Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 71.
Parlamentsberichte.
73. Sigung vom 24. März, 1 Uhr.
Km Tische des Bundesraths: von Boetticher. Die zweite Berathung der die Arbeiterschußgeset gebung betreffenden Anträge wird heute mit der Berhandlung über die Schiedsgerichte fortgesett.
Nach dem von der Kommission abgelehnten Antrag Auer sollten diese Schiedsgerichte aus der Mitte der ArbeitsTammern zur Schlichtung und erstinstanzlichen Entscheidung von Streitigkeiten wischen Unternehmern und Arbeitern gebildet werden. Die Kommission legt statt deffen dem Hause folgende Resolution vor:
,, den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag den Ents wurf eines Gefeßes, betreffend die obligatorische Ein. führung von Gewerbegerichten, mit der Maß gabe baldthunlichst vorzulegen, daß die Beifißer derselben zu gleichen Theilen von den Arbeitgebern und von den Arbeitern in getrennten Wahlkörpern und in unmittelbarer gleicher und geheimer Abstimmung gewählt werden."
Die Abgg. Baumbach und Schneider bean tragen in dieser Resolution das Wort„ obligatorische" zu ftreichen.
Ref. Lohren: Die Kommission hatte fich hier über fünf Fragen zu entscheiden: 1. soll nach dem Antrag Auer der Vorftzende des Gewerbegerichts gewählt werden? 2. auf welche Streitigkeiten soll die Buständigkeit der neuen Schiedsgerichte beschränkt werden? 3. in welchen Fällen und bei welcher Infianz soll die Berufung stattfinden? 4. soll die Einrichtung Der Gewerbegerichte obligatorisch oder fakultativ erfolgen? und 3. wie sollen die Beißiger gewählt werden? Nach dem Antrag Auer soll der Arbeitsrath den Vorfis führen, also entweder irgend ein Arbeiter ober irgend ein Arbeitnehmer ohne wesent liches Buthun der Behörden zum Präsidenten des Gerichts ge macht werden. Dies ist nach Allem, was hier schon im Hause gelegentlich der Regierungsvorlage von 1878 über die Einrichtung gewerblicher Schiedsgerichte verhandelt worden ist, absolut unannehmbar. Die Schwierigkeiten, hier das Richtige zu treffen, find groß, deshalb hat auch die Kommission in ihrer Resolution die Frage des Bestätigungsrechts des Präsidenten offen gelaffen. Für die Bufländigkeit find im Antrage Auer bestimmte Anhaltspunkte nicht gegeben, deshalb ist auch diefer Puntt offen gelaffen, zumal der Ent wurf von 1878 in Bezug hierauf in den§§ 2 und 3 bestimmte Vorschläge enthielt. Die schwersten Angriffe und Vorwürfe wurden den sozialdemokratischen Antragstellern bes züglich des dritten Punktes, der Bildung einer Berufungsinftans, gemacht. Hier hätte man doch von den Herren, welche mitten im gewerblichen Leben stehen, praktische Vorschläge er warten sollen. Aber da wird im§ 137 ganz einfach die Arbeitstammer zum Appellationshof über die gewerblichen Schieds gerichte bestellt. Hier müßten Fälle angeführt werden, in denen eine Berufung ftatifinden soll und stattfinden tann, hier müßte man aus dem Antrage Belehrung schöpfen können. Dies ist leider nicht der Fall gewesen. In den Punkten 4 und 5 ist Die Kommiffion den Wünschen der Sozialdemokraten aufs Weitefte entgegen gekommen; es soll der Reichskanzler ersucht wer den, Gewerbegerichte obligatorisch einzuführen und die Beis figer in diretter, gleicher und geheimer Abstimmung wählen zu laffen, zum Theil von Arbeitern, zum Theil von Arbeitgebern. Das ist es, was die Herren Sozialdemokraten immer verlangt haben. Die obligatorische" Einsegung von Gewerbegerichten ift in der Kommission mit 12 gegen 7 Stimmen, das geheime Wahlrecht mit allen gegen eine Stimme angenommen worden. Die Mitglieder werden fich ja klar machen, wie weit sie ihrer Kommission in diesem Antrage folgen tönnen; ich habe nur Die Pflicht, Sie um die Annahme desselben, sowie um Ableh nung aller anderen Anträge zu ersuchen.
