Gewährsmann der„Nat.-Zta." vergönnt, einen Blick in seinen Koffer werfen zu können, wahrend Joe Dixon, der gewiegteste Detektive deS Westens, ihn untersuchte. Was da zum Vor« schein kam, würde hingereicht haben, die ganze Gesellschaft von Chikago und St. LouiS von oberst zu unterst zu kehren. Er unterhielt mindestens immer zwei Dutzend Liebschaften auf einmal. Da fanden fich Epistel von so überströmendem Inhalts mit vollem Namen'und beigefügter Photographie— galt er doch als blaublütig und daS will bei amerikanischen Ladies etwaS bedeuten— Briefe, die Zusammenkünfte anbe« räumten, in denen von der Seligkeit vergangener Stunden ge« sprechen wurde, Briefe von Alt und Jung, ohne Unterschied der Nationalität, des Standes, der Religion der Schreiberinnen. Wir Wenigen, die damals diese erschütternden Geheimntffe gc» wahr wurden, überantworteten die Manuskripte dem Jeuer. Nur ein Bogen Papier wurde aufbewahrt, ja er spielte fernerhin eine große Rolle in mehreren Prozeffen und warf ein ganz neues Licht auf den Pelden"; der hohe Bogen trug die Ueber- schrist:„Eigenthümlichkeiten der Handschrift von Fräulein Eteinecke"(die von ihm ermordete Dame, deren Testament zu Seinen Gunsten er später produzirte) und dann vor« die 24 Buchlaben deL Alphabets aufgeführt, zuerst die großen, dann die kleinen in 48 aufeinanderfolgenden Zeilen je ein Buchstade und in von oben nach unten durchgehenden Rubriken hieß eS dann: » im Anfang des Wortes und dann war ein Wort geschrieben, daS mit a anfing; darauf a in der Mitte deS Wortes— a am Ende deS Wortes. Und er traf diese Eigenthümlichkeiten so vorzüglich, daß er in der That mit dem gefälschten Testament selbst die Echreidkundigen täuschte.— AuS Amerika hören wir inzwischen, daß I. P. G Smith„seines Postens" von dem New Uorker Syndikat enthoben ist. Und eS scheint fast, als ob man ihn in der That, ohne ihn zu verfolgen, laufen laffen wird. Todt für Wie«; wieder auferstanden in Berlin . Ueber diesen merkwürdigen Fall berichtet daS„N. W. Tgbl." folgendes: Vor ungefähr drei Monaten verschwand der Magistrat- Osfizial August Strohmayer und sprach in einem zurückgelaffeven Schreiben die Adstcht auS, in den Wellen der Donau den Tod zu suchen. Strohmayer, welcher bei der Ver- wattung deS städttschen Versorgungthausei im neunten Bezirke in Verwendung stand, war erst wenige Monate vorher zum Offizial befördert worden und er hatte bald nach dieser Be» förderung die Tochter eine« bekannten Wiener GemeinderatheS und HauSbefitzerS als Gattin heimgeführt, deren ansehnliche Morgengabe ihn in die Lage versetzte, an die Zahlung seiner durch ein äußerst flott geführtes Leben entstan« standenen, nicht unerheblichen Schulden zu gehen. Strohmayer bezog nun mit seiner jungen Frau seine neue, vom Schwiegervater auf das eleganteste eingerichtete Amtswohnung, welche ihm im städtischen Versorgungihause zu- gewiesen war. Und nichts schien daS Glück deS jungen Eye- faareS zu trüben. Da verbreitete fich mit einem Male die lachricht, Strohmayer habe seine junge Gattin verlaffen, sei seil einigen Tagen spurlos versch»unden und habe in einem zurückgelaffenen Schreiben die Abficht ausgesprochen, fich zu tödlen; als Ursache galt, daß Strohmayer Defraudationen begangen und die Folgen einer vorauSstchtlichen Disziplinar« Untersuchung zu fürchten habe. Thatsache war. daß Stroh- mayer wohl einige schwere