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*(«*" Organ für Politik, wirthschaftliche Jntntssen und Unter- Haltung. In der erwähnten AbonnementSeinladung werden „die Herren Beamten " u. A. in folgender Weise apostrophirt: „Die Begründer der seit Anfang dieses JahreS er- scheinenden Zeitung„Deutsche Volksstimme" haben fich die Aufgabe gestellt, überall hin. wo deutsche Herzen schlagen, den Ruf ertönen zu lasten, und dafür einzutreten, daß deutscher Geist, deutsche Kraft und deutscher Brauch in unserem Volke erhalten bleiben mögen. Wenn wir in jedem ehrlich denkenden deutschen Leser einen Gl.ichgefinnten erblicken können, so ist es gerade der Beamtenstand, welchen wir zu unserem Mitkämpfer, für Kaiser und Reich, zählen. Niemals wird es jenen zer- störenden, unseren nationalen Organismus gefährdenden Einflüffen gelingen, unseren hochgeachteten Beamtenstand in seine Netze zu ziehen, und mit Neid blicken alle Na- tionen auf den mustergiltigen preußischen, aus den deut- schen Beamten. Die Redattion der„Deutschen Volks- stimme" verweist als besten P-Üsstein ihrer Leistungen und Bestrebungen auf die mitfolgendc Probenummer, welche ein getreues Bild beider giebt. Für die Frauen. weit sorgen wir außerdem noch durch die Beilage eineS achtseitigen reichillustrirten EonntagSblattes und durch «ine humoristische DonnerstagSbeilage; daneben laufen stets zwei feffelnde Originalromane.... Wir wenden unS heute bei Uebersendung einer Probenummer unserer Zeitung an die Herren Beamten mit der Bitte, durch zahlreiche Abonnements-Betheiligung zu bestätigen, daß unsere staattstützenden Bestrebungen bei ihnen eine sym» patbische Aufnahme finden. NB. Wir bitten um geneigte Zirkulation dieses AnschreibenS und der Probenummer im Bureau und bemerken noch, daß weitere Probenum- mern gern zu Diensten stehen." Soweit die Einladung. Das Merkwürdige bei der Sache ist, daß dem Zirkular folgender Vermerk eines Höheren Beam- ten beigegeben war:„Um Zirkulation im Bureau wird ge- beten." Man weiß, was die„Bitte" eines höheren Beamten in solchem Falle bedeutet. Menschlichem Ermessen nach dürste unter den niederen Bureaudeamten fich Niemand befunden haben, der nicht pflichtschuldigst der„Bitte" seines Vorgesetzten nachgekommen wäre und pflichtschuldigst von der Abonnements- Einladung Kenntniß genommen hätte. Wer von diesen Beamten natürlich im Licht einer makellosen Gesinnung da- stehen will, der abonnirt ein solches Blatt, und der Zweck der edlen Herren in Berlin ist erreicht. Wir unsererseits hatten biiher von„deutscher Kraft" und„deutschem Brauch" einen ganz anderen Begriff; es ist jedoch leicht möglich, daß wir irren. Jedenfalls ist eine solche Abonnements- Einladung eine recht bemerkenSwerthe Erscheinung. I« der ReichSdruckerei haben, wie wir in voriger Num- mer mittheilten, fiedzehn Punlttrer wegen zu niedrigen Ver- dienfieS die Arbeit eingestellt. G-stern ist ein weiterer Theil dieser Arbeiter dem Vorgehen ihrer Kollegen gefolgt, so daß nunmehr nur noch die kleinere Hälfte der Pumtirer zu den alten Bedingungen weiter arbeitet. Da ein Ersatz für die Arbeitskräfte nicht vorhanden, mußte ein Tb-il der Druck- Maschinen außer Thätigkeit gesetzt worden. Von der Soli- darität der Arbeiter muß erwartet