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Nr. 8a.
Sonntag, den 11. April 1886$
m. Jahrg.
crlintrDollistilnll Lrgan für die Intercffen der Ardeiler.
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Der Gladstiilr'sche Umschlllz. Wir habe» nie zu den Verehrer» des lieberale« eng« lischen Staatsmannes gehört, der jetzt an der Spitze der britischen Regierung steht; abgesehen von seinen Manchester « lichea Anschauungen waren es schon seine Muckereien, die auf uns abstoßend wirken mußten. Seine Sozialpolitik in Bezug auf die arbeitenden Klassen konnte uns au» dem ein« fachen Grunde nicht anziehen, weil Herr Gladstone keine sozialpolitischen Ideen hat, welche sich auf die von der Arbeiter« welt ditkutirte« gesellschaftlichen Probleme beziehe«. Aber Ems müssen diesem Staatsmann auch feine Feinde lassen: am Abend seines Lebens und am Ende einer langen poli« tischen Laufbahn zeigt er eine» Muth und eine Ent- schlossenheit, wie sie von den neueren englischen Staats« männern keiner aufweise» kann. Wir meinen sein Verhal- te« in der irischen Frage. Gladstone ist offenbar zu der Erkenntniß gekomme», daß die irische Frage ein Pfahl im Fleische des britische» StaatSkörperS ist, der eine tödtliche Krankheit in diesem StaatSköiper hervorrufe» kann, wenn nicht kräftige Heil« mittel angewendet werde». Und so schlägt er denn vor, «achzugeben und die Hauptforderung der Zrländer als be- rechtigt anzuerkennen. Er will der grüne» Insel eine eigene, selb st ständige parlamentarische und legislative Vertretung gewähren. Das ist viel gewagt in diesem England, dessen Aristo« kratie und Bourgeoisie sich seit so langer Zeit in den Ge« danke» hineingelebt habe«, daS
«iß Irlands zu England fei ein unveränderliche« und müsse es auch bleiben i» alle Zukunft. Dies Vorurtheil ist in der englische» Geschichte durch Jahrhunderte immer gleich geblieben. Liberale und konservative Regierunge» thaten gegenüber Irland genau dasselbe und da» weiland republi- kanssche Regiment CromwellS desgleiche»; sie betrachtete» Irland als eine Kriegsbeute, mit der sie nach Beliebe» um« zuipringe« sich erlaubten. Die wiederholten Befreiung»« versuche der Zrländer, die alle mißlangen, dienten immer nur dazu, das Kriegsrecht von Neuem über die unglückliche Insel zu verhängen, die einmal da» Unglück hatte, sich i» der unmittelbaren Nachbarschaft England» zu befinden. De« irische« Grundbesitzer» wurde einfach ihr Eigenthum ge- «ommen und an englische LordS verschenkt; Tausend« von Ire« müssen heute als Pächter oder Tagelöhner ein elende» Dasei» führen, auf demselben Grund und Boden, der ihren Ahnen gehört hat. I» London aber sitzen die LordS, welche die Grundrente au» de» ihnen geschenkten Ländereie« ziehen, und freue« sich, daß e» heute noch hochweffe Nationalökonome giebt, die Jeuiileton. Der Trödler. Roma» vo» A. E. Brachvogel. (Fortsetzung) „Hat der Wilhelm mewer Tochter'»«» Antrag gemacht? Hat sie ih» angenommen?" „Rein, noch nicht.— Sie al» Vater aber »Na, wir wollen sie fragen!" Justus öffnete, sehr vo« seiner vorherigen Bewegung abweichend, die Hinterthür. „Mathilde! Mutter! kommt doch einmal'rein!" Beide erschienen und waren nicht wenig über den Besuch erstaunt. Mathilde» schoß da» Blut i« die Wange». „Pinkert» kommen zu un» auf die Freie, der Wilhelm möchte Dich«ämlich zur Frau, Mathilde 1" „Er liebt Sie, Herzthildche«, nur wagt er sich'» nicht zu sage»! Sie sollen'« auch recht gut bei un» haben, meine Tochter! Na, wa« meinen Sie?"— „Herr Pinkert, ich bedank' mich recht schön für die �hfe, aber ich kann Ihre» Sohn nicht nehmen. Sie find %!"**»* Vater immer sonst Feind gewesen, und ich kann nicht dafür, aber als Kinder habe» wir un« schon nie letden können. Ich kann nicht. Werd' auch wohl nie Herrathen!« „Ach, Mamsell Mathilde!" rief Wilhelm, und die Thränen rollten ihm herab „Heh, nicht wahr? Aber de» Edmund hätte die Jungfer gern gemocht?!" grinste der Alte. .Hinau», Halunke 1" schrie Justus und ergriff eine alte Gardinenstange.„Ehe mein Kind Seinen Sohn heirathet, «eber soll sie gar nicht Heirathen! Schimpf wagt Er mir »och zu biete»? I Daß Ihr Schufte seid, weiß ich! Habt'S an wir bewiesen. Macht, daß Ihr hinauSzeht, oder ich v.r- «eß mrch. der Gott I" „Schlagt doch! Ich habe Zeugen!" schrie der Alte und nß hastig die Thür auf.
