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Im Jahre 1848, find hauptsächlich durch die Mißachtung der Realitäten in Deutschland zu Waffer geworden. Zu den Re alitäten gehören die Regierungen und die Dynastien, und ich möchte Ihnen empfehlen, nicht weil ich augenblicklich zur Regierung gehöre, das wird ja hoffentlich in furzer Zeit nicht mehr der Fall sein, aber ich möchte Jbnen im Intereffe des Deutschen Reiches und für dessen Schöpfung doch empfehlen, die Regierung und ihre Vorlagen nicht so geringschäßig zu be bandeln, wie es diesmal in den Kommissionsverhandlungen der Fall gewesen ist. Ich bitte Sie, mir diese Warnung nicht zu verübein; ich weiß nicht, wann ich bei dem Zustand meiner Gesundheit wieder zu Ihnen werde fprechen fönnen, und ob in diesem Jahre überhaupt noch einmal; die Zukunft steht bei Gott . Aber ich halte es für meine Pflicht, auf Grund der Er. fahrungen, die ich im Dienste des Reiches gemacht habe, Ihnen meine Besorgnisse nicht zu verhehlen. Ich würde Sie, wenn es nicht faft wie Jronie flingt, noch heute bitten: nehmen Sie bas Monopol an; durch das Monopol befestigen Sie das Reich, durch die Ablehnung des Monopols schädigen Sie bas Reich. Wenn Sie das Monopol aber verwerfen, wenn Sie wirklich die Verantwortung dafür übernehmen wollen, dem Reich und den Einzelstaaten diese Hilfsquellen abzuschneiden, bann, meine Herren, werden wir Ihnen, wie ich schon fagte, in furzem zunächst eine neue Vorlage machen für ein Reichs geses behufs Besteurung des Branntweins in seiner Konsum tion, aber auch, wenn meine Wünsche die Annahme der ver bündeten Regierungen finden, was ich ja noch nicht weiß, zu einer Besteuerung der Intereffenten selbst, die dazu be ftimmt sein soll, die Exportbonifitation auf deren eigen Kosten zu verbessern. Wenn Sie uns das auch wieder angebrachtermaßen ablehnen, dann, meine Herren, glaube ich, daß der König von Preußen fich seinen Unterthanen, Der Noth, in der fie fich befinden, und der Thatsache, daß in feinen Staaten 1%, Millionen Außpfändungen jährlich wegen Gemeindelaften noch stattfinden, nicht länger wird verschließen Tönnen; er wird zusehen müssen, was seine preußischen Hilfs quellen ihm erlauben, aus einer Gewerbe- und Lizenzsteuer auf­zubringen, und ich bege die Ueberzeugung, daß er dann an der preußischen Landesvertretung die Unterstützung finden werde, die ihm hier zu meinem Bedauern versagt wird. ( Bravo ! rechts.)