Abg. Schneider: Ich habe in der Kommission für die Resolution gestimmt, ohne mich dadurch für das Plenum hinfichtlich jedes Punktes zu vinkuliren. Mir fam es vor Allem bei der Wichtigkeit des Gegenstandes darauf an, einen positiven Antrag für das Plenum zu Stande zu bringen. Wenn in der Resolution die Frage der Bestätigung des Vorsitzenden offen gelassen ist, so will ich, wenn ich für dieselbe stimme, damit nicht zugeben, daß das Bestätigungsrecht der Verwaltungs bebörde ftatuirt wird. Für mich handelt es fich bier um das Wort obligatorisch", deffen Streichung ich Ihnen empfehle. Für daffelbe ift geltend gemacht worden, daß die Einführung von Gewerbegerichten bislang nur eine sehr beschränkte Ver breitung gefunden habe, weit weniger, als wünschenswerth wäre. Aber dieser Grund lann doch nicht stichhaltig sein, wenn sich bie und da lein Bedürfniß zeigt, obligatorisch die Institution durchzusetzen. Die Einrichtung von Schiedsgerichten ist über haupt vom Gesetzgeber nur subfidiär hingestellt, sonst ist die Schlichtung gewerblicher Streitigkeiten dem Gemeindevorstande überlassen. Vor allen Dingen find wir aber augenblicklich gar nicht darüber unterrichtet, wie weit die Gewerbegerichte in Deutschland zugenommen haben. Der Kommiffar der verbündeten Regierungen hat uns in der Kommission mitge theilt, daß seit 1878 weitere Erhebungen über diese Angelegen heit nicht stattgefunden haben, daß der Bundesrath die ganze Sache auf fich hat beruhen laffen. In größeren Städten hat bie Einrichtung neuerdings Eingang gefunden und recht erfreuliche Resultate gezeigt. In Breslau ist 1881 ein Gewerbe gericht eingeführt worden mit einem auf G und des Gesetzes von 1877 fußenden Drtsstatut. Bis zum März 1885 hat das Bericht 4421 Streitfälle zu entscheiden gebabt und bis auf 131 felbft entschieden, in diesen ist bis auf 30 die Entscheidung durch den ordentlichen Richter erfolgt. Für die obligatorische Durchführung hat sich ein hinreichend allgemeines Bedürfniß nicht geltend gemacht. Die verbündeten Regierungen felbft haben die Bedeutung der Gewerbegerichte garnicht so aufge faßt, und die Bestimmung ist vollkommen ausreichend, daß auf Antrag der Betheiligten die Einsegung eines Schiedsgerichts Durch die Landeszentralbehörde erfolgen kann. Was wäre aber die nothwendige Folge einer obligatorischen Institution? Die Roften müßten alsdann nicht den Kommunal, sondern den Staatsbehörden zur Laft gelegt werden; die Bezirte müßten ba, wo die gewerbliche Thätigkeit wenig entwidelt ist, Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern nur sehr selten vorkommen, sehr groß gemacht werden. Da. Durch würden aber wieder Nachtheile für diejenigen einireten, welche wegen geringer Lohnforderungen von wenigen Mart genöthigt wären, Kosten und Beschwerlichleiten einer weiteren Steise auf fich zu nehmen. Auch würden dann die Wahlen mit großen Unbequemlichkeiten verbunden sein. Vor allen Dingen würde aber das Institut durch den obligatorischen Charalter bei den Arbeitern diskreditirt werden und fich sehr geringer Sympathien erfreuen. Aus allen diesen Gründen, meine ich, wäre es zweckmäßiger, das Wort„ obligatorisch" zu ftreichen.
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Donnerstag, den 25. März 1886.