Haarklei««achweisen, daß genaugenommen eine Grundrente gar nicht existirt. Da» irische Volk kam unter dem englischen Terroris- muS ins äußerste Elend und Hunderttausende verließe« die Heimath, um sich anderwärts niederzulassen. Aber die auf Unabhängkeit gerichteten Bestrebungen konnte« nicht unter« drückt werden; sie traten in dieser oder jener Form immer wieder zu Tage. Herr Gladstone mag eingesehen aben, daß diese Bestrebungen, die auf einem guten 'echt beruhe», nicht mehr zu besettige» sind,«ach- dem alle Gewaltmittel erschöpft sind. Darum tritt er mit dem Vorschlage auf, Irland ei» eigene» Parlament zu ge- gewähre», das über die innere« Angelegenheiten de» Lande» berathen und beschließen soll. Die Form de» Vorschlages entspricht freilich dem Glad« stone'schen Wesen, jener Abneigung der herrschende« Klassen vor dem allgemeinen Wahlrecht. Darum solle» die Ab« geordneten de» neuen irischen Parlament« in Klassen einge« theilt werden und über da» Wahlsystem äußert sich Herr Gladstone vorsichtiger Weise noch nicht. Aber im Ganzen ist doch der Gladstone'sche Vor» schlag dasselbe, wa» eist das Ziel der stürmischen und auf« regende» Repeal-Agitation des Ire« O' C o n« e l war, jene» ManeS mit der gewaltigen Beredsamkeit, die daS britische Reich erschütterte. Welch eine Erregung mag unter de» Anhängern de» Althergebrachten sein, da sie den lei« tenden Staatsmann die Bahnen O' Coanels beschreite» sehen I E« war so schön, von brttischer Freiheit zu rede», von de» Rechten de» Staatsbürger» und vo» dem groß« müthigen englische» Löwe», während man Irland unter« drückte und aussog, wie e» die Römer in ihren schlimmste» Zette» mit de« eroberten Provinzen machte». Ob Gladstone mit seinem Vorschlag durchdringe» wird? Einstweile» wendet sich die ganze englische Presse mit Aus- schluß seine« eigenen Organ» gegen ihn, und e« scheint, al» ob er alle» auf eine Karte gesetzt habe und mit seinem Vorschlag stehe» oder falle» wolle. Man muß sich darauf gefaßt mache», daß sich die herrschenden Klasse» England« i« B!zug auf die irische Frage jeder bessere» Einsicht verschließe». Jedenfalls stehen in England interessante Dinge bevor u«d«a« kann gespannt sei», wie sich die irische Frage nun cstaltet, ob Irland selbfiständiger wird, oder ob auch Glad« one vo» dem Schlund dieser Frage verschlunge» wird.