Buchungsfehler begangen, daß er große Beträge viel später(wahrscheinlich erst nach der Hochzeit) verbucht hatte, als sie behoben worden waren. Die Kassen aber wurden vollkommen in Ordnung vorgefunden. Man kann fich die Verzweiflung der armen, jungen Frau denken, welche durch die erschütternde Begebenheit schon wenige Wochen nach ihrer Vermählung all' ihr LebenSalück vernichtet sah. Alle Nach« forschungen nach ihrem Gatten blieben vergeblich und auch die von der Polizeidirektion erlassene Kundmachung, welche dem Ausfinder der Leiche StrohmeyerS eine Belohnung von 50 Gulden zusicherte, blieb ohne Resultat. Nun wurde Strohmayer's Stelle anderwettig besetzt und die un> glückliche junge Frau mußte dem Nachfolger ihres Gatten im Amte die Wohnung räumen, welche fie erst vor fünf Wochen so glücklich und froh bezogen hatte. Zwar tauchten hier und da Zweifel über den Tod Strohmayer'S auf, namentlich dadurch hervorgerufen, daß SKohmayer fich vor seinem Verschwinden mit 2 Taschenuhren und einem größeren Geldbeträge versehen hatte; aber wie dem auch war, Stroh- mayer blieb verschollen und Frau Strohmayer lehrte in daS Hau» ihreS durch daS Unglück setner Tochter schwer gebeugten VaterS zurück. Seither find ungefähr drei Monate verflossen, da erhielt Frau Strohmayer ein Schreiben aui Berlin — eS war von der Hand ihres todtgeglaubten Gatten. Zur selben Zeit erhielt auch der Bauunternehmer A. in Währing , ein Freund Strohmayer'S, von diesem ein Schreiben, in welchem derselbe mittheitt, daß er fich in Berlin befinde, wo er zwei Monate krank im Spital gelegen habe; er habe wohl die Ab« ficht gehabt, fich zu tödten, sei aber noch im letzten Augenblicke, schon am Donau- Ufer, von einem Bekannten— dessen Namen er begreiflicherweise verschweigt— von seinem Vorhaben ab- gebracht worden. In Deutschland wolle er nun ein neue» Leben deginnen und fich hier eine Stellung gründen. Als Grund seiner Flucht gab er an, er bade nicht den Muth gehabt, fich den Seinen zu entdecken. Frau Strohmoyer hat den Brief ihreS Gatten, der fie in so rückfichtSloser Weise ver- lassen hat, damit beantwortet, daß fie durch ihren RechtSfreund die Scheidungsklage eindringen ließ. �«__ Strafgefangene und Schlächter bei Unfall-verfiche- rnng. Das Reichs- Verficherungsamt hat in einer seiner letzten Sitzungen folgenden Beschluß gefaßt:„Strafgefangene, mögen fie inner- oder außerhalb der Gefangenenanstalt, in staatlichen oder privaten Betrieben beschäftigt werden, find als Arbeiter im Sinne des Unfall-VeifichcrungS-GesetzeS nicht anzusehen, mithin nicht verficherungSpflichtig." Weiter hat daS Veisiche- rungSamt eine vom Vorstände der„Nahrungsmittel- Industrie- Genossenschaft" ausgehende Beflimmuna über den Umfang der VerfichenrngSpflichtigkeit der Schlächtereien als zu weit gehend redresfirt. Die Frage ist für daS Schlächtergewerde von großem Interesse, und liegt wie folgt: Besagter Vorstand hatte destimmt, daß als unfallverficherungkpflichttae Betriebe zu er- achten seien: a) alle Schlächtereien in Städten, in welchen Schlachthauizwang besteht; d) in Städten, in welchen ein solcher Zwang nicht befieht, diejenigen Schlächter, welche regel- mäßig im Schlachthause schlachten; c) ohne die erwähnte Rückficht aller Schlächter, welche Großviehbetriebe mit ihren Schlächtereien verbinden, endlich ck) alle Schweinemetzgeretcn ohne Unterschied. Auf die Anfrage vieler