Abg. Kayser: Meine Freunde und ich werden für die Resolution stimmen; wir wünschen die obligatorische Ein führung, um eine einheitliche Drganisation herbeizuführen. Jn Dresden ist die Einrichtung anders als in Leipzig , und dort wieder anders als in Breslau . In Dresden ist eine Art Deftillirapparat eingerichtet, um nur ja die Beifißer mög lichst aus Arbeitgeberkreisen zu schaffen. In Leipzig dagegen erfreut sich das Institut des vollkommenen Vertrauens der Arbeiter, weil die Zusammenſegung eine gerechte und gleich mäßige ift. In Breslau nähert sich die Ausführung mehr der Dresdener; dort ist auch der Returs an den ordentlichen Richter vorgesehen, der in Leipzig bei der gleichmäßigen Bu sammensetzung gar nicht nöthig ist. Wie tann man uns, wie es Der Referent gethan hat, vorwerfen, die Berufungsfrage nicht gelöst zu haben? Sind doch selbst unsere gewiegteften Juristen Darüber nicht einig. Der Tadel, daß wir überhaupt nichts Fertiges, Brauchbares in unserem Antrage dargeboten hätten, ist vollkommen ungerecht; der Referent hat diesen uns neulich vom Freiherrn v. Hertling gemachten Vorwurf heut wiederholt. Ich will legteren doch daran erinnern, daß ihm selber einmal der Reichskanzler sagen mußte, er fomme nur mit einer Refos lution und überlaffe die ganze Arbeit der Regierung. Unsere Anträge find doch immer der Anstoß zur Vorwärtsbewegung gewesen; das ist das Gute an ihnen, das fönnen Sie uns nicht abstreiten, und ohne unsere Anregung wäre nicht einmal Dies bischen Resolution gelommen. Worauf es nun dieser gegenüber hauptsächlich anfommt, ist die Frage, ob fie bei der Reichsregierung Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Die lettere schweigt sich bis jest leider darüber aus, und deshalb möchte ich um eine Eiflärung bitten. Jm Uebrigen fann ich nur lebhaft bedauern, daß, wie auch dee Besuch des Hauses zeigt, das Intereffe für die Arbeiterfragen außerordentlich ge schwunden ist; unsere Aufgabe wird es sein, die Arbeiter zu wecken und wach zu erhalten, damit fie dafür sorgen, daß die herrschenden Parteien helfend mitwirken.
Bundeslommiffar, Direktor im Reichsamt des Innern, Bosse: Der Abg. Kayser hat sich darüber beklagt, daß die Regierung keine Erklärung über ihre Stellung zu der Resolution abgegeben habe. Es ist aber nach Lage unserer Ber faffung absolut unmöglich, fezt schon zu erklären, welche Stellung der Bundesraih nehmen wird zu einer noch nicht gefaßten Resolution, welche die Vorlegung eines Gesezes durch Sch enthalte mich daher des Eingebens auf alle einzelnen Fragen die Regierung verlangt, das noch nicht einmal tonzipirt ist. und mache nur auf den einen Punkt aufmerksam, daß die Ein schaltung des Wortes, obligatorisch" insofern nicht wohlgethan sein dürfte, als wir danach Gewerbegerichte machen müßten auch da, wo lein Bedürfniß dafür vorhanden ist. Es würde fugnisse genommen werden. Ich würde daber nur die Abdadurch ferner den Innungen ein Theil ihrer wichtigsten Bes lehnung des Wortes, obligatorisch" empfehlen tönnen.
Abg. Strudmann: Wenn man das Institut obliga torisch macht und auch dort einführt, wo fein Bedürfniß dafür eriftirt, so würde man es damit nur diskreditiren. Es giebt zahlreiche Bezirke, wo von teiner Seite Gewerbegerichte gewünscht werden, und wo sie wahrscheinlich nur eine Ver schlechterung des jeßigen Buftandes herbeiführen würden; fo besonders in den meisten ländlichen Bezirken. Man würde durch obligatori che Gewerbegerichte einen nichts weniger als wohlthätig wirkenden Schematismus schaffen. Ich erkläre mich daher ebenfalls entschieden gegen das Wort, obligatorisch". Ferner halte ich auch den vorgeschlagenen Modus der direkten geheimen Wahl für bedenklich und für nicht geeignet zur Ge winnung unparteiischer Vertrauensmänner, wie es doch die Gewerberichter sein sollen.
