Lokale». Znr«eschickte der Mar, tage de» Jahre« 1848 ver. öffenttichten die„Baseler Nachrichten" soebtn einen Beitrag deS verstorbenen Solothurner Landammans Vigier, der an den Kämpfen in Berlm theilgenommen. Die intenffante Schilde. rung erörtert am vchlust die Frage:„Wer hat die Berliner Revolution geleitet? Wer war der Generalstab? Wer waren die Führer?"- Herr Vigier schreibt: Vielfach ist die Idee ausgesprochen worden, eS hätte ein geheimes Komite existirt, welches das Ganze dirigirt habe. Das ist ganz unrichtig. Die Revolution war eine emproviskte, hervorgerufen durch die rohen Gewaltthaten des Militärs. Jeder nahm den Posten ein. an den ihn der Zufall gestellt. Kommandant einer Barrikade wurde, wer fich dazu hervorthat. Planlos wurden die Barri« laden gebaut; planlos wurde gefochtcn. Wie war eS aber möglich, daß diese unbewaffneten, undiSziplinirten Banden dem wohlgeübten preußischen Heere gegenüber Stand halten tonnten, einer Militärmacht gegenüber, Vre in der Stadt einzig 20000 Mann zählte und die von den umliegenden Garnisonen noch verstärkt werden konnte. Der Gründe find zwei: erstens die heldenmüthiae Aufopferung der Arbeiter und sodann die Wuth der gesammten Bevöllerung gegen die rohe MilUärmacht, welche Erbitterung bewirkte, daß alleS wenn auch nicht direkt im Barrikadenkampf, so doch helfend und unterstützend mitwirkte. Kaufleute öffneten ihre Magazine, Frauen und Mädchen brachten auS jedem Hause Speise und Trank. Die Soldaten dagegen waren seit mehreren Tagen und Nächten nicht mehr aus der Uniform gekommen, jeden Abend mußten fit au». rücken. Seit 18 Stunden standen fie unter Waffen. Speise und Trank wurde ihnen nirgends verabfolgt. Durch die Barri» laden waren fie von ihren VerproviantirungSlokalen abge» schnitten. Sie waren zum Tode ermattet.— In der totalen Ermattung der Soldaten, in ihrer Deprimirtheit und Ent» muthigung erkläit Herr Vigier die Ursache deS Vollsfiegei gegen eine Armee von 20000 Mann. Den folgenden boshaften Aprilscherz, dem die„Ger. mania" mit Behagen ihre Spalten öffnet, leisten fich die von einem„katholischen Schriftsteller" herausgegebenen„unpolitischen Zeilläuten."„Am 1. April ist dekannllich der Geburtstag deS Fürsten Bismarck. Wenn bis dahin kein Wunder geschiiht, so mebt«S an jenem Tage ein„ncUionaleS Unglück". Nämlich die 101 Kiebitzeier, welche die„Getreuen von Jever" alle Jahre sticken, werden diesmal nicht rechtzeitig vorhanden sein. Silimm, sehr schlimm! Sicherem Vernehmen nach ist unter demVorfitz deS Herrn». Eynern schon eine freie nationale Konnisfion zusammengetreten zur gründlichen Berathung der �kagr, wie der Wiederkehr einer solchen, daS Wohl deS Reiches gefährdenden und die Lovalität untergrabenden Kalamität vor» gebeugt werden könne. ES ist ein Elrafverfahren gegen„Unbekannt" eröffnet, und zahlreiche Kiebitze find unter Androhung von Zeugnißzwang vernommen worden. Die Vermuthung, daß die Eierleger von den„Polen , Weifen oder Franzosen " zur sträflichen Arbeitseinstellung veranlaßt seien, hat fich nicht bestätigt; die Kiebitzt erkiärm einfach, daß fie bei so schlechtem Wetter durch eine force majeure verhindert seien, ihren nationalen Tribut rechtzeitig einzuliefem. Nach dieser Fest. stellung wird die Kommisfion fich daran machen, ein