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Abg. Richter: Der Abg. Buhl sprach neulich gegen das Monopol so gut, daß wir es nicht beffer hätten machen tönnen. Ganz im entgegengesetzten Sinne hat sich heute Herr v. Fischer erklärt. Wer von den beiden Herren hat denn nun für die Nationalliberalen gesprochen? mer für die Süddeutschen? wer für die Bayern ? Die Wähler werden doch den Herren Nationalliberalen gegenüber auf der Hut sein müssen, so lange nicht jeder der Sperren erklärt hat, wie er prinzipiell zum Mono pol steht. Es steht fast aus, als wolle die Regierung den Reichstag schreden, zum Reichsmonopol, als dem relativ Besseren, zurückzugehen. Warum nun diese Eile? Der Reichskanzler fagte, er wiffe nicht, ob er noch bis zum Januar 1887 lebe 2c. Ja der Weise find doch die politischen Verhältniffe nicht auf Die Gesundheit des einzelnen Mannes und auf zwei Augen gestellt. Das wäre ja auch eine Anllage gegen den Herrn Steichskanzler, wenn er Gesetze in athemloser Haft machen wollte, blos weil er nicht weiß, ob er das nächste Jahr erlebt. Wenn er fein Vertrauen zum Reichstag hat, so habe ich doch so viel Vertrauen zur Krone und zum jeweiligen Inhaber derselben, daß das Bestehen des Deutschen Reichs über 1887 binaus gefichert ift, gleichgiltig, wer dann noch lebt. Diese Vorlage ift fein Mittel, die Zufriedenheit im Lande zu vermehren, es ift teine Stärkung, sondern eine Schwächung des Reichs. Je mehr der Staat fich wirthschaftlichen Aufgaben zuwendet, desto mehr wächst im Falle des Miklingens die Unzufriedenheit. Der Reichslanzler wies den Gedanten eines Staatsstreiches weit von sich. Ich bin dankbar für seine Erklärung, aber ich hätte gewünscht, und der Eindrud würde ein noch bedeuten. Derer gewesen sein, wenn der Reichskanzler nicht doch dabei von der Eventualität gesprochen hätte, daß die Füsten Deutschlands Reue darüber empfinden tönnten, daß fte Sou veränetätsrechte an das Reich abgetreten haben, und daß fie zu dem Versuche verleitet werden könnten, diese wieder zurückzu­nehmen. Dem widerspricht aber die Verfaffnng. Möglich wäre es nur durch eine Revolution. Ein Fürst, der so etwas unternahme, bräche die Verfassung, er wäre ein Revolutionär. Das Recht der Fürsten ist um kein Titelchen beffer, als das der Verfaffung( Unruhe rechts), und das Recht der Fürsten beruht nur auf der Verfaffung( Lebhafter Beifall lints, Unruhe rechts). Mir scheint, daß man gut thut, darauf hinzuweisen, was man von einer solchen Eventualität dentt. Jedenfalls sage ich, wenn der Reichskanzler Gewicht auf die Zufriedenheit im Lande legt, auf die innere Stärte, so war die Andeutung einer solchen Eventualität ein schlecht gewähltes Mittel. Er sprach dann von der Bedeutung des Parlaments. Wir haben ruhig angehört, weil wir es eB schon oft ge hört haben und die Gewohnheit abstumpft. Der Reichskanzler sollte nicht vergessen, daß das Ansehen des Reichstage gehört zum Ansehen des Reichs selbst; und ein Reichstag, der nur Steuerbewilligungsmaschine wäre, würde nicht im Stande sein, das Reich im Innern au ftärten und zu befestigen. Er hat dann auch auf dunkle Gefahren in den äußeren Verhältnissen hingewiesen, solche Andeutungen find von ganz besonderem Eindrude. Wir bezweifeln ohne daß ich im Stande wäre, die augenblickliche Lage zu beurtheilen daß dem Deutschen Reiche in der nächsten Bukunft ett fte Gefahren drohen, aber wenn dasselbe später in ernste Kriege gestürzt werden sollte, dann werden es schwere, nachhaltige Kriege sein, mit nachhaltigen Mitteln zu führen, daher haben wir uns um so mehr zu hüten vor solchen Plänen, Projekten und Vorlagen, welche in Friedenszeiten das zerstören, aus dem in Kriegszeiten die legten Kräfte geschöpft werden müssen. ( Lebhafter Beifall links; Sischen rechts. Fürft Bismard ruft: Bravo ! Bravo!" Stürmische Heiterkeit.)

