Nun, meine Herren, dai ist noch nicht das Echlimmste; ich habe schon von einer anderen, lonseroatloeren Eene in«c- »ug auf das Attentat von Kullmann auf mich, in Bezug auf die polnische Bewegung ziemlich analoge Aeußerimgen gehört - ich glaube, eS war vom Herrn Abgeordneten Wmdthorst daß eine solche Politik solche Thaten wohl zu erzeugen geeignet sei; also daS will ich noch nicht so scharf angreifen; es kommt noch bester. Herr Bebel sagt: Die Movarchie würde freilich getroffen werden, wenn Sie die Mittel anwendete, die jetzt in Rußland üblich find.(Große Unruhe rechts) Ganz gewiß, mit Roth- wendigkeit. DieMonarchie", daS ist bei unS doch derMonarch" und in unmittelbarem Anschluß an die vorher geschehene Erwähnung der Ermordung des Kaisers Alexander doch die direve Drohung mit der Ermordung des deutschen Monarchen!(Oho!) Ich höre da von der demokratischen Seite: Odo! Ich brauche nicht weiter zu plädircn. ES ist die direkte Drohung mit der Ermordung deS Kaiters, mit der Wiederholung deS Hödel- sehen und des Nodiling'schen Attentats, das Sie von sich abzuwälzen suchen. Es hängt nur von Ihrer theorett- sehen Beurtheilung ab, od unsere Einrichtunzen hin. reichend ru| stich genug find, um einen Kaisermord zu begrün- den. Sie setzen es in daS individuelle Urtheil deS Einzelnen über den Staat, über die Monarchie, über das Herkommen und über unsere gesammten Einrichtungen, über unsere Gesetze. Sie halten den Einzelnen unter Umständen für berechtigt zum Morde. Das ist der ungeheure Unterschied, der Sie von der übrigen Menschheit trennt, und der Sie als Objekt der Aus- nahmegesetze qualtfizirt. Niemand außer Ihnen hält den Mord für erlaubt; Sie halten ihn für erlaubt unter gewiffen Um- ständen. Ob diese Umstände da find, das wollen Sie Ihrer eigenen persönlichen Beurtheilung, auch der Beurtheilung der jüngsten und unreifsten Mitglieder Ihrer Partei vorbehalten, und Sie ermuntern durch solche Reden, wie die deS Abg. Bebel, in der derselbe mit seiner Autorität in der Partei den Mrstenmord unter Umständen als erlaubt hingestellt hat dadurch ermuntern Sie geradeaus dazu. Ich glaube nicht, daß der Abgeordnete Bebel, wenn er das nicht hier im Reichstage geäußert hätte, fich dem Staatsanwälte gegenüber hinreichend würde falviren können wegen even- tueller Aufforderung zum Verbrechen(Oho: links, sehr richtig! rechts), indem er den Mrstenmord als erlaubt erklärt durch die Umstände. Er sagt: Ganz gewiß, mit Nothwcndigkeit! und ich stehe nicht an, daß ich in diesem Falle einer der eisten wäre, der dazu die Hand böte, wenn die Zustände hier so wären. ES brauchten hier also Die Zustände nicht absolut so zu sein, sondern nur nach dem Urtheil, nach den Ansichten deS Herrn Abg. Bebel. Wir haben ja schon gehört, daß er sagte, soganz russisch" wären die Zustände noch nicht; aber er schien doch anzudeuten, daß sie die Grenze streiften. Sobald also die Grenze überschritten ist, ist der Fürstenmord, der Kaiser- mord nack der Anficht Bebels erlaubt und geboten. Da ist gar kein Zweifel nach seiner Reußerung. Er sagt: Daß ich in diesem Falle einer der ersten wäre. der die Hand dazu böte, wenn die Zustände hier so wären.(Hört, hört!) Ich wiederhole, wenn die Zu- stände hier so wären.