Lande habe, als den Konservativen vielleicht lieb ist. Wir müssen ja stets scharf aufpassen, daß die Landräthe in den kleinen Orten keinen Unfug machen.(Oho! rechts. Heiterkeit links.) Abg. v. Köller: Darauf erwidere ich, und zwar nicht namens der Landräthe, sondern in meiner Stellung als Volks- Vertreter, daß dem Abg. Richter jedes Verständniß abgeht für das, was ein Landrath zu thun hat; daß ihm daher auch jedeS Urlheil darüber fehlt, ob ein Landrath Unfug treibt oder nicht, und waS überhaupt Unfug eines LandrathS ist.(Sehr wahr! rechts.) Abz. Richter: Ich habe schon ein Landrathsamt ver« waltet, als der Vorredner wahrscheinlich noch gar nicht ange- fangen halte zu studiren.(Heiterkeit.) Abg. v. K ö l l e r: Es ist aber auch bekannt, daß Herr Richter nicht Landrath geworden ist. Warum? Weil er nicht zu brauchen war!(Heiterkeil.) Abg. Richter: Herr v. Köller sollte, ehe er so etwas behauptet, lieber erst seine Nase in den Parlaments- almanach stecken. Dort würde er eines Besseren belehrt werden. Abg. v. Köller: Darüber hat Herr Richter mir keine Vorschriften zu machen. Uebrigens: Epiegelberg, ich kenne dich!(Große Heiterkeit.) Die Vorlage wird darauf der Budgetkommission überwiesen. ES folgt die zweite Berathung der Novelle zur Ge- werbeordnung. Es soll danach in die Gewerbeordnung ein§ 204b ein- Seschaltet werden, wonach den Jnnungsverbänden durch Be« dluß deS BundeSrathS die Rechte juristischer Personen ertheilt werden können. Abg. Lohren: Die Vorlage erfüllt wenigstens einen der Wünsche, die ich in Bezug auf das Jnnungtwesen habe. Ich bitte Sie, auf dem mit dieser Vorlage betretenen Wege fortzuschreiten; dann werden Sie zu einer gesunden Lösung der Hand werkerfrage nicht auf sozialdemokratischer, sondern auf sozial, monarchischer Basti gelangen.(Beifall rechts.) Abg. v. Kleist- Retzow stellt einen Abänderungsan« trag, wonach den JnnungSverbänden anstatt durch den Bun- desrath, durch diejenigen Behörden daS KorporationSrecht toll ertheilt werden können, welche die Statuten der Ver« bände zu genehmigen haben; und zwar sollen für die Ertheilung maßgebend sein vom BundeSrath zu erlassende Normativbestimmungen. Der Antragsteller führt aus, daß sein Amendement der großen Disparität vorbeugen wolle, welche nach der Regierungsvorlage entstehm würde. Staatssekretär v. B o e t t i ch e r: Ich bin zwar noch nicht in der Lage, eine Erklärung darüber abzugeben, ob die Re- gierungen den Antrag Kleist, der ihnen bisher noch garnicht vorgelegen hat, akzepliren werden; soweit eS aber auf mich an» kommt, habe ich gegen den Antrag recht erhebliche Bedenken, Der Antrag enthält eine Abweichung vom gemeinen Recht, nach welchem über die Ertheilung von KorparationSrechten nie« mals eine verhältnißmäßig untergeordnete Behörde zu ent« scheiden hat, sondern solche Rechte werden entweder durch Ge« setz unter bestimmten Bedingungen oder durch den Landes« Herrn ertheilt. Nur nach dem Rechte deS Königreichs Sachsen kann in destimmten Fällen auch die Verwaltungsbehörde über die Ertheiluug entscheiden: es ist daS aber eine stnguläre Ausnahme, die fich auch nicht auf wirthschaftltche Verbände ä Abg. Baumbach: Ich bezweifle doch sehr, ob die JnnungSverbände eine so bedeutende Sicherheit leisten, also 200000 M. bei der