werden, daß auch hier jeder Zuzug fem gehalten wird. DaS fünfundzwauziajShrige Jubiläum der Berliner Dienstmänner. Am 1. Mai a. c. find eS 25 Jahre, daß die erste Dienstmannfchaft in Berlin gegründet wurde. Mit vollem Recht kann die heulige DienstmannSgeneration stolz auf diese 25 Jahre ihreS Bestehens zurückblicken, denn trotz aller Kon- kurrenz, welche fich von Anfang ihres Bestehens ihnen immer entgegengestellt hat(z. B. die Norddeutsche Packetsahrtgesell- schast im Jahre 1869, dann die 2 Pst-Briefbeförderung und noch manche andere aus früherer Zeit, welche alle bald wieder die Geschäfte einstellten), gingen fie immer wieder alS Sieger hervor und haben bis heute, in Hitze und Kälte, in Regen und Sonnenschein, standhaft auf ihren Plätzen auSgehalten. Wohl ist die heutige Konkurrenz viel stärker und andauernder, darum ja auch weit fühlbarer für die Dienstmänner als die früheren, aber dieselben haben nun fast 2 Jahre neben Rohrpost, Te« lephon und Packetfahrtgesellschast auSgebalten, fie haben die vielen Schmähungen dmch Blätter und Zirkuläre(wir erinnern nur an den„Berliner Börsen Courir", welcher der Dienstmann- schast nachsagte, daß fie schon Morgens 11 Ubr bertrunken wäre) ruhig über fich ergchen lassen und hatten dabei nur den Gedanken, die Berliner Dienstmannschaft hat 25 Jahre ausgehalten und hält auch fernerhin aus, jedenfalls noch viel länger als ihre Konkurrenz. Die Berliner Dienstmänner wollen mit Recht ihr Jubiläum festlich begehen. Zu diesem Zweck hat fich unter Leitung deS BereinS„selbstständiger Dienstmänner" ein Komitee gebildet. Dasselbe bittet nun jeden Kollegen, ob auSJnstitut, felbstftändig oder Genoffenschaft(unter Ausschluß aller Partei- lichketten), fich recht zahlreich an der Festlichkeit zu betheiligen und zwar durch Einzeichnung in die ausgegebenen Listen. Die Sammellisten werden am 15. April geschlossen und dann nach Einficht der Betheiligung Saal und Programm näher bc« stimmt; als Tag ist Sonnabend, der 8. Mai, festgestellt und werden die Einlaß-Karten(i Person 50 Pf.) dann ausgegeben. Kollegen, welche am 1. Mai 1861 der Dienstmannschast beigetreten, werden gebeten, dieses den Unterzeichneten zu melden, da dieselben berücksichtigt werden sollen. Sammellisten haben die Herren: Hüft, Potsdamer Brücke; Bosse, Blücherplatz; Lüderidorff, Anhalter Bahn; Schulze, Oranienplatz: Stieler, Alcxanderplatz; Mertens, Stettin « Bahn; Lubosch, Unter den Linden und Wilhclmstraßen-Ecke; Fritz, Friedrich- und Mittel- straßen Ecke; Oehlke, Tauben- und Friedrickstraßen. Ecke; Ellerich, Tauben- und Friedrichstraßen-Ecke. Gleichzeitig wer- den wir um die Miltheilung ersucht, daß Herr Th. Keller sein Lo'al den Dienstmännern gratis zur Verfügung gestellt hat. c» t �"ber Berliner Droschkenverhältnisse vor fünfzig Jahren meldet eine Berliner Chronik vom 11. April 1836, daß die Droschken„auch in diesem Jahre neu restaurirt find"„Es Sehen", so heißt eS da.„jetzt 124 Stück zur Disposition deS Publikums. 