Verwaltungsbehör- den, od diese Forderungen gesetzlich degründet seien, hat nun daS Verficherungtamt mit nein erwidert: Zu a und d sei zu bemerken, daß ein Schlächtereibetrieb, wenn und insoweit der- selbe in einem Schlachthause mit Motoren oder mit mindesten? Arbeitern erfolgt, verficherungSpflichtig sei. Zur Vermei- dung von Mißverständnissen müsse aber bewerft werden, daß der außerhalb deS Schlachthauses fich vollziehende Handwerks- maßige Theil des SchlächtereibetriebcS von der Verstcherung». Pflicht, gleit deS SchlachtyauSbetriebeS an fich nicht mit erfaßt werde. Abgesehen von den dem vorstehenden nach verficht- rungs- und anmeldungSpfiichtigen SchlachthauSschlächtereien seien zu c und d alle übrigen Schlächtereidetriebe alsdann ver- sicherungSpflichttg, wenn fie sich al«„Fabril"'Betriebe dar- stellen, insbesondere wenn fie mit Motoren oder mit mindestens 10 Arbeitern betrieben werden. Sine lang ersehnte Vorlage, bestimmt, schweren Uebel« ständen abzuhelfen, hat endlich die Stufen der Vorberathuna überschritten und geht jetzt den Stadtverordneten zu. ES ist daS Regulativ sür die Untersuchung deS von außerhalb nach Berlin eingeführten frischen Fleisches. Wir theilen auS der Vorlage heute die wichtigsten Sätze mit. DaS UntersuchungS- wesen wird dem Kuratorium deS städtischen Zenftal- Viehhofes unterstellt. Dasselbe führt die Oderaufficht über die eingerichteten Untersuchungsstationen und die angestellten Sachverständigen und versieht dieselben vorbehattlich der Anordnungen deS Magistrats mtt Anweisungen und Instruktionen. Die Unter- suchung erfolgt in desonderen Untersuchungsstationen, welche mtt den vom Magistrat hierzu bestellten Sach- verständigen besetzt werden. Untersuchungtstationen wer- den in der erforderlichen Zahl dem Verkehre ent- sprechend auf oder nahe bei denjenigen Bahnhöfen, auf welchen regelmäßig frische? Fleisch eingeführt wird, sowie an geeigneten Orten innerhalb deS Weichbildes der Stadt, unter besonderer Berückstchtigung der städtischen Markthallen errichtet. Die Untersuchung deS eingeführten frischen FleischS erfolgt durch die Thierärzte und, soweit eS fich um Schweine handelt, außerdem durch die Probenehmer und die Fleischbe« schauer, welche die mikroskopisch« Untersuchung.durchzuführen haben. So weit für eine Bahn eine Untersuchungsstation auf oder bei dem Bahnhofe eingerichtet ist, muß daS auf dieser Bahn eingeführte frische Fleisch, welches im Gemeindebezirke der Stadt Berlin feilgeboten werden soll, unmittelbar nach Eintreffen deS BahnzugeS in diese Untersuchungsstation ge« bracht werden. Im Uebrigen find diejenigen Peisonen, welche frische! Fleisch einführen, in der Wahl der UntersuchungS- statton unbeschränkt. ES folgen dann Bestimmungen über die Zurichtung deS Fleisches. Danach ist u. a. durch Beschönigung der OrtSpoltzeibehörde oder eines approbtrten ThierarzteS oder eines geprüften Fleischschau-Beamten oder durch Stempel oder Plombe eines unter öffentticher Kontrole stehenden Schlachthofes nachzuweisen, daß da« zur Untersuchung vorgelegte Fleisch von einem Thiere herrührt, welches vor der Schlachtung einer Besichtigung unterzogen und hierbei als mit erkennbaren KrankheitSzeichen dehaftet nicht befunden werden ist. Die Gebühr für die Untersuchung bleibt für jedeS Stück Fleisch, gleichgiltig, welche Größe dasselbe hat, dieselbe wie für daS ungetheilte Thier. Dieselbe