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nicht erfüllen. Wenn der Abg. von Minnigerode erklärte, er wolle weder gegen die Regierung noch gegen irgend eine Partei sprechen, so hat er das leider in Bezug auf den Reichs» tag nicht gehalten. Er sagte, der Zweck der Interpellation sei auch- der, an den Reichstag zu appelliren; eS sei für ihn vielleicht eine Frage der Selbsterhaltung(sehr richtig! rechts), wie er sich bei der Behandlung der nächsten Steuervorlage ver> halten werde. Soll das eine leere Drohung sein? Ich halte es nicht für angemessen, dieses Verfahren fortzusetzen, daß wir in solchem Ton zu der Reichsveriretung sprechen. Soll es nur andeuten, daß der Reichstag   aufgelöst wird, wenn er nicht Ordre parirt, dann wäre ei eine überflüsstge Redewendung von der Kategorie derjenigen, welche jetzt in der konservativen Presse laut werden, wo man sich nicht scheut, mit Staats- streich und Bruch der Berfaffung, also geradezu mit Ver- brechen zu drohen. Ich habe die feste Zuverficht, daß zu einem solchen Verbrechen und es wäre eins der schwersten fich Niemand finden wird, daß Niemand wagen wird, die uner» schütterlichen Vcrhäliniffe unserer deutschen Reichsoer- faffung und daS Fundament der deutschen Einheit in verbrechelischer Weise zu berühren.(Lebhafter Beifall links, Zischen rechts.)
Snitf
A
Abg. Graf Könitz: Eine sympathische Antwort hatten ht erwartet vom Herrn Minister Lucius, aber wir waren
wir nicht vtwuvu» vwm vt'"'«/UtlU», uuei u,n ivuim nicht darauf gefaßt, daß dieselbe so kühl ausfallen würde, wie das geschehen ist. Er detrachtet die landwirthschaftliche KrifiS als etwas Vorübergehendes. Wir find der Meinung, daß wir ohne gesetzgeberische Maßnahmen nicht aus derselben heraus- kommen werden. Ich habe die Statistik über die Einfuhr von Wolle und die Ausfuhr von Wollwaaren sorgfältig geprüft und gefunden, daß die Wolleinfuhr von 80 Millionen Mark iu medrig und der Werth der ausgeführten Wollwaaren um 20 pCt. so hoch veranschlagt ist. Die Einwendungen gegen den Wollzoll find durchaus unbegründet und die Rückficht auf die Woll ndustrirllen unnöthig. Der Zolltarif ist eine Kuh. die noch immer mehr gemolken werden kann. Um 4 Uhr wird die wettere Berathung vertagt bi» Dienstag 11 Uhr. Außerdem soll die Vorlage, betreffend den Zollanschluß von Altona  , verhandelt werden.
Lokale».
w. Von der drosektirten Gewerbe-Ausstellung. Der Provisorische Lokalausschuß sür die im Jahre 1888 in Berlin  zu veranstaltende deutsch  -nationale Gewerbe- Ausstellung ver- sammette fich auf eine Einladung am Sonnabend Abend im MagistratSfltzungssaale. Den Vorfitz führte Herr Oberdüraer« meister v. Forckenbeck. Erschienen waren 45 Mitglieder. Den wichtigsten Gegenstand der Berathung bildete die Auswahl des TerrarnS für die Ausstellung. Mit Stimmeneinheit wurde hierfür der Treptower Park bestimmt. Von demselben können ca. 500000 Quadratmeter zu AuSstellungszweckcn hergegeben werden, waS mehr als erforderlich ist. Die Beförderungsmittel zur Erreichung der Ausstellung zu Waffer und zu Lande find genügend gegeben in dem Vorhandensein von Eisenbahn  , Pferdebahn, Schifffahrt ,c. Privatim wurde noch mehrfach der Gedanke laut, daß eventuell diese Beförderungsmittel noch vermehrt werden könnten, durch die Anlage einer elektrischen Bahn jensetts des LanbwehrtanalS am Kottbuser Thor dem Ufer entlang. Freilich