Uolitische Ueberstcht. Kirchenpolitik. Die„Äteujjlg." schreibt:
....„Wie neuerdtn
wir au» sicherer Quelle erfahren, hat die" Kurie. sich dereit erklärt, die Anzeigepflicht ohne Rückhalt jetzt zu de» „Um Gottes willen, Justu» I" rief Christine und faßte ihre» Man». „I», alle Welt soll'S wisse«, daß st« der Edmund sitze» ließ! Ihr sollt an de« Rothkopf denke«!"— E» wäre, außer tobendem Geschrei, vielleicht«och zu dem Aerasten gekommen, hätte der stupide, über sein U»« glück erschrockene Wilhelm nicht noch so viel Kraft besessen, de« Vater«ach der Thür zu schieben und, ih« fest unter den Arm nehmend, de» Rückzug anzutrete», während Mathilde und Christine alle Hände voll zu thun hatte», de» Trödler zu beruhige«. Dazu trug aber wesentlich da« Erscheinen einiger Käufer bei, welche Justu» beftiedige« mußte, und während Mathilde sich zurückzog, um ihrer Scham wie ihrem Kummer über diesen neuen uuangehme« Fall nachzuhängen, fand der Vater Zeit, seine Ruhe wieder zu gewinnen. Al» der Lade»«un leer geworden, sprach sich Schätzlein mit de» Seinen über die Angelegenheit näher au». Zum Glück waren die Pinkert» in der Nachbarschaft nicht sonderlich beliebt, aber e« war auch zu gewiß, daß der alte, gemeine Haß de» Posamentiers vo» Neuem autbrechen würde, nachdem er sich fett geraumer Zeit in die Hoffnung gelullt hatte, Wilhelm kö»»e die begüterte Trödlerstochter heimführen. Daß der Alte nun nicht» sparen«erde, de« Ruf MathildenS zu untergrabe«, war Grund genug zur Bekümmerniß für die Betheiligten. Während sie»och da- rüberlsprache«, erschie» Oswald, der Lakai Henning»'. „Die Frau Baronin läßt sage«: Herr Echätzlei» solle sogleich zu ihr kommen I" „Was läßt sie sage«? Wer läßt'was sage«? Sag' Er der guten Dame, wenn sie was will, hat sie sehr schön zu bitte», ob e« mir gefällig ist, zu komme», und zu frage«, wann mir'» gefällig ist. Verstanden?" Der Bediente stutzte. Dann zuckte er mitleidig die Achseln und ging höchst selbstbewußt hinau«. „Sie hat gewiß de« Lärm gehört, Justus. Da» giebt wieder neue» Aerger. "— „Ach, ich soll wohl auf alle» Viere« gleich hinauf- kriechen? Nicht» da! Hab' mir bald gedacht, ich würde mit dem aufgeblasenen Pack da oben zusammenreiten. Pah, je eher, desto besser. Wenigsten« wissen wir da»», woran wir sind."
willigen, nachdem der Fürst Bismarck die Erklärung abgegeben habe, daß ohne eine solche Konzesston die kirchenpolitische Vor» tage von beiden Häusern des Landtages abgelehnt werden würde. Die Kurie setzt dabei voraus, daß die Staatsregierung die Erklärung abgeben werde, daß sie demnächst eine Revision
.___________________ kirchenpolitischen Vorlage und damit die Herstellung de» Friedens ge» sichert. Da» Lied vom Staatsstreich wird jetzt überall in der osfiziösen Press« mit wachsender Dreistigkeit gepsiffen, und zwar nicht etwa nur in Preußen- auch in den Kleinstaaten machen die offiziösen Blätter und Blättchm die neue Mode mit. AuS dem Ovenwalde schreibt man dem„Neuen Hess. Volksblatt": Der in Groß Umstadt erscheinende„Odenwälver Bote", da» „amtliche KceiSdlatt für den Kreis Dieburg", ergeht sich an» läßlich einer Besprechung des 71. Gebunstages deS Fürsten Bismarck in heftigen Ausfällen gegen die extremen Patteten, alS welche„ZenuumSpartei, Deutschfreistnniae, Sozialdemo- krattn, Elsäffer, Dänen und Polen " ohne Weiteres in einen Topf geworfen»erden. Schließlich versteigt sich das ge- nannte lreiiamtliche Organ wörtlich zu folgender Leistung: „Mögen«S