Ausnahme» gesetz gegen die antinationalen Witterungen zu entwerfen. Man verkennt nicht die Schwierigletten diese» neuen Kultur- kampfes gegen da» Wetter, aber man hofft doch mindestens eben so vrele Erfolge damit zu erzielen, wie mit dem anti. katholischen und dem antipolnischen Kulturkampf- Da da» Weitermachen nicht zur Kompetenz deS Reiches gehört, so wird der Eynern'schcn Gesetzentwurf im preußischen Landtage einge. bracht werden, und zwar am 1. April. Ei« interessante» Naturschauspiel ward gestern auf dem Kanal zwischen Spandau und der Plötzenste er Schleuse beobachtet. Hier sowie auf der Havel und dem Tegeler See , woselbst das EiS in diesem Winter eine Stärke von 18 Zoll erreicht hatte, war dai Eis noch nicht fortgethaut, sondern stellenweis noch in ziemlicher Stärke vorhanden. Gestern Vor« mittag setzte fich nun plötzlich eine riestge Eisfläche in Bewegung und trieb nach der vavel zu, zum nicht geringen Schrecken der hier lagernden Schiffer, die ihre Fahrzeuge gefährdet sahen. Erst nach und nach brach die Eisflache auseinander und trieb in größeren Schollen die Havel hinunter. Vermißt wird die Jnspektorifrau I. Grützmacher auS Niederlage bei Briefen in der Mark. Dieselbe hielt fich seit Dezember d. IS. hier auf, um fich einer Kur zu unterziehen. Dieselbe wohnte in Charlottenburg , Berliner straße 135 bei Hölcke. Ende voriger Woche soll der behandelnde Arzt erklärt haben, daß er von einer in Ausficht genommenen Operation abstehen müsse, weil die Dame fie nicht aushalten würde. Frau Grützmacher schrieb dies ihrem Gatten und theille ihm mit, daß fie am Montag nach Hause kommen wolle. Sie ver. ließ auch am 29. v. M. um 5 Uhr Nachmittags die Wohnung in Charlottenburg in Begleitung ihrer 13jähttgen Nichte Elsa N., um nach Hause zu fahren. DaS Gepäck, auS einem Koffer mit Mesfingbeschlägen, einem braunen Reisekorb und einer roth» ledernen Tasche bestehend, ließ fie fich von einem zufällig vor» beifahrenden Äehlwagen tranSpottiren. Sie wollte den Abend« zug um 8 Uhr denutzen, ist aber in ihrer Heimath nicht einge» troffen, sondern spurlos verschwunden. Frau Grützmacher ist eine große, elegante Figur, etwaS stark, Ende der 30er Jahre, hat dunkelbraunes Haar und trug ein braunkarrirteS Kleid und braunen Regenmantel. Die 13jährige Nichte ist brünett, hat ein blaffeS Geficht und auffallend große Augen. Mittherlungen über den Verbleib beider Personen wolle man bei dem nächsten Polizeibureau machen....... Tat fünfundzwanzigjährige SeschäftsjubtlSnnr de« Herrn Friedrich Schulze, der die Mitglieder des deutschm Reichstages und der preußischen Parlamente mit leiblicher Nahrung versorgt, vereinigte vorgestern Abend eine Gesellschaft von über 200 Personen in den geschliffenen Räumen d«S Leip. ziger Gartens. Die Feier des Abend» wurde wesentlich erhöht durch Vorträge, die in liebenswürdiger Weise von den zahl- reich erschienenen Künstlern cxelutirt wurden..Fraulein Hoff. mann und Herr Biderti von der Oper, Fräulein Christine Kaiser, eine sehr begabte Violinvirtuofin auS Frankfuit a. M-, ernteten für ihre brillanten Leistungen reichen Beifall. Stür> mische Heiterkeit rief dai beliebte Komikcrkleeblatt vom Wallner» Theater, die Herren Blenk«, Meißner und Burwig, hervor. Selbstredind wurde auch getanzt, und die Sterne waren wohl schon verblichen, alS die letzten Gäste ihrem Heim zueilten. Zwei anscheinend goldene Halskette«, eine filberne Broch», ein goldenes Medaillon und ein goldener Uhrdeckel wurden in Papierhüllen auf dem Grundstück Fehrbellrnerstr. 