wird für jedeS abgesonderte Stück Fleisch besonders berechnet und macht ei hierbei keinen Unterschied, ob die verschiedenen Stücke von einem und dem- selben oder mehreren Thieren herrühren. Die Gebühr wird nach einem Gebühnntanf erhoben. Der letztere wird so fest- gestellt werden, daß die Einnahmen an UntersuchungSgcdühren die Ausgaben der städtischen Verwaltung für die Durchführung der Untersuchung decken. Ueber den Selbstmordversuch eine« Unbekannte« wird berichtet: Heute früh kW nach 5 Uhr machte ein unde- kannter, etwa 40 Jahre alter Mann, dessen rechtes Bein ge- lähmt ist, an der Warschauerstraße den Versuch, fich daS Leben zu nehmen, indem er fich mit einem Revolver zwei Schüsse in den Kopf beibrachte. Im besinnungslosen Zustande wurde der- selbe in daS städtische Krankenhaus Friedrichshain gebracht. Seine Persönlichkeit konnte nicht festgestellt werden. Die Gatteumördert« Kran Marunge und deren Sohn Albert haben, der„StaatSb. Ztg." zufolge, gegen daS über fie gesprochene TodeSurthetl das Rechtsmittel der Reviston ein« gelegt. Polizei-Bericht. Am 2. d. M. Abends erlitt der Ar- bester Hitzen bei einem Fall auf dem Bürgelsteig vor dem Hause Jnvalidenstraße 28 einen Bruch de« linken Unterschenkels und mußt« mtttelst Droschke zur Charitee gebracht werden. — Am 3. d. M. Nachmittags versucht« ein Mann in seinem Geschästikeller in der Bernauerstraße in selbstmörderischer Ad- ficht fich zuerst mit einem Hammer den Schädel zu zertrümmern durchschnit fich dann die PulSader an der linken Hand und brachte fich endlich mit einem sogenannten Stechbeutel mehrere Stiche in die Brust bei. Er wurde noch lebend in daS Lazarus- Krankenhaus gebracht; an seiner Wiederherstellung wird aber gezweiselt.— Zu derselben Zeit schoß fich ein unbekannter, etwa 40 Jahre alter Mann auf der Wiese an der Warschauer« straße auS einem Revolver zwei Kugeln in den Kopf, wurde aber noch lebend mittelst Droschke nach dem städttschen Kranken- hause im FttedrichShain gebracht.— Am 4. d. M. Abends wurde ein obdachloser Mann in der Brüderstraße bewußtlos und anscheinend schwer krank vorgefunden und mittelst Krankenwagen? nach der Eharttee gebracht. Berliner Asyl-Veretn für Obdachlose. Im verflossenen Monat Mär, nächtigten im Männer. Asyl 9300 Personen, da- von badeten 1887 Personen, im Frau-n-Asyl 1607 Personen. davon badeten 141 Personen. Der Vorstand macht darauf aufmerksam, daß derselbe einen Arbeitsnachweis eingerichtet bat und bittet dringend, von Vakanzen jeder Art. männliche Ar- beiter betreffend, dem HauSvater des Männer-Asyl», Büsching- straße 4, weibliche Arbetter betreffend, der Hausmutter des Frauen-AsylS, Füfilterstr. 5, Kenntniß zu geben, damit eine Zusendung der qualifizirten Personen unverzüglich erfolgen kann. Gerichts-Zeiwng. t Bodendtebstähle. Die ZeitungStragertn Frau K. stand gestern vor der dritten Strafkammer deS Landgerichts unter der Anklage, im November und Dezember vorigen JahreS zu verschiedenen Malen Wäschediebstähle ausgeführt zu haben. Sie hatte, wie fie selber eingestand, fich beim ZeitungSauStragen in die Bodenräume der Häuser eingeschlichen und die Kammern mittelst Nachschlüssel geöffnet. Die gestohlenen Wäschestücke hatte fie dann versetzt. AIS fie unter Angabe eines falschen NamenS die Pfandscheine noch einmal sür 2 Mark versetzen wollte, war fie dem Pfandleiher verdächtig vorgekommen und dieS