Beilage zum Berliner Volksblatt. 73. Dienst««, de  « 80. März 1886. III. Die liklMm lumultr. Die Nack'ichten aus ben Etreikrevleren werden immer be» drohlicher. Charleroi   ist jetzt der Mittelpunkt der Biwrgunst. Die ganze Nacht vom 26. dauerten die Ruhestörungen und Verwüstungen fort. In Roux gab ein Trupp Soldaten auf die Streikenden Feuer, tödtete fünf und verwundete eine große Anzahl derselben. Viele Landhäuser und Schlöffer der Um> gegend find in Brand gesteckt. In Marchienne und Roux wird um einen weiteren Zuzug von Truppen gebeten. Nach weileren Mitiheilungen von Wolff's Telegraphenbureau find in dcr erwähnten Nacht fünf Schlöffer und acht große Glas- fabriken vollänvig geplündert und niedergebrannt worden. General van ver Smiffen ist mit dem Stabe und zwei Ba taiüonen Soldaten nach Charleroi   abgegangen. Darnach er- scheint folgendes Privattelegramm desBerl.Tgbl." aus Lüttich  vom 27. Mär, kaum übertrieben:In dem Gebiete von Charleroi   ist überall der Streik ausgebrochen; die Situation ist verzweifelt. Alle Glasfabriken von Lodelinsart wurden gestern verwüstet. Glasfabrik und Schloß von Eugen Baudoux in Jumet wurden von 3000 Arbeitern geplündert, mit Petroleum getränkt und in Brand gesteckt, 25 LareierS in die Flucht geschlagen und verfolgt. Zahlreiche Fabriken stehen in Flammen. Der Schaden beträgt an zwei Millionen. Fn Chatelineau stehen die Holzmagazine von Piette in Brand. Bei den Zusammenstoßen mit den Truppen wurden der Bürgermeister und viele Arbeiter verwundet. Die Panik ist unbeschreiblich. In Marchienne wurden diese Nacht viele Au bester erschaffen, viele verwundet. Die vorhandenen Truppen find ungenügend. In Louoiere und Möns ist gleichfalls der Streik ausgebrochen. Die Haltung der Arbeiter in Tournai  ist drohend. Unruhen ernster Art werden in Antwerpen   er« wartet." Die wichtigsten offiziellen Telegramme aus Charleroi   vom 28. März lauten:Die Stadt ist augenblicklich nur von der Bürgergaide bewacht, da sämmtliche Truppen in die Um gegend abgegangen find. Der Bürgermeister hat, da die Bürgergarde von ihrer Thätigkeit in den letzten Tagen sehr erschöpft ist, einen Aufruf erlaffen und Freiwillige zur Vertheidigung der Stadt aufgefordert. Die angekündigten Truppenverstärkungen find bis jetzt noch nicht angekommen. Die Ruhestörungen in der Umgebung der Stadt dauern fort, von Chatelet, Cbatelineau und von Couillct auS wurde hier Hilfe verlangt. An mehreren Orten baden Haufen streikender Arbeiter fich vor Fabriken und Werk. stätten aufgestellt, deren innere Räume von Militär besetzt find, ein thätlicher Zusammenstoß scheint deshalb unausbleiblich. In Marchienne s wurde durch Maueranschläge zur Revolution auf- gefordert. In Roux wurden bei einem Zusammenstoß zwei Autrührer getödtet. Der Belagerungszustand ist hier und in Ver Provinz verkündet worden, daS Militär hat Befehl erhalten, nach der erstmaligen Aufforderung sofort mit der Waffe gegen die Ruhestörer vorzugehen. An mehreren Orten find, obschon dieselben von Truppenabtheilungen besetzt worden waren, erneut Plünderungen vorgekommen. Heute Vormittag wurden namentlich die Fleischerläden geplündert. Aus MonS wird vom Sonntag Nachmittag offiziell tele graphirt: General van der Smiffen hat die allgemeine Leitung der zur Herstellung der Ruhe in den Provinzen Lüttich   und Hennegau   bestimmten Truppen übernommen. Zur Erhaltung der Ordnung in den zentralen Theilen der Provinzen, wo fich fich seit heute früh bei Loge verschlimmert haben soll, gehen eben