15 gefunden. Muthmaßlich rühren diesk Sachen aus einem Dieb- stahl her. Dieselben könnm bei dem Kriminalkommiffariat, Zimmer Nr. 15, bestchtigt werden....._. .. Zahlreiche Anzeige« von Metall-Diebstählen find bei der Kriminalpolizei eingegangen. So wurden in der Nacht zum 31. v. M. einem Gclbgi-ßecmeister in der Alexanderstraße 5 Barren Kupfer und 10 Ballen Mesfing im Gesammtwerthe von zirka 80 Mark aus seiner im Hose im«eller belegenen Werkstatt mittels gewaltsamen Einbruch« entwendet. Gerichts-Zeitrntg. gericht des Landgerichts n das D Zivilprozeß des Kaufmann» Glasersteln in Bernau gegen ihren Vater, den Halddauern Hübner in Wannwitz, wissentlich falsch geschworen zu haben. Am 30. Mai v. I laufte die Ange« klagte bei dem Kaufmann Glaserstein einen Umhang für 21 M. Der Vater lehnte aber die Verantwoitlichleit für daS Geschäft und die Zahlung ab und stellte der Behauptung des Kauf- mannS gegenüber in Abrede, seiner Tochter oder dem Kauf- mann einen Auftrog gegeben zu haben. Luise Hüdner deschwor nun auch, allein und ohne W ffen ihres Vaters zu Gl. bin- gegangen zu sein, der ihr den Umbang„aufgeschwatzt" hätte. Dieser Eid soll, wie die Anklage behauptet, ein wissentlicher Meineid gewesen sein.— Die fiebenstündige Verhandtungent» rollte ein unerquickliches Bild. Ein gewaltiger Apparat von Be- und Entlastungszeugen war in Bewegung gesetzt worden. Aussage stellte fich gegen Aussage, Eid gegen Eid. Eine umfangreiche Beweisaufnahme suchte klarzustellen, ob die beiden Hübner, Vater und Tochter, gemeinschaftlich in Bernau oder auf dem Rückwege von Bernau gesehen worden wären. Der Vertheidiger Rechtsanwalt Wolfgram bemängelte die Glaub- würdigleit der Zeugen oder die Eicherhett ihrer Aussagen, suchte nachzuweisen, daß persönliche Feindschaft und Machma» tionen gegen die Angeklagte und ihren Vater im Spiele seien und bezweifelt, daß ein s« geringes Objekt, 21 M., zum Ver- brechen deS Meineids verleiten konnte.— Der Wahrspruch der Geschworenen lautet« auf Freisprechung der Angeklagten. Moderne Sklaverei, lautete die Ueberschrift eines Ar« tikel« deS„Deutschen Tageblatts" vom 24. Juni v. I., in welchem die Lage der streikenden Arbeiter der Erdmannsdorfer Spinnerei zum Nachthcil der Leiter der Aktien-Gesellschaft ge» schildert wurde. Unter anderem find die Löhne der Weber als zum Verhungern bezeichnet und die Abzüge für Zuspätkommen und Lieferung mangelhafter Arbeit in scharfer Weise gegeißelt. Es ist behauptet, daß auS den bezüglichen Beträgen Remune» rationen für die Oberbeamten entnommen worden find. Trotz» dem da«„D. Tgdl." eine ihm von dritter Seite eingebrachte Berichtigung der behaupteten Thatsachen aufgenommen, streng- ten die Mrektoren der Attiengesellschatt Nagel und Meier dennoch eine Privattlage gegen den»» rantwortlichen Redatteur deS genannten Blattes, Dr. Friedrich Pfannkuch an. Derselbe behauptete, daß ihm der inkrimtnttte Artikel von Herrn Dettweiler zugesandt sei und daß er denselben im besten Glauben an die Richtigkeit der