(Große Unruhe rechts.) Dann kommt ein hartes lWheil über die russische Regierung, daS ich nicht wiederholen will: er nennt sie eine gewaltthätige das ist daS mildeste Epitheton, er behauptet von dem System, das in Rußland rxistirt, ein schlimmeres könne in keinem Lande gedacht werdm. Und einem solchen System gegenüber kenne ich keine Rückficht, dem gegenüber find alle Mittel be- rechtigt, wir dieses System uns gegenüber alle Mittel für erlaubt hält. Ich denke, waS ich Ihnen sage, ist so klar wie möglich, Ja, das glaube ich auch(Heiterkeit), da hätten Sie keine Ursache, zu glauben, daß wir un« sere wahre Meinung versteckten. Nun, ich glaube, das genügt, um die Berechtigung meiner ersten Aeußerung vollständig nachiuweisen, Ich wende mich noch gegen einige andere Bemerkungen deS Herrn Abg. Bebel, obschon ich an und für fich daS Bedürfniß, in diese Debatte einzugreifen, nicht hatte, da ich vermutbe, daß die Abstimmung eines Jeden doch schon in den FraktionSbeschlüffen fest- liegt und meine Eimmmittel nicht mehr so sind, daß ich sie unnütz verwenden dürfte; aber eS find geeiste Andeutungen, die mich persönlich betreffen und die ich nicht unwrderlegt lassen kann. Der Herr Abgeordnete hat mir Schuld gegeben, ich hätte die Zivilehe eingebracht, wie er fich ausdrückte. DieS ist eine thatsächliche Unwahrheit. Ich habe fie nicht eingebracht; als fie beschloffen wurde im Ministerium, bin ich gar nicht hier anwesend gewesen, sondern war krank und bemlaubt; das habe ich schon öfter wiederhott...(Oho! links.) Meine Herren, aus unartikulirten Tönen kann ich nichts anderes entnehmen, alS daß Sie nicht meiner Meinung find; daS weiß ich ohnehin. Sie brauchen diese ungewöhnliche Kunogebung deshalb gar nicht in Szene zu setzen. Ich habe schließlich lieber der Ztvilgesrtzgebung zugestimmt, als mich, krank und abwesend, wie ich war, der Möglichkett auSzusetztn, daß vier neue Äinisterporteseuillci vakant werden würden; ich war nicht im Slande, Seiner Majestät im damaligen Zustande Nachfolger zu verschaffen. An und für fich erachte ich die Sache nicht für so schlimm, wie fie in unserer öffentlichen Mei- nung gehalten wird, ich halte die Eheschließung wie Luther, den ich, glaube ich, auf metner Seite habe, für eine dürger« liche Institution, von der allerdings zu wünschen ist, daß fie auch des kirchlichen ScgcnS nicht entbehre. Daß ich aber hier- durch Thür und Thor geöffnet hätte zur sozialdemokratischen ------ r"- eine ungerechte mich auSae« _ W in einem ve stimmten'Piozramm dw Sozialdemokratie, so viel ich gelesen habe, nickt ausgespiochen. Wir haben ja überhaupt kein be- stimmte 0 Programm(Zuruf von den Sozialdemok-aten: doch!) der Sozialdemokratie außer dem Fürstenmord kenne ich kein so genau akzentuirtes.(Oho! und Lachen bei den Sozial- oemokraten.) Ich erinnere daran, daß ich schon bei früheren Gelegenheiten getadelt habe, daß Sie sich vor einer Offenbarung der letzten Konsequenzen Ihres Systems so fürchten, daß Sie fich nicht getrauen, Ihr Programm vollständig vor der Oeffent- lichkcit darzulegen. Ich erlaubte mir, Sic nach einem Gedicht von ThomaS Moore mit den: verschleierten Propheten zu ver- gleichen, deffen Macht darauf beruhte, daß er die Häßlichkeit seines GestchtS durch einen Schleier verbarg und im Uebrigen einen mächtigen geistigen Eiristuß auf die Völkerschaften übte, die er führte. Diese Unschönheit, dieses Unsympathische der Ziele, die Sie erstreben, verbergen Sie ,'�Ä?Utg. Ich