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Reichslangler Fürst v. Bismard: Bravo ! Bravo! ( Lebhafte Heiterkeit.) Ich theile ganz die Ansicht der Herren, Die Bravo riefen; es war eine ausgezeichnete Rede; aber fte wird auch von dem Vorwurf getroffen, den der Herr Abg. Richter mir gemacht hat, fie war nicht neu. Er sagt mir, ich hielte immer dieselbe Rede. Von dem Herrn Abg. Richter habe ich in den legten 10 Jahren auch nichts Neues gehört. Es ist immer daffelbe: Keine neuen Steuern! 120 Millionen Steuern! mehr oder weniger pathetisch, je nach Be­Dürfniß vorgetragen. Das einzige Sachliche, was der Herr Abg. Richter an mir fritifirt hat, das war die von mir ausgegangene Bemängelung einzelner Biffern. Ja, wenn er weiter nichts gegen die Vorlage einwenden kann, als daß die Berichte der Behörden in Königsberg , in Bosen, in Stettin über die Branntweinpreise in der Proving ungenau gewesen find, dann sollte er doch lieber erkennen, wie schwer es für die Bentralinstanz ist, fich die nöthigen Mittheilungen richtig zu verschaffen, statt der Vorlage den Vorwurf zu machen, als ob fie leichtfertig gearbeitet wäre. Ich muß schließlich doch noch zu der persönlichen Bemerknng des Herrn Abg. Richter Tommen in Bezug auf den Vorwurf, den ich ihm gemacht babe, daß er mir nämlich Dinge imputirt, wofür er, wenn er es anderswo thäte, strafbar sein würde. Er hat die Sache vollständig richtig verlesen; er hat wohl nur darauf gerechnet, daß in der verzwickten Sagbildung, die er verlesen hat, die Buhörer es so genau nicht verstehen würden. Er hat aber ganz genau bestätigt, was ich gefagt habe, nämlich daß er mich beschuldigt, meinen amtlichen Einfluß zur Begünstigung des non mir betriebenen Brennereigewerbes in der Besteuerung verwandt zu baben. Davon will er mich freisprechen, daß ich Die Leute zum Trinken verleiten laffe. Das ist ja sehr gut von ihm. Ich glaube, er fann auch die Regierung davon freisprechen. Die eigentlichen Werber für die Böllerei im Trunt find die

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190 000 Sankwirthe, die davon leben müssen und die fich schon in die Gesammtheit der Trinter getheilt haben, daß Jeder in der Nothwendigkeit, aber auch in der Leichtigkeit ist, feinen Gäften zuzureden, daß fie etwas mehr trinken. Dafür, daß er mich deffen nicht angeklagt hat, dante ich ihm. Aber im Jahre 1883 bei der Erörterung der Sprit! lausel, der Schnapspolitik, hat der Abgeordnete Richter davon in dem Sinne gesprochen, daß unsere Wirthschaftspolitit, unsere Finanz politit in ganz hervorragender Weise beherrscht werde durch eine Den natürlichen Verhältnissen nicht entsprechende Berücksichtigung des Brennereibetriebes in der Steuer politit. Dies in Anknüpfung an meinen Namen und mit der Beschuldigung, daß ich Schnapspolitit treibe. Das Betreiben der Schnapspolitik durch mich erläutert der Abg. Richter darin, daß unsere Finanzpolitik- die Vorlagen gingen von mir aus, fte find mit meinem Namen unterzeichnet, und ich trage die Verantwortung dafür in ganz hervorragender Weise beherrscht werde von einer Berücksichtigung des Brennereis betriebes in der Steuerpolitit, und zwar in ganz ber Dorragender Weise- unterstrichen! Nun ist das so, wie es hier steht, eine ganz aus der Luft gegriffene unwahrheit, für die fich auch nicht einmal die That fache einer Verhandlung über den Gegenstand anführen läßt. Wenn der Abg. Richter mit mir einen Kompromiß eins gehen will, daß er auf seine Immunitätstlausel, auf seine Berechtigung, mich hier zu injuriiren, ftraflos verzichten will ( Unruhe links), so möchte ich doch vorschlagen, daß wir uns einer gerichtlichen Entscheidung unterwerfen, ob nicht eine grobe Injurie und Verdächtigung meiner Ehrlichkeit liegt in dem, was er gesagt hat. Das überlasse ich jedem unparteiischen Menschen zu beurtheilen, der den Text lieft. Der Abg. Richter hat rasch darüber hinweggelesen und hat darauf gerechnet, daß in der Schnelligkeit diesem verzwickten Satz nicht gefolgt werden mird. Ich werde ihm dankbar sein, wenn er so gut sein wollte, auf seine Smmunität für diesen Fall einmal zu verzichten; er bestreitet ja, daß die Gefahr läuft, verurtheilt zu werden, ich werde ihm sehr dankbar sein, wenn er darüber eine Erklärung abgiebt, und mir in diesem Falle erlaubt, eine Antlage einzu reichen. Sofern er mir das nicht erlaubt, werde ich immer be haupten, daß er er mich auf die ungerechteste Weise unver dient gröblich injuriirt hat.( Bravo ! rechts. Unruhe links.) Nach dieser Rede verläßt der Herr Reichskanzler den

Saal.