behaupteten Thatsachen aufgenommen habe. Auch sei dieS lediglich in Wahrnehmung der berechtigten Tendenz seines Blatte», welches für die unterdrückten Arbeiter eintritt(Wer lacht da? Red), geschehen. Der als Zeuge ge. ladene Dettweiler verweigerte seine Aussage. Der Gerichtshof fand in dem Artikel schwere, beleidigende Vorwürfe gegen die Privatkläger, für welche der Beklagte als Mittheiler haftbar sei. Nun würde demselben zweifellos der§ 193 deS Str. G-B. zu Gute gekommen sein, wenn nicht aus der Form, insonderheit aus der Ueberschrift, auf die Adficht, zu beleidigen, geschloffen werden müffe. Al« erheblich strafmildernd sei die freiwillige Aufnahme der Berichtigung erachtet und deshalb nur auf 75 M. eventl. 15 Tage Gefängniß erkannt worden. Zugleich wmde den Klägern die Publikationsbefugniß im„Hirschb. Boten" zugesprochen. Eine Anklage wegen fahrlässsger Tödtung und fahr» lässtge« Körperverletzung mtt Uederttetung der BemfSpflicht von allgemeinerem Jntereffe gelangte gestern gegen den Droguen« Händler Kelch und drei Angestellte deffelben vor der ersten Strafkammer hiefigen Landgerichts I zur Verhandlung. Der Anklage lag ein schwerer Unglücksfall zu Grunde, der zwei Menschenleben gefordert und eine längere Krankheit von drei Personen durch Vergiftung herbeigeführt hat. In dem Droguengeschäft de« Angeklagten nämlich stand unter den ätherischen Oelen eine Flasche mit Nitrodenzöl, im gewöhnlichen Leben Mirbanöl genannt, welches zur Fabrikation von Mandel. seife und auch als Rohmaterial für die Darstellung des Ani> lin» verwendet wird. Die Angestellten deS Geschäfts hatten die Unsttte eingeführt, ihren Branntwein mit irgend einem ätherischen Oele zu vermischen, und bei einer solchen Gelegenheit kam dem Kutscher I. die Flasche mit Mirbanöl in die Hand, auS der er verschiedene Tropfen in den Branntwein goß. Von den 5 Arbeitern, die von diesem Gemisch getrunken haben, starb einer am nämlichen Tage, ein zweiter nach mehreren Tagen langer Krankheit, während die drei Anderen nur erkrankten und wieder genasen. Nach dem Gutachten deS Dr. Bischof gehört Mirbanöl zu den Giften, für welche in der bezüglichen Polizeiverordnung ein ficherer AusbewahrungSort vorgeschrieben ist. Die Außerachtiaffung dieser Vorschrift erachtete der Gerichtshof für eine Fahrläsfigkeit, durch welche der traurige Aulgang Herbeigeführt worden ist; er erachtete aber nur den Kelch hier für verantwortlich und verurtheilte deshalb denselben zu 14 Tagen Gefängniß, wäh- rend er die übrigen Angeklagten freisprach. UmzugSfreuden. BeklagenSwettheS LooS„möblirler Herr" zu sein! Der Beduine in der Wüste kann nicht schlimmer daran sein; er schlägt sein Zelt auf, wo eS ihm paßt und bricht e» ab, wenn es ihm nicht mehr gefällt. Aber der Nomade der Groß» stadt, der„möblirte Herr" zieht herum mit seinen Habseligkeiten, sofern er welche befitzt und sucht nach einem Orte, wo er sein müde« Haupt niederlegen kann, nach einer Wohnuno, die einiger» maßen seinen bescheidenen Wünschen entspricht. Man kann ge» trost sagen, daß eS überhaupt keine möblirte Wohnung gtebt, die allen Anforderungen genügt. Bald ist daS Zimmer zu groß, bald ist es zu klein, bald liegt eS zu hoch, bald zu ent« fernt, im Sommer trifft eS die Mittagssonne, im Winter scheint die