kann diese Ziele ungefähr ausgesprochen finden in Gothes Faust, in alle dem, was Faust in seinem Zom ver- flucht; er flucht dem, was als Weib und Kind und alS Besitz uns schmeichelt; er flucht der Hoffnung und dem Glauben und vor allem der Geduld. Wenn Jemand die Stelle ich weiß fie nicht ganz auiwentzig nachlesen will, so wird er in dem Fluche, den Göthe dem Faust in den Mund legt, ziemlich genau das sozialdemokratische Programm finden, daS heißt die Nega­tion von Allem, was da» Leben überhaupt werlyvoll macht. Der Herr Abg. Bebel warf hier mit einem drohenden Tone die Wort« hin:wenn die» und daS geschähe, dann würde die Mordfreiheit eintreten, Sie wollen also selbst ermeffen, ob eS zweckmäßig ist, rusfischc Zustände bei uns einzuführen." Solche Drohungen schrecken uns nicht, denn wenn Ihre Zustände eingeführt würden, ist das L-ben so wenig werth. daß ich dem danken würde, der eS mir abnimmt; dann würde der Selbstmord epidemisch werden, zu einer grasstrenden Krankheit. So scheußlich würde in dem Zuchthause, daS Ihnen als letzte? Staatsideal vor- schwebt, die Existenz für Jevermann sein; also ehe Sie dahin kommen, schießen Sie mich ab und alle Leute, die eS mit unS wohl meinen. He'.r Bebel hat ferner Laffalle aufgerufen für feine Vertheidlgung, vielleicht in Anknüpfung an vie perfön- lichen Beziehungen, in denen ich zu Laffalle gestanden habe. Ich glaube, Laffalle hat noch Niemand beschuldigt, daß er Mörder wäre und den Mord gepredigt hätte, und ich glaube, er würde die Herren, die fich jetzt auf ihn berufen, auf daS Schärfste verurtheilen. Ich habe das schon vor Jahren gesagt. Er hat fich auch auf Marx berufen. Nun, ob Marx nicht in der That Mörder züchtete, das weiß ich nicht; denn so viel ich gehört habe, war der Mann, von deffen Schüssen ich die Narben noch an mir trage, Blind, doch ein Zögling von Marx (Abg. Bebel: Gott bewahre! Nein!) Nicht? Nun, Sie werden daS deffer kennen; ich bin darin wenig bewandert.(Heiterkeit.) Ich habe die Verbrecherstatistik so genau nicht studirt; die Herren werden genauer damit vertraut sein. Der Herr Abg. Bebel hat selbst gesagf, wenn daS richtig wäre, was ich gesagt habe, und ich glaube, die Richtigkeit davon ist durch die Verlesung des stenographischen Berichtes vollständig bestätigt dann begriffe er nicht, warum ich nicht eine längere, eine immer« währende Dauer dieses Gesetzes, und nicht sehr viele Ver- schärfungen dazu beantragt hätte. Ja, ganz einfach deshalb, weil ich dafür nach den bisherigen Erfahrungen die Majorität nicht bekommen würde. Für dasjenige Maß von Schutz der staatlichen Gesellschaft, daS ich für nothwendig halte, habe ich keine Hoffnung hier die Majorität in diesem Hause zu be« kommen, und deshalb bin ich froh, wenn wir den mäßigen Schutz, den wir der Sicherheit der Bürger nach diesem Gesetze gewähren können, von Ihnen bewilligt erhalten auf 5 Jahre, wenn es sein kann. Wollen Sie ihn unS nur auf 2 Jahre geben, so find wir nicht berechtigt, den Bürger, der über 2 Jahre wieder möglicherweise schutzlos fein würde, schon heute der Schutzlofigkeit, den Umtrieben preiszugeben.