50 neue Wagen find zu Ostern neu angefertigt worden und paradtren durch ihre Eleganz sowohl alS durch die ihrer Lenker, die ebenfalls neu gekleidet wurden." Der Bericht- erstatter hebt sodann noch die Geschwindigkeit der Droschke Nr. 78 hervor, von welcher er sagt:„Zum Ruhme der Nr. 78 sei eS hier gesagt, daß fie mich vom Rosenthaler Thor biS zum Zirkus in dem Zeitraum von 9'/, Minuten gebracht. Solch« Bravour verdient ösfentliche Anerkennung. Der 2'."US stand damals nahe dem Brandenburger Thore, wonach SWfHhr einen Vergleich finden mögen mit der Geschwtndig- �i d� heutigen Droschken, deren eine jüngst in 25 Minuten 5 �Wichen Bahnhof zum Zoologischen Garten fuhr. Es l Ii �Lekte, mit der Droschke vom Schiefischen Bahnhof „Zoologischer Garten " eh« erreichen zu 26 Minuten Stadtbahn. Letztere braucht fahrplanmäßig ,.-8» �«Weneinflutz in der Kastanien-Allee, bei welchem der Maurerlehiling Kufahl seinen Tod gesunden, wird uni noch berichtigend gemeldet, daß auch der Sohn des Meisters an dem Treppenbau beschäftigt war. Kurz vor der Katastrophe enlstand an der Mauerung ein Riß, und der Meister kam. um feinen Sohn von der gefährlichen Arbeit hinweg ,u Holm, wahrend er dem Kusahl bedeutete, die Arbeit allein fertig zu stellen. Kaum war dies geschehen, so stürzte dt« Treppe mtt dem Kufahl in die Tiefe; dem Meister gelang «? aä ä Jws un� e* die Flucht btfielben dadurch nur zu eruarnch.
Gerichts-Jeitmtg. o. k. Der Raubmord in Moabit vor dem Schwur- ge icht. Prästdent, Landgerichtsdirektor Müller«öffnet gegen 9'/« Uhr Vormittags wiederum die Sitzung.— Vertheidtger Rechtsanwalt Dr. Richard Wolff beantragt, den Kriminal- kommiffar Klatt als Zeugen zu laden. Dieser werde bekunden, daß der Mord, den Umständen nach, nicht von einem Fremden, sondern von einem Bekannten oder Verwandten begangen sein muß. Ferner beantragt der Vertheidiger einen Zeugen zu la- den, der daS Alibi deS Angeklagten bekunden soll. Im Weiteren beantragt der Vertheidiger einige Zeugen zu laden, die bekundm werben, daß d« Zeuge Förster am Tage vordem Morde dasselbe Verbrechen, dessen hier d« Angeklagte de- zichtigt wird, gegen zwei allein stehmde Frauen, allerdings vergeblich, versucht bat.— D« Gerichtshof beschließt, den An- ttägen deS VerthcidigerS staltzugeben.— Die erste Zeugin ist die Mehlhändlerin Simon. Diese bekundet, daß die Paepke'schen Familie fich augenscheinlich in ungünstigen V«- mögenSverhältnissen befunden habe. Frau Paepke habe vielfach Waare bei ihr geliehen.— Pfandlriher Schönermarck bekundet dasselbe.— Grünkramhändlertn Jungk: Am Morgen des 3. November v. I. gegen 9 Uhr kam Frau Paepke zu mir, kaufte mir Verschiedenes ab und unteibielt fich einige Zeit mit mir. Sie wollte Nachmittags bei mir Wäsche rollen.— Schuhmachermeister Piltz und Zigarrenhändler Günther bekunden ebenfalls übereinstimmend, daß die Vermögensverhältniffe der Familie Paepke ungünstige waren.— Frau Liesegang: Sie habe am 3. November Mittags gegen 1 Uhr Frau Paepke am Fenst« fitzen sehen. ES sei ihr so vorgekommen, alS wäre Jemand bei Frau Paepke im Zimmer gewesen, mit dem fie fich unterhalten habe. Auch sei eS ihr(her Zeugin) aufgefallen, daß Frau Paepke fich im Arbeitsanzüge im Vorderztmm« aufgehalten habe. Frau Bäckermeister Hintze: Sie habe Frau Paepke zum letzten Male am 3. Novemb« Nachmittags gegen 2 Uhr an d« Haus- thür stehen sehen. Frau Paepke habe ihren Hund gerufen und fei mit demselben in ihre Wohnung gegangen. Frau Bureauasfistent Hennig: Ich wohnte in d« Drevse« straße 10, 1 Treppe, unter