ist diesem Beschluffe nur ein provisori- scher Charakter beizumessen» denn schließlich haben die städtischen Behörden zu bestimmen. Sodann wurde ebenfalls mit Stimmeneinheit dem Herrn Oberbürgermeister übertragen, einen geschäftiführenden Ausschuß zur Durchführung des AuSstellungs» Projektes zu ernennen. Zum Schluß wurden die Herren Oder- bürgermeister v. Forckenbeck, Stadtverordnetm- Vorsteher Büchte- mann und der Präfident der Aeltesten der Berliner   Kaufmann- schast Geh. Kommernenrath Mendelssohn gewählt behufS Kooptation des Lokal-Ausschuffes. Et« partieller Streik ist gestern in der Reichsdruckerei zum Ausbruch gekommen. Siebzehn Punltirer. welche in dem genannten Institut durchschnittlich schon 10 Jahre beschäftigt gewesen find, haben wl« demBerl. Tagebl." mitgetheilt wird die Arbeit eingestellt, weil ste eS, nachdem sie mit 8 M. angefangen, trotz der langen Dienstzeit nicht über einen Wochen« verdienst von 15 M. bringen konnten(!), während andere An« gestellte von vornherein schon mit 18 M. eingestellt worden find. In der Reichsdruckerei arbeiten tnSgesammt etwa 150 Punklirer, und die Streiker erwarten, daß der größte Theil von den noch Arbeitenden, wenn nicht alle, sich moraen ebenfalls dem Streik anschließen werden. 8 Marl   Wochenlohn für einen erwachsenen Arbeiter in einem Reichsinstitut, welches über so kolossale Mittel verfügt, da« läßt allerdings tief blicken. Feine" Lente stehlen anch! Aufsehen erregt in der Dorotheenstraße die vorgrstem erfolgte Entlarvung einer Diebe« familie. In einem Hause der Dorotheenstraße wohnen nur respestable und seßhafte Miether. Der Wirth ist 76 Jahre alt, er erbte daS Hau» von seinem Vater und hat daffelbe ununter- krochen bewohnt. Ein Theil der Miether wohnt schon 20 Jahre und darüber im Hause, der jüngste seit vier I hrcn. ES ist dies ein junger Eisenbahnbeamter, der vor 4 Jahren heirathete und am Hochzeitstage in da» HauS zog. Seine Frau hatte zwar kein Vermögen, aber doch eine sebr gute Ausstattung. Man kann fich den Verdruß der jungen Frau denken, als ste vor länger als Jahresfrist die Bemerkung machte, daß ein Stück um daS andere von der sauber mit Name und Nummer gestickten Ausstattungswäsche auf räthselhaftr Weise verschwand. Umsonst wurde bei der großen Wäsche jedeS Stück registrirt, bei der Wäsche stimmte die Zahl und doch zeigten fich ge- legentliche Mankos. Am 1. April d. I. fehlten insgesammt 27 Handtücher, mehrere Bezüge, eine Anzahl Tafeltücher, Bettlaken zc. DaS war dem jungen Paar doch zu bunt, die Fortdauer dieses Verhältnisses mußte die ganze Ausstattung schließlich verschlingen. AlS der Beamte die letzte Miethe be- zahlte, machte er dem Wirthe Mitthcilung. Dieser war außer stw, in seinem Hause war noch nie gestohlen worden, er glaubte nicht an die Thatsache. Schon um seiner Ehre willen mußte jetzt der Beamte Klarheit schaffen, und es gelang ihm. Er fand(frerlich nur für seine Person glaubwürdige) Beweise, daß die seit 8 Jahren in demselben Hause wohnende Familie eines Katafierbeamten S. einzelne ihm abhanden gekommene Wäsche- stücke benutzte. Mit vieler Mühe, ober in aller Stille, setzte er eine unvermuthete Haussuchung auf dem momentan von Frau S- benutzten Trockenboden durch. Hier fand der recherchircnde Kriminalbeamte eine Anzahl Schürzen und Hand tücher, auS denen Name und Nummer getrennt war und die von der Frau deS