(Lebhaftes Bravo rechts) Ein Antrag auf Vertagung wird abgelehnt; desgleichen ein Antrag auf Schluß der Debatte. Abg. W t n d t h o r st: Ich kann eine irrige Aeußerung, welche der Reichskanzler in Bezug auf meine Person gemacht bat, nicht ungerügt laffcn. Mir ist gesagt worden, daß der Reichskanzler vorhin en passint geäuß-rt habe, auch vom Abg. Windthorst sei ähnliches in früheren Z-iten behauptet worden, wie gestern vom Abg. Bebel, wenigstens im Allgemeinen. Der Reichskanzler kann stch nur auf meine Rede bezogen haben, die ich in der Kullmann- Debatte am 4. Dezember 1874 hier gehalten habe. Da habe ich, nachdem ich den ganzen Abscheu gegen jene? Verbrechen dargelegt hatte, gesagt, daß allerdings man fich nicht wundern könne, wenn nach den Erfahrungen der Geschichte dann, wenn poltlisch- kirchliche Streitigkeiten auf den Siedepunkt kommen, unglückliche Menschen fich zu wahnsinnigen Unternehmungen hinreißen laffen. Wenn ich die Unternehmungen als wahnsinnige bezeichne, habe ich genügend konstatirt, daß ich ste auf keine Weife in Schutz nehme.(Sehr richtig!) Daneben habe ich alle solche Verbrechen, sei eS gegen Obrigkeiten, fei eS gegen Privatpersonen, für objektiv verab- scheuungswürdig erklärt. Ein Aufstand oder ei« Attentat gegen irgend eine Person bleibt unter allen Umständen ein Verbrechen, darüber habe ich nie einen Zweifel gelaffen. Der Reichskanzler hat auf diesen Vorfall schon einmal in diesem Jahre Bezug genommen: ich glaubte ihm damals im Abgeordnetenhaus« schon genügend geantwortet zu haben; ich hätte wohl hoffen dürfen, daß der Reichskanzler mich heute mit derartigen An- griffen und Anzapfungen verschont hätte. Zur Sache selbst werde ich erst in dritter Leiung wieder das Wort ergreifen. Abg. Bebel: Der Reichskanzler hat meine Rede ganz willkürlich interprettrt, sonst hätte er nicht den horrenden AuS- spruch thnn können, wir hätten kein anderes Programm als den Fürstenmord. Weiß er denn übrigens alS Gefchichtkkenner nicht, daß bisher wenigstens die meisten Fürstenmorde von Mitgliedcm der Gesellschaftiklaffen, denen der Reichskanzler selbst angehört, begangen worden find 7 Gustav Hl. wurde vom schwedischen Adel' Kaiser Paul vom russtschen Adel, mit Vor« wissen seines SohneS, des nachmaligen Kaiser? Alexander I. , ermordet, Heinrich IV. vom Priester Ravaillac , und ähnliche Betspiele giebt es noch viele. Ein deutsches patriotisches Schau- spiel,Tell", erkennt den politischen Mord als berechtigt an; in der alten Geschichte war der Tyrannenmord steti etwaS Lobenswerthes. Ich protestire aber nochmals da- gegen, daß der Kanzler den Fürstenmord als unser politisches Programm bezeichnet hat, ohne diese Behauptung irgendwie *u begründen. Wenn wir unser Programm, das wir oftmals klar und deutlich ausgesprochen haben, nicht mehr überall prollamiren können, so ist eS gerade der Reichskanzler, der unS durch das Ausnahmegesetz daran verhindert- er bietet AlleS auf, uns in unserer Meinungsäußerung zu beschränken. Redner polemifirt sodann gegen die Ausführungen deS Abg. Winterer. Die Diskussion wird hierauf geschlossen und zunächst der Antrag deS Abg. Windthorst die Verkürzung der Frist auf zwei Jahre gegen die Stimmen der Deutschkonservativen, der Reichspartei und etncS kleinen T heiles der Nationalliberalen angenommen. Darauf wird der ganze Antrag des Abg. Windthorst, welcher die Regierungsvorlage ersetzen soll, gegen die Stimmen deS Zentrums abgelehnt. Dagegen gelangt der Antrag v. Hettling, welcher ein- fach die Verlängerung der Gilttgkeitsdauer des Sozialisten- aesetzeS auf 2 Jahre, bis