Truppen nach AnderlueS und Mariemont ab. In Ouaregr on und Flenu haben die Arbeiter angekündigt, daß fie die Arbeit am Montag einstellen würden. Ein Bataillon vom 7. Linienregiment ist nach Maronwelz, eine ESkadron LanzierS ist nach Slrepp, eine Kompagnie Häger ist nach Quareanon abgegangen. In Brüssel   soll fich der Ministerrath in Permanenz erklärt haben. Am Sonnabend früh fand die Polizei an allen Ecken und Enden der Hauptstadt ein anar. chistisches Plakat, welches zur Plünderung auffordert.Ge- Nossen des Elends! heißt es in dem Schriftstück Sonn- abend, nach einer schweren Arbeit von 8 oder 14 Tagen, werden unsere Brodherrn uns für unsere ermüdenden Tagewerke zu be« zahlen geruhen. Wenn wir alle die kleinen im Laufe der Woche auf- ge häuften Schulden dezahlt haben werden, was wird uns bleiben? Nichts, leider, und unsere Frauen und Kinder gehen zer« lumpt einher und laufen barfuß herum. Wir selbst ver- faulen in unseren ungesunden engen Löchern, wohin niemals ein Strahl der Sonne dringt! Nur eine Quelle bleibt uns, um diesem unerträglichen Zustand abzuhelfen. Wir haben in den Auslagen der Läden alle die Gegenstände zur Lefriedi« gung nothwendiger Bedürfniffe gesehen, vor unseren Augen ausgebreitet unv uns förmlich einladend, fie zu nehmen. Nun denn, Genossen, laßt uns sie nehmen. Zu diesem Zwecke wollen wir unS Alle Samstag Abends um 7 Uhr ras warcbs anx herbes vor der Passage versammeln und uns, ge­stützt auf unsere Zahl und Energie, aller Dinge bemächtigen, welche unS fehlen. Unser Losungswort sei: Jeder lege Feuer an an die schmutzigen Schlupfwinkel, die er bewohnt. Wir wollen fortan uns im Quartier Leopold(dem aristokratischen Stadtviertel) einquartieren."- Diese Diebslogik hat glücklicher. weise bei den bereits aufgeklärteren Arbeitern BrüffeiS keinen Anklang gefunden. Verschiedene Meetings, in Brüssel  , in Lou- were u. s. w. find ruhig verlaufen. Im Basfin Lüttich   ist «ine wesentliche Besserung der Situation eingetreten; von 13000 Kohlen arbeilern bat die Hälfte die Arbeit wieder auf. genommen. Gewaltthätigkeiten find in dm letzten Tagen nicht wehr vorgekommen... Zwischen den Kaisermächten sollen angefichtS der Vorgänge in Belgien   vertrauliche Besprechungen über eventuelle gemeinsame Schritte gegen die Anarchisten begonnen haben; ähnliche frühere Besprechungen find bekannt« i'ch resultatloS geblieben. Parlamentsberichte. Deutscher   Reichstag  . Am Tische de» BundeSralhS v. Boetticher. �as HauS tritt in die erste Berathung des Gesetzentwurfs, den ServiStarif und die KlasseneintHei« Un».? ber Orte, der am 1. April 1886 in Kraft tretm y,'' in Zukunft nur von zehn zu zehn Jahren revidirt wer« jou. c,, Abg. Richter: Mich hat das Einbringen dieser Vorlage bu.?. in dem Moment, wo der ReichSetat für 1886- 87 pu J? und der preußische unmittelbar vor der Publikation 31, Ü. befremdet. Denn auch die Mehrforde rung von 900 000 vom 1. April d. I. an für Wohnungsgeldzuschuß und ß/sw* werben die nach langen Berathungen abgeschlossenen in m Reiches und der Ernzelstaatm wieder verändert und Verwirrung gebracht, so daß es den Finanzministern sehr schwer wird, ihre Finanzen in Ordnung zu halten. Der Reichskanzler hat neulich bewegliche Klagen über die Noth in den Einzelstaaten, die Schwierigkeiten, die Steuern aufzubringen, und über den Reichstag   geführt, der dieser Noth nicht abhilft. Nun würden wir die Einzelstaaten durch diese Vorlage in doppelter Weise belasten: fie müßten die zu ihrer Freude ermäßigten Matrikularbeiträge