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Mittwoch, den 20. Januar 1886.

III. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

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Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das   Berliner Volksblatt"

Der Aint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für   Berlin frei Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement bene Maßart. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustrirter Beilage 10 Pfg. gegebene- ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1886 unter Nr. 769.)

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Redaktion: Beuthstraße 2. Beuthstraße 2. Expedition: Zimmerstraße 44.

Frankreichs neue Regierung.

innerhalb Die   französische Regierung hat in der Deputirtenkammer Hem Protoange Erklärung verlefen lassen, in der sie die Grund­er Steuer ihrer fünftigen Politik darlegt. auf der pe Man muß dieser Erklärung zunächst das Lob ertheilen, eruben, ode allgemein die sehr gefidt abgefaßt ist. Herr von Frey vom Schluft, der Chef des   französischen Rabinets, ist ein genauer ahres ab feiner Renner der   französischen Verhältnisse und weiß, nan reden muß, wenn man auf seine Landsleute wirken nd will. Er hat es auch vermieden, den in   Frankreich bräuchlichen Aufwand von politischen Phrasen als Aus­dung der Erklärung zu verwerthen. In knapper, schmuckloser Sprache wird gesagt, was man will; I 2C  . will die in   Ostasien begonnene Rolonialpolitik auf rik von ordentlich einfacher Grundlage" weiter führen, so daß am Rhei statt 75 Millionen Franks, deren nur noch 30 pro tel, macht erforderlich sind, und auch von diesen 30 Millionen hofft heile, er daß sie in einigen Jahren nicht mehr erforderlich sein on Fußben. Wenn man das so durchführen kann, ist das un­felhaft ein großer Vortheil für   Frankreich und wenn

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20 Pf. bie Tongking- Frage auch nicht sofort los wird, so

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reich wird eine fräftige Stüße für den Völkerfrieden überhaupt bilden und das wird Niemand unterschätzen wollen.

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Der größte Theil der republikanischen Presse ist von diesem Regierungsprogramm über die Maßen ent zückt. Wir müssen gestehen, daß wir das übertrieben finden. Was in dem Programm gefagt ist, das darf man -mit Ausnahme einiger Punkte als gut bezeichnen. Allein es ist eben zu wenig gefagt. Wenn es am Schluffe heißt, daß die   Republik nicht stille stehen könne, sondern daß ein beständiger Fortschritt und eine beständige Hebung des materiellen und mo­ralischen Niveaus der Demokratie in Frank­  reich stattfinden müsse, so ist das offenbar sehr gut gesagt, aber leider ist nicht gefagt, wie der Fortschritt herbeis geführt, wie das moralische und materielle Niveau der Des mokratie gehoben werden soll. Heutzutage genügen solch allgemeine Redewendungen nicht meht; am allerwenigften den skeptischen Franzosen. Man will genau wissen, um was es fich handelt. Da die Erklärung der   französischen Regierung aber bei der allgemeinen Phrase stehen bleibt, so muß das gerade als ein sehr empfindlicher Mangel bezeichnet fratische Regierung in   Frankreich muß doch auch noch andere Biele haben, als die Ordnung der Angelegenheiten in Tongking und die Herstellung des Gleichgewichts im Staatsbudget.

als   Deb den Fall des Gelingens des Projekts vorausgeseht, werden, welcher die öffentliche Kritik herausfordert. Eine demos

zugegeben werden müssen, daß sich Herr von Freycinet ickt aus der Affaire gezogen hat. CO. Dann besteht die Absicht, laut der Erklärung, die atsausgaben zu vermindern und die dringendsten Bedürf doch zu befriedigen, ohne dem Lande neue Steuern Straße 10. uerlegen. Wenn Herr Sadi.   Carnot, der neue anzminister, dies erreichen kann, ist ihm der Dank seines bescheinigerlandes gewiß. Aber wird er es können? Das ist chen Soda die Frage, die erst von der Zukunft beantwortet wer Salbr tann. 3war wenn der Kriegsminister wirklich eine