bestohlenen Beamten mit Sicherheit als ihr Eigenthum rekognoszirt wurden. Frau S, die nicht wissen wollte, wie die fremden Wäschestücke unter die ihrigen gekommen l* V ichsstte unter einem Vorwande ihre erwachsene Tochter Wohnung herab. Der Kriminal-Schutzmann aber war schnell hinterher, dennoch fand er die Wohnung der S. schon verriegelt. Er drohte die Thür einzuschlagen und v L« Deffnung. Da fand er denn, daß die Tochter eben im Begriff war, sämmtlich« gestohlene Wäsche auS der Kommode zu räumen und zu verbrennen. Jetzt kam Frau E. hinzu und gestand, knieend um Gnade bittend, daß ste iämmt htht abhanden aÄlommrne Wäsche auS der verschlossenen Bodew kammer, wo die Bestohlenen die schmutzig« Wäsche aufbewahrten, nach und nach gestohlen hätte. Nach Lage der Sache muß die ganze Familie um diese billige Bereicherung dei eigenen Wäsche« vorrath, gewußt habem Die Familie S. lebt- auf respektablem Fuße, ste hatte einen Theil ihrer Wohnung an feine Chambre- garntsten vermiethet. die älteste Tochter sollte sich binnen Kurzem ??jL? samten verheirathen, die fremde Wäsche war darum IbSja8!} i" brauchen. Jetzt wird der Staatsanwalt einen Strich durch alle Zukunftspläne machen. Herr Dr. Stgl. Redasteur desBayr. Bat.", lobt die
Preußen, aber wie! Man höre:Die Preßfreiheit ist in Gr- ahr! so hallt es auS einem Theil der Blätter, die es an1 geht. Dem Bundesrath ist nämlich von Preußen ein Gesetz- entwarf zugegangen, wonach, wenn vom Gerichtsprästdenten die Oeffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen für gewisse Fälle ausgeschlossen wird, den betheiligten Personen die Geheimhal- tung der Vorgänge, resp. deS Inhalts der Verhandlung aufer- legt werden kann und die Press« darüber keine Berichte brin- gen darf bei Strafe bis zu 1000 M. Und dadurch soll die sZreßfretheit in Gefahr sein! Wir find leider selten oder nie in der Lage, etwas, waS von Preußen kommt, begrüßen zu können; diesen Gesetzentwurf begrüßen wir aber mtt Freu« den. Es wird damit dem Skandal, der von einer gewissen sirt Presse mtt gewissenpikanten Verhandlungen" gemacht wird, ein Ende gemacht werden, ei wird nicht mehr möglich 'ein, unter der Firma GrrichtSsaalbericht die Pestausdünstun« ;en moralischer Sümpfe durch die Presse überall hin zu ver« weiten, um damit Geld zu machen, eS wird verhindert werden, Tag und Nacht das Volk mit literarischen Trebern zu füttern und gewisseOrgane" zu moralischen Schweineställen zu machen, deren eklerDust" durch ga ze Städte und Länder linkt und wobei gewissen Leuten so kannibalisch wohl ist,als wie 500 Säuen." Herr Dr. Sigl hat bekanntlich vor nicht allzu langer Zeit selbst wegen einer höchstpikanten" Sache vor einem Wiener   Gerichtshof gestanden, aus der er gerade nicht sehr sauber hervorging. Daher diese dustige Blumen- spräche! Der Kommandeur des 1. Garde-Regiment« sendet der Post" folgende Erklärung über den auch von uni gemeldeten, überaus traurigen Vorfall auf dem Bornstedrer Felde: Während der Hauptmann von Hoepfner, Ersten Garde- Regiments zu Fuß, beim Exerziren auf dem Bornstedter Felde  am 9. d. M. zu Pferde dicht an seiner Kompagnie hielt und den Grenadier Karschnik anredete, fügte er demselben durch eine zufällige und unbeabfichtigte Bewegung der Hand, in welcher er den Degen hielt, eine Stichverletzung an der Brust zu. Der genannte Offizier wurde erst durch daS blaffe Aussehen des ,c. Karschnik auf daS Vorgefallene aufmerksam, ließ denselben auS dem Gliede treten und dann in ein nahe gelegenes Hau» aelctten, da ihn ein ohnmachtähnlicher Schwächezustand befiel. Von dort aus wurde der Grenadier Karschnik mittelst Wagens in daS RegimcniSlazareth überführt. Die an fich ganz gtrmge Stichwunde ist dennoch nicht ohne Bedeutung, da fie die linke Brustwarze und unter derselben daS Brustfell getroffen hat. Wenn nicht Komplikationen eintreten, ist jedoch Lebensgefahr nicht zu befürchten: Herz und Lunge find unberührt geblieben. Die in einigen Zettungen enthaltenen, von obiger Darstellung abweichenden Angaben find unzutreffend. Namentlich ist der «. Karschnick nicht von seinen Vorgesetzten in einer Weise be- fragt worden, durch welche die Erlangung einer den Vorfall beschönigenden Antwort versucht wurde. Der ganze Vorgang ist vielmehr sofort durch die übereinstimmenden Aussagen aller Anwesenden, auch deS Verwundeten, zweifellos festgestellt worden." Diese Erklärung mag allen möglichen Ansprüchen genügen, Klarheit bringt fi« jedoch keineswegs in die mysteriöse Angelegmheit, im Gegentheil, fie fordert ganz ent« schieden zu einer berechtigten Kritik herau«. Eine Härte in de« königliche« Schulanstalten befleht in der Form, wie daS Schulgetö einbezogen wird. Mit einer peinlichen Strenge wird darauf gehalten, daß Schüler wie Schülerinnen in den ersten Ouartalstagen daS Schuldgeld ab­liefern, geschieht dieS nicht, dann wird ihnen eine Strafe zu- dittirt. Wenn auch in öffentlichen Anstalten eine gewiffe Ord- nung herrschen muß, so ist doch andererseits auch auf die thatsachlichen Verhättniffe Rückficht zu nehmen. Di« meisten unserer Mitbürger haben unter den gegenwärtigen Zeitverhält- niffen alle Mühe und Noch, zunächst sür die Miethe zu sorgen, welche pünktlich gezahlt werden muß, um nicht gefährlichen Eventualitäten, wie Exmisstonen, Klogen u. s. w. ausgesetzt zu sein. Sind nun die schwersten Sorgen bei Privatleuten, bei Geschäftsleuten noch viel mehr, in den ersten drei Tagen de» Quartals glücklich überstanden, dann treten am vierten Tage weinend die Kinder an den Vater heran und verlangen daS Schulgeld, das fie haben müßten, wenn fi« nicht nachbleiben oder nach Hause g« schickt werden sollen. Man stelle fich nun die Angst dt» Vaters und die Verzweiflung der Mutter vor, wenn man beispielsweise vier Kinder und mehr mit dem Schulgelde versehen möchte, eS aber gerade in dieser Zeit nicht kann, wo man Hunderte und darüber um der Seldsterhaltung willen auszugeben gezwungen gewesen ist. Die Schulordnung kennt nur den euren Ausweg, daß man brieflich unter Darlegung von Gründen um Stundung ersucht; es muß also der Familienvorstand, welcher sonst vielleicht in ganz regelmäßigen Verhältnissen lebt und nur durch über- mäßige QuaitaliauSgaben fich in augenblicklicher Verlegenheit befindet, fich eine empfindliche Blöße geben und ffch ein Ar« muthszeugniß ausstellen. Wie schwer solcher Schritt wird, da« kann nur der ermessen, welcher gezwungen wird, ihn zu thun. Es giebt für jene Bestimmung gar keine Entschuldigung, und die Einwendung, daß nur die Eltern, welche daS Schul- geld zahlen können, ihre Kinder in höhere Lehranstalten schicken sollen, ist ebenso her», wie rückfichtSloS. denn es handelt fich lediglich nur um eine HinauSschiedung des Zahlungstermins auf etwa acht bis vierzehn Tage, also um eine