ReichSbanl werden hinterlegen können. WaS ein RcichsinnungSamt eigentlich zu thun haben soll, ist mir nicht klar. Im Allgemeinen bin ich ja kein prinzipieller Gegner deS Gesetzes. Aber ich glaube doch nicht, daß diese „deutschen" JnnungSverbände so bedeutend find, wie man be« hauptet. WaS wollen 45 Verbände mit 80000 Genoffen bedeuten gegenüber der Thatsache, daß eS allein 182000 selbst« ständige Schneider und 234000 selbstständige Schuhmacher giebt. Wenn wir aber einmal dieses Gesetz beschließen, so wollen wir doch auch den Fach« und Berufsvereinen der Ar« bester dieselben korporativen Rechte einräumen wie den JnnungSverbänden.(Beifall links.) Agg. Meyer(Jena ): Die Vorlage verdient den Vorzug vor dem Antrag Kleist. Retzow . Die Ertheilung der KorporationS> rechte muß eine einheitliche sein und in der Hand der Reichs« organe liegen. Die Sache könnte dem ReichSarnt des Jnnem übertragen werden, aber nicht einem ReichS-JnnungSamt. Abg. v. Ackermann: Geben wir dem BundeSrath dai Recht, Korporationsrechte zu ertheilen, so nehmen wir durch Gesetz den Landesherren das Recht, ihrerseits noch solche Rechte zu ertheilen. Ich halte die lokale Regelung dieser Sache für geeigneter, als die von ReichSwegen. Staatssekretär v. B o e t t i ch e r: Der Vorredner befindet fich in einem fundamentalen Jrrthum. Ich hätte doch er- wartet, daß die Herren die Vorlagen, die wir ihnen bringen, etwas gründlicher studirten und uns nicht Dinge unterschieben, die wir gar nicht beabstchtigt haben.(Heiterkeit links) Nachdem Abg. v. Kleifl«Retzow nochmals seinen An« trag befürwortet, wird derselbe abgelehnt und§ 140h un» verändert mit großer Mehrheit angenommen. Bei§ 104 k, welcher bestimmt, daß die JnnungSverbände für die zu ihnen gehörenden Innungen die im§ 97 der Ge« werbecrdnung bezeichneten Einrichtungen zur Förderung deS Gewerbes(Fachschulen, Kranken« und Sterbekaffen«.) treffen können, macht Abg. Schneider daS Bedenken geltend, od diese Verbände die nöthlgen finanziellm und sonstigen Voraus« setzungen zu so weit gehenden Befugnissen besäßen. Was diese Verbände bisher geleistet, fei wmig vertrauenerweckend. Nachdem Abg. Lohren fich für den§ 104 k ausgesprochen, wird derselbe angenommen. Zu§ 104e demerkt Abg. Baumbach, daß die Erfahrung ihm gezeigt habe, daß eine staatliche Aufstcht über die JnnungS- verbände nothwendig sei. In Berlin sei ein Streit auSge« brachen zwischen dem JnnungSverbände„Germania " und der Bäckertnnung„Concordia", die einige Erfolge für fich aufzu- weisen habe und deren Leistungsfähigkeit außer Frage stehe. Die„Germania " habe trotzdem der„Concordia" den Eintritt in den JnnungSoerband unmöglich gemacht aus rein zünftle« rischem Egoismus. Die„Concordia" habe fich hierauf an die Behörde gewandt, aber ohne Erfolg. § 1041 wird genehmigt, ebenso der Rest deS Gesetzes. Schluß 4V« Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr: Sozialistengesetz. _ Lokales. Die immer unerträglicher gewordenen Zustände an de« Rtvean-Uebergängen der Berlin -Stettiner Bahn an der Liefen- bezw. Badstraße haben die Bewohner des Wedding und Gesundbrunnens veranlaßt, eine mit taufenden von Unter- schritten bedeckte Petition an daS Abgeordnetenhaus zu richten, in welcher dasselbe gebeten wird, die s»on vor Jahren als