wieder um etwa 1 Million erhöhen und außerdem wird der erhöhte Wohnungsgeldzuschuß im Reich auch maßgebend für den in den Einzelstaaten, z. B. in Preußen gezahlten. Auch für den Kommunalhaushalt hat die Aenderung in der Klasfifikation der Orte eine Bedeutung; denn auch Provinzial-, KreiS- und selbst Lokalverwallungen gewähren ihren Beamten Wohnungsgeldzuschuß(die Lehrer an höheren und solchen Anstalten» bei denen daS noch nicht der Fall ist, erheben ja darüber ledhafte Klage) nach Maßgabe der Ein theilung der Orte in die Reietsgesetzgedung. In alle diese Flnanzverhältniffe würde diese Vorlage gerade jetzt beim Be ginn eines neuen Etats verwirrend eingreifen. Die Regierung geht mit allerlei Steuerplänen der umfassendsten Art um und wird fich für dieselben uns gegenüber auf jede neue ihr ge> machte Mehrbewilligung berufen. Also hüten wir uns davor! Der R-ichskanzler mit seiner Theorie des horror vaeni, zu der er fich ausdrücklich bekannt hat, machtVorlagen, die vielGeld kosten und eine leere Kaffe erzeugen; er denkt, daß der horror vaeni bei den Volksvertretungen wird mitwirken, die Kasse durch neue Steuern wieder zu füllen. In der Vorlage ist nur von der Wohnung die Rede, aber der Militärservii ist ja nicht bloS für die Wohnung bestimmt, sondern auch für Feuerung und Beleuchtung, sonst hätte eS ja gar keinen Sinn, daß ein höherer Satz von dem SeoiS in den Monatsraten deS Winters alS im Sommer dezahlt wird. DaS WohnungSverbältniß in den Siädten hat in den letzten Jahren eine große Veränderung er­fahren durch die Entwickelung deS Pferdebahnwesens und der auf den Lokal- und Nachbaroerkehr berechneten Verkehrsmittel; der Beamte kann jetzt in Vororten meilenweit vor der Stadt wohnen, in der er feine amtliche Thätigkeit ausübt. Tausende von Berliner Beamten wohnen meilenweit entfernt in Vor- orten und beziehen, so viel ich weiß, den WohnungSzuschuß, alS ob fie in Berlin   wohnten. Man muß daher selbst die bisherigen Sätze anders ansehen, als es früher der Fall gewesen ist. Einen sehr großen Theil der Ausgaben nehmen die Versetzungen von Breslau  , Köln   und Leipzig  aus der ersten Eervisklaffe in die Klasse Ä in Anspruch. Die Versetzung dieser drei Orte, mit ihren großen Garnisonen und einer großen Fülle von Behörden hat allein schon einen sehr erheblichen finanziellen Effekt, der fich in den LandeShauS« haltSetats in die Hunderttausende steigern wird. Man denke nur an daS Heer der Eisenbahndeamten. Nur mit Mühe setzte eS die Regierung im Reichstage durch, auch für Militärper- fönen jenen Zuschuß neben dem ServiS einzuführen. Beide find ja wesentlich dasselbe, um so unrichtiger ist diese doppelte Berechnung des lokalen Zuschusses. ÄlleS, was in diesem Gesetz erhöht wird, kommt dreifach den Militärpersonen zu Gute gegenüber den Zivilpersonen, well der Eervis an fich doppelt so hoch ist alS der WohnungSgeldzuschuß und also eine Militärperson, indem ein Ort in eine Höhr« Klasse gesetzt wird, denselben Vortheil hat wie der Zivilbeamte an Woh- nungSgeldzuschuß und außerdem noch den doppelten Vortheil auS dem Servis. Ein Lieutenant in Berlin  , also in Klaffe A., bezieht gegenwärtig an WohnungSgeld- zuschuß und ServiS 960 Mark, eine Versetzung also auS der ersten Klaffe in die Klasse A, wo jetzt 720 M. bezahlt werden, bedeutet eine Verbesserung von 240 M. Hätten wir daS Geld dafür, so läge vielleicht nichts näher, alS den Woh- nungSgeldzuschuß der Unterbeamten in Betracht zu ziehen, der im Verhältniß zu dem der Eubalterndeamten