fonds im allgemeinen, denn für jedes Land fallen eigenartige Verhältnisse und Bedürfnisse in Betracht, und offenbar wäre es ganz überflüffig, wenn z. B. England oder die Vereinigten aber wir find Staaten etwas Derartiges schaffen wollten; lein England. Wir sind ein fleines Land, das leicht au über rumpeln ist, unfere großen Geldreservoirs liegen zum Theil an der Grenze und im Kriegsfalle tönnte es uns darum bald am Nothwendigften mangeln."
Allem Anschein nach fommt demnächst auch die Frage des Immobiliarerbrechts in Fluß. Eine Deputation der Free Land League( Bodenfreiheitsliga), welche sich dieser Reform haupt sächlich wiamet, hatte dieser Tage mit dem Großlangles eine Unterredung, in deren Verlauf fich über ei ige wichtige Refor men Uebereinstimmung zwischen den Ansichten des Minifters und denen der Liga ergab. Nach englischem Recht erbt in Ins teftatfällen der älteste Sohn des Erblaffers allen Grundbefts unter Ausschluß fämmtlicher übrigen Familienmitglieder. Diesem Rechtsgrundfas ist es zuzuschreiben, daß der englische del sich wesentlich im ungeschmälerten Befis feiner Ländereien erhalten hat und daß fich immerfort neue Großgrundbefizerfamilien durch Auffaugung des Kleinbefizes bilben, denn das Prinzip des Anerbenrechts des ältesten Sohnes wird noch in seiner Wir fung dadurch verstärkt, daß durch Ausnutung des weitgehenden Teftirrechtes die meisten Befiger ihre Ländereien ihrem ältesten Sohn nur zur Nugnießung auf Lebenszeit vermachen, während als eigentlicher Erbe dessen Sohn, häufig ein noch ungeborenes Kind bestellt wird. Die Tradition zwingt dann diesen nominell zur freien Verfügung der Ländereien gelangenden Enkel des ursprünglichen Erblaffers, das Befigthum wiederum in gleicher Weise seinem Sohn als Nußnießer und seinem Entel als wirklichen Erben zu vermachen ,, to entail it in tail male", wie der technische Ausdruck lautet. Dieses Intestatanerbenrecht bes älteften Sohnes aufzuheben und daß law of settlement and entail" babin zu ändern, daß die Festlegung des Grund und Bodens in der Art der Majorate nicht mehr möglich ist, balten alle Agrarreformer Englands für den ersten Schritt, nm ,, Frei handel im Land" und dadurch eine Gesundung der Beftzvers hältniffe einzuleiten.
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Im Unterhause erklärte Unterstaatssekretär Bryce, er Tönne in Betreff Bulgariens leine Mittheilung machen, da die Unterhandlungen fortdauerten. Was Griechenland anbelange, so balte die Regierung feft an den von dem Kabinet Salis buty eingegangenen Engagements. Das russische Geschwader habe die Sudabai nur zeitweilig verlassen und werde bald nach derselben zurückkehren.
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Jm Oberhause gab der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Rosebery . eine analoge Ertärung ab und fügte derselben noch hinzu: Wir haben von Rußland die herzlichsten Berfiches rungen über seine Rooperation in dieser Frage erhalten.
In Folge des Streits, der in Firmy bei Deca zeville ausgebrochen ist, hat hier eine große Versammlung unter dem Vorfize Basly's stattgefunden. Die Minenarbeiter von Decazeville und Caubes begaben sich gruppenweise und unter Abfingen der Carmagnole" nach Firmy. Eine Gruppe trug an einer Stange einen rothen Lappen. Als Basly dies bemerkte, forderte er die Arbeiter auf, derartige Thanifestationen zu unterlaffen, worauf die improviftrte rothe Fahne entfernt wurde. Der Verwaltung rath der Bergwerte von Aveyron hat Dibre gegeben, die Werkstätten zu schließen und das Feuer der Hochöfen auszulöschen. In Folge dessen find in den betr. Werkstätten Bettel angeschlagen worden, welche die Arbeiter bavon in Kenntniß seßen, daß von heute Abend 6 Uhr an die Arbeit in sämmtlichen Werkstätten eingestellt werden muß. Nicht weniger als 1250 Arbeiter find dadurch plötzlich arbeitslos ge
worden.