unhaltbar anerkannten Zustände an den Niveau- Uebergängen in der Badstraße und Liesenstraße in den KreiS seiner Be« rathungen zu ziehen und den Herrn Eisenbahnmtnister zu ver« anlassen, den als berechtigt anerkannten Beschwerden endliche Abhilfe zu gewähren. Begründet wird dies Petitum damit, daß den Petenten schon im Jahre 1873 die Berstcherung zu Theil geworden ist, daß mit dem Neubau des Bahnhofs- Ge> bäude auck die Beseitigung des schon damals von der staat» lichen AuffichtSbehörde als gefährlich anerkannten ZustandeS eintreten solle. Gleichwohl hat, trotz deS Protestes des Polizei- prästdiumS und de« Magistrats, der Eilenbahnminister aus Motiven, die fich der allgemeinen Kenntniß entziehen, die Bau- erlaubniß erlhcilt, ohne daß die Mißstände beseitigt worden, sondern diese find auch noch durch die Einführung deS Stadt- bahnverkehrs so in'S Unendliche gesteigert, daß eine Ab- stellung derselben absolut nothwcnd'g ist. Täglich pasfiren 120 Züge diesen Knotenpunkt der Liesen-, Garlen-, Ackerstraße — im Sommer ist die Zahl der Züge noch größer— und eS werden dadurch Verkehrshindernisse geschaffen, welche namentlich für die zahlreiche Arbeiter bevölkerung jenes mehr alS 150 000 Seelen zählenden StudttheilS von empfindlichen Nachtheilen degleitet find, da nach der Fabrikordnung ein Zuspätkommen von auch nur einer Minute den Verlust eines VierleltageS nach fich zieht. Außerdem hat dieser Umstand aber schon Szenen Herbeigeführt, welche die Ausstellung eines permanenten Schutz- mannspoftens von 2 Mann im G-folge hatten. Schon vor vier Jahren ist dem Verein der unbesoldeten Kommunalbeamten auf eine Immediateingabe an den Kaiser die Antwort ertheilt: „daß Vorarbeiten im Gange find, welche zu einer Beseitigung der belegten Uebelstände führen werden", und auf eine Interpellation deS Abgeordneten Büchtemann hat sowohl der H-.rr Eisenbahnminister als fein Vertteter anerkannt,„daß die Zu- stände an den Niveau-Uedergängen im Wcichbilde Berlins un- haltbar find". Mit Rückstcht darauf, daß durch diese Verhält- ntsse der Satz:„DaS Fallen der VerkehrSschranken bedeutet den wirthschaftlichen Aufschwung" hier inS Gegenthell verlehrt wird, sprechen die Petenten die bestimmte Erwartung auS, daß daS HauS der Abgeo-.dueten ihren berechtigten Wünschen end- lich Rechnung tragen würde. Auf die Beschwerde, welche Herr Schrifsteller Christensen betreffs der Auflösung der Versammlung, in welcher am Frei« tag vor acht Tagen der Herr ReichStagSadgeordnete Bebel sprach, an daS lgl. Polizeiprästdium gerichtet hat, ist ihm, wie unS mitgetheilt wird, folgender Bescheid zugegangen: Berlin , den 25. März 1886. Ew. Wohlgeboren eröffne ich auf die Beschwerde vom 19. d. M. ergebenst, daß ich die Auflösung der Volksoersammlung am 19. d. M. in Keller'S Salon, AndreaSstraße 21, für durchaus gerechtfertigt erachte, da in den Ausführungen des ReichStagsadgeoroneten Bebel die im Z 9 deS Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1878 näher dezeichneten Bestrebungen so deutlich zu Tage traten, daß die Auflösung auf Grund der vorgedachten Gesetzesvorschrift er« folgen mußte.