Tamentarisch wäre. Es wäre damals so leicht gewesen, der herrschenden Wohnungsnoth zu steuern, wenn man nur den richtigen Mann auf den richtigen Boften zu stellen gewußt hätte. Glücklicherweise ist es heute noch nicht au spät, denn in allernächster Nähe droht wieder einmal der 1. April mit seinen faulen Sderzen und mit seinem Umzuge. Der Mann, der das Poblem der Wohnungsfrage gelöst hat, wohnt lebendig und letbhaf ig unter uns; der Menschheit ist ein neuer Stern er schtener, und wer mühselig und beladen ist, pilgert getroft au jenem Mann, er wird rathen und helfen, und so, wie die Früh lingssonne beute glänzend auf uns bei niederlädelt, wird sein freundliches Antlig alle diejenigen bescheinen, die feine ihrem Einfor men angemessene Wohnung finden können. Wie seufzt hrute der Familienvater, der einen halben Tag der Arbeit ris fint hat, um eine Wohnung zu suchen; vergeblich ist er Treppe auf, Tieppe ab gegangen, er hat sich von den verschiedentlichsten hauspatchas theils mit demüth gender berablaffung, theils mit unverfälschter Brobbeit behandeln lassen üffen, oftmals bat man ihm die Wohnung, deren Miethspreis er offenbar doch nicht zahlen tennte, garnicht gezeigt, weshalb soll man fich unnöthiger Weise erst seine Mittagsruhe fiören laffen, 100 Thaler fann der Mensch in der schäbigen Blouse ja doch nicht für seine Wohnung ausgeben. Und alle diese Leute, die heute nomadenhaft die Stadt durchstreifen, geben sich dem Kummer und der Sorge vergebens hin, denn unter unseren Mitbürgern haben wir denjenigen, der Wohnungen zu einem faft paradiesischen Preise zu verschaffen in der Lage ist. Dieser Gnadenspender ist der Stadtverordnete hoffmann II, der in der Stadtverordneten Versammlung ganz neue Per spektiven in Beang auf die Wohnungsfrage der erstaunten Mitmelt mitgetheilt hat. Es ist Alles Unfinn, Niemand hat das Recht, unter den reizenden Zuständen, unter denen wir leben, über einen Nothstand zu llagen, denn wenn man immer noch eine sehr hübsche Wohnung" für 100 Mart jährlicher Miethe haben fann, dann ist Polen noch lange nicht ver loren. Herr Hoffmann II, antisemitischer Semit, Rechtsanwalt und Stadtverordneter, muß es infolge aller dieser Eigenschaften ja wiffen, und es wäre nur zu wünschen, daß er sein Ge heimniß nur nicht zu lange bewahrte, denn nach dem 1. April bürfte es vorläufig für viele Interessenten veraltet sein. Wahrscheinlich wird man gespannt sein, was der Herr Stadt Derordnete eigentlich gefagt bat. Nach dem ftenograpbifchen Bericht der Sigung vom 11. März äußerte sich Herr Hoffmann folgendermaßen:
Ich meine, daß man ohne Weiteres nicht sagen lann, daß ein Arbeiter in Berlin 200 M. Mietbe zu zahlen hat und infolge dessen nur 700 Mart für seine Lebensbedürfniffe übrig behält. Ich kann da gewiffer maßen als Sachverständiger reben. Als Ver
walter eines großen Hauses, in welchem auch Arbeiter wohnungen find, fann ich Ihnen verfichern: es ist sehr schwer, eine Wohnung für 200 Mart überhaupt an Ar beiter zu vermiethen, ausgenommen, wenn man den selben Aftervermiethung gestattet; Dann nimmt Der Miether die Hälfte Don den 200 Dart von den Aftermiethern ein. Die Wohnung der Arbeiter stellt fich hier im Miethspreise, besonders in den Arbeitervierteln der Stadt, im Often und Norden -die Landsbergerstraße ist ja eine ganz gute theuere Gegend da ftellt sich eine sehr hübsche Wohnung auf 120 resp. 100 Mart."