-Die Arbeiten der franzöftschen Budget! ommission werden allseitig mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, weil die felben möglicherweise nicht ohne Einfluß auf das Schicksal des Minifteriums Freycinet oder wenigftens einiger Mitglieder des selben sein werden. Ursprünglich forderte die Regierung eine Anleihe von 1466 Millionen; Minister Freycinet erflärte aber in der Budgetfommiffion, er algeptire ben Betrag von 900 Mil Honen für die Anleihe; 400 Millionen davon sollen direkt den Sparkassen überwiesen und 500 Millionen in öffentlicher Substription aufgebracht werden. Die anwesenden 24 Kommissions mitglieder nahmen einstimmig die Vorschläge Freycinets an, so daß, wie das ,, Börsenblatt" mittheilt, in der Botirung dieser 900 Millionen in 3 pros. perpetuirlicher Rente durch die Rammer nicht mehr gezweifelt werden könne.
Der von uns bereits berührte Venediger Prozeß hat wieder einmal die Nothwendigkeit der Eutschädigung für ungerecht Verhaftete recht deutlich gemacht. 19 brave and arbeiter aus dem Gebiete von Mantua haben 14 Monate lang unter der Anklage der Verschwörung und Auflebnung gegen die Staatsgewalt im Gefängnis geschmachtet und find fämmtlich freigesprochen worden. Der Prozeß hat geradezu un geheuerliche Dimenfionen angenommen. Es find 320 Beugen verhört worden! Es stellte sich im Verlaufe des Prozesses beraus, daß die Landarbeiter, durch das größte Elend, durch die erbärmlichsten Löhne und durch Krankheiten dazu ge trieben waren, von dem Rechte der Arbeitseinstellung Gebrauch zu machen. Sachverständige Aerate, die vernommen wurden, entwarfen schredliche Bilder von dem Elend, das unter der Landbevölkerung jener Gegenden herrscht und die Veranlaffung zu anfledenden Hautkrankheiten geworden ist. Bürgermeister und Grundbefizer aus dem Mantuanischen bestätigten diese Erklärungen; fte be tannten, daß die Arbeitslöhne auf 60, ja auf 45 Cent. pro Tag berabgesunken seien. Die meisten auch von den Be laftungszeugen Sprachen fich zu Gunsten der Angeklagten aus und der Direktor der Jrrenanstalt von Mantua , Prof. Sacchi, brückte fogar seine Freude über die Bewegung der aderbauenden Bevölkerung aus, weil sie ein Belchen erwachenden Selbst, bewußtseins und wiedererwedter Menschenwürde set. Die Frei gesprochenen wurden vor dem Juftigpalafte mit Mufit empfangen und im Triumph nach San Giobbe geleitetet, wo der Berein der Metzger Lebensmittel und Geld an fie vertheilte. Möge diefer Prozeß den einzigen Segen haben, der ihm folgen lann! Möge er die Aufmerksamkeit der Regierung auf jene arme, hungernde Bevölkerung lenten! Möge die Enthüllung des Elends seine Milderung bewirken my
Nukland.
dors
Dem Reichsrath foll jest nach dem famosen Landarbeiter gefeß ein Fabritgeset vorliegen, das natürlich Alles wiederum dem Belieben der russischen Bureaukratie überläßt. Die Vorlage enthält nur die allgemeinen Prinzipien, nach welchen Das Gesez gehandhabt werden soll. Die Fefifeßung der Ein zelheiten foll besonders einzusetzenden Aufsichtsbehörden über tragen werden, um diese Einzelheiten den jeweiligen lokalen Verhältnißen anzupassen. Dies Verfahren dürfte, in Rußland angewandt, jedoch Bedenten erregen. Die Ausführung des Gesezes wird dadurch dem individuellen Belieben einzelner Bersonen überlaffen, und es tönnte bei den eigenthümlichen russischen Beamtenverhältnissen leicht babin lommen, daß das Gefeß in vielen Fällen unausgeführt bleibt.
Der Eisgang auf der Newa bel Schlüffelburg und der Eisgang auf der Düna bei Friedrichsstadt bat begonnen. Nach den vorliegenden Nachrichten ist im weftlichen Rußland das Aufgehen ber Fliffe diesmal von startem Eisgang und Hochwasser begleitet, Warschau und Mitau find theilweise über schwemmt. In Mitau wurde eine hölzerne Brüde von den Eisschollen zertrümmert; auf der Dombrowa Jwangorod- Bahn ift eine Brüde beschädigt.
Balkanländer.