zum 30 September 1888, auS- spricht, durch Auszählung mtt 173 gegen 146 Stimmen zur Annahme. Für denselben stimmen die beiden konservativen Parteien, die Nationalliberalen und die überwiegende Mehrheit deS Zentrums» dagegen die übrigen Parteien des Hauses und vom Zentrum u. Ä. die Abgg. Lieber. Menke«, Rudolpbi, Motler, Windthorst, von Strombeck, Lucius, LtngenS, Frhr. von Heereman, Graf Galen , von Kehler, Porsch, Spähe, Moufang, Kochann, Eenestrey, von GliSzcynSli, von Buol, Stötze!, Hitze, Rücke. Abg. Windthorst zieht nach dieser Entscheidung die von ihm gleichzeitig mtt seinen Amendements einge- brachten beiden Resolutionen als gegenstandslos geworden zurück. Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr, (Gesetz, betr.§ 809 der E.PO>., JnnungSverdande, Wahl- Prüfungen.)_ Lokales. er. Der erste April. Die Zell der Scherze, der unde- zahlten Rechnungen und deS Umzuges ist da. Gute Freunde» Setreue Nachbarn und desgleichen sorgen tm Laufe des heutigen lageS dafür, daß eS unS nicht an Üeberraschungen fehlt, die Jnduskie bat fich sogar schon der Aprilscherze bemächtigt, und wahrscheinlich wird heute die Post durch die Beförderung der imicktten gerichtlichen Vorlagen, gefälschten VerlobungS- und Todesanzeigen kein schlechtes Geschäft machen. Es giebt auf der Welt entschieden ebensoviel große wie kleine Kinder, und manche großen Kinder find entschieden leichter zu unterhalten wie die kleinen. Heute lächelt man höchstwahrscheinlich, wenn man an die überaus gelungenen Witze aus der Sckmlzeit zurück­denkt, wenn ein besonders dämlicher angehender Gelehrter von schlaueren Kumpanen dazu bewogen wurde, in der nächst ge> leaenen Apotheke für einenDreier Mückenfett" zu erwerben. Menschlichem Ermeffen?nach waren eS jedenfalls leine SegenS - wünsche, die der entrüstete Provisor dem jungen Menschenbürger nachsandte, nachdem er ihn in mehr schleuniger wie sanfter Weise vor die Thür befördert hatte. Doch die Menschheit schreitet vor, und was früher der Spart dummer Jungen war, wird beu!e mit Vorliebe von Crwaebsenen kultivirt. Allerdings können das nur Leute sein, die über den nöthigen Ueberschuß von Zeit und Geld verfügen. Wie geistvoll ist nicht die Idee, einem guten Freunde die mit hektozraphischer Genauigkeit imitirte Todesanzeige eines lieben Verwandten in? Haus zu senden! Wie harmlos ist das Vergnügen, wenn der Freund vor Schreck erblaßt, unliebsame Folgen können aus dem geist» reichen Witz entschieden nicht entstehen. Aller Wahrscheinlich» keit nach werden wir an derartigen Üeberraschungen keinen Mangel haben, denn die Presse der Reichshauptstadt hat für den neuen Unfug bereits die nöthige Reklame gemacht, und diejenigen Leute, die bekanntlich niemals alle werden, werden mit der ihnen eigenthümltchen Gründlichkeit schon für das Weitere sorgen. Inzwischen schreitet der Umzug rüstig vor» wärts. DaS nomavifirende Proletariat zieht mit setner be« weglichen Habe von einer Straße in die andere; wir konnten leider nicht ermitteln, wie vielen Bedürftigen der gütige Stadtverordnete Hoffmann Ii mtt einer sehr hübseben Wobnung für 100120 Mark aus« geholfen hat. Hoffentlich finden Alle, die mühselig und be- laden find, ein trauliches Heim, in welchem fie von deS TagcS Last und Mühen sorglos auSruhen können. Welcher Spott« preis, 100 Mark! Pennbrüder wird es in Zukunft