So diese Zierde der Bürgerpartet, dieser Erfaz für Biden bach, der den Beruf in fich zu fühlen scheint, die fomische Figur in der Stadtvertretung spielen zu müssen. Wenn wir auch der Ansicht find, daß an solchen Figuren gerade im rothen Hause lein Mangel herrscht, so würden wir jenem Herrn das findliche Vergnügen doch nicht mißgönnen, wenn die Sache eben nicht so bitter ernst wäre, und außerordentlich dazu ge= eignet, in der überhaupt schon arbeiterfeindlichen Majorität der Stadtvertretung gänzlich falsche Vorstellungen zu erweden. Kein Mensch, der irgendwie fich jemals um prattische Verhält niffe gefümmert hat, wird jenem weisen Stadtver treter glauben, es ist unnöthig, ihn in Bezug auf die Miethspreise zu widerlegen. Trogdem aber wollen wir, wenn wir uns im Frrthum befinden sollten, es nicht unterlassen, den Herrn Stadtverordneten Hoffmann im Intereffe unserer Leser recht inständigft zu bitten, uns alle die sehr hübschen Wohnungen" für 100 resp. 120 M. mitzutheilen, wir glauben, daß wir massenhaft Abnehmer für dieselben finber. Aber die Wohnungen müssen auch sehr hübsch" sein. Nun aber der wichtigere Theil der stadtväterlich rechtsanwaltHtchen Ausführungen. Der Herr Stadtverordnete fagt:
„ Es ist sehr schwer, eine Wohnung für 200 Mart überhaupt an Arbeiter zu vermiethen, ausgenommen, wenn man denselben Aftervermiethung gestattet; dann nimmt der Mitether die Hälfte von den 200 Mart von ben Aftermiethern ein."
Dieses Mitglied der Bürgerpartei scheint nach vornehmen Mustern zu arbeiten. Es höst fich das Dbige beinahe so geistreich an, wie die Geschichte von dem Zoll, den bekanntlich auch Niemand bezahlt. Wenn aber ein Arbeiter eine Wohnung miethet, so miethet er dieselbe höchstwahrscheinlich deshalb, um fte auch benußen zu können. Vermiethet er jedoch den besten und gesundesten Theil seiner Wohnung, so ist er eben gezwungen, fich mit seiner Familie mit dem schlechtesten und ungesundesten Theil der Wohnung zu begnügen. Er bes zahlt also, wenn er seine Stube an Schlafburschen abvermiethet, für die Küche, in welcher er mit seiner ganzen Familie wohnt
Auf dem Sopha im 3immer saß ein älteres Paar; die Matrone streichelte von 3eit zu 3eit die blonden Locken eines breijährigen Knaben, der ein hölzernes Pferdchen an einem Bindfaden durch das Gemach zog.
Die junge Dame am Fenster war die seit Jahresfrist verwittwete Marquise v. Mory, die sich nach Ablauf des Trauerjahres mit dem Grafen v. Bellemare verlobt hatte; bas Paar auf dem Sopha waren ihre Eltern und das Kind ihr Sohn.
Plötzlich schellte es braußen am Thor, der Gärtner öff nete und ein Fremder schritt, nachdem er mit diesem einige Worte gewechselt hatte, auf das Fenster zu, an dem das Liebespaar saß.
Trotz der Dämmerung erkannte er ben Offizier und rief mit scharfer Betonung: Graf v. Bellemare?" Vitalis!"
" Erkennen Sie mich also?"
" Ja, ich erkenne Sie," murmelte Bellemare.
" Wir haben, wie Sie wissen, eine alte Rechnung zu begleichen."
Ich stehe zu Ihren Diensten, mein Herr," erwiderte ber Graf, indem er mit wenigen entschuldigenden Worten ben Salon verließ.
Wohin sollen wir gehen?" fragte Vitalis.
" Ich werde Sie führen."
Sie schritten schweigend nebeneinander dahin; endlich hielt der Graf auf einer genügend weit vom Schloffe ents fernten Stelle, die mitten im hellsten Mondschein lag, an, intem er sagte:
Hier ist wohl ein geeigneter Ort."
Während der Graf die Distanz abschritt, flürzte plötzlich bie Marquise mit aufgelößten Haaren und allen Zeichen der größten Seelenangst herbei.
und schläft, einen ganz borrenden Preis, und der Arbeiter, der und schläft, einen ganz borrenden Preis, und der Arbeiter, der einen Theil seiner Wohnung an Afiermiether abgiebt, thut das nur deshalb, weil für ganze Familien einzelne Wohnräume nur sehr selten zu haben find. Nach der Auffassung des Herrn Stadtverordneten Hoffmann lann jeder Mensch miethefrei wohnen, es ist das wenioftens sehr leicht, man braucht eben nur von irgend einem Verwalter eines großen Hauses eine Wobnung zu miethen und dieselbe wieder zu vermiethen, dann allerdings bezahlt der zweite Miether die Mietbe an den ersten Miether, der den Betrag an den Herrn Verwalter abführen tann. Das Unglück bei der Sache ist nur, daß man wohl Diethe einnimmt, aber feine Wohnung hat. Mit solcher Logik behan delt man die vitalsten Intereffen der Arbeiter im rother Hause. Wir verzeihen wirklich gern manche Dummbeit, aber so thörichte Dinge braucht man doch nicht zu sagen, selbst wenn man Jura studirt hat.