Abg. Klemm glaubt, daß die Gewerbegerichte, gerade wenn sie aus direkten geheimen Wahlen hervorgehen, am besten bas allgemeine Vertrauen gewinnen würden.
Abg. v. Malzahn Gülz erklärt, daß er und ein Theil seiner politischen Freunde gegen die Einführung obliga. torischer Gewerbegerichte stimmen werden.
Abg. Hive( Bentrum): Die Kommission hat möglichst alle streitigen Puntte offen gelaffen, z. B. bezüglich des Bes ftätigungsrechts des Vorsitzenden, der Retursinstans 2c., um ein möglichst einheitliches Votum des Hauses zu erzielen. Nun find von verschiedenen Seiten Bedenten gegen die unmittelbare und geheime Abstimmung laut geworden. In der That ist ja auch in dem Organisationsvorschlag der Sozialdemokraten fein Direttes und geheimes Wahlrecht für die Schiedsgerichte vorge sehen, sondern sie werden von den Arbeitskammern gewählt. Zu den Shiedsgerichten der Unfallversicherung wählen die Vorstandsmitglieder der Krankenkenkassen, und die sozialdemo fratischen Mitglieder haben stets nur dagegen polemistrt, daß die eingeschriebenen Hilfslaffen von dem Wahlrecht ausge schloffen sind. Um die Resolution nicht zu gefährden, habe ich gesonderte Abstimmung über die Worte ,, und in unmittelbarer gebetmer Wahl" beantragt, ohne deshalb meinerseits oder für meine politischen Freunde materiell Stellung zu nehmen.
Abg. v. Vollmar bemerkt gegenüber dem Abgeordneten Strudmann, daß die Arbeiter gerade nur bei geheimer, diretter Wahl überall in der Lage fein würden, ihre wahren Ver trauensmänner in die Schiedsgerichte zu wählen. Auch sei er durchaus für obligatorische Gewerbegerichte, da man den Ge meindebehörden die Entscheidung über gewerbliche Streitig feiten durchaus nicht anvertrauen dürfe. Dies beweise das Beispiel der großen und gewerbsreichen Stadt München , wo Die Arbeiter in dem gewerblichen Schiedsgericht, in dem soge nannten Gewerbesenat, überhaupt gar nicht vertreten feien. Diese rein bureaukratisch organisirte Behörde habe off geradezu haarsträubende Entscheidungen gefällt. Dabei fet München obenein eine Stadt, deren Verwaltung sich in den Händen des Bentrums, biefer angeblich so arbeiterfreundlichen Herren, befinde. Wie müsse es da erst an anderen Drten aus fehen!
Abg. Trimborn tonftatirt, daß am Rhein die Ge werbegerichte fich ein außerordentliches Vertrauen erworben haben, und daß von ihnen dort über neunzig Prozent aller gewerblichen Streitigkeiten im Vergleichswege schnell und glüd lich beigelegt werden.
Nach Ablehnung der Amendements, wobei die Parteien nicht geschloffen stimmen, wird die Resolution mit großer Mehrheit unverändert angenommen.
Es folgt die erfte und event. aweite Berathung des von dem Abg. Viered eingebrachten Gefeßentwurfs, betreffend die Aufhebung des Reichsgeseges vom 9. Juni 1884 gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen.
