger sei als die Waare. Die ganze Frage würde deshalb zweckmäßig durch eine Kommiffion geprüft werden, und ich. fchlage eine solche von 14 Mitgliedern vor. Der Erfolg, die deutschen Böttchergewerbe zu schüßen, wird durch die Ver ordnung des Bundesraths vielleicht gar nicht einmal erreicht. So kommt die Verordnung nicht dem Inlande zu Gute, son dern den amerikanischen Exporteuren.
Abg. v. Schals cha( Bentr.): Die verbündeten Re gierungen müßten bei der Ausführung des Bolltarifs um so vorsichtiger sein, je größer die Antipathien des Publikums gegen den Bolltarif find. Meine politischen Freunde haben an bem Zustandekommen des Bolltarifs einen wesentlichen Antheil gehabt. Um so mehr wünschen wir, daß die Ausführung des felben nicht mit Schwierigkeiten und Blackereien für das Bublifum verbunden find; sie dienen nur dazu, die Antis pathien gegen das ganze Tariffyftem, welches nun einmal existirt, zu vermehren. Der Abg. Brömel hat gemeint, daß es fich hier nicht um eine zollpolitische Parteifrage handele, und Darin hat er vollständig Recht. Ich hoffe, daß, wenn ich in nächster Beit noch einige andere Fälle vorführen werde, wo es fich allerdings um die Schädigung von Großgrundbefizern handeln wird, die Herren anerkennen werden, daß es fich nicht um eine Parteifrage, sondern um gefeßlich unzulässige Deutungen handelt. Dem Antrag auf Kommissionsberathung schließe ich mich an.
Abg. Barth( deutsch freis.) Bu meinem Erstaunen hat selbst ein Anhänger der herrschenden Wirthschaftspolitik, wie der Vorredner, erklärt, daß der in Frage stehende Beschluß des Bundesraths nach leiner Richtung hin zu rechtfertigen sei. Der Redner der nationalliberalen Partei ist sogar noch weiter gegangen, den Bundesrath zu besavouiren. Und bei einer folchen Sachlage hält es tein Mitglied des Bundesraths für nothwendig, auch nur mit einem Wort auf die Angelegenheit einzugehen.( hört!) Einer der Herren, der gewöhnlich zu Diesen Fragen zu sprechen pflegt, erscheint zwar am Bundes rathstische, verschwindet aber sofort wieder von der Bildfläche, als er fich überzeugt, welcher Gegenstand auf der Tagesordnung steht, und hält es nicht für nöthig, das Wort zur