der Paepke'schen Wohnung. Ich vermochte jedes nur einigermaßen laute Geräusch auS der Paepke'schen Wohnung zu virnehmen. Ich habe die Gewöhn- heit, nach Tisch auf dem Sopha etwaS zu ruhen. Am 3. No- vember gegen 2 Uhr Nachmittag klingelte eS bei mir. Da es aber nur einmal klingelte und unsere Bekannten stets zwei Mal zu klingeln pflegen, so öffnete ich nicht. Sehr bald darauf zitterte mein Kronleucht« heftig und ich hörte einen dumpfen Fall und mehrere dumpfe Schläge. Ich glaubte, Frau Paepke klopfe dai Sopha auS.— Kriminalpolizei Inspektor v. Hüllessem bat später den Fall eines Menschen, in der Weise, wie wohl Frau Paepke hingefallen ist, markirt. Diese Marlirung vnursachte genau dasselbe G«äusch, wie ich eS am 3. November wahrgenommen habe.— Kriminalpolizei. Inspektor v. Hüllessem bestätigt diese letztere Verkündung.— Frau Hennig deponirt weit«: Nachdem ich die Schläge gehört, vernahm ich ein leiseS, hastiges Flüftern, daS augenscheinlich von zwei Menschen auS- ging. ES kam mir so vor, als wenn ich daS Wort„Stehlen" gehört hätte. Ich glaube, das Flüstern geschah auf dem Kor- ridor der Paepke'schen Wohnung. Ich habe Niemanden auS der Paepke'schen Wohnung herunterkommen hören; allerdings begab ich mich, nachdem ich daS e.wähnte Geräusch gehört, zu meinem Gatten in daS Vorderzimmer, ich konnte somit Nie- wanden herunterkommen hö:en.— Kriminalpolizeiinspektor v. Hüllessem: ES ist festgestellt, daß Frau Paepke gegen 1 Uhr Mittags am zweiten Fenster ihres VorderzimmerS, mit dem Geficht der Bandclstraße zugewendet, gesessen hat. AngefichtS der wohnlichen Verhältnisse kann ihr Niemand gegenüber ge- seffen haben.— Auf Befragen deS VertheidigerS bemnkt Geh. Sekretär Paepke, dre Möglichkeit, daß seiner Gattin in der von Frau Liesegang bekundeten Weise ein Mensch gegenüber gestanden habe, sei nicht ausgeschlossen.— Frau Liesegang: Sie habe weder Bewegungen mit dem Munde, noch sonst etwas wahrgenommen, daS darauf schließen lasse, daß Frau Paepke mit Jemandem gesprochen bade.— Hier tritt gegen 12'/« Uhr Mittag? eine halbstündige Pause ein. Nach Wiederaufnahme der V«handlung erscheint als Zeuge Kriminalkommissar Klatt: Ich habe in der vorliegenden Angelegenheit Recherchen angestellt. Es wurde unS mitgetheilt, daß ein von der Familie Paepke in Stettin wohnend« Ver- wandter den Mord begangen haben könnte, die diesbezüglichen Nachforschungen haben j-doch nicht den mindesten Anhalt da- für ergeben.— Briefträger Blechschmidt: Am 3. November, Nachmittags gegen 2'/« Uhr habe ich in dem Hause Dreyse- straße 10 Briefe bestellt. Ich hatte bei Paepke eine Korrespon- denzkarte abzugeben. Ich klingelte zwei Mal; da mir jedoch nicht geöffnet wurde, so schob ich die Karte unterhalb der Thür hirein. EtwaS WeitercS habe ich nicht wahrgenommen. Auf Befragen des VerlheidigerS demerkt der Zeuge: Er habe die Karte derartig hinein geschoben, daß fie von Außen nicht bemerkt werden konnte.— Paepke jr.: Er habe am 3. No- vember Mittags zwischen 12 und 1 Uhr eine Postkarte an seine Mutter geschickt, um ihr mitzutheilen, daß er Nachtdienst habe; diese Karte sei in der Wohnung nicht vorgefunden worden.— Paepke eou. bestätigt die letztere Bekundung.