zu gering be« messen ist; mit 80 M. in Berlin  , 60 M. in der ersten, 48 M, in der zweiten, 31 M. in der dritten Klaffe, zumal bei den Preisen im westlichen Deutschland  . Diese anscheinend sehr harmlose Vorlage hat Millionen in ihrer Konsequenz, und wir müssen sparsam fein; wenn wir uns nicht für neue Steuern engagirm wollen, so ist fie die erste Probe für diese unsere taltung. Für diese Vorlage haben wir aber HiS zum nächsten ahre völlig Zeit und dann auch einen besseren Ueberblick. Staatssekretär v.Boetticher: Meine Herren, unter allen Vorwürfen, die man der Vorlage hätte machen können, glaube ich, ist der der ungerechiseitigste, den der Herr Abgeordnete Richter gegen unS erhoben hat, daß die Vorlage jetzt gerade sehr inopportun und unzeitgemäß käme. Die verbün­deten Regierungen haben diese Vorlage etwa nicht gemacht, weil eS ihnen so gefallen hat, sondern fie haben fie machen müssen auf Grund einer gesetzlichen Vor« schritt, und zwar auf Grund der Vorschrift im Quartier« leistungsgesetz, worin ausdrücklich steht, daß vom Jahre 1872 ab die Tarife und Klaffeneintheilungen der Orte einer allge- meinen, alle 5 Jahre zu wiederholenden Revifion unterliegen. Wir find dem Zwange des Gesetzes gefolgt, und diesem Zwange werden Sie fich auch nicht entziehen wollen und nicht entziehen können; Sie müssen, so lange die Vorschrift im Z 3 deS OuartierleistungSgesetzes besteht, jetzt, da die fünf Jahre ab« gelaufen find, in eine Revifion eintreten. So viel ist weiter klar, daß wir nicht ohne Weiteres die Mehrausgabe, die auS dieser Revifion erwächst, übernehmen können, sondern daß wir entweder zu diesem Ende einen NachtragSetat einbringen, sofern die Revifion für das Jahr 1886/87 in Kraft tritt, oder daß wir die Ausgabe über den Etat machen und nachher dem Reichstag   Rechenschast über die Verwendung geben. ES ist richtig, daß wir bei der Vorbereitung dieser Vor- läge einen ganz erheblichen Drang von Seiten der verschiedenen in Betracht kommenden Städte, welche den Wunsch hegten, in höhere ServiSklaffen angewiesen zu werden, ausgesetzt gewesen find. Es liegt daS in der Natur der Sache. Es haben gar viele Einwohner der Städte ein Interesse daran, die Servisklaffe möglichst hoch zu schrauben. Aber gerader dieser Drang und die dadurch gebotene sorgfältige Prüfung der einzelnen in Betracht kommenden Verhältnisse hat es herbeigeführt, daß die Vorlage nicht so zeitig hat gemacht werden können, wie eS bei strikter Anwendung der Vorschriften deS§ 3 deS von mir an« gezogenen Gesetzes nothwendig gewesen wäre. Die Verhält- nisse, welche der Herr Abgeordnete Richter als sehr berück« itigungSwerth hingestellt hat, namentlich bei den großen Städten der Einfluß, welchen die neueren Kommunikations- mittel auf den erleichterten Verlehr zwischen den Zentren der großen Städte und ihren Erceinten geübt haben, alle diese Verhältnisse find bei der Vorberathung deS Gesetzentwurfs sehr reiflich in Betracht gezogen, und wenn der Herr Abg. Richter es der Vorlage zum Vorwurf macht, daß über diese Verhältnisse nicht eine genaue und detaillirte Auskunft in der Begründung gegeben sei, so mache ich ihn darauf aufmerksam, daß, wenn man rück- fichtlich jedes einzelnen Ortes eine schriftliche unb gedruckte Dar« stellung der in Betracht kommenden einzelnen Verhältnisse hätte geben wollen, man zu einem außerordentlich umfassenden OpuS gekommen wäre, für daS fich schwerlich die Mehrzahl d-r Herren ReichStagiabgeordneten besonders ioteretsirt baden würde. Sie werden