Auf Antrag des Abgeordneten Ridert vertagt sich das Haus.

Schluß 5% Uhr. Nächste Sizung Sonnabend 1 Uhr. ( Fortsetzung der Berathung, erste Lesung der Vorlage, betr. den Servistarif, zweite Lesung des Gefeßentwurfs, betreffend § 809 der Sivilprozeßordnung.)

Lokales.

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cr. Wenn der Lenz beginnt und der Schnee zer­rinnt", so beißt es im Liede, dann wird es besser, dann nabt die schöne, berückende Frühlingszeit, die Sonne fommt mit ihren belebenden Strahlen und fie wedt Frühlingswonne und Frühlingsluft. Ein einziger Gang durch die belebtesten Straßen der Reichshauptstadt überzeugt uns davon; wir sehen, wie die Damenwelt ihre glänzenden Toiletten entfaltet, wie der tolette Sonnenschirm und Fächer an die Stelle des schüßenden Muffs getreten ist; auf den Schmuck und Spielplägen der inneren Stadt und des Thiergarters führen sauber gekleidete Dienst mädchen und Epreewälder Ammen mit den frischen, gesunden Gefichtern die Sprößlinge der glüdlichen Klaffen spazieren; der Bruder Studio hat beim ersten wärmenden Sonnenstrahl vom wärmenden Winterüberzieher Abschied genommen, in seinem Bortemonnaie befinden sich einige Mart und ein ominöser Bettel mehr; in den Selterbunden treten die Kohlenfauren" bald wieder in Funktion-jezt wird's wieder Frühling in Berlin . Und mit dem ersten verschämten Gesang der Vögel, mit dem ersten aartinospenden Grün der Bäume und Sträucher, die der Blick des Städters mitten in den ungeheuren Stein flumpen flüchtig streift, zieht es wie verhaltene Sehnsucht durch unser Gemüth, denn der balsamische Windhauch, der sich bis­weilen frei und duitig bis in die rauchgeschwängerte Atmosphäre der dumpfen Fabriti äume verirrt, giebt uns Kunde davon, daß fich diaußen ein gewaltiger Werbeprozeß vollzieht, der mit un bezähmbarer Kraft, mit nicht zu unterdrüdender Gewalt das morsche Gebäude des Winters niederreißt und nicht früher rubt, bis die alte Erde in verjüng er Gestalt, in ver flärter Schönheit prangt. Allerdings, wir selbst sehen nur wenig davon. Die Pflicht, der Beruf, die Arbeit fetten uns mit unzerbrechlichen Feffeln an unseren Blaz; wenn auch die Sonne lodt und der laue Frühlingsbauch uns hinausschmeicheln möchte, bei uns aber kann die Freude an dem Wiedererwachen der Natur nicht zum rechten Durchbruch tommen und das Stückchen blauer Himmel, welches man burch die blinden Scheiben erblickt, ficht trüb und melancholisch aus, wie ein langweiliger, nebliger Herbstmorgen. Es mag sein, daß die Dichter Recht haben, wenn sie von der Liebe und Hoffnung fprechen, die mit dem fommenden Frühjahr die ganze Natur überzieht; für den größten Theil der Menschheit ist die Frühlingszeit nur