hatte zu ihrer Ermittelung geführt. Frau K., die Wittwe ist. entschuldigte ihre That mtt der großen Roth, in der fie fich zu dieser Zeit mit ihren Kindern befunden hätte. In anbetracht ihrer Vorstrafen— Frau K- ist bereits einige Male wegen Diebstahl« bestraft worden— beantragte der Staatsanwalt 3 Jahre Zuchthaus. Der Gerichtshof hielt 2 Jahr 6 Monate Gefängniß und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 2 Jahre für genügend. t Et« Nachspiel zu dem Streik der Klavierarbeiter von Klingmann, Köpnickerstr. 175, im vorigen Jahre war die An- klage, die gestern vor dem hiefigen königlichen Schöffengerichte gegen den Klavierardeiter Herrn Fr. Zubett verhandelt wurde. Am Sonntag, den 18. Ottober 1885, Vormittags, fand in GratweilS Bierhallen»ine Klavierarbeiterversammlung statt, in der das Resultat deS Streiks— bekanntlich ein für die Ar- beiter ungünstiges— besprochen wurde. Hierbei soll der Refe« rent der Versammlung, Herr Zubeil, den Arbeiter Petttck durch die Drohung, er müsse öffentlich genannt werden, zu bestimmen versucht haben, an Verabredungen zum Behuse der Erlangung gemacht worden. In der Verhandlung wurde festgestellt, daß »er Streik am 18. Oktober bereits beendet war. Auch erklärte Herr Petrick, daß er fich durch die Worte deS Henn Zubeil nicht beleidigt gefühft habe. Der StaatSanwaft beantragte, für da« Vergehen eine„exemplarische" Strafe und glaubte, eine zweimonatliche Gefängnißstrafe befürworten zu müssen. Der Herr Polizeilteutenant aber hatte seine Notizen verloren. Auf Grund dieser Thatsachen wurde Herr Zubeil freige- s p r o ch e n._ Vereine nnd Uersamminngen. irfc. Der Verein zur Wahrung der Interessen der Berliner Maurer hielt am 31. v. M. in der„Urania ", Wrangelstraße 9/10, eine gut besuchte Versammlung ab, in welcher der Maurer Herr Baakcr auS Hamburg einen beifällig aufgenommenen Vortrag über„Die Bestrebungen der Fach- vereine" hielt. Dem Vortragenden zufolge muß eS die Aufgabe der Fachoereine sein, durch geeignete belehrende Vorträge die Mttglieder auszubilden, fie vor ungerechten Maßregelungen der fie oeschäfligenden Unternehmer zu schützen und in den Stand zu setzen, von dem ihnen gesetzlich zustehenden Koali« tionSrecht zur Besserung ihrer wirthschaftlichen Lage und Re« gelung der Lohnverhällniffe, sowie sonstiger Arbeitsbedingungen den rechten Gebrauch zu machen und dadurch zu bewirken, daß die Arbeiterklasse, welche ali zahlreichste aller Klaffen der Gr« sellschaft die eigentliche Stütze deS Staates bilde, kräftig und gesund erhalten bleibe. In der animirten Diikusston ermahnte Herr RegierungSbaumeister Keßler unter Hinweis auf den unter den derzeitigen Produttionsoerhältnissen fich immer mehr ver- schärfenden Jntereffenkampf zwischen Kapital und Arbeit die Arbetter zur Einigkeit. Herr Trautmann aui Görlitz detonte die immer weiter fich über ganz Deutschland fich erftteckenden Organisationen der Unternehmer, denen gegenüber die Ardeiter, wenn fie nicht gleichfalls fest organifirt zusammenstehen, ver« loren sein müßten und ihre berechtigten Forderungen niemals durchsetzen und aufrecht halten konnten. Um bei Streiks den Zuzug fern halten zu können, müsse man Alle? aufbieten, daß in allen noch ohne eine Maurerorganisation gebliebenen Städten eine solche geschaffen werde. Den Schluß der Ver« Handlungen bildeten innere Vereinsangelegenheiten. tb. Eine öffentliche Versammlung von Kauflenten tagte am Sonntag Nachmittag unter Vorsttz deS Herrn Gutt- mann Rosenthalerstr. 