parniß von 40 Millionen Franks machen zu können bt, wird auch der Kriegsminister dadurch ein etwas teres Spiel haben. Wir werden ja sehen. Die auswärtige Politik   Frankreichs wird in der rtion Märung, der Regierung wiederholt als eine durch friedliche bezeichnet. 3war pflegen dies wenigen Ausnahmen heute so ziemlich alle Regierungen hun, wenn sie nicht gerade Pläne haben, wie Milan Serbien oder Alexander von   Bulgarien. Allein wollen den Werth der   französischen Erklärung für den ben nicht unterschäßen und sind der Meinung, daß diese ierung ben ernsten Willen hat, eine friedliche und vers Politik innezuhalten. Es wird Herrn v. Freycinet t wenig Mühe toften, die Habsucht des französischen 1886. nteurer und Spekulantenthums zu zügeln. Aber eine je Regierung wird nicht verkennen, daß die   französische ublik des Friedens bedarf, um sich innerlich zu befesti Die Bonapartisten find an ihren kriegerischen Aben rn zu Grunde gegangen und man fann endlich lernen, baran ein Beispiel zu nehmen. Ein friedliches Frank

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Feuilleton.

Dunkle Gestalten.

zählung aus dem sozialen Leben der Gegenwart

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Geh, Frizz, fich einmal zu, wer da ist," sagte Mutter ber zu bem Klown, der diensteifrig aufsprang und einen Blick durch das Gudloch in der Korridorthüre

gehören

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Mit allen Zeichen des größten Erstaunens fehrte er

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Alle Weiter, Frau Weber," flüsterte er, braußen steht te pilfeine Dame. Soll ich sie hereinlassen?"

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Es wird wohl der Besuch sein," entgegnete die Frau rektorin, wird auch was Nettes sein. Meinetwegen laff' au Kron herein, oder laff' sie draußen, mir ist das ganz gleich

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Dann werde ich sie hereinlassen."

Er öffnete die Thür.

" Ich wünsche den Herrn Direktor Weber zu sprechen,"

Es ist doch merkwürdig, daß auch den republikanischen Regierungen in   Frankreich das Wort im Halse stecken bleibt, sobald sie in Berührung mit den für unsere so charaktes ristischen und so wichtigen wirthschaftlichen Fragen in Berührung kommen. Das ist auch diesmal so gegangen. Die Erklärung der Regierung hatte doch offenbar den 3wed, das Land über seine Zukunft zu beruhigen und anzukündigen, daß eine neue Epoche in der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten eingetreten sei. Allein warum sprach man da gar nicht von der Arbeiterfrage? Diese enthält für viele Millionen von Franzosen doch unendlich Wichtigeres als bie Longtingfrage. Wenn es der Regierung ernstlich

darum zu thun ist, das materielle und moralische Niveau der Demokratie" zu heben, so muß sie doch auch auf eine durchgreifende Verbesserung des Looses der arbeitenden Klassen bedacht sein. Das wird nunmehr in   Frankreich Niemand mehr leugnen wollen, der begriffen hat, wohin sich die sozialen Strömungen unserer Beit richten. Die Sambetta'sche Auffassung der wirthschaftlichen Fragen ist längst veraltet.

Man hat auf diese Regierung große Hoffnungen ge setzt. Wenn sie nicht in den Fehler ihrer Vorgängerinnen verfallen, und wenn sie diese Hoffnungen rechtfertigen will, so wird sie nicht damit zögern können, ihre sozialpoli⭑ und Pläne darzu tischen Anschauungen legen. In   Frankreich will man neue Thaten sehen, nachdem so viele und so große Versprechungen gemacht und nicht erfüllt worden sind.

Sie entschuldigen," sagte sie einigermaßen verlegen, der Herr Direktor Weber hat mich hierher bestellt, ich be­finde mich doch in seiner Wohnung?