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Ein Blick in den Spiegel. Das Berliner Bublifum labte fich vor einiger Zeit an einem Standalprozeffe, der vor dem Schwurgericht zu Prenzlau verhandelt wurde. Vor den Schranlen star d ein Herr Graf , welcher, nachdem er das Ver mögen seiner ersten Frau glüdlich unter die Leute gebracht und sich dann hatte scheiden laffen, die Tochter eines reichen und hochangesehenen Berliner Verlagebuchhär dlers zu angeln wußte. Der gute Schwiegervater faulte ihm ein Rittergut und lieferte auch weitere Buschüffe, so daß der Herr Graf ,, vergnügt und nett" mit seinem Weibchen in den Tag hinein lebte, bis die Noth anklopfte. Run wurden die Waldungen abgeholzt und als auf diesem Boden nichts mehr zu holen war, ver filberte der Herr, was noch zu versilbern war und dann begab fich das Pärchen auf eine Vergnügungsreise. Aber gewisse Unternehmer, mit denen er zu thun gehabt, trachteten, zu ihrer Unternehmer, mit denen er zu thun gehabt, trachteten, zu ihrer Sache zu lommen, vor Allen der eble Bürger, welcher die Heirath vermittelt hatte und diesen Ritterdienst auf einen Werth von nicht weniger als 12000 M. anschlug. Die Angelegenheit ward gulegt vor den Richter gezogen und es erfolgte die Vorurtheilung bes Angeklagten zu einem Jahr Gefängniß wegen betrügerischen Banterotts. Der Prozeß förderte recht bäßliche Dinge zu Tage. Erscheint es auch begreiflich, daß die Söhne des Buchhändlers nicht eben sehr erbaut über den vornehmen Schwager waren, so zeigten fie doch in ihrem Bemühen, diesem womöglich eine Buchthausfirafe zuzuwenden, eine schroffe und in der Form widerwärtige Rüdfichtelofigteit. Die ganze Geschichte ist ein charakteristischer Bug im Wesen unseier in den seltsamsten Widersprüchen fich bewegenden und von der Heuchelei einen sehr ausgiebigen Gebrauch machenden Beit. Sie spielt in jenen Rreisen, wo einer Sage zufolge Anstand und Sitte vorzugs weise ihr Domizil haben und wo auch von der Heiligkeit der Ehe nie anders als mit hohem Ernste gesprochen wird. Was geschieht aber in dieser sehr respektablen Athmos, häre? Ehevermittler der dunkelsten Sorte treiben fich dort herum und mit beftem Erfolge. Sie legen Prospekte und Tarife vor und handeln mit Herzen, wie man mit Hunden und Pferden handelt. Das Geschäft in seiner roheften Gestalt, der ruch lose Schacher ist hier im Schwange; hier im Schwange; die garten Bande der Liebe" find ein Gegenstand des Wuchers und schmußige Härde arrangiren den Bund der Seelen", den nachher der Priester weihevoll einsegnet. Die Ver mittler balten eine Auswahl von Myrthenfrärgen auf Lager, verschicken dieselben nach Wunsch zu gefälliger Einsicht, und ist die Sehnsucht eines vetlotterten Aristokraten auf eine stattliche Mitgift gestellt, so freuen sich die Engel im Himmel und der Agent erhebt seine Prozente. Der Eltern Segen bauet den Kindern Häuser, heißt es in der Bibel und gewiffe adelige Kavaliere, denen nichts geblieben ist als der Stammbaumim Winter fann man fich nicht wärmen, im Sommer fich nicht hängen d'ran" gehen mit wahrer Leidenschaft auf diesen häuser bauenden Segen aus. Sie verachten das bürger. liche Back gründlich, allein wenn es die Mittel zu gewinnen gilt, um das verblichene Wappen wieder aufzufrischen und fatale Wechsel einzulösen, überwinden fte thre Vorurtheile und spähen nach einer ergiebigen bürgerlichen Partie. Der