11—12. Herr Hinze referirte über:„Die Nothlage innerhalb deS Berufes der Angestellten der Kolo« nial- und Matettalwaaren- Branche, deren Ursachen und welche Mittel find geeignet, denselben abzuhelfen?" Die Versammlung nahm einstimmig folgende zwei Resolutionen an: 1. Die versammelten Handlungsgehilfen der Kolonial- und Material» waaren-Branche beschließen in Anbetracht dessen, daß der größte Thett der Handlungsgehilfen von der Wohlthat der Krankenverficherung keinen Gebrauch gemacht, die Stadtverord« neten- Versammlung aufzufordern, dahin zu wirken, daß der Zwang der Krankenverficherung auch auf die Handlungsgehilfen ausgedehnt werden möge.— 2. Die heute versammelten Hand« lungSgehilfen beschließen in Anbetracht der alleS Maß über- steigenden Roth in diesem Stande, den hohen Reichstag (X. Kommisfion sür Aenderung der Gewerbeordnung) aufzu» fordern, nach folgenden GefichtSpunkten bei Festsetzung deS Ar« bettSoerhältnisseS der Angestellten im Handelsgewerbe zu den Pttnzipalen zu verfahren: a. Die im Handelsbuche vorge« schrievene Kündigungtsrist bleibt als Minimalgrenze bestehen. Andere Abmachungen mit Ausnahme einer vierwöchentlichen Probe, ett find unstatthaft, d. Die Lehrzeit darf die Dauer von 3 Jahren nicht übersteigen, c. Die Arbeitszeit der Ange- stellten im Handelsgewerbe unter 18 Jahren darf die Dauer von 8 Stunden täglich, exkl. der Pausen nicht übersteigen. ä. Die Arbeitszeit der Angestellten im HandclSgewerbe über 18 Jahre darf die Dauer von 10 Stunden taglich, exll. der Pausen nicht übersteigen, e. Die Arbeitszeit darf nicht vor 8 Morgens deginnen und nicht über 8 Uhr Abends resp. 1 Uhr Mittags an Sonntagen ausgedehnt werden. Nur bei Durch« führung dieser Forderungen kann einigermaßen der in der HandlungSgehilfenschaft durch übermäßig ausgedehnte Arbeits« zeit und gedrückte Löhne hervorgerufenen Roth gesteuert werden. * Dte öffentliche Generalversammlung der Maurer, welche am Sonntag, den 4. April, im großen Saale der Tivoli« Brauerei unter Vorfitz der Herren Grothmann und Pfeiffer tagte, beschäftigte sich mit folg-nder Tagesordnung: 1. Berichterstattung über den Kongreß der deutschen Maurer. 2. Rege« lung der Lohnfrage. 3. Verschiedenes.— Herr Grothmann legte in kurzen Worten klar, wie fich die Verhandlungen des Kongresses gestattet haben. Im Anfange der Verhandlungen sei eS ein wenig scharf hergegangen. Man versuchte eS. den Berliner Kollegen Vorhattungen über den vorjährigen Streik zu machen, welcher aber nachher von allen D-legrrtm als ge« rechtfertigt anerkannt wurde. Herr Wilke führte an, daß er etwas später wie seine Kollegen auf dem Kongreß erschienen sei, weil er noch für den„Bauhandwerker" thätig sein mußte. Redner theilte ferner mit, daß dem Kongreß 19 Städte angemeldet wurden, in denen Streiks auszubrechen drohen. Die Kollegen in Werder hätten jedoch ihre diesbezügliche Meldung wieder zurückgezogen. In einigen anderen Städten denken dte Kollegen ohne Streik ihr Ziel zu erreichen, was ihnen ja auch zu wünschen sei. Herr Krüger überbrachte zunächst den Gruß der Dresdener Kollegen und sprach dann im Sinne der Vorredner. Herr Keßler führte an, daß nach den Kongreßbeschlüssen alles beim Alten bliebe, und unterzog dann die Innung und den von der Innung zusammen- gewürfetten