Der Fürst von Bulgarien besteht auf seiner Weige rung, fich auf eine furge Ernennung einzulaffen. Nach einer hochoffiziösen Mittheilung der Röln. Big." aus Sofia erlärt der Fürst, daß er im Bularefter Frieden nur deshalb auf alle berechtigten Forderungen des Siegers verzichtet habe, um die bulgarische Vereinigung ficherzustellen. Die bulgarische Vereini gung babe zu viel Blut und Geld geloftet, als daß fie neuer bings in ein fünffähriges Provisorium umgewandelt werden Tönne. Das gesammte Minifterium habe das Vorgehen des Fürften einhellig gebilligt. Der Merger Rußlands über den Widerstand des Fürsten Alexander macht fich wieder in einem offiziösen Artikel des Journal de St. Petersbourg" Luft, worin es beigt, es handle fich um eine Transaktion ,,, aus welcher Bulgarien eines Tages definitive Lösungen hervor geben laffen tann, wenn man die Weisheit befigt, feinen neuen Konflikt und feine neuen Romplikationen hervorzurufen, so baß dadurch die Mächte veranlagt werden lönnten, ihr EntgegenTommen zu bedauern." Das Journal führt aus, daß die Situation im Orient teine radikalen Lösungen vertrage und daß eine gewiffe Unflarbeit fich den Verhältnissen von selbst daß eine gewife Unklarheit fich den Verhältnissen von selbst Die gegenwärtige Transaltion erscheint noth aufdränge. wendig im Namen höherer Intereffen und wenn Rußland , welches soviel Opfer für Bulgarien gebracht hat, es verlangt, so bat es auch das Recht darauf zu rechnen, daß seine Stimme gehört werde." Der Artikel schließt mit der versteckten Drohung, es bleibe dem Fürsten Alexander nichts übrig, als sich zu unterwerfen.
Amerika.
Jay Gould erklärt, daß das Oberhaupt der Ritter der Arbeit", Mr. Powderly ihn in Betreff der schiedsgerichtlichen Beilegung des Streits auf den Südwestbahnen misverstanden babe, da in New York nichts gethan werden könne, vielmehr der Vizepräsident Horie in St. Louis alles zu arrangiten babe, Der Strelt dauert daher fort. In Eaft St. Louis, Ranfas City, haben die Streffenden Eigenthum zerstört. Der Gou verneur von glinois bat ein Regiment unter Waffen gerufen und in St. Louis find 300 Mann Bundestruppen angekommen. Die Verhandlungen zwischen Gould und den Rittern der Arbeit dauern übrigens noch fört und es ist Aussicht auf eine Regelung des Streits durch ein Schiedsgericht vorhanden. # 100
Parlamentarisches.
-In der gestern stattgehabten Sigung des Bundesraths find offiziösem Bernehmen nach die neuen Gesezentwürfe, betr. die Besteuerung des Branntweins, nicht zur Vorlage gelangt. So viel man hört, find dieselben bisher nicht Definitiv festgestellt und werden jebenfalls erst noch in der vers muthlich am Sonntag wieder stattfindenden Sigung des Staatsminifteriums zur Durchberathung gelangen. Erwägt man, daß dann noch die tönigliche Genehmigung zur Einbringung der Entwürfe im Bundesrathe als Anträge Breußens erforderlich ift, so wird man laum fehlgeben, wenn man annimmt, daß die betr. Gefeßentwürfe frühestens Mitte der nächsten Woche an ben Bundesrath gelangen lönnten. Der Reichstag wird sich vor Dftern faum mit ihnen zu beschäftigen haben.
Lokales.