— Der Polizeiprafident v. Richthofen. Herr Christensen soll die Abficht haben, hiergegen bei der oberen Behörde zu appelliren. Der am Sonntag Nachmittag 3 Uhr 10 Minuten von hier nach Zehlmdorf und Potsdam abgelassene Schnellzug ist nur durch die Achtsamkeit der Bahnbeamten vor einem Un- glück behütet worden. Kurz hinter dem Bahnkörper der Süd- ringbahn hatte fich das Erdreich deS Bahndammes dergestalt gelockert, daß dasselbe, nachdem der 3 Uhr Zug die Stelle glücklich pasfirt hatte, eine meterhohe Oeffnung unter dem rechts- fettigen Schienenflrang zeigte, die die Schienen und Schwellen freilegte. Zrm Glück wurde der Unfall noch rechtzeitig be- merkt, so daß dem in aller Schnelligkeit heransausrnden Zuge noch vor dem Ringbahnlörper daS Haltesignal gegeben werden konnte. Die Passagiere eilten an die Fenster, aber der Zug- führer verbot daS Aussteigen. Erst nach einer Weile wurde das Verbot aufgehoben und alle Mitfahrenden zum Aussteigen aufgefordert. Arbeiter waren inzwischen damit beschäftigt, die schadhafte Stelle auszubessern, so daß der Zug nach halb« stündigem Aufenthalt die Strecke pasfiren konnte. Erst jenseits der Unfallsstelle durften die nach vielen Hunderten zählenden Passagiere wieder einsteigen. Auf ganz raffinirte Weise ist am Sonnabend eine im tause Steglitzerstraße 55 wohnende Familie bestohlen worden. wei Tage vorher, also am Donnerstag, hatte bei der in der zweiten Etage wohnenden Familie ein junger Mann ein zu vermiethendes Zimmer bezogen, ohne sofort seinen Namen und seine sonstigen Personalien anzugeben. Als die Familie am Sonnabend von einem Autgange zurückkehrte, war der neue Miether nicht nur mit seinen eigenen Effekten heimlich ver« schwunden, sondern er hatte fich auch Eingang in die Wohn- räume der Familie verschafft und außer einer goldenen Taschen« uhr und diversen Schmucksachen ca. 80 M. daareS Geld ge« stöhlen. Der Kriminalpolizei ist der Vorfall sofort gemeldet worden. Der Prozeß gegen Tischlermeister Herrmauu, Lichter« felderstraße 29, und Tifchlergeselle Albert Erdmann, Petristr. 2 (wrgen Hausfriedensbruch und Diebstahls) ist von der Staats« anwaltschast nunmehr eingeleitet und dürfte demnächst zur Ver« Handlung kommen. Man ist in den betheiligten Kreisen sehr gespannt auf den Ausgang, da der Kaufmann Bandow in dem« selben alS Denunziant auftritt. I« de« Nacht zum Sonntag löste fich von dem Balkon der zweiten Etage des HauseS Fricdrichstr. 115a ein größerer Theil des Mauerwerks ab und stürzte dirett vor dem HauS« eingang auf die Sttaße, glücklicher Weise ohne Jemanden zu verletzen. Einen schwere« Unglücksfall hat wieder das Absprin« gen von einem in der Fahrt begriffenen Pferdebahnwagen ver« anlaßt. Wie ost ist nicht gegen dies: Unfitte in der gesammten Presse gewarnt worden, leider aber vergeblich. Ein junger, etwa 22 Jahre alter Mann, sprang am Sonnabend Nachmittag gegen 5 Uhr während der Fahrt in der GreifSwalderstraße von einem Wagen der Pferdmienbahnlinie RathhauS-Weißensee und stürzte so unglücklich zur Erde, daß ihm der linke Unter- schenkel dicht über dem Knöchel fast vollständig durch die scharfen Räder des PferdebahnwagenS durchschnitten wurden. Der vor Schmerz bewußtlos gewordene Verunglückte wurde per Droschke nach dem Krankenhause am FriedrichShain ge- fahren. In dem vorliegenden Falle handelte eS fich um einen Absprung vom Vorderperron, von wo unstreitig das Absprin- gen gefahrvoller ist, ali