der Anfang derjenigen Periode, in welcher man mühsam diejenigen Schäden auszubessern, die Wunden zu heilen beginnt, welche der Winter mit rauber, gefühlloser Hand geschlagen. Die Arbeit beginnt, das ist richtig; in allen Branchen der Industrie regt es fich, aber es giebt wohl nur wenige Menschen, die sich mit voller Hoffnungsfreudigkeit der neuen Thätigkeitsepoche widmen tönnen: unzulänglicher Lohn, fieberhafte, ungeregelte Anspannung, dann wieder gezwungene Untbätigkeit- das ist die ganze Aussicht, die dem Manne der Arbeit blüht. Und Alles das wäre noch zu ertragen, wenn uns aller Kampf, alle Noth wenigftens die Möglichkeit einer geficherten Eriftens, bieten würde, aber eine Krise, eine Ges schäftsftodung, Die häufig von ganz unberechenbaren Bufällen abhängt, bringt Tausende aus Der Arbeit, in ein Elend, aus dem es tein Entlommen mehr giebt. Das find gewiß trübe Betrachtungen, aber sie scheinen uns mehr am Blaze als die Jubelbymnen auf den Knaben Lenz, der mit freigebiger Hand Wohlthaten und Freude vertheilen soll. Freilich ftreift er mit warmem Hauch über die Länder dahin, und die starrenden Eis. und Schneemassen schmelzen unter seinem fächelnden Flügelschlage, aber Freude ist es taum, was er den Menschen bringt, vielfach ist es vielmehr Noth und Trübfal; mit wilder Freude zerstört er Leben und Besigthum, er macht den Armen zum heimathlosen Beitler, der rubelos von Haus zu Haus wandern muß. Aus allen Theilen Deutsch . lands über tommen Nachrichten bevorstehende Ueber. schwemmungen, ja viele Landstrecken find bereits überschwemmt. Wer tennt die brausende Gewalt der Frühlingsfluthen, wenn fte, sich selbst überschlagend und überhaftend, von den Bergen in die Thäler ftürzen, wenn fle, brüllend und jauchzend, das armselige Heim des Tagelöhners zerbrechen und es triumpbirend mit sich fortschleppen, wenn in den schmutzig gelben Futhen das wenige Gerümpel weggeschwemmt wird, welches die babe einer ganzen Familie bildete, und wenn der erschreckt Flüchten de in dem wilden Waffer vielleicht das verzerrte, entstelte Gesicht Geficht eines Ertruntenen erblickt, den die Fluth er. faßt hatte? Mer tennt diefe Gewalt? Das ist der Frühling, der goldige, blendende Sonnenschein, den ein Theil unserer Mitmenschen in federnder Equipage genießt, während ihn der andere fürchtet wie das Verderben. Diag die Sonne noch so lebenswarm scheinen, mag der Sonnenstrahl, der nedisch und neugierig über den Fußboden der Mansarde hinwegbuscht, oder der eine Ecke der dunklen Kellerwohnung mit sprühendem Licht überstrahlt, uns Bilder einer vergangenen, verlorenen, schöneren Beit vorzaubern, die Son.te fieht nur Elend, und fte wird es solange sehen, bis der Frühling selbst