Die Nachrichten über Vereine und Versammlungen beanspruchen oftmals, und nicht immer zur Freude des Redakteurs, einen recht erheblichen Theil von dem disponiblen Raum in den Organen unserer Tagespreffe. Unser Versamm lungswesen aber hat fich so vielseitig entwickelt, daß es je länger je mehr aur Unmöglichkeit wird, die Wünsche aller Vereinsintereffenten in ben Referaten zu befriedigen. Demgegenüber hat es etwas Wohlthuendes, einmal auf eine Art von Bersammlungen hinweisen zu fönnen, bei denen die Theil nehmer den Anspruch auf Deffentlichkeit in den meisten Fällen nicht erheben, obwohl diese Busammenfünfte für die Beurs thellung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse teineswegs un interessant find. In einem abgesonderten Simmer oder in dem Ileinen Saale irgend eines Restaurant versammeln fich 30, 40 au wohl 50 Herren, und ein rechtsverständiger einen erbaulichen Vortrag über Referent hält ihnen das Thema: Der Einberufer diefer hochgeehrten Ver fammlung ist- pleite! sämmtliche Anwesende bleiben bei sammlung ist dieser Mittheilung sehr ruhig, denn fie ist ihnen längst bekannt, neugierig ist man nur aufbie ,, Regulirungsvorschläge". Vor etwa zehn Jahren, als diese Versammlungen zuerst Mode wur den, erzielten die Einberufer nicht selten unter dem augenblic. lichen Eindruck eines mündlichen Vortrages, in welchem die Verhältnisse recht paffend geschildert wurden, ein recht günsti ges Resultat, aber das nüchterne Geschäftsleben hat sich von bem anwiderstehlichen Eindrucke des rednerischen Schwunges bald freigemacht und so paffirte es vor einigen Tagen einem bieftgen Bauunternehmer, der vor zehn Jahren in einer solchen Versammlung einen sehr vortheilhaften Alford zu Stande ge bracht hatte, daß er ein vollständiges Fiasko erlebte, als er jest wieder einen ähnlichen Versuch machte. Eeine Gläubiger blieben bei den rednerischen Ausführungen fühl bis ans Herz binan und tauschten untereinander ihre Kenntnisse über die Vermögenslage des Schuldners aus; was Einer nicht wußte, wußte der Andere und das Resultat war, daß man die florb vorschläge einstimmig aurüdwies und der Einberufer fich still mit dem Seufzer davonschlich: Wie fich doch die Beiten ändern!
Die Marunge'sche Samilien Tragödie. Der Mas runge'sche Wordprozeß, der mit der Berurtheilung der Frau Marunge und ihres Sohnes Albert wegen Ermordung ihres Mannes resp. Baters zum Tode und der Freisprechung des anderen Sohnes Hermann beendet worden ist, bringt, wenn auch spät, die Sühne für ein Verbrechen, welches einen ent
leglichen Einblick in die Robbeit mancher Menschen gestattet. Da leben fte mitten unter uns, verlehren mit uns, effen mit uns an demselben Tische, wir begegnen ihnen am Frühlings. fonntag auf dem Spaziergang im Walde die Mutter und ber Sohn, bie fich in aller. Gemüthsruhe hinsegen und über legen, wie fle den unbequemen Vater aus dem Wege schaffen fönnen, und die dann, nach der programsgemäßen Ausführung nicht einen Moment Gemiffensbife baben. Der Sobne der dem Vater eben den Schädel eingeschlagen und ihn dann mit der Mutter im Reller vergraben bat, sieht sich ,, Vaterns" beste Kleiber an, geht sofort auf den Töpferball und amüftet sich herrlich, die Mutter ist zwar etwas mehr mitgenommen, aber thre Aufregung hindert fie nicht, fich mit dem Stridzeug an das Bett der jüngeren Rinder zu segen und ihnen zu erzählen, der Vater sei fortgegangen und habe gedroht, nicht wiederzutommen. Das Motto zur That ist nicht recht flar geftellt worden. Vielleicht wirkten zwei Motive zur That mit. Der alte Marunge mar Maurer mit zahlreicher Familie. Von 12 Rindern leben jekt noch fünf. Das er für seine Verhält niffe wohlhabend gewesen niffe wohlhabend gewefen er befaß ein fleines Anwesen mit Dietheüberschuß ist nachgewiesen, er hatte auch baares Geld. Natürlich war diese Gesichertheit des Lebens nur durch äußerste Sparfamleit au ettingen, und es mag sein, daß unter derselben die Frau etwas zu leiden hatte. Aber er sparte doch für fie und die Kinder, und es ist andererseits erwiesen, daß feine Weigerung, Gelb berzugeben, fich niemals auf noth wendige Bedürfnisse, sondern ftets nur auf Luxusdinge bezog. Sodann behandelte er die Kinder streng. Albert, der altefte, baite fich gegen ihn vergangen, indem er den Vater geschlagen, Hermann, der zweite, hatte ben Water bestohlen. Nun führte er eiserne Bucht ein. In dem Hause fam es zu Streit und Hader, der schließlich permanent wurde, als die Mutter fich