Mädchen, die nach einem, von" auf der Vfitenkarte oder wohl gar nach einem auf's Taschentuch geftidten Rönchen gelüften, giebt es ja viele und wo die Kinder richt thöricht genug find, find es die lieben Eltern. Der Hochmuthsteufel läßt ihnen nicht Ruhe und der reiche Börflaner scheut, um eine feine" Ver wandtschaft zu erwerben, vor leinen Opfern zurüd. Er weiß, daß diese Verwandten fich über thn moquiren, aber unter Seinesgleichen Tann er fich brüsten und das ist füß. Seine Tochter hat allerdings in ihrer neuen Umgebung hunderterlei Demüthigungen zu erdulden, man läßt es fie fühlen, daß fie unterm Range fiebt; aber fie wird von Gefinde und Krämern als gnädige Frau" angeredet, das muß ihr genug sein und bas genügt ihr auch zuweilen. Novellen, Romane und Dramen, in welchen diefer aus bürgerlichen Taschen lebende Adelsftols gezüchtigt wird, befizen wie die schwere Menge. Ift derselbe meist elend genug, so ist der Mangel an Selbstachtung im Bürgerthume noch gemeiner. Muß jenem nicht förmlich der Ramn wachsen, wenn er gewahrt, wir dieses vor ihm fich auf Ramn wachfen, wenn er gewahrt, wir dieses vor ihm fich auf den Bauch legt? Wir wissen, daß reiche amerikanische Er binnen wie toll darauf ausgehen, fich einem adeligen Habe nicht aus der Welt an den Hals zu werfen und ähnliche Er scheinungen will man auch in der Schweiz schon beobachtet haben. Die republikanische Gesellschaft ist noch entseglich weit von republikanischer Würde entfernt. Name und Titel gelten ihr mehr als Charalter; der Schein ist ihr mehr als das Sein. Sie beugt fich demüthig, ja nechtisch vor äußerem Glanze und abmt sodann das Beispiel jener Bedienten nach, die in der Abwesen sodann das Beispiel jener Bedienten nach, die in der Abwesen
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Um Gotteswillen, mein Herr," rief fie ,,, mir ahnt Schreckliches. Was soll hier vorgehen?"
Ich bitte dich, Jeanne," sagte Bellemare todtenblaß, aber ohne mit der Stimme zu zittern ,,, laß uns allein. Der Herr ist ein früherer Regimeniskamerad von mir und wir haben wichtiges zu besprechen."
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" Nein, nein, ich laffe mich nicht täuschen," beharrte Madame v. Mory, es liegt Unheil in der Luft, ich sehe Schatten vor meinen Augen ich höre Stimmen in der Luft ich werde wahnsinnig!" Hand hielt, schrie furchtbar auf und fant vor ihm in die Knie. D, mein Herr haben Sie Erbarmen mit mir! Ich hören Sie es wohl? Ich habe Gafton immer geliebt, liebe ihn mehr als mein Leben; ich bin vor Gott die Seine und ehrlos, wenn er mich nicht heirathet!"
Plöglich gewahrte sie die Pistole, welche Vitalis in der
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Vor Schluchzen fonnte sie nicht weiter reben, sondern rang die Hände in entfeßlicher Dual, während nur noch ein Röcheln über ihre Lippen drang.
Auf fünfzehn Schritte!" wiederholte Vitalis mit falter Ruhe.
Die Marquise sant ohumächtig zur Erde; Herr v. Bellemare aber stellte sich mit gefreuzten Armen dem schrecklichen Gegner auf der vom Mond beschienenen Straße gegenüber. Bei dem hellen Scheine des Gestirns glaubte Vitalis eine Thräne an den Wimpern feines Gegners zu erbliden.
Nun gut, mein Herr," sagte er mit einem höhnischen Lächeln, Sie werden nicht wieder Rischen effen!"
" W
Dann feuerte er und Bellemare stürzte todt zu Boden, die Kugel war ihm ins Gehirn gedrungen.