vom Hinterperron. Vielleicht wäre eS nun angebracht, zu verbieten, überhaupt vom Vorderperron während der Fahrt abzuspringen. Gerichts-Jeiwng. o. k. Der Marnnge'sche Gatten» und Vatermord vor dem Schwurgericht. (Fottsetzung auS dem Hauptblatt.) Nach Wiederaufnahmt der Verhandlung! erschein talS Zeuge, Arbetter Wilh. Marunge, der Stief-Oheim deS Ermordeten: Der Ermordete war ein sehr ordentlicher, arbeitsamer, nüchterner Mann. Er litt bisweilen an Krämpfen. Gegen die Seinigen war er oftmals grob. Er war ein starker, kräftiger Mensch, dem nicht so leicht beizukommen war.— Schneider Grosser: Ich wohnte in dem Marunge'schen Hause und habe den Ermordeten als einen sehr ordentlichen und fleißigen Mann kennen gelernt, der daS Bestreben hatte, seine Kinder etwaS Tüchtiges lernen zu lassen. Er war jedoch oftmals so jähzornig, daß man ihn gar nicht mehr als Menschen betrachten konnte. Marunge hatte wohl bisweilen einen Rausch, er trank jedoch nur bei gewissen Gelegenheiten.— Dasselbe bekunden noch mehrere andere Zeugen.— Alsdann erscheint als Zeuge Emil Marunge, ein hübscher, ziemlich großer Mensch von 15 Jahren. Derselbe bemerkt auf Befragen deS Präfidenten, daß er Zeugniß ablegen wolle.— Präs.: Wie war denn Dein Vater zu Mr?— Zeuge: Ganz gut.— Präs.: Hat er Dich oftmals gezüchtigt?— Zeuge: Ja.— Prüf.: Im Uedrigen hat er es Dir aver an r-ichtS fehlen lassen?— Zeuge: Nein. — Präs.: Nun, wann bist Du am Abende, wo Dem Vater verschwunden ist, zu Bett gegangen?— Zeuge: Etwa um bald acht Uhr.— Präs.: War da der Vater nicht schon zu Bett?— Zeuge; Nein.— Präs.: Bist Du bald eingeschlafen? Zeuge: Ja.— Präs.: Nun, einige Zeit darauf wachtest Tu auf?— Zeuge: Ja.— Präs.: Wieso wachtest Du auf?— Zeuge: Ich hörte dumpfe Schläge und das Röcheln meines Vaters. — Präs.: Wieso wußtest Du, daß Dein Vater ge« röchelt hat?— Zeug«: Ich erkannte die Stimme des Vaters. — Präs.: AlS Du aufwachtest, da kam Deine Mutter zu Dir anS Bett?— Zeuge: Ja.— Präs.: Deine Bettstelle knackte sehr?— Zeuge: Ja.— Präs.: Was sagte denn Deine Murter zu Dir?— Zeuge: Ich fragte Sie, was dem Vater sei, und da sagte die Mutter, Vater hat die Wuthkrämpfe und schlägt so sehr aufs Bett. — Präs.: AlS die Mutter zu Dir kam, hörtest Du da noch weitere Schläge?— Zeuge: Nein.— Präs.: Bei dem Herrn Untersuchungsrichter sagtest Du Du hättest noch weitere Schläge gehört?— Zeuge: Ich weiß das nicht mehr genau.— Präs.: Nun, was geschah weiler?— Zeuge: Mutter ging in den Keller, während dieser Zeit stieg ich aus dem Bett und sah durch die Thürwatte.— Präs.: Nun, was sahst Du? — Zeuge: Ich sah einen Mann am Tische stehen.— Präs.: Erkanntest Da den Mann?— Zeuge: Nein.— Präs.: Bei dem Untersuchungsrichter sagtest Du, es ist Hermann ober Albert gewesen?— Zeuge: Das ist möglich.— P:äs.: Du sollst daS deshalb gefegt haben, weil Du sahst, daß der Mann die Kleidung deS Vaters trug, und Dir gesagt wurde, der Vater kann eS nicht gewesen sein?— Zeuge: Ja.— Präs.: Schliefst Du wieder ein?— Zeuge: Nein, ich hatte keine Ruhe.— Pläs.: Inzwischen wachte auch Dein Bruder Paul auf und diesem thetltest Du Deine Wahr« nehmungen mit?— Zeuge: Ja.— Präs.: Nun, waS geschah weiter?