in die Herzen und in die Geifter der Menschen einzieht. Und dieser Frühling ist nicht der tändelnde, leichtlebige Knabe, es ist der unmuthige, tampfeswilde Jüngling, der mit starken Händen das Eis zerbricht, der hohnlachend wie der fosende Bergstrom jeden Widerstand nieberwirft, und der stolz und flegesbewußt dem Gegner den Fuß auf den Naden fest. Möge er bald erscheinen, dieser Böllerfrühling, sonst erstarrt die Welt im Eise.

Die Vorstände der Berufsgenossenschaften der Un fallversicherung find wacker auf dem Poften; wo bei einem Betriebe Zweifel darüber entstehen, ob er der Unfallversiche rungsrflicht unterliegt, wird schnell die Entscheidung der höch ften Instanz, des Reichsversicherungsamts, herbeigeführt und die erforderliche Klarheit geschaffen. Die Eisarbeiten auf den Gewässern, die in diesem Jahre vielen Arbeitern Beschäftigung gewährten, waren einer Berufsgenossenschaft als versicherungs pflichtig erschienen; fte wendete fich jedoch an das Reichsvers ficherungsamt und dies entschied, daß ein solcher Eisgewins nungsbetrieb, wo es sich nur um das Auffischen des Eises aus Gewässern handelt, und dasselbe an Brauereien ze. zu vers laufen, nach dem gegenwärtig geltenden Gesez nicht zur Un­fallversicherungspflicht herangezogen werden fönne. Das mit sei aber noch nicht die Frage entschieden, ob Der bie etwa ein Braueretbefizer, Eisgewinnung als Nebengewerbe ausübt, nun auch in Folge der Versicherungs pflicht für sein Hauptgewerbe diesen Nebenbetrieb versichern muß. Die Brauereibe figer gerathen dadurch, und so lange diese Frage nicht endgiltig entschieden ist, in eine sehr misliche Lage, wenn einer ihrer Arbeiter bei der Eisgewinnung so ver­unglückt, daß er in Folge dieses Unfalles verftirbt oder dauernd in seinem Erwerbe beeinträchtigt wird; ist dieser Arbeiter nicht versichert, so würde zwar, wenn der Betrieb versicherungspflichtig erachtet wird, die gesegliche Rente an ihn resp. seine Erben gezahlt werden, aber der Betriebsunternehmer würde sich zugleich der Anwendung der Strafbestimmungen der Unfallversicherung aussetzen, für ihn ist es also wohl am ficherften, solche Eis­arbeiter einfach als Arbeiter in seinem Brauereibetriebe zur Unfallversicherung anzumelden.

Das Erwachen der Natur zeigt sich bereits auf den Straßen und Wochenmärkten: in großen Mengen fieht man bereits Schneeglödchen feilbieten, die Veilchen, welche nicht auf französischem oder italienischem Boden gewachsen find, son­dein ihre Heimath in Berlin oder der nächsten Umgebung haben.

Ein Maskenball bei Tage dürfte für uns Berliner ge­wiß ganz neu sein. Daß derselbe im äußersten Fall nur von Personen ausgeführt werden kann, denen ihre Arbeit nicht ge­stattet, zu einem derartigen Amusement die Nacht zu wählen, ist wohl selbstverständlich. So haben denn gestern Nachmittag in der Beit von 2 bis 9 Uhr die Bäckergefellen Berlins in dem in der Lichtenbergerstraße belegenen Heise'schen Restaurant einen Maskenball gefeiert, wie er gelungener faum gedacht werden kann. Die Betheiligung war eine starke und die

öhlichkeit eine allgemeine. Um 7 Uhr Abends fand die Demastirung statt. Dann schwang man noch zwei Stunden das Tanzbein, um den Maskenball um 9 Uhr zu beenden. Wenige Stunden später sah man die braven Gesellen bereits wieder bei ihrer schweren Arbeit, um Berlin für den Morgen mit Brod und sonstiger Backwaare zu versehen. Im Innern der Stadt hätte ein Maskenball bei Tage gar nicht abgehalten werden dürfen, das Aufsehen wäre ein zu großes gewesen.