Bitalis hatte noch in berselben Nacht auf einem von Bordeaux abgehenden Schiffe Frankreich verlassen; die Marquise v. Mory verfiel in Wahnsinn.
heit ihrer Herrschaft in deren Kleider schlüpfen und ihre Ma nieren nachahmen. Mit der Unterwürfigkeit verbindet sich ein brennender Drang, es Höherftehenden gleichzuthun, mit ihnen verwechselt oder von ihnen herablaffend gegrüßt zu werden. Schon das Dienstmädchen und der junge Mann, der gut mit Pferden umzugeben weiß, find laut der Annonze ,, aus gutem Hause"; der Proletarier wird schwach in seinem Klaffenbaß, wenn ihm ein angesehener Mann dreimal die Hand schüttelt; Demokraten finden sich höchlich geehrt durch eine Bigarre aus liberalem Etut und dem Liberalen ist, als breite fich ein Hach Der Vornehmheit über ihn aus, so oft ein aristokratischer Aermel ihn streift. Alles möchte aus der Haut fahren, um eine noblere anzuziehen; am allermeisten das Prozenthum, das in Würdi gung seiner inneren Armuth die ehrbareAnnäherung in ,, hiftorische" Familien mit förmlicher Gier nachsucht. Ein richtiger Barvenu gäbe die Hälfte seiner Schäße um einen einzigen hnen oder sonst ein leidliches Zeichen von Abstammung". Den so oft laut werdenden Grimm über die Ueberhebung alter Geschlechter und junterlicher Anmaßung darf man nicht immer mö: tlich nehmen. Individuen, die gar zu laut schreien, find nicht selten nur deshalb wüthend, weil es fie ärgert, Blebejer zu sein, und unter dem freifinnigen Ueberrod hervor gudt ihnen bei jeder Gelegenheit der grünliche Neid. Des läppischen Hochmuths ist die Welt von einem Ende zum andern voll, aber den echten, tapfern, auf Land und Band verzichtenden Stols, der allein den Menschen adelt, den vergißt man. Und so lange ein Fußs tritt von einflußreicher hoher Stelle von der Mehrzahl als eine Auszeichnung empfur den wird, ist auch die Demokratie noch vielorts mehr Devise als Thatsache.
Die Berliner Kanalisation fieht in diesem Jahre bereits auf eine 25jährige Geschichte zurück, von denen 15 Jahre auf die Zeit der Vorarbeiten, 10 Jahre auf die Beit der praktischen Wirksamkeit entfallen. Im Jahre 1861 erschien der Bericht des Oberbauraths Wiebe über Die Reinigung und Ent wäfferung der Stadt Berlin " nebst ausführlichem Plan über die systematische Kanalisation Berlins . Dieser Bericht war das Ergebniß der Prüfungen, welche die im Jahre 1860 vom Minister v. d. Heydt berufene, aus dem Oberbaurath Wiebe, Baumeister Hobrecht und Bivilingenieur Vetmeyer bestehende Rommission angestellt hatte. Die städtischen Behörden setten damals sofort eine besondere Deputation zur Berathung des Wiebe'schen Projekts ein und es entwickelte sich nun der mehrjährige Kampf über die Frage: Kanalisation oder Abfuhr? Das Polizeipräsidium erklärte sich in einem Berichte vom 4. Januar 1868 für die Kanalisation nach den Wiebe'schen Binzipien; die städtische Deputa tion begann im Jahre 1869 unter Mitwirkung von Gelehrten und Sachverständigen" eine Reihe Vorararbeiten und am 16. Januar 1873 erstattete im Namen der Deputation Prof. Virchow einen Generalbericht, auf Grund dessen sich die Stadt verordneten Versammlung am 6. März 1874 im Allgemeinen mit der Kanalisation einverstanden erklärte und die sofortige Ausführung derselben im III. Radialsystem beschloß. Legteres wurde 1875 in Angriff genommen; mit dem Bau des 1, II. und IV. wurde 1876 begonnen, mit dem V. im Jahre 1877. Der ordentliche Betrieb der Kanalisation im III. Radial system im Jahre 1876, also genau vor 10 Jabren. Jezt find von dem Riesenwert nicht weniger als fleben Syfteme vollendet und umfangreiche Rieselfelder im Süten und Norden nehmen die Abwäfer der Millionenstadt auf, und werden schließlich die ganze Umgebung von Berlin veijauchen. Die Zeit wird es ja lehren.