Abg. Viered: Dieses Geses verdankt seine Entstehung der allgemeinen Dynamitangst, wie fie seit dem Niederwald Denkmal Attentat bis zum Siedepunkt gediehen ist. Wer fich mit der Phyfiologie der Attentate beschäftigt hat, weiß, daß die Attentäter in drei Kategorien zerfallen: 1. in Großmanns. füchtige, die in unglaublich naiver Weise auf die ihnen gestellte Falle hereinzufallen pflegen, 2. in fimple Leute, Idioten,
III. Jahrg
melche das Gros der Verschwörer bilden, 3. in solche, die von Bolizeispigeln als Schlepper verleitet werden, um der Reaktion das nöthige Material zu liefern. Man braucht dafür nicht in den Memoiren des Pariser Polizeipräfekten Andrieur die Belege zu suchen. Aus den Alten des ersten Leipziger Hoch verrathsprozesses und aus den Mittheilungen unseres Kollegen Singer wiffen wir, daß unsere deutschen Bolizeiagenten felbft au Attentaten auffordern. Erinnern Sie sich an den Zeugen Borsch, an die wenig schmeichelhaften Worte, mit denen der Senatspräfident diese ganze Art der Bolizeitaftil brandmarkte! Auch in Bezug auf das Niederwald- Attentat haben wir immer gemeint, daß dasselbe nichts weniger als anarchistischen Ur sprungs sei. Ich habe 1884 persönlich das Terrain in Augens schein genommen und bin zu der Ueberzeugung gelangt, daß dieses Attentat ein von agents provocateurs geplantes Unter nehmen war. Daffelbe hat mir ein dortiger Invalide bestätigt. Mein Erstaunen und meine Genugtbuung waren nicht gering, als derselbe mir sagte, für das bezügliche Geständniß der Atten täter müßten die Bestraften ein recht gehöriges Stüd Geld bekommen haben. Der Fall Thring Mahlom hat mich nicht überrascht. Der Bäfarismus bedient fich ja immer folcher Mittel, um durch das tothe Gespenst die herrschende Gesell schaft und die Parlamente fich willfährig zu machen zu allerlet Streichen der Reaktion. Ungeheuerlich ist aber, daß ein Staats anwalt es ablehnt, einen Menschen zu verfolgen, der nach dem Beugniß von acht unbescholtenen Bürgern sich dazu herge geben hatte, zu Dynamitverbrechen aufreizen, und daß er vielmehr die unschuldigen Beugen wegen Beleidigung jenes pflichtgetreuen Beamten" unter Antlage gestellt hat. Meine Freunde haben ja mit dieser ganzen Sache nichts zu thun. Wir halten die Attentate nicht nur für verbrecherisch, sondern fogar für abfolut schädlich für die Kulturentwickelung. Unter der Atmosphäre dieses Niederwalddinkmal Attentats war es möglich, ein so ungeheuerliches Geses, wie dies Dynamitgeset, zu Stande zu bringen. Die Regierung trägt daran allerdings nicht die Schuld; der Reichstag hat einstimmig, mit Ausnahme meiner Parteigenoffen, dieses Geses votirt. Als Herr Windt borst seinen Antrag einbrachte, hatten sowohl der Minister v. Puttkamer, wie auch der Staatssekretär v. Boetticher in der Kommission Bedenken über die Ausführbarkeit desselben. Nicht etwa die rechte Seite, sondern die Linte - unter An Deren betheiligten sich daran die Abgeordneten Baumbach, Bam berger und Richter verschärften den Antrag Windthorst, der dann von der Kommission einstimmig angenommen wurde. Auf Grund dieser Anregung erfolgte am 10. Mai die Regie rungsvorlage. Am 11. Mai erschien die Begründung, die 1. und 2. Lesung fand am 13. Mai statt, die dritte am 15. Dai. Keine Generaldebatte und nur bei§ 8 eine turze Besprechung. Die gesammten Verhandlungen umfassen im stenographischen Bericht nur 4 Seiten.( Sehr gut! rechts.) Die Berhand lungen wurden mit einer Prompiheit und Schneidigkeit_ge führt, die zwar, wie ich aus Burufen entnehme, der rechten Seite zur besonderen Freude gereichte, aber eine einfache Starri fatur und Gewissenhaftigkeit...
Bräsident v. Wedell Piesdorf: Der Herr Ab geordnete hat gefagt, der Bericht der damaligen Kom miffion sei eine Karrikatur auf die Gründlichkeit und G2 wiffenhaftigkeit...