Jawohl, da sind Sie ganz recht," erwiderte Mutter Weber mit etwas lallender Bunge, fetzen Sie sich nur einen Augenblick, er wird wohl bald kommen. Frik, bring' doch mal ein Glas herein, Fräulein wird wahrscheinlich nicht aus der Flasche trinken wollen!"

" Ich danke Ihnen sehr," wehrte das junge Mädchen ab, ich trinke überhaupt nicht."

"

Machen Sie nur teine Umstände," entgegnete Frau Weber mit der Beharrlichkeit, die trunkenen Menschen eigen thümlich ist, wenn Sie einmal unter die Künstler gehen wollen, dann müssen Sie sich auch in ihre Gewohnheiten schiden. Bei uns ist das einmal so Sitte, daß wir einen neuen Rollegen mit einem frischen Trunk begrüßen. Also, Friß, das Glas!"

Fritz brachte auf diese Weisung ein fleines Schnaps­gläschen, welches er mit einem ziemlich unsauberen Hand­tuch auswischte. Mutter Weber schenkte ein.

Sehen Sie," sagte sie dann, die Flasche in der Hand behaltend, wir Künfiler find doch gute Leute. Sie thun

Die letzten Wahlen waren ein mahnender Fingerzeig fie lieferten den Beweis, daß man das Vertrauen des Volkes recht leicht erwerben kann, daß man aber seine Handlungen darnach einrichten muß, um es festzuhalten. Mögen die jetzt in der Regierung befindlichen   französischen Staats­männer dies nicht übersehen; sie sind bei den Wahlen gewarnt worden.

Politische Uebersicht.

Der   Reichstag verhandelte am Dienstag bei sehr schlecht beseztem Hause über den Po stetat und genehmigte neue

Postgebäude. Dann kamen die Ausgaben für die Kolonien daran, was eine Debatte über Kolonialpolitik berbeiführte. Herr Wörmann, der Hamburger Kaufmann, legte eine Lanze für den Schnapshandel ein, den er in   Kamerun höchst Er fand Widerspruch bei Windthorst selbsten betreibt. und Richter, von denen der lettere fich namentlich darüber luftig machte, daß Wörmann Kamerun als ein Paradies be zeichnet hatte. Die Schnapsdebatte erreichte den Höhepunkt, als auch Stöcker in die Diskussion eingriff und den bes fannten Ausspruch Wörmanns heranzog, der dahin ging, daß Die Zivilisation, scharfer Reizmittel" bedürfe. Der in die Enge getriebene Wörmann vertheidigte die kulturelle Mission seines Schnapses sehr schlecht und wurde hißig, da er fich namentlich über die Bemerkungen Stöder 3 geä gert hatte. Stöder machte" schließlich auch noch in Judenheze, indem er sagte, er würde die Bekämpfung der Juden aufgeben, wenn fie nach   Kamerun gehen wollten, dagegen wolle er die Kas merunneger bekämpfen, wenn fie nach   Berlin tommen und in die Redaktionen der Tageblätter eintreten würden. Herr Windthorst stritt sich dann noch wegen der Missionäre mit Stöder, worauf die Debatte wieder auf das persönliche Niveau hinabsant. Schließlich wurden die Boften bezüglich der Ausgaben für   Kamerun wieder an die Budgetkommission

zurückverwiesen.

Das Gezante wegen der   Karolinen- Angelegenheit bauert noch immer fort. Man wird sich entsinnen, daß seiner Beit von der gesammten gutgesinnten Bresse behauptet wurde, die   spanischen Schiffe hätten die Insel   Yap erst erreicht, nach dem bereits die deutsche Flagge aufgebißt war. Aus den Er flärungen, welche die Nordd. Allg. 3tg." vor einigen Tagen vom Stapel ließ, ging nun aber hervor, daß die Spanier fat tisch schon die Inseln in Besitz genommen hatten, als der deutsche Dampfer anlangte. Der Reichsbote", welcher immer mit großer Emphase auf das Suspäikommen der Spanier hina lommen. gewiesen hatte, fühlt sich durch diese Mittheilung sehr bes

Sit das richtig?" bemerkt das genannte Blatt ,, Bisher hieß es immer, das deutsche Schiff sei dem spanischen zuvorgekommen! Dann hätte   Deutschland in Rücksicht auf

mußte sie mit fast erschreckter Neugier betrachten, etwas Aehnliches war ihr noch nicht vorgekommen. Mutter Weber hatie schweigend die Flasche ihrem Rumpan gereicht, und dieselbe nach gehöriger Benuzung wieder auf den Tisch geftellt.