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auf die Seite der Rinder schlug. Nun wurde der Alte vers zweifelt, er griff zur Schnapsflasche und im Born foll er jähzornig gewesen sein. Schritt für Schritt, Stufe für Stufe fab man bie Famille finlen. Hermann schafft sich eine Braut an, und ba der Alte feine Einwilligung versagt, lebt er in wilder Ehr. Auch als ihm ein Rind geboren wird, beharrt der Alte auf seiner Weigerung des Chelonsenses. So tommt es auch zwischen Hermann und dem Vater zu Mishelligkeiten. Diesem Verhältniß bat er es zuzuschreiben, daß auch unter Antlage geftellt ist, von dem Morde wenigstens ge wußt zu haben. Aber da nicht nur nichts gegen ihn erwiesen ist, sondern seine Mutter und sein Bruder ihn ausdrücklich erfulpiren, ja da einige Beugen ganz direkt barthun, Hermann habe ganz offen feine Meinung stets aus gesprochen, mit dem Verschwinden des Vaters lönne es nicht ganz richtig sein, und der Albert und Mutter würden schon etwas darüber wiffen", so erfolgte seine Freisprechung in volle ftändiger Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung, die ihn in der That für ganz unbetheiligt bält. Defto widerlicher geftaltet fich nun das Verhältniß zwischen der Mutter und dem Sohne Albert. Bis zu einem bestimmten Punkte stimmen thre Aussagen überein. Wie furchtbar einfach fich die paar Worte Der Vater hatte wieder einmal gezantt, da sagt der lesen. Albert: ,, Mutter, wenn Vater man erst toot wäre",„ Ja, aber er lebt boch", Ich werde ihm ein Paar mit dem Holzklopfer auf den Ropf geben"," Das bekommst Du doch nicht fertig", sagt die Mutter. Die Szene spielt fich beim Abendbrot ab. Der Sohn aber protestirt gegen diese Unterschätzung: ,, ich werde schon". Es folgen nun einige Verabredungen. Albert kommt Abends, ftellt sich mit den Kleidern des Vaters in den Holz ftall, bis der Alte nach Hause gekommen und sich zu Bette gelegt hat. Die Mutter ruft ihn: Er tft feft eingefchlafen" und nun kommt die Verschiedenheit in den aussagen. Albert erzählt: Sch ging hinein, den Schlag zu führen. Als ich es thun wollte, wurde ich ohnmächtig und lag wohl eine halbe Stunde bewußtlos. Als ich dann zu mir ge fommen, war der Vater tobt." Di Mutter sagt:„ Ich rief Albert, er ging hinein, schlug auf den Vater los und sagte uns bann, als es vorbei war. Ich ging inzwischen zu den Kindern -( es find noch drei fleine Kinder da) und beruhigte fte über bas Röcheln des Vaters; er habe wieder seine Krampfanfälle." Es unterliegt leinem Bweifel, daß die Darstellung der Frau die richtige ift. Die Aussagen der Kleinen bestätigen dies. Aber welch' ein fürchterlicher Mensch ist dieser Albert. Bet aller Berthiertheit und anscheinenden Gleichgiltigkeit gegen das Leben, welches trampfbafte Festhalten an demselben. In seinem Stopfe muß fich die Anficht feftgefeßt baben, daß nur der dem Beile des Scharfrichters verfällt Herr Krauts war im Bu schauerranme, der den tödtlichen Hieb selbst geführt. Der Ausdrud Beihilfe" in der Anklageschrift läßt ihn vermuthen, Daß, wer nur geholfen, mit langer Buchthausstrafe davonkomme. Und so will er denn, wie er den Vater ermordet, auch die Mutter aufs Schaffot liefern, fte, in der wenigstens der eine menschliche Bug noch geblieben, die Liebe zu ihren Kindern. Er hätte fich nicht so anzuftrengen brauchen, auch diese entsegliche Einzelheit der Mutter aufbürden zu wollen, wenn er gewußt hätte, daß fie ohnehin mit ihm sterben würde, daß das Gesetz darin keinen Unterschied tennt, wer das Verbrechen begeht, wenn es von Bweten gemeinschaftlich geplant worden ist. Nur in der eben erwähnten Einzelheit geben also die Aussagen auseinander. Mutter und Sohn, die neben einander figen, bewacht von Beamten, wollen fich gegenseitig mit jest baß fprühenden Augen vergiften. Gemeinschaftlich haben fie dann den Leichnam in einen Sad gesteckt, in den Reller geschleppt und dort vergraben. G- meinschaftlich haben fie in außerordentlich geschickter Weise das Verschwinden des Baters erklärlich zu machen gesucht, bis das Verhängniß fie boch ereilte. Der Instinkt der Charlottenburger Bevölkerung Ites fich nicht täuschen. Immer und immer wieder tauchte die Anficht auf, bei den Marunge's fet es doch nicht richtig, und die Vollsstimme bezeichnete sogar den Keller als den Drt, wo bas Opfer von Weib und Kind begraben worden. Es iſt in dem Prozesse nicht berührt worden, wieso tros häufiger Untersuchungen die Leiche im Keller nicht gefunden wurde, wieso die furchtbare That so sehr lange unentdedi bleiben fonnte. Die öffentliche Meinung war auch ftets der Anficht, daß seitens irgend eines Beamten hier nicht mit richtigem Verständniß vor gegangen war. Nun, da die That gefühnt wird, athmet man wieder auf. Schrecklich, wie der entfeßliche, nun flar gelegte Vorfall ist, noch schrecklicher wäre es gewesen, wenn er unent Deckt geblieben wäre.