— Zeuge: ES wurde sehr bald still. Gleich darauf kam meine Mutter noch einmal zu mir und theiltc mir mit, Vater sei weggegangen und habe gesagt, er wolle nicht mehr wieder kommen. Mutter setzte fich nun an unser Bett und strikte.— Präs.: Saß fie die ganze Nacht am Beti?— Zeuge: Das weiß ich nicht.— Präs.: Du schliefst wohl sehr bald wieder ein?— Z-uze: Ich konnte nicht mehr viel schlafen, ich war zu aufgeregt— Präs.: Am folgenden Morgen theilte Deine Mutter auch Deinen kleineren Brüoern mit, daß der Vater weggegangen sei?— Zeuge: Ja.— Es werden hierauf Paul und Franz Marunge, zwei kleine niedlicht Buben, in den SaU geführt. Beide erklären mit weinender Stimme, daß fie nicht aussagen wollen. Die Angeklagten brechen bei dem Erscheinen dieser Kinder in heftiges Weinen auS.— Marie Niedlich, die Braut des Angeklagten Hermann Marunge bekundet: Sie habe ihren Bräutigam vor etwa 6 Jahren kennen gelernt und lebe seit drei Jahren mit ihm im Konkubinat. Sie wisse fich nicht mehr zu erinnern, wann ihr Bräutigam am Abende des 31. Oktober 1884 weggegangen sei, fie erinnere fich aber, daß derselbe erst am Morgen gegen 3'/> Uhr nach Hause gekommen und auf ihre Frage, wo er ge« wesen, gesagt habe:„Danach hast Du nicht zu fragen." Das ewige„Tuscheln" des Albert Marunge mit seiner Mutter fei ihr und auch ihrem Bräutigam sehr verdächtig vorgekommen» so daß letzterer einmal gesagt: Ich muß doch einmal einen Schutzmann auf die Sache aufmerksam machen, denn mit dem Gelde kommt eS mir nicht richtig vor. Franz Marunge erzählte einmal seiner Mutter: Er habe im Keller klopfen gehört. Frau Marunge habe darauf bemerkt: Vater wird fich wobl vaS Leben genommen haben. Frau Kalz: Am 31. Oktober 1884, Abends gegen 8 Ubr, traf ich den Hermann Marunge in der Nähe des Marunge'schen HauseS. Hermann ftagte mich, ob es wieder ruhig sei. Ich erwiderte: Ich weiß ja gar nicht, daß Skandal gewesen. Er: Ja, es ist schon die ganze Woche Skandal; wenn der Alte nicht bald aufhört, dann werden wir eS ihm einmal be« sorgen. Albert steht schon da hinter der dicken Liese, erwiderte Her« mann. Bald darauf traf ich Frau Marunge im Hause. Ich erzählte ihm, waS mir ihr Sohn Htrmann gesagte. Der Alte schläft ja schon so lange, erwiderte Frau Marunge.— Präs.: Nun, Hermann Marunge, waS sagen Sie dazu?— Angell.: Ich habe die Zeugin allerdings gefragt, ob zu Hause Skandal S, da fie gerade von Hause kam.— Z-ugin: N-in ging nach Hause.— Nnaekl.: Die Zeugin kam von Hause.— Zeugin: Ich sage die Wahrheit, ich ging nach Hause.— Töpfergeselle Stahlschmidt: Hermann Marunge habe einmal gesagt, er werde fich nun Pferd und Wagen anschaffen und auch heirathen, sein Vater komme doch nicht wieder.— Aehn« liche Redensarten hat H. Marunge noch zu mehreren anderen Zeugen gemacht.— Die weitere Beweisaufnahme ergiebt, daß Hermann Marunge die Mär, sein Vater habe ein Sitttichkeits« verbrechen begangen und sei deshalb flüchtig geworden, jeden« falls selbst erfunden und verbreitet habe.— Der Präfidevt verliest nunmehr die den Geschworenen vorzulegenden Fragen. Dieselben lauten: 1. Ist die Angeklagte. Maurersfrau Marunge, schuldig, am Abend deS 31. Oktober 1881 ihren Ehemann vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet zu haben? 2. Ist der Angeklagte Albert Marunge schuldig, am Abend deS 3l. Oktober 1884 seinen Vater vorsätzlich und mtt Ueberlegung getödtet zu haben? 