nicht umhin können, da, wo es die distributive Gerech- tigkeit fordert das zu thun, was Ihnen die Vorlage nach sehr gründlicher Ueber legung vorschlägt. Abg v. K ö l I e r: Der Abg. Richter hätte viel eher zu der Bemängelung Veranlassung haben können, daß das Gesetz e r st jetzt, als daß eS n o ch jetzt eingebracht wird. Eigentlich mußte ein revidirt« ServiStarif bereits am 1. April 1884 in Kraft treten. Die umfangreiche Arbeit hat fich eben nicht schneller erledigen lassen. Die Vorlage greift durchaus nicht verminend in die Etats der Einzelstaaten und des Reiches ein, denn eS ist ohne Srörung ein Nachtrag möglich oder die nach- trägliche Genehmigung einer Etatsüberjchrcitung. Daß die Pferdebahn Denen, welche in einer Stadt mit hohem ServiS» tarif ihre Arbeit leisten, in Vororten zu wohnen gestattet, mag wohl für Berlin   zutreffen, aber nicht allgemein. Richter be« trachtet die Verhältnisse ganz einseitig vom Standpunkte deS Berliners aus; die übergroße Mehrzahl der Siädte hat doch ar keine Pferdebahnen. Redner geht an der Hand von Einzel- allen auf den Nachweis des Bedürfnisses für zahlreiche Sräote ein, bittet die Vorlage nicht engherzig, sondern von dem Ge« fichtSpunkte auS zu betrachten, daß den gesetzlichen Vorschriften genügt werden müsse; man solle gewiß im Einzelfalle sorg- fältig prüfen und sparsam zu Werte gehen, aber nicht kurzer Hand den Entwurf hinausschieben. Zur Vorberathung empfiehlt er eine Kommisfion von 14 Mitgliedern. Abg. Witt: Die Kommisfion wird lange damit zu thun haben, wenn fie die Sache gründlich erledigen will. Deshalb dedauere ich es, daß uns die Vorlage erst jetzt am Schlüsse der Sesfion(Ruf rechts: Oho! Schluß der Eesfion! Heiterkeit) gebracht wird. In dem Entwurf finden fich außerdem recht wunderliche Dinge, die der Kenner der betreffenden örtlichen Verhältnisse gar nicht begreift. So ist z. B. Charloltendurg, das doch nur durch eine einzige Straße von Berlin   getrennt ist, nicht in Sevisklasse A, wie Berlin   und sogar Breslau  . Ein anderer sonderbarer Umstand liegt darin, daß man die Artillerie« und Ingenieurschule, obwohl sie mit dem Poly- technikum in einer Entfernungslinie von Berlin   liegt, zu diesem, d. h. also der Eervisklaffe A, zurechnet, während die Zivil- beamten deS letzteren der niedrigeren Servisllafie zug« hören. Dadurch werden diese Zivilbeamten um so empfindlicher ge» schädigt, als fie früher in Berlin   bissen höheren Satz erhielten. Auf diese Details wollte ich nur hinweisen, näher darauf ein- zugehen, wird Sache der Kommission sein. Staatssekretär v. Boetticher: Ich möchte nur den Vorwurf ablehnen, als ob in der Vorlage in Bezug auf das Polytechnikum und die Artillerie- und Ingenieurschule eine Inkonsequenz bestehe. Für die letztere wird ja nicht erst jetzt die Klaffe A verlangt, sondern die Verlegung ist schon bei der letzten Revifion des Tarifs geschehen; die Gründe, weshalb nicht bei dem Polytechnikum das Gleiche geschehen ist, werden ohne Zweifel in der Kommisfion auseinandergesetzt werden. Im Uedrigen sollte wohl nur ein Schmerzenischrei Char­ lottenburg   in die höhne Eervisklaffe verhelfen.(Heiterkeit.) Ich habe gar nichts dagegen, wenn der Vorredner seine Gründe in der Kommisfion geltend macht, es werden ihm dann ficherlich auch die Gcgengründe vorgeführt werden. Wenn er gemeint hat, daß jetzt nicht mehr Zeit sei, in eine kommissarische Beralhung einzutreten, weil der Schluß deS Reichstages nahe bevorstehe, so glaube ich, int er(Heiterkeit). Ich will ihm in dieser Beziehung nur mit dem Schnz ant« worten, mit dem Abg. v. Wöllwarth   neulich seine Ausfüh» rungen schloß:Es wär so schön gewesen, eS hat nicht sollen sein!"