Bestimmung seines OfenS nur die zu sein, einen kühlen Zimmer- schmuck abzugeben: bald kann man zu ihm nur gelangen, wenn man daS Heiligthum der Familie, daS Schlafzimmer, durch. wandert hat, bald ist man den neugierigen Augen der lieben Nachbarschaft ausgesetzt; bald, um daS schlimmste zuletzt zu sagen, ist die Wirthin zu hübsch, bald zu häßlich. Eine alte erprobte Studentmregel empfiehlt nach drei Dingen besonders bei der Wahl eines möblirten Zimmer« zu sehen, nach dem locus, jocus und focus. Nun, daS erste Erforderniß ist ja er- füllt, soweit Berlin kanalistrt ist. Aber daS„Vergnügen" und die„Heizung", die liegen noch sehr im Argen.-- Glücklich der Mann, der eine möblirte Wohnung gefunden hat, die ihm gefällt. Er wird fie hüten wie einen Schatz! Einer dieser Glücklichen war der Kaufmann F. Er wohnte seit längerer Zell bei Frau H. und eS gefiel ihm so gut bei seiner Witthin, daß er fich entschloß, ihr treu zu bleiben und mtt ihr umzuziehen, alS fie die Woh- nung wechseln mußte. Er sollte auch gar keine Unannehmlich- leiten Huben. Frau H. versprach, alle seine Sachen in die neue Wohnung schaffen zu laffen, ohne daß er einen Finger zu rühren brauche. Der UmzugStag kam, eS war der 2. April vorigen JahreS- Ali vorfichtiger Mann fand fich Herr F. erst um 10 Uhr Abend« in seiner neuen Heimstätte ein. Die sah noch sehr ungemüthlich au»; die Möbel hatten noch nicht den richtigen Platz gefunden; der Schrank stand schief, der Tisch wackelte, ein Stuhl, der verschämt in der Ecke stand, besaß nur noch drei Beine. Ohne Btlderschmuck waren die tapezier- ten Wände, dagegen verrieth ein breiter Fettfleck, wo früher daS Sopha gewesen und wo die früheren Bewohner ge. jeffen und gelehnt hatten. Durch die gardinenlosen Fenster aber sah der Mond wie in eine Ruin« hinein.—„Nun daS läßt fich nicht vermeiden", dachte der junge Kaufmann philosophisch und zündete die Lampe an, deren Zylinder gesprungen und deren Glocke ein großeS Loch aufwies.„ES wird schon besser werden I" Er zog die Stiefel auS und suchte nach den Pan« toffeln. Aber diese gestickte, an den Hacken niedergetretene be» queme Fußbekleidung befand fich noch im Koffer. Wo war aber dieser Koffer? ES waren nur zwei vorhanden und gerade im dritten steckte daS Gesuchte. Herr F. suchte, er sah in den Ecken nach, er kroch unter dai Bett, er kletterte auf einen Stuhl, um auf den Schrank zu blicken: er schaute sogar hinter dem Ofen nach, trotzdem eS sehr unwahrscheinlich mar, daß der Koffer in der Zwischenzeit so abgemagert wäre, um in dem schmalen Zwischenraum Platz finden zu können. Der Keffer war nicht da. Schließlich tröstete fich Herr F. mit der Hoff» nung, daß der Verschwundene unter den Sachen der Wirthin geblieben sei und daß er am nächsten Morgen gefunden werden würde. Aber auch diese Hoffnung war trügerisch. ES wurde alleS umgekehrt, doch der Koffer, der„doch keine Steck» nadel war," wie Frau F. sehr richtig bemerkte, war und blieb verschwunden- Und gerade dieser Koffer hatte wetthvollen Inhalt; 436 Mark betrug der Verlust. ES blieb nichts übrig als anzunehmen, daß er beim Umzug gestohlen war. Den Geldverlust hätte Herr F. noch verschmerzt, aber im Koffer befanden fich seine Papiere und heutzutage gebraucht man Legitimationen an allen Enden. Er lief