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Wovon sprachen wir doch, Fritz," fragte Mutter Weber, indem sie ihren schweren Ropf auf die Seite neigte. Sie wollten erzählen, wie sie im Birkus auftraten!" " Ach ja, ganz Recht. Ja, Fräulein, da hätten Sie mich sehen müssen. Es gab keine bessere Reiterin wie mich. Jebermann war nach mir vernarrt, alle Beitungen sprachen von mir, man überschüttete mich mit Blumen, mit Liebes briefen, kurzum ich war die beneidenswerthefte Person von der Welt."

Sie begann, von der Erinnerung hingeriffen, förmlich zu schluchzen. Heute glaubt es Niemand mehr," fuhr sie fort, aber es waren doch schöne 3eiten. Niemand konnte besser auf dem Pferde stehen wie ich, damals verhätschelte man mich, jegt freilich ist es anders geworden!"

Bei den letzten Worten war ihre Stimme schwächer geworden, fie schwieg jeßt, nur schweres, stöhnendes

ensdarmenisvollen Gruß des Klowns oberflächlich erwidert hatte. Menschenkindern bleiben wollen. Es giebt nichts schöneres Rörper war. m Generate Martha, denn sie war es, nachdem sie den fast ehr Recht daran, daß Sie nicht mehr unter den gewöhnlichen Athmen zeigte an, daß noch Leben in dem riesigen

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Der Herr Direktor ist augenblicklich nicht zu Hause, äulein, er muß jedoch jeben Moment zurückkommen," Würden Sie inzwischen nicht einen genblick eintreten wollen?" Ich bin so frei." Martha trat in die Küche und der Klown führte sie in in welchem Mutter Weber immer noch jungslos auf ihrem Stuhle saß und wehmüthig vor sich aftarrte.

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grafeuft Martha war auf der Schwelle des Zimmers fehen ge­Martha war auf der Schwelle des 3immers stehen ge­eben und fah ziemlich erstaunt in das wirre Berümpel b auf die angetrunkene große Frau.

auf der Welt, als wenn man frei, von allen Sorgen be freit, sich der staunenden Menge zeigen kann, wenn ein tausendstimmiges Bravo fich erhebt, das uns Künstler stolz und glücklich macht. Sie hätten mich sehen sollen, sage ich Ihnen, als ich vor einigen Jahren im 3irfus auftrat. Aber trinken wir erst; Ihre Gesundheit, Fräulein!"

Martha ergriff ihr Glas und trank von dem scharfen Branntwein. Sie blickte mit einem Gemisch von Furcht und Staunen auf den ungeheuren Fleischklumpen, in ihrem furzen Leben hatte sie bereits manche Stätte des Elends gefehen, sie war mit der tiefsten Verworfenheit des mensch lichen Lebens in Berührung gekommen, dieses Weib jedoch

Es gehörte zu den besonderen Eigenthümlichkeiten der Mutter Weber, in trunkenem Zustande von ihren Errungen schaften als Birkusreiterin zu sprechen. Allerdings wußte Niemand von ihrer Umgebung etwas Genaueres über diese Periode ihres Lebens, vielleicht hätte der Direktor Weber hierüber Aufschluß geben können, er war indessen viel zu schweigsam, um über Sachen, die ihn näher angingen, Mits theilungen zu machen.

Sie verlangte jedoch von jedem ihrer Zuhörer unbe dingten Glauben, und nichts konnte sie mehr in Wuth ver feßen, als wenn Jemand 3weifel an ihrer Kunstfertigkeit als Reiterin äußerte.