rein humane Einrichtung, welche von Tausenden unserer Mitbürger mit Freuden begrüßt werden würde. Früher galt es überall und heute wohl gilt eS noch in der Provinz als ein feststehender Gebrauch, daß da» Schulgeld im Laufe deS ersten Quartal» monalS entrichtet werden soll. Warum soll eine königliche oder eine städtische Anstalt nicht denselben oder einen ähnlichen Modus einführen können? Wir sollten meinen, daß es gar nicht darauf ankommt, ob der Direktor oder Kurator einer An« statt seinen Abschluß 14 Tage früber oder später einreicht. DaS königl. Polizei- Präfldium erläßt folgende Be> kanntmachung:Der Droguist A. Vollmann, hier, Bartels straße Nr. 1* wohnhaft, preist in der TageSpresse ein angeblich gegen die Trunksucht wirksames Mittel an. DaS Fabrikat, welches zufolge chemischer Untersuchung lediglich aus Enzian  wurzel und»«wen Lycopodii(Bärlappsamen) besteht, hat keinerlei spezifische Heilwirkung. Dasselbe wird in Schachteln, welche Pillen enthalten, zum Preise von 10 Mark verkauft, während der wirkliche Werth des Mittels nur 18 Pf. beträgt. DaS Publikum wird daher vor dem Ankauf dieses Trunksucht» mittels gewarnt." Signalist, ter Durchgänger. Nach einer bei der hrestgen Kriminalpolizei telcgraphtsch eingegangenen Nachricht aus Buda- rest ist am 8. d. Mt». ein gewisser Ludwig Freyberger nach Unterschlagung einer Summe von 10000 Gulden von dort flüchtig geworden und wird steckbrieflich verfolgt. Freyberger, welcher deutsch   und wenig ungarisch spricht und elegante Kleidung trägt, ist Israelit  , 28 Jahre alt, mittelgroß und hagerer Statur. Cr hat bräunliches Haar, kleinen Backen- und Schnurrbart, ein auffallend schönes Gestcht und als be sondere Kennzeichen Narben im Genick und zwei kleine Warzen am Kaum hat die vootssatso» begonnen, so beginnen auch schon wieder die leichtstnnigen Streiche auf dem Wasser. Zwei junge, natürlich bereits angeheiterte Menschen ruderten am Sonntag Vormittag in bedenklicher Nähe der Freiarche an der Obcrschleuse des Kanals umher, hörten auf keine War nung vom Ufer aus und geriethen in den bei dem hoben Wasserstande ganz gewaltigen Strudel der Freiarche. Im Nu hatte der Strom den Kabn erfaßt und unter den Schützen der Freiarche festgeklemmt. Den einen Insassen riß der St.om durch die Schützen mit hinweg, der andere war mit dem Halse zwischen Schützen und Kahn festgeklemmt. Helfen konnte hier Niemand, als der Strom den nach Luft Ringenden freimachte und unter den Schützen hindurchsührte. Der erste Insasse war
inzwischen bereits einige hundert Meter unterhalb ans Land geschwommen, der zweite aber konnte nicht schwimmen und rieb hilflos im Strudel. Auf das Geschrei der Umstehenden ämen vier Ruderer im Trabe vom CafS Alfen herbei, einer von ihnen ging biS an den Hals in den Strom hinein, wäh« rend ein zweiter ihm vom Ufer auS die Hand rechte, und so gelang es, den Dahintreibenden zu fassen und an» Ufer zu ziehen. Der fich selbst in Sicherheit gebracht hatte, erhielt von oen empötten Anwohnern noch ein paar tüchtige Ohrfetgen als Denkzettel, da er durchaus wieder ins Waffer wollte, um seinen Hut und den Kahn zu retten, dann trotteten beide baarhäuptig und vor Kälte zitternd der Stadt zu, während der Strurn den festgeklemmten Kahn gründlich demolirte. Leuten, die nicht ganz nüchtern find, sollte kein Bootsverleiher ein Fahr» zeug geben; Szenen, wie die obige, find