GesellenauSscduß in Hannover einer Kritik, meinte aber, daß daS bisher„zünftige" Hannooer endlich einmal zur Einficht kommen wird. Redner führt« an, daß Hannooer nur 50-60 ein- heimische Maurer zahlt, von denen fich die Innung, die Ausschuß- Mitglieder selbst ausgesucht habe. Auch dort droht ein Ausstand und zwar wegen der halbstündigen Vesperpause, welche von allen Seiten als gerechtfertigt anerkannt wurde. Redner theilte noch mit, daß ihm die Regelung der Wander-UnterstützungS« Kassen übertragen sei. Betreffs der Akkordarbeit ging der Kongreß, weil die Zeit zu weit vorgerückt war, zur Tages« ordnung über- Herr Keßler ermahnte dte Versammlung am Schlüsse seiner Ausführungen zur Einigkeit. Herr Scheel sprach fich über die Beschlüsse deS Kongresses ebenfalls aus und führte an, daß die Kontrol-Kommiffion jetzt den Namen: AgitationS-Kommisston führen soll. An der Diskussion be- thelligten fich noch die Herren Schmidt und Welse, worauf Herr Pfeiffer den Antrag stellte, den 2. Puntt der Tagesordnung in der nächsten Generalversammlung als 1. Punkt zu erledigen. Dieser Antrag wurde angenommen. Nachdem noch einige Redner gesprochen hatten, wurde folgende Resolution ange« nommen:„Die heutige General- Versammlung der Maurer Berlins und Umgegend erklärt fich mit den Ausführungen der Delegirten, sowie sämmtlicher Redner einverstanden und be» schließt, voll und ganz nach deren Ausführungen zu handeln." Zu„Verschiedenes" stellte Herr Pulch den Antrag, jede General- Versammlung im„Berliner Vollsblatt" bekannt zu machen, waS auch beschlossen wurde. Herr Pfeiffer theitte mit» daß die Baugeschäftsinhader und Maurermeister eine Versamm« lung abgehalten hätten, in welcher 146 Personen anwesend waren. Dieselben haben ihre Kommisfion be« auftragt, so schnell wie möglich mit der Gesellen« Kommisfion zu verhandeln. Herr Meister Rawitsch bätte in der Versammlung den Vorschlag gemacht, für alle Maurer Arbeitsbücher einzuführen, sei aber deshalb ausgelacht worden. Von verschiedenen Rednern wurde dieser Vorschlag noch einer scharfen Kritik unterzogen. Herr Plath sprach noch seinen Dank auS für die Unterstützung und forderte seine Landileute auf, fich fest zu organistren. Zum Schluß forderte auch Hett Grothmann auf, dem Fachverein beizutreten. Mit einem Hoch auf daS Gedeihen der diesjährigen Bewegung schloß alSdann der Vorfitzende um 12'/« Uhr die von über 2000 Maurern besuchte Versammlung. t ktne Kommunalwähler- Versammlung für den Norden und Osten Berlins tagte am Sonntag in der Brauerei Bötzow, Prenzlauer Allee, unter Vorfitz deS Herrn Schmwt, um die WohnungSftage und die glückliche Lösung derselben durch den Stadtverordneten Hoffmann Ii ,u besprechen, der s.Z. die famose Behauptung aufstellte, daß eine schöne und gesunde Arbetterwohnung 100-120 M. jährlich koste. Der Herr Stadt« verordnete und Rechtsanwalt war zu dieser Versammlung ein« geladen worden, hatte es aber vorgezogen, nicht zu erscheinen und sein Wegbleiben durch folgendes„liebenswürdige" Schreiben zu entschuldigen:„Berlin , LandSbergerstr. 32, 1., den 3. April 1886. Sehr geehrter Herr(Schmidt)! Indem ich Ihnen zunächst meinen Dank dafür au! spreche, daß Sie mir, wie Sie sagen, in meinem Interesse, eine Einladung zu der auf morgen, Sonntag Vor» mittag lOUhr anberaumten Wählerversammlung übersandt haben»
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