Die ortsanwesende Bevölkerung Berlins am 1. Des zember 1885. Soeben hat das fönigl. statistische Bureau in einem besonderen Hefte die vorläufigen Ergebnisse der Vollszählung vom 1. Dezember 1885 veröffentlicht. In Ergänzung der bisher mitgetheilten Zahlen, welche fich nur auf die Städte mit über 10 000 Einwohnern und auf die landräthlichen Kreise erstreckten, enthält dieses Heft die Ergebnisse der Volkszählung für sämmtliche Städte und im Stande der Städte vertretenen Fleden und außerdem für alle Landgemeinden, deren ortsan wesende Bevölkerung am Bählungstage 2000 Köpfe und darüber betrug. Auch die Bevölkerung der kleineren Landge neinden und Gutsbezirle ist, allerdings nur summarisch, angegeben, da in jedem Kreise die städtische von der ländlichen Bevölkerung unterschieben wird. Die Gesammtbevölkerung des preußischen Staates stellt fich danach auf 28 313 833 Personen( 199 weniger als laut der Nachweisung vom 17. Februar d. J.), von denen 49,07 pCt. dem männlichen und 50,93 pCt. dem weiblichen Geschlechte angehören. Eine Abnahme der Bevölkerung zeigen die Standesämter I und II, das heißt dieselben Stadttheile, welche auch schon 1880 eine starke Ver minderung gegen 1875 erlitten hatten. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Abnahme im Standesamtsbezirle I allein oder doch wenigstens zum weitaus größeren Tgeile für das ältere Berlin gelten läßt, wo wegen der neu entstehenden Kaiser Wilhelmstraße und der Bentralmarkthalle in den letten Jah en eine große Bahl von Wohnhäusern niedergeriffen wurde. Dagegen hat die Bevölkerung der Stadttheile Köln, Friedrich 3 werder und Dorotheenstadt wahrscheinlich noch etwas zuge nommen, weil sonst im Standesamtsbezirke I eine noch viel stärkere Abnahme stattgefunden haben müßte. Diese Ansicht gewinnt an Wahrscheinlichkeit dadurch, daß in den älteren Staditheilen, dem Spandauer und Königsviertel, eine erheb liche Zunahme der Bevölkerung gegen 1880 zu verzeichnen ist. Die merkwürdige Thatsache, daß die sogenannte Buybildung in Berlin aufgehört bat, mag darin begründet sein, daß viele große Geschäfte zur Bequemlichkeit des Publikums Niederlagen und Bweiggeschä te in den äußeren Stadttheilen gründeten und deshalb nicht nöthig hatten, in der inneren Stadt Wohn häuser zu Geschäftszwecken umzugestalten. Es find im Gegen theil in manchen älteren Stadttheilen bisherige Geschäftshäuser wieder Wohnzweden dienstbar gemacht worden. Die stärkste Bunahme der Bevölkerung haben die Standesamtsbezirle XII, III, IV, XIII und X( a und b) aufzuweisen; fte bestehen aus denjenigen äußeren Stadttheilen im Südwesten, Westen, Nord eften und Norden der Stadt, welche auch schon vor 5 Jahren gegen 1875 ein beträchtliches Anwachsen der Bevölkerung zeigten.
Das Mißtrauen der Polizei gegen die fliegenden Wursthändler äußert sich immer von Neuem. So meldet der Gaftron.":" Die fliegenden Wursthändler wurden fürzlich
Nachts nach den Bolizeibureaus fiftitt, um über ihre Wurft bezugsquellen protofollarisch vernommen zu werden. Diese Moßregel hängt mit einer in Rigdorf gemachten Entdeckung aufammen, wo man in einer Grube eine große Anzahl von Kazens ud Hundeköpfen aufgefunden hat. Da sich Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person richteten, die hierzu ge hörenden Körper zu Wurst verarbeitet zu haben, so sollte dur obige Maßnahme zu ermitteln gesucht werden, in wie weit fich dieselben bestätigten."
Der gewiß feltene Fall, daß das Urheber- und Verlags recht von deutschen Romanen durch Bwangsversteigerung vers Diese eigen fauft wird, fommt in nächster Belt hier vor. artige Versteigerung wird am 6. April durch den tal. Auktions Kommiffar, Herrn Rudolf Levle, ausgeführt. Es tommen vier im Manuskript vorliegende Romane von Conrad Fischer Sall ftein unter den Hammer: 1. Der Herr Kassirer" 2. Kopf oder Münz. Eine theinische Schiffs volts. Geschichte", 3. Ileine böse Frau", und 4. Kampf mit Frauenbergen".
teine
Ein waderer Junge. Hiefige Blätter berichten: Am Montag langte auf dem Bahnhof Friedrichstraße , von Ham burg tommend, ein etwa 8jähriger Knabe an, der ganz felbft ständig eine Reise zurüdgelegt hat, angesichts welcher manchem Erwachsenen ein Grufeln überkommen dürfte. Der Kleine ift bas Söhnchen eines weit im Innern des Kaplandes ftationir ten Misstonars, deffen Bater als Baftor in einem Dorfe in der Nähe von Basewalt wirkt. Diesen Paftor, den Großvater also,