überhaupt nicht mehr geben, denn 100 Mark laffen fich im Laufe des JahreS wobl immer noch zusammenfechten, und da lohnt eS fich kaum noch der Mühe, daS billigere Logis bei Mutter Grün zu beziehen, wo man übrigen» immer noch durch unliebsame Rc« Visionen der Polizei in seiner behaglichen Beschaulichkeit gestölt wird. Diesen Unannehmlichkeiten braucht man fich jetzt wahr- haftig nicht mehr sür die lumpigen 100 Mark auszusetzen, und der Herr Stadtverordnete Hoffmann Ii wird fich dock hoffent« lich nicht den oberfaulen Witz geleistet haben, halb Berlin in den April zu schicken. Das thut kein braver Mann, vor allen Dingen kein echter, rechter semitisch- antisemitischer Bürger- parteiler. Allerdings hat der 1. April auch sein Gutes, wenn wir seine Eigenschaft als Zahltag in Betracht ziehen. Leider muß man auch hier mit dem Dichter reden: Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang" in unser geliebtes Deutsch übertragen: Die Kaffe ist knapp, die Zahl der geldbedürftigen Gläubiger riesengroß." ES war einmal ein Student, der sich einen ganz eigenartigen Zahlungsmodus ausgeheckt hatte. Nachdem er mit mathematischer Genauigkeit berechnet hatte, was der Schneider, der Schuhmacher und die verschiedenen anderen Kreditoren von ihm zu fordern hatten, und er die betrübende Wahrnehmung machte, daß in dieser Weise für ihn selbst nicht» übrig blieb, resumitte er kurz:Da bleibt mir nichts, folglich kriegt Keiner waö!" Dieser Student lebt aber nicht mehr, doch daSin den April schicken" ist bestehen geblieben. Gestern lieferte man wieder den Beweis hierfür. Am anderen" Ende der Leipziger Straße leistete man fich einen Aprilscherz, über den die arbeitende Bevölkerung blutige Thränen lachen wird. ES ist nur Schade, daß der Karneval schon vorüber ist, die Komödie hätte besser in die Faschingszeit gepaßt. Doch wir wollen nicht philisterhaft sein; man kann zu jeder JahreSzeit lachen, wenn man will, nur darf man nie vergessen, daß derjenige am besten lacht, der zu- letzt lacht. EZ ist außerdem heute ein freudiger Tag, fteudig deshalb, weil wir ein G-burtstagSkind in unserer Mitte haben. DaSBerliner Volksblatt" steht heute den 1. April zum dritten Male. Möge eS bei dem Umzug auch in recht viele neue Arbeiterwohnungen einziehen, und möge eS noch recht viele Geburtstage erleben. Der Kanzler und die angebliche Trmtksncht der Berliner . In seiner Freitaasrede emichnek der Kanzler den Trunkrecht eigentlich als rn den Städten zu Hause". Er werdedort ausgebildet, mit Bier groß gezogen und endige mtt Branntwein". Er werde auch da mit vrel mehr Nachstcht dehandelt alS auf dem Lande. Der Kanzler sagte dann wörtlich:Wenn hier in Berlin zur Zeit des Bockbiers eine Niederlage auf den Straßen stattfindet, so daß der größte Th'il der Bevölkerung, den man auf den Straßen ficht, den Tag als betrunken zu betrachten ist, dann heißt eS; fie find sehr heiter gewesen, sie haben dem Gambrinus glorio? geopfert; das wird mit Wohlwollen beurtheüt. Wenn aber der ländliche Arbeiter fich betrintt, das ist wieder ganz etwas anderes; er wird mit Verachtung dafür bestraft." Ungerechter find die Berliner wohl niemals bemtheilt worden, als eS mit vorstehenden Worten der Kanzler gcthan hat. Wer mag, so fragt dieFreis. Ztg.", dem Kanzler nur solche Fabeln erzahlt haben? Freilich lebt der Kanzler selbst in seinem