zur Polizei und da erfuhr er, daß von den Männern, die den Umzug ausgc« führt hatten, zwei über ein sehr stattliche» Register von Vor» strafen verfügten. Bei der Haussuchung wurde aber nichts ge» funden. Der unentdeckte Dieb war jedoch so anständig, Henn F. einige Tage später, sorgfältig in eine alte Zeitung einge« hüllt, seine Legitimationspapiere durch einen Dienstmann zuzu» stellen. Vor der zwette» Strafkammer de« hiefigen Königlichen Landgerichts fand gestern die Angelegenheit insofem ihren Ab« schluß, alt der eine der beiden verdächtigen„Umzugsmänner" der Kellner A. wegen Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. An den vorjährigen Osterumzug wird Herr F. wohl eine Zeitlang gedacht haben und denken. Hoffentlich wohnt er trotzdem noch immer bei Frau H. Soziales Arkeitervewegung. Etwas vom vier. Die modeme WirthfchaftSweise hat zur Grundlage die Produktion auf großer Stufenleiter. In je größerem Umfange fich die Konzentration der Produktionsmittel vollzieht, jemehr die Fortschritte der maschinellen Technik daS ökonomische Getriebe umwälzen, desto schärfer prägt fich daS Entwicklungsgesetz deS Kapitalismus aus, daS da lautet: Sieg des Großbetriebs über den Klein» betrieb. Mitleidslos vernichtet die heutige Entwickelung Taufende und Abertausende aus den Schichten des Klein» bürgerthumi und de» sogenannten Mittelstandes, stößt fie hinab in die Reihen der defitzlosen Arbeiter, die ihre Arbeitskrast unk» nur ihre Arbeitskraft aus den Markt bringen, unbarmherzia geht der eherne Schritt der neuen Zeit über daS Kleinkapital zur Tagesordnung über, die fich unS darstellt alS prägnanteste Gegenüberstellung einer kleinen, immer mehr fich verengernden Gruppe immer reicher werdender Rtesenkapitalrsten, und einer von Tag zu Tag zu immer gewaltigeren Dimensionen anschwellenden breiten Maffe des Proletariats. Auch in der Biererzeugung hat fich diese Thatsache geltend ge« macht. Vor unS liegt eine Ueberstcht über den Betriebsum« fang der Bierbrauereien im ReichSsteuergebiet. Denselben kann man an der Höhe der Brausteuern, die von den ver» schiedenen EtabliffementS entrichtet werden, leicht ermessen. ES zeigt nun die folgende Ueberstcht, daß mit wahrhast natur» gesetzlicher Beständigkett die Zahl der kleinen und mittelgroßen Betriebe von Jahr zu Jahr in weichender, dle Ziffer der Großbetriebe dagegen in steigender Tendenz fich bewegt. Be» trachten wir den Zeitraum von 1872 bis 1883/84, so finden wir. daß im Jahre 1872 an Brausteuer biS 15 M entrichteten 3110 Betriebe, 1573: 2969, 1874: 2682, 1875: 2577, 1876; 2599, 1877-78: 2396, 1878- 79: 2226, 1879-80: 2263, 1880-81: 2289, 1881-82; 2083, 1882-83: 1955, 1883-84: 1948. Wie man steht, ist, abgesehen von einigen kleinen Schwankungen, eine konstante Abnahme dieser Zweigbrauereien zu verzeichnen. Gerade so ist ei bei den Brauereien, die über 15 bis 60 M. Lrausteuer zahlen. Die Ziffer derselben fiel von 1971 im Jahre 1872 auf 1300 im Jrhre 1876, 1114 in 1880 bis 1881 und betrug 1883—84 nur noch 1004, ein ganz kolossaler Rückgang! Dieselbe Erscheinung lrbei fden Bettieben, die 60 bi» 300 R steuern. 