(Stürmische Heiterkeit. Beifall rechts.) Abg. RackS(Zentrum) bittet die Vorlage nicht a limine abzuweisen. Mit Verweisung an eine besondere Kommisfion von 14 Mitgliedern ist Redner einverstanden. Abg. v. K a r d o r f f schließt sich diesem Vorschlage eben- falls an. Abg. W ind th o rst hat zwar nichts gegen dieBeraihung der Vorlage durch eine besondere Kommisfion einzuwenden, wenn er auch eigentlich die Budgetkowmijfion für berufen erachte. Die Vorberathung werde fich sehr eingehend über die Verhältnisse der verschiedenen Orte, für welche Aenderungen vorgeschlagen würden, unterrichten müssen, da bei mehreren Fällen irrthümliche Voraussetzungen bestanden haben müßten. So solle beispielsweise _____________ sein Wahlott Meppen  in eine niedere Klasse versetzt werden, was er alS besondere Freundlichkeit des BundeSralhS betrachte.(Große Heiterkeit.) Alle in der Vorlage enthaltenen Abänderungen müßten ihm gründlich und stichhaltig motivirt werden, sonst sage er lieber: es bleibt beim Alten.(Heiterkeit.) Abg. Meyer(Jena  ) wünscht eine Kommisfion von 21 Mitgliedern, weil es aus die genaue Kenntniß der verschie» densten Verhältnisse Deutschlands   ankomme. Durch die Ver- setzung von Städten in höhne Eervitklassen erführen übrigens nicht blos Offiziere und Beamte Voriheile, sondern eS käme auch die alSdann höhere Entschädigung der Quartierleistungen erheblichen Theilen der Bevölkerung zu Gute. Abg. Richter: Ich weiß nicht, weshalb eine besondere Kommisfion und nicht die Budgetkommisfion mit der Vor de« rathung betraut werden soll. Alle Erfahrungen in solchen Fällen sprechen gegen eine besondere Kommisfion, da in diesen die lokalen Interessen in den Vordergrund treten. Wird eine besondere Kommission niedergesetzt, dann Gnade dem Reichs- säckell In der Vorlage überwiegen bei Weitem die Herauf» fetzungen, dann werden wir vor einer Koalition verbündet« Lakalinieressen stehen, wogegen Alle wehrlos find. Das Gesetz schreibt nicht nur Revifion der Klaffeneintheilung vor, sondern auch Revifion deS Tarifs. Davon nimmt die Regierung aber selbst Abstand, und doch wäre eS gerade dadurch möglich, eine Erhöhung deS ServiS auszugleichen. Herr v. Köller wies mir gegenüber auf die auch fönst vorkommenden EtatSüberschrei» tungen hin; aber daS ist doch ganz etwas Anderes, dieselben dürfen doch nur unvorhergesehen eintreten. Er meinte auch, ich sähe die Dinge vom Standpunkte des Berliners an. DaS ist unrichtig, die kleineren Orte spielen in der Vorlage eine sehr geringfügige finanzielle Rolle, die großen Städte mit ihren großen Garnisonen, mit großen Post- und Eisenbahn- Verwaltungen und einem Heer von Beamten find hier finan» ziell defondns wichtig. Der Löwenantheil der 900000 M. kommt mit 600000 M. auf daS Militär, nur 300000 M. auf die Zioilbeamten, obwohl z. B. Postbeamte in allen, auch den kleinsten Orten find. Abg. RackS«klärt fich nunmehr ebenfalls mit der Ver- Weisung der Vorlage an die Budgeikommisfion einverstanden. Abg. v. K ö l ler hält eine besondere Kommisfion von 14 Mitgliedern namentlich deshalb für zweckmäßiger, weil fie schneller arbeiten werde. Abg. Richter: Mit Bezug auf die Bemerkung bis Abg. v. Köller, daß ich einen einseitigen Berliner   Standpunkt vertrete und die Verhältnisse auf dem Lande nicht kenne, muß ich doch noch sagen, daß ich mehr Beziehungen zum platten