selbst für den Zu« 'chauer äußerst aufregend. Ein recht bedauerlicher Unglücksfall ereignete fich am Sonntag Nachmittag auf der Pferdedahnlinie Treptow Spittel- markt. Ein junges Mädchen hatte einen Stehplatz auf dem Vorderperron. Sie sah fich jedoch veranlaßt, denselben in der Siydelstraße zu verlassen, weil ste von mehrerenjungen Herren", die ebenfalls auf dem Vorderperron standen, in durchaus un« anständiger Weise belästigt wurde. Beim Abspringen gerieth ste leider mit einem Fuß unter die Räder deS WagenS, so daß ihr die Zehen fast ganz abgequetscht wurden. Zu verwundern bleibt hier nur, daß der Kutscher   nicht einschritt. Das junge Mädchen, Elise Fischer ist ihr Name, wurde zunächst von mit» leidigen Paffanten nach der Sanitätiwache in der Brüderstraße und von dort nach dem katholischen Krankenhaust gebracht. Durch eine« Revolverschuff machte am gestrigen Tage ein unbekannter, elegant gekleideter, ca. 40jähriger Mann in Charlottenburg   seinem Leben ein gewaltsames Ende. Der Selbstmörder, der nach Beschreibung von mittelgroßer, kräftiger "Igur war, hatte dunkelblondes Haar und einen gleichfarbigen chnurrbart: bekleidet war er mit einem dunklen modernen Kammgarnanzug, während seine Leibwäsche W. E. gezeichnet war. Irgend welche Papiere, die über die Persönlichkeit des Lebensmüden näheren Aufschluß zu geben vermöchten, fanden fich nicht vor. Die Leiche ist vorläufig behufs event. Rekognttlon im Charlottenburger   Leichenschauhause untergebracht und gleich- zeitig die Berliner   Behörde benachrichtigt worden, da man an- nimmt, daß der Selbstmörder erst auS Berlin   nach Charlotten- bürg gekommen fei. Die Schriftstellerin A. Ottilie ersucht un» um die Mit- theilung, daß fie nicht identisch ist mit der in letzter Zeit viel genannten Schriftführerin gleichen NamenS vom Mäntel- Näherinnen- Verein._ Gerichts-Ielkmg. o. k. Der Raubmord in Moabit   vor dem Schwur» ge-icht. Ein Verbrechen. daS auf die Sicherheitszustände Berlins   ein bedenkliches Licht wirft und die Bewohner der Berliner VorstadtMoabit  " noch immer in vollem Athem hält. gelangte heute vor das Forum deS Königlichen Land schwur» Gerichts Berlin i zur Verhandlung. Moabit   gehört zu demjenigen Stadtheil Berlins  , der ganz besonder», seitdem vor einigen Jahren daS Kriminal- Gerichtsgebäude und daS UntersuchungS-Gefängniß dorthin verlegt, fich mit riesenhafter Geschwindigkeit entwickelt hat. Eine förmliche Beamtenkolonie ist in der Nähe des Justiz- palastes entstanden. In dieser Gegend, Dreysestraß« 10. 2 Treppen, wohnt« der im Marineministerium beschästigte Geheim-Selretär Parpke mit seiner Gattin, seinem 24 jährigen Sohne und seinem Mündel, der un­verehelichten Gertrud Müller. Die Paepke'scken Eheleute, die das beste Familienleben führten, feierten im Oktober v. I. ihre filbcrne Hochzeit. Der Geheim-Sekretär pflegte Morgens gegen 8 Uhr seine Wohnung zu verlassen und erst gegen 4 Uhr Nach- mittags zurückzukehren. Sein Sohn, der bei einer hiefigen Eisenbahn als Expeditions. Gehilfe thätig ist, begab fich«gel« mäßig Morgens?'