fich vre oppofitionSwüthigen Herren im Reichstag wohl überlegen, wenn sie die Verantwortung auf sich nehmen sollen, daß der Reichstag eine» schönen Tage», ähnlich wie der selige Bundestag, kalstrt wird und die einzelnen LandeSregie- rungen und LandeSoertretungen an seine Stelle treten." ES ist w der That weit gekommen, daß die Regierungspreffe in solcher Weise über die höchste Vertretung der deutschen Nation zu schreiben fich unterstehen darf, für den gegenwärtig wehen- den Wind erscheint e« aber ungemein charakteristisch und mahnt da» Volk, auf setner Hut zu sein! Zweierlei Maß. DaS„Berl. Tagebl." schreibt in großer Seelenruhe:„ES wäre gar nicht zu verwundern, wenn etneS Tage» die Decazeoiller Arbeiter genug von den Agitatoren hänen. und, müde de» Zuwarten», namentlich wenn, was über kurz oder lang unausbleiblich est, die Streikfonds nicht mehr so reichlich fließen, den Hetzern da« Schicksal eine» Watrin bereiteten."— Wenn wir nun jemals schrieben: e» würde uns gar nicht verwundern, wenn man diesen oder jenen Fabrikanten eineS Tages da« Lebenslicht ausbliese— welches Wuthgeheul würde die gesammte gefin- «ungStüchtige Presse anstimmen! {�„««1* fni�,?tnb.e Bemerkungen. DaS Bürgelthum hat det, und nur jetzt, wo die Massen des Volkes bereUS gegen die bürgerlichen Interessen handeln, da ist ihm die Ruhe— und wenn«S die Ruhe de» Kirchhofes wäre— die erste Bür- gerpfltcht. Dagegen schreibt das ultramontane Aachener„Echo" sehr richtig:„Fa, hätte der Pöbel nur Klöster verbrannt. Nach einer Weile erschien Oswald wieder und sagte spöttisch:„Die Gnädige läßt Herrn Schätzlein zu sich bitten, sie hat mit ihm im Aufttage ihres Schwiegersohnes zu sprechen." „Wen»'« eilig ist, werd' ich jetzt komme«.— Seht Ihr, die Frau wird artiger. Ich will doch sehen, wa« sie hat, und verlaßt Euch drauf, sie soll nicht noch einmal Appettt kriege», u«S wie ihr Bedienteupack zu be- handeln."— Damit zog et de« HauSrock aus, fuhr i» ei» besseres Kleidungsstück und trat feinen Weg an. Die Baronin nebst Tochter hatten schon nach der Vir» lobung, al» sie da» Hau « besichtigten, die Trödlerei höchst mißfällig bemerkt, doch schien Edmund die betreffende Er« wähnung nicht weiter zu beachte». Die vornehmen Dame» hatte» daher beschlossen,«ach der Hochzett bei passender Gelegenheit diese Unzierde de« Hauses auszumerzen. Jetzt glaubte die alte Baronin einen geeigneten Zeitpunkt hierzu gefunden zu habe«. Der Trödler erschien vor ihr mit einer kurzen Ver- beugung. Die alte Baronin, im Fauteuil am Fenster ruhend, nickte ttocke». „Sie wolle» mich sprechen, Frau Baronin?" „Ja, mein Lieber. Während der Abweseuheit meine» Schwiegersohnes bin ich vo» ihm für alle Dispositionen, welche»öthig werde«, bevollmächtigt. Ich habe soeben hier am Fenster de» pöbelhaften Exzeß anhöre« müssen, de« Sie veranlaßt haben l Ferner, mein Guter, benützea Sie nicht blo« die Ihnen angewiesene» MiethSräume, sondern auch eine» Theil de» TrottoirS , um Ihre Lappalien aus- zustelle«. Da« unterbleibt fortan, sonst werden Sie sich «ach anderen Lokalitäten umsehe» müssen." „Hm!— Sie spaßen doch wohl blo»? Was?— Oder sollte» Sie zu vornehm sei», zu wisse«, daß jeder Kaufmann seine Waare ausstrlle» muß, will er sie lo» werden? Ich wohne schon an die achwndzwanzig Jahre im Hause, da werd' ich wohl nicht heute erst anzavge», fein zu werden. Haben Sie sonst nicht» Nöthigere», so kann ich wohl abkommen." „Unverschämter!— In welcher Manier erlaube« Sie