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Die Vereine haben doch ihre guten Seiten! Vier luftige" junge Leute engagitten, vom Bod" fommend, eine Droschte 1. Klaffe zur Fahrt nach der Louisenstraße. Unter wegs, an der Ecke der Friedrich und Schüßenstraße, wurde aber noch einmal halt gemacht und sah der Kutscher, daß ihm bie Wagenbede, welche beim Einsteigen der Fahrgäste noch im Wagen gelegen hatte, fehlte. Er machte dieselben sofort auf diesen Umstand aufmerksam und forderte für die fehlende Dede 5 M. Entschädigung. Es wurden ihm aber nur 3 M. geboten, die derfelbe aber nicht annahm, da fich durch einen später hinzugekommenen Rutscher berausstellte, daß die Fahre gäfte während der Fahrt die Decke aus dem Wagen geworfen batten. Dem Verein Berliner Droschtenfutscher", welchem der Geschädigte als Mitglied angehört, wurde die Sache übertragen und haben die Herren Fahrgäste es vorgezogen, nach erfolgter Aufforderung den vollen Preis der Decke( 9 M.) einzusenden.
Unsere Vororte fübren nach und nach sämmtlich die Hundesteuer ein. Auch Nieder- Schönweide hat fie bekommen. Ste bringt in solchen Orten ziemlich viel ein, denn bei der solirten Lage der Häuser ist ein Hund faft eine Nothwendig felt. Aber Gelb braucht beut das fleinste Gemeinwesen in immer fteigenber Progression und deshalb nimmt man es, wo es geht.
Gin hiesiger Tabat und Bigarrenfabrikant, in dessen Belstatt beränbig acht bis zehn Arbeiter in regelmäßiger Beschäftigung thätig find, war von der Tabaksindustrie Berufsgenoffenschaft zur Aufnahme in die Unfallversicherung herangezogen worden; biergegen führte er Beschwerde beim Reichs verficherungsamt, erhielt aber von dort einen abschläglichen Bescheid. Die genannte Behörde spricht in der Begründung des Bescheides folgenden Grundfag aus: Die Rauchtabat, Schnupftabat, Bigarren( Bigaretten) berstellenden Betriebe find in der Regel als Fabriten im Sinne des§ 1 Absatz 1 bes Unfallversicherungsgeseges zu betrachten, sofern der Unternehmer ständig mit fremben Arbeitsträften arbeitet und nicht etwa nur mit Familienangehörigen für eigene Rechnung; nur im legteren Falle liegt eine nicht verficherungspflichtige Haußindustrie vor. -Bei der großen Ausdehnung, welche die Tabalsfabritation in Berlin in den legten Jahren tros der vielen mißlichen Ber hälmiffe erlangt hat, verdient diese Entscheidung in den intereffirten Kreisen besondere Beachtung.
Polizei- Bericht. Am 31. v.. schoß ein Herr in seiner Wohnung in der Jobantilsstraße fich mit einer Biftole in die Am Bruft und starb furse Beit darauf an Verblutung.
1. b. M. früh wurde in einem Keller des städtischen ZentralBichhofs ein obdachloser Schlächtergeselle erhängt aufgefunden. -Bu derselben Beit sprang ein Mann in selbstmörderischer Abficht von der Admiralijätsbrüde ins Waffer und ertrant. Am Vormittag deffelben Tages wurde bei dem Grundstück Mühlendamm Nr. 32 die bereits ftar! verweste Leiche einer unbelannten, etwa 40 Jahre alten Frauensperson aus der Spree gelandet. Alle diese Leichen wurden nach dem Leichenschaubause geschafft. An demselben Lage Nachmittags wurde an der Ede der Heydt- und Kaiferin Auguftastraße ein etwa 23 Jahre alter Mann bewußtlos aufgefunden und mittelst Droschte nach der Charitee gebracht. Nach einem bei ihm vore