1872 gab eS 3642, 1876 nur noch 2810, 1883-84 bloS 2353 Produktionsstätten dieser Art. Daffelbe Lied bei den Bettieben mit über 300 biS 600 M.! Man urthelle selbst: 1872: 1701 Betriebe 1875: 1581 1880-81: 1507 1883-84: 1398„ Auch bei dem eigentlichen Mittelbetrieb mit 600 biS 1500 Mark Brausteuer zeigt fich dieser Rückgang. Im Jahre 1872 gab(«1896, 1876: 1656, 1879- 80: 1606, 1881-84 nur noch 1769 dieser Unternehmungen- Wie anders stellt fich daS Ver- hältniß bei den eigentlichen Großbetrieben! Die Kategorie: über 1600 bis 6000 M. entwickelte fich folgendermaßen: 1872- 1441 Betriebe 1873: 1571„ 1875; 1665 1880-81: 1582„ 1883- 84: 1609„ Diese erste, dem Range nach am tiefsten stehende Gruppe der Großunternehmungen vermehrt fich, aber in geringer Pro» gresston. ES deutet dieS darauf hin, daß ihnen allmültg die Aufsaugung durch die ganz gloßkapilalistilchm Betriede bevorsteht. Die Brauercien mit 6000—15 000 M. Brausteuer stiegen von 271 im Jahre 1872 auf 371 im Jahre 1875 und betrugen 1883—1884 bereits 403. DaS zeigt klipp und klar die Neigung deS Kapitalismus, die Produttion auf großer Stufenleiter zum allgemein gilligen Typus der gesellschaftlichen Arbeit zu erheben. Den glänzenden Abschluß bildet die letzte Kategorie mit über 15000 Mark Brausteuer. Da haben wtt 1872: 125 Betriebe 1875: 197„ 1883- 84: 219 Diese Zahlen find ein vortreffliches Spiegelbild für die witthschaftliche Entwicklungsgeschichte unsere» Zeitalters. Auch in der Bereitung deS edlen Gerstensaftes schlägt ein großer Kapitalist zehn kleine todt. Und daS von Rechtswegen, d. h. als Vorbedingung für die rationellere Regelung der ProduttionS» weise. Die Rheder schreien«ach Staatthilfe. Von der Nordsee wird eine Agitation für Reichssubvention der Rhederei gemelvet. Die Rheder verlangen einen Zuschuß von 50 Pf. pro Registerton für je 1000 Seemeilen Fahrt. Schiffseigner haben früher viel Geld verdient und herrlich und in Freuden gelebt, oder Schätze auf Schätze gehäuft. Jetzt gehen die Ge« schäfte schlecht und fie verdienen nicht so viel, als fie noch ihren Begriffen verdienen müssen. Sie haben gesehen, daß man der Landwitthschaft, der Industrie durch Zölle auf Koste« deS konsumirendm Volkes beigesprungen ist, ergo haben auch fie daS Recht, Subvention vom Siaat zu fordern. DaS ist komisch und bezeichnend zugleich. Komisch, weil früher und auch jetzt noch da» Geschrei groß war und ist, wenn der Ar« beiter zur Hebung seiner Lage Staatsttedit beansprucht. Der Staat dürfe in die Produktion nicht eingreifen, dürfe die wirthschaftliche Freiheit des Einzelnen nicht antasten, hieß eS damals und heißt eS noch heute. Bezeichnend ist das Besch- ei» weil man für fich daS fordert, und noch mehr, waS man bei Jenen als unzulässtg, kulturfeindlich bezeichnet. Das heißt mit andern Worten: der Staat ist nur für die Reichen da, nicht aber für die Armen. Die Eteuergroschen des wertthätigcn Volkes sollen zur Unterstützung der Reichen verwendet werde« dürfen, nicht aber umgelehrt. daS ist die Logik der Rheder, welche ihre Matrosen mit 50—60 M. Monatsheuer ablohnen. Wieder einmal ei« Mcisterwort. Zum Obermeister der Bauinnung in Bautzen kommt ein Maurergeselle und bittet flehentlich um eine kleine Lohnerhöhung, da er bei den tn Bautzen üblichen Hungellöhnen mit seinen fünf Kindern nicht bestehen kann. Er erhält eine abweisende Antwort, die der
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