PalaiS in der Wilhelmstraße völlig abgeschlossen und berührt höchst selten und nur flüchtig Berliner Sttaßcn. ES giebt wohl kaum eine größere Stadt in Europa , deren Bevölkerung so nüchtern ist und so wenig zur Trunksucht neigt, wie die Berliner Bevölkerung. Die zur Zeit des Bockbiers in einzelnen Lokalen bei schöner Witterung vielleicht an Sonntags Vormittagen vorkommenden Exzesse find etwaS derart AuffallendiS in Berlin , daß ihnen in der Preffe besondere Aufmerksamkeit oeschentt wird. Wann aber ist je in Berlin der größte Theil der Be« völkerung, den man den Tag auf den Straßen steht", betrunken gewesen? Ein Betrunkener auf den Straßen Berlins ist überhaupt die größte Seltenheit. Ein einfacher Blick in den Polizeibericht hätte den Kanzler auch hier überzeugen müssen, daß er keinen Theil der Bevölkerung deS Landes weniger kennt und versteht, als den Berliner . Im Jahre 1882 wurden in Berlin 42392 Personen von der Polizei auf der Straße aufgegriffen unv in polizeilichen G-wahrsam gebracht; 1883 betrug diese Zahl 32 1 15; 1884: 26 4M. Unter diesen Per­sonen befanden sich 1882 nur 153, 1883 nur 98 und 1884 nur 91, welche wegen Trunkenheit in polizeilichen Gewahrsam ge- bracht wurden. Es vergehen also im Durchschnitt in Berlin 34 Tage, ehe die Polizei ein einziges Mal in die Lage kommt, in dem ganzen großen Berlin einen Betrunkenen auf der Straße aufzugreifen. Kaum ist et« Tag vergaugen, seit dem im Marunge- schen Mordprozeß zwei TodeSurtheile gefällt find, und schon wieder kommt die Kunde von einem Morde, welcher in der Nähe der Reichibauptstadt, in Mittenwalde , verübt worden ist. Im Graben der Chaussee zwischen diesem Ott« und Groß» Machnow, wurde am Montag früh die entsetzlich zugerichtete Leiche einer Frauensperson gefunden, in welcher von einem Dorf- bewohr.er alsbald die unverehelichte Dienstmagd ThiniuS er» kannr wurde. Dieselbe war anscheinend mit einem Zaunpfahle, der blutbefleckt in der Nähe lag, erschlagen worden. Der Schädel war vollständig zertrümmert, daS Gesicht fast biS zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Ermordete, im Anfang der zwanziger Jahre stehend, hatte bisher im Dorfe gedient und dort mit dem in demselben Dorfe dienenden Knecht Franke ein LiedeSverhältniß unterhalten, welchem bereits ein Kind ent» soroffen war. Jetzt befand fich die Th. wieder in gesegneten Umständen. Auf den Liebhaber richtete stch sofott allgemein der Verdacht des Mordes. Letzterer muß in den Abendstunden des Sonntag verübt worden sein. Es wurde schleunigst daS Amtsgericht in Mittenwalde benachrichtigt, welches die Mel« dung telearaphisch an die Staatsanwaltschaft am Landgericht II Berlin beförderte. In Folge deffen reiste sofott Staatsanwalt Dr. Menge nach Groß Machnow; derselbe nahm den Thatott in Augenschein und ordnete die Verhaftung deS schwer verdächtigen Franke an. Der muthmaßliche Thäter wurde an das Amtsgericht in Mittenwalde einge- liefert, von welchem die Voruntersuchung aefühtt wird. Zu dieser Mordchat schreibt derMttenwalv. Anz." noch foU gende Details; Der Ortsoorsteher Hanke ettannte in der Leiche sofort die bei ihm in Dienst stehende Magd Karoline Thtnias, und da bekannt war, daß diese mit einem Knecht, Namen? Franke, welcher bei dem Bauer Karlap, ebenfalls in Machnow, diente, ein LiebeSoerhäliniß unterhielt, und der Genesung ttneS