/, Uhr in'» Bureau und auch die Müller war TagS über außerhalb der Wohnung beschäfliat. Frau Paepke war in Folge dessen den größten Tbeil deS TagS über allein in der Wohnung. Als der Geheim-Sekretär Paepke am 3. November 1885 Nachmittags gegen 3'/, Uhr nach Hause kam. wurde ihm trotz mehrfachen Klingelns nicht geöffnet. Er be- merkte sehr bald, daß die Konidorthür nur eingeklintt war. Er vermochte daher dieselbe mit s-inem Drückcrschlüffel zu 1,08 Wohnzimmer betrat, sah der MMISMZ maffe hervorquoll. Ferner war der Ermordeten der Unterkiefer gebrochen, sowie die Mundwinkel und das Kinn in arger Weise verletz:. Der Kleiderschrank, der Schreibtisch und die Servante waren geöffnet und zum Theil durchwühlt. Dem ärztlichen Befunde nach war der Tod der Frau Paepke etwa IV» Stunden vor dem Erscheinen ihres Gatten etnge- treten. Ein Kampf hatte augenscheinlich nicht stattgefunden. Dem Anschein nach hat fich der Mörder in die Paepke'sche Wohnung eingeschlichen, während Frau Paepke gerade die Wohnung für einige Augenblicke verlassen hatte. Frau Paepke ist kurz vor 2 Uhr Nachwittags mit ihrem Hunde an der Hausthür gewesen. Sie pflegte, wenn ste nur auf kurze Zeit die Wohnung verließ, die Korridorthür dloS anzulehnen. Diesen Umstand mag der Mörder benutzt haben, um fich in die Wohnung einzuschleichen und einen Diebstahl auszuführen. AlS er nun gerade mit dem Ausräumen vonWäschestücken-c. be schäf« tiat war, muß Frau Paepke zurückgekehrt sein. Der Eindringling sah fich nun von Frau Paepke, einer sehr kouragitten Frau von 55 Jahren, ertappt, er hat deshalb wahrscheinlich ohne weiteres Bestnnen auf Frau Paepke eingeschlagen und fi- in der be» schriebenen Weise verletzt. Die Paepke'sche Familie vermißte ein Löffel- Etui mit 2 filbernen Eßlöffeln, eine golden« Brocke in Form einer Taube und einiges baare« Geld. Die Summe läßt fich nicht aenau bestimmen, jedenfalls ist dieselbe nicht bedeutend gewesen. Die Brache wurde am Tage VeS Mordes, Nachmittags gegen 3'/, Uhr. von dem Schlofferlehrling Mötsch auf dem Bürgersteig dw Straß« Alt-Moabit, gegenüber dem Kriminal Gerichttgebaude, gefunden. Der Verdacht der Thäterschaft lentte fich sofort auf einen Bettler, der fich zwischen 12 und 2 Uhr Mittags in der Nahe des HauseS Drcysestr. 10 umhergetrieben hatte. Nach län« ocrm Bemühungen gelang es der Polizei, diesen Bettler in der Person deS Handlungsgehilfen Hermann Leopold Kowalski zu er» Mitteln und zur Haft zu bringen. Kowalski leugnet aller- dingS, jemals in Moabit   gewesen zu sein. Eine große Anzahl von Zcugcn wollen ihn jedoch mehrere Tage vor dem Morde in verschredcnen Moabit« Lokalen und am Tage deS Morde» zwischen 12 bis 2 Uhr Nachmittags in höchst verdächtiger Weise in der Näh« deS Hauses Drcysestr. 10 gesehen haben. Einige Personen wollen sogar gesehen haben, daß Kowalski am frag- lichen Tage Nachmittags gegen 2 Uhr daS HauS Drcysestr. 10 betreten hat und etwa V* Stunden später aus demselben ge- kommen ist. Kowalski, der am 15. November 1858 zu Danzig  gehören und evangelischer Konfesston ist, wurde bereits im Jahre 1879 von den: Landgericht zu Danzig   wegen wiederhol« ten schweren Diebstahls mit 1 Jahr Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Stellung unter polizeilichen Aufficht bestraft. 1881 wurde er in Berlin   wegen desselben Verbrechens mit zwei Jahren Zuchthaus  , Ehrverlust und Polizeiaufficht, 1883 zu Dresden   wegen Diebstahls, Landstreichens und Beitelns mit 1 Jahr 3 Monaten ZucktbauS, Ehrverlust und Polizei« aufstcht, im Jahre 1685 zu Fürstenwalde   wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und vorsätzlicher Körper« Verletzung mit 6 Monaten Gesängniß bestraft. Kaum halte er