3. Ist der Angeklagte Hermann Marunge schuldig, den Angeklagten zu 1. und 2. wissentlich Hilfe ge» leistet zu haben?— Zu erwähnen ist, daß der Scharfrichter Kraut? dm Verhandlungen beiwohnt.-7 Auf Antrag der Vettheidiger beschließt der Gerichtshof, auck bezüglich der Angeklagten zu 1 und 2 die Unterfrage betreffs der Hilfeleistung zu stellen.— ES beginnen alSdann die PlaidoyerS.— Staatsanwalt Dr. Wachler: Meine Herren Geschworenen ! Die That, über die Sie heute zu urlheilen haben, kommt glücklicher Weise äußerst selten vor. Mir ist wenigstens in meiner mehr denn dreißigjährigen Praxis, in der ich leider mehr als 30 TodcSurtheile zu extrahiren hatte, ein solch' graussger Fall nocy nicht vorgekommen. Man muß auf die Geschichte der grauen Vorzeit zurückgehen, wenn man nur Beispiele für diese schreckliche That haben will. Die ÄnnaleN der Kriminal'Justiz kennen ähnliche Thaten nur sehr wenige. Dir Zeit heilt alle Wunden, jeden Seclenschmerz. Wenn man den schau« verhaften Mord richtig derntheilen will, dann muß man, wie ich- dabei gewesen sein, wie die Leiche des ermordeten braven Marungr stückweise in dem Keller aufgefunden wurde. Schauderhaft ist die That durch die Art der Ausführung. Der leibliche Soh» wartete bis der Vater eingeschlafen war. Als dies geschehen, wurde er von seiner Mutter benachrichtigt:„Der Vater ist ern« geschlafen, die Zeit der Ermordung ist gekommen." Schauder« Haft ist ferner die That durch das Motiv, das die Mörder ge» leitet hat. Der Vater ist ermordet worden deS Geldes halder. Die Angeklagten wußten, daß der Vater Geld habe, daS er stets bei fich trage. Deshalb erschlugen fie den Vater, daw» die Söhne nicht mehr zu arbeiten brauchten. Der Staate- anwalt schilderte alSdann in eingehender Weise die Ausführung der That rc. AlleS spreche dafür, daß die That in der Weift geschehen, wie die Mutter gesagt, d. b. daß Albert Marunge der Mölder gewesen ist und daß die Mutter allerdings dadct mitgewillt hat. Der Staatsanwalt beantragt schließlich w vollem Umfange das Schuldig im Sinne der Anklage. Vertheidiger R.-A. Büikner sucht in längerer Rede den Nachweis zu führen, daß seine Klientin sich bwS der Beihuft zum Morde schuldig gemacht habe. m. Vertheidiger Rechtsanwalt Ealinger macht dasselbe Moment für seinen Klienten Albert Marunge geltend._.. Vettheidiger Rechtsanwalt Heimdach sucht den Nachweis zu führen, daß gegen seinen Klienten Hermann Marung» nicht« erwiesen sei und beantragt schließlich die Freisprechung desselben.— Die Angeklagten, die mit ziemlicher Glci« giltigkeit den PlaidoyerS folgen, erklären auf Befragen vc» Präsidenten, daß fie zu ihrer Vettheidigung nichts mehr am zuführen haben.— Der Präsident ettheilt dann den schworenen die nöihige Rechtsbclchrung, worauf fich diese!1* gegen 9 Uhr Abends zur Berathung zurückziehen., Nach etwa 15 Minuten kehren die Geschworenen zurück. D. Verdikt lautet bezüglich der Frau und deS Albert Marunge% Schuldig bezüglich der Frage wegen Mordes. Bezüglich � Hermann Marunge verneinen die Geschworenen die 6%, frage.— Die Angeklagten, die alSdann in dm Eaal ger.-P werden, nehmen das Verdikt mit ziemlicher Gleichgiltigke»< j gegen.— Der Gerichtshof verurtheitte die Frau und
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