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Aus den Geheimnißen des Kalender Buchhandels . Seit einigen Monden ist das neue Jahr eingeläutet, wir haben uns taum davon unterrichtet, daß Ostern und Pfingsten wenn auch nicht auf einen Tag fallen, nein, das wäre zu viel des Guten, wohl aber zu einer so späten Beit, wie es so bald nicht wieder vorkommt; wir find faum schlüssig darüber geworden, welcher Arbeitsplan im neuen Jahr unser Leitstern fein soll, da wie ein Blizstrahl aus beiterem Himmel, o Schrecken! überbringt uns der Jünger Stephans Birtular eines findigen Berlegers, der das nahe bevorstehende Erscheinen seiner jämmtlichen Ralenderausgaben für das Jahr 1887 ankündigt. Wer lacht da? Nun, dieser ersten der artigen Mittheilung werden ohne Bweifel weitere folgen, denn in Bezug der Auswahl der Kalender lönnen wir uns nicht be­flagen, es ist eine herrliche Musterkarte, die uns zur Ver fügung steht, schier endlos scheint ihr Wachsthum. Werfen wir nun einen Blick in die erste Ankündigung, die vielleicht schon seit Wochen diese Presse verlassen hat, das Aeußere spricht dafür, dann erinnern wir uns unwillkürlich der seligen Bett, wo Papa Steffen, Auerbach's und Gubiz- Boltskalender und Andere das Szepter schwangen, die seit Jahren zu ihren Vätern heimgegangen find. Friede ihrer Asche. In unserer heutigen sparsamen Beit ist kein Raum für folche treffliche Jahrbücher, denn ach, die Käufer find heut zu zählen, die sich entschließen, den früher üblichen Preis für eine solche Gabe anzulegen, fann man doch heut dafür beinah ein ganzes Dugend funkelnagelneuer Kalender erstehen und das zieht. Wenn wir auch zugeben, daß die Macht der Verhältnisse aus schlaggebend ist, so ift es im gewiffen Sinne doch bedauerlich, daß feiner dieser alten Kämpen den Stürmen der neuen Zeit Trop geboten, und man deute es uns nicht übel, wenn wir diesen Abgeschiedenen eine stille Thräne der Wehmuth wide men, denn es handelt fich um Voltsbücher, deren Werth er wiesen war und die zugleich das Angenehme mit dem Nüz lichen insofern verbanden, als uns deren Vertrieb ansehnlichen Gewinn sicherte. Das Kalendergeschäft der damaligen Beit war ein durch und durch solides, die Verleger waren AU bieten. fiets bemüht, das Beste was seiner Beit geboten werden konnte. war Ganz unmöglich aber jebe Schleuderei, der Kalender behielt eben seinen Werth. Die Praris hat gelehrt, daß vornehmlich Kalender verkäuflich find, die nicht mehr als 50 Bf. toften, bei Ausgaben zu höheren Preisen treten in Rede stehende Uebelstände zumeist nicht ein, weshlab wir auf lettere nicht zurückfommen. Bei ersterer Art find Quartausgaben ganz besonders beim Publikum beliebt und kommt Dabei eine reichhaltige Kollektion in Betracht, die eben der Schleuderei Thür und Thor geöffnet hat. Wenn die auf den einzelnen Umschlägen derselben gemachten Angaben hinsichtlich Der Auflage zweifelsohne find, dann ist bei der großen Anzahl Der Ausgaben im Handumdiehen eine Gesammtziffer an zu verlaufenden Exemplaren herauszurechnen, die mitzutheilen die uns angeborene Bescheidenheit verbietet. Alle Achtung vor dem heidenmäßigen Gewinn beider Theile, angesichts so to loffalen Erfolges. Was machen nun die Kalenderverleger, um ihren Erzeugnissen immer mehr Abnehmer zuzuführen? Neben bei verdenken wir es ihnen nicht, wenn dieses Bestreben in erlaubten Grenzen gehalten wird. In gegenwärtiger Zeit schon durchpilgern Prinzipal und Gehilfe unter Benugung eines tombinirten Rundreisebillets Stadt und Land im Deut schen Reich, jeder Kolporteur, der nur entfernt im Geruch steht, einigen Absaz in Kalendern zu haben, wird beimgesucht, und in den meisten Fällen ziehen die nur dem Einzelnen und ganz ausnahmsweise gewährten besonders günstigen Bezugsbedin gungen, um einen nach Umständen bedeutenden Auftrag zu erhalten. Der Besteller wird womöglich noch auf Handschlag verpflichtet, verpflichtet, feinem Anderen diesen günftigen Preis zu offenbaren, da man weiteren Personen überhaupt nicht fo liefern tönne, man läßt sich auch berbei, die Firma des glüd lichen Bestellers aufzudruden und versteht fich zu dergleichen Bugmitteln mehr; Alles nur den Besteller zu veranlassen, möglichst viel Exemplare auf ein Mal zu beordern, mag er doch zusehen, wie er solche an den Mann bringt. Ist der Erfolg dann in der Wirklichkeit anders, dann betrachtet der betreffende Buchhändler seinen riesigen Lagerbestand und kommt zu dem Ents schluß: losschlagen um jeden Preis, soll der Schaben nicht noch empfindlicher sein. Dann heißt es immer ran meine Herrs schaften, hier ist zu haben ein Vollstalender mit Beigaben für

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