Abg. Viered: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, daß die Verbandlungen so schnell geführt wurden, daß dies zur besonderen Freude der rechten Seite gereicht habe, wie dies auch durch Zwischenrufe bestätigt worden sei, daß Dagegen diese Art der Durchpeitschung eines Gefeßes eine Karritatur auf die Gründlichkeit set, wie ich fte bei einer par lamentarischen Verhandlung erforderlich hielt.( Der Präfident erklärt gleichwohl diese Aeußerung für unzulässig und ruft den Redner zur Ordnung.) Ich muß mich fügen, glaube aber doch, daß mein Urtheil...( Rufe: na! na! Heiterkeit.) Nun ich wende mich lieber zu den einzelnen Bestimmungen des Gesezes. Redner sucht nun an der Hand der einzelnen Bestimmungen des Ge seges nachzuweisen, daß dasselbe zu den größten Unzuträglich fetten und Beläftigungen des legitimen Verkehrs mit Spreng stoffen geführt habe. Das englische Geset, welches dem deut schen zum Vorbild gedient habe, fenne Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen und Geldstrafen für Uebertretungen gewerbe polizeilicher Vorschriften. Außerdem set das Gesetz von den verschiedenen Behörden und Regierungen ganz verschieden inter pretirt worden. Jahre hindurch genügte ein Erlaubnißschein für deft Unternehmer; jest beftrafe man die Fubrleute des felben, welche nicht für ihre Person einen Erlaubnißschein mit fich führten. Da das Material zu den Sprengstoffen getrennt aufbewahrt werden dürfe, so sei der Umgebung des Gesezes Thür und Thor geöffnet. Er und seine Freunde hätten an diesem Gesez tein Intereffe, denn sie hätten weder mit dem Betriebe noch mit der Herstellung und der Verwendung der Sprengstoffe etwas zu schaffen. Die Attentäter vollends füm merten fich gar nicht um die polizeiliche Erlaubniß. Aber die Industrie, vor Allem die Montanindustrie mit ihren 300 000 Arbeitern, würde durch dieses Gesetz schwer geschädigt. Dies bestätige auch die nationalliberale ,, Elberfelder 8tg." und der offiziöse Oberschlesische Anzeiger", welche verlangen, doß man dieses Gesetz wenigstens erner gründlichen Prüfung unterziehe. Das Geset set so drakonisch und treffe so unterschiedslos, daß oft der beftrafende Richter den Verurtheilten mitleidig auf den Gnadenweg ver weise. Und das Exorbitanteste: es drohe sogar mit der Todes ftrafe, welche von der Linten 1870 nur auf dem Wege des Kompromiffes und mit dem Versprechen angenommen wurde, um unter der schärfften Agitation auf deren Abschaffung hin zuwirken. Dieselbe Linke hätte bei dem Dynamitgeset thr Ver sprechen gebrochen und das Haus hätte das Dynamitgesez im Ramsch angenommen.( Der Präfident rügt diesen Ausdrud als unzuläsfta.) Nur an den§ 8 Inüpfte fich eine Debatte, welcher die Verdächtigen mit Strafe bedroht und wegen seines Kautschut Charakters sehr bedenklich ist. Aehnliche Bestim mungen eriftirten nur während des Schreckenregiments in Frankreich . Nirgends in der Welt existiren so drakonische Bes ftimmungen, selbst nicht in Rußland . Während in England nach dem Rechenschaftsbericht, den wir nicht gefordert haben, jährlich nur 12 Bestrafungen vorkommen, werden bei uns unberte in einem Jahre bestraft. Ein solches Gesetz ist ein ver tehrtes und muß aufgehoben werden. Sollten fie fich aber Dazu nicht entschließen, so entsprechen Sie wenigstens dem Wunsche zahlreicher Industrieller, welche eine Revision des Dynamit gefeßes verlangen.
Abg. Windthorst schlägt vor, über den Antrag Viereck jur einfachen Tagesordnung überzugehen.( Nach der Geschäfts. ordnung darf in einem solchen Fall nur ein Redner für und ein Redner gegen die Tagesordnung das Wort ergreifen.)
Abg. Windthorst( für die einfache Tagesordnung): Der Herr Antragsteller hätte wohl gethan, sich auf den zweiten Theil seiner Ausführungen zu beschränken. Ich kann nur sagen, daß mich der erste Theil deffelben auf das tiefste ver lezt hat. Auf diese Weise die begangenen Attentate au er