— Frau Kühne: Ich war Flurnachbarin der Paepke'schen Familie. Am 3. November. Nachmittags gegen 2'/« Uhr, hörte ich an der Paepke'schen Wohnung zwei Mal klingeln; wer geklingelt hat, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe 2 Mal gesehen, daß Frau Paepke, ali fie fortging, ihre Korridorthür ausliiß. Frau Stationsvorsteher Schultz«: Ich wohnte Dreyse- straße 10, 3 Treppen, ich habe mehrfach wahrgenommen, daß Frau Paepke, wenn fie ihre Wohnung auf kurze Zeit v«ließ, die Korridorthür nur anlehnte.— Frau Klauß macht dieselbe Bekundung. Sie habe einmal zu Frau Paepke gesagt, daß dieS unvorsichtig sei. Frau Paepke habe darauf geantwortet: „Ach waS, wer wird mir denn etwas thun."— Frau Steiner deponirt dasselbe. Ganz besonders, wenn Frau Paepke mit dem Hunde herunterging, habe fie die Korridorthür dloS ange- lehnt. Auf Befragen des Vertheidiger» bem«kt die Zeugin: Der Hund der FrauPaepke habe stets gebellt, wenn ein Fremde rdie Wohnung der letzteren betrat.— Es erscheint nunmehr als Zeuge Weber Grödel. Präs.: Heben Sie die rechte Hand in die Höhe und sprechen Sie mir den Eid nach.— Zeuge: Ich soll schwören V— Präs.: Gewiß.— Zeuge: Da» möchte ich schon gern lhun, ich traue mich aber nicht, einen Eid zu leisten.— Präs.: WaS haben Sie für einen Grund hierzu?— Zeuge: Ich möchte eS Ihnen persönlich schon gern sagen, ab« öffent- lich will ich e» nicht tbun.— Präs.: Da» geht nicht, wir haben hier öffentliche Verhandlung, deshalb muß Alle» hier öffentlich geschehen.— Zeuge: Herr Prästdent, Sie sagten, bei einem Eide ruft man Go'.t zum Zeugen der Wahrheit an. dieS kann ich aber nicht thun.— Präs.: Und weshalb nicht? — Zeuge(zögernd): Ich glaube nicht an Gott. — Präs.: So bedauerlich die Abgabe einer solchen Erklärung ist, so kann dieselbe von der Eidesleistung nicht entbinden. Ich fo:d«e Sie also nochmals auf, Ihre Hand zu erheben und mir den Eid nachzusprechen.� Nach einigem Zögern kommt der Zmge der
eine............. habe seit längerer Zeit zu Paepke das„Berliner Kommunal- blatt" gebracht: dies habe er auch Mitiags den 3. November gethan. An diesem Tage habe ihm ab« nicht Frau Paepke geöffnet. Ob die Person, die ihm geöffnet und ihm die Zeitung abgenommen, eine WannS« oder Frauensperson gewesen, wisse er nicht.— Präs.: Man steht doch, ob man eine MannS- oder
Frauensperson vor fich hat?— Zeuge: DaS sagen Sie, Herr Prästdent, eS war jedoch damals ein dunkler, reanericher Tag und in Folge dessen so dunkel auf dem Korridor, baß man da» nicht genau sehen konnte.— Präs.: Dann können Sie auch nicht wissen, ob eS Frau Paepke gewesen ist?— Zeuge: Daß eS nicht Frau Paepke gewesen, weiß ich ganz genau; eS ist ja auch mögtick, daß eS ein Mann in Frauenkleidern gewesen ist. — Präs.: Wie kommen Sie zu dieser Vermuthung?— Zeuge: Man kann das ja nicht wissen. Präs.: Nun, Angeklagter, ich habe Sie schon gestern ge« fragt: find Sie jemals in Moabit gewesen. Sie haben daS gestern verneint, ich frage Sie nun nochmals: Sind Sie je« malS in Moabit gewesen?— Angekl-: Nein, Herr Präsident, ich bin niemals in diesem Stadttheile gewesen.— Präs.: Besinnen Sie fich einmal, vielleicht find Sie doch einmal in Moabtt gewesen?— Angekl.: Nein He« Präsident, ich bin allerdings auf dem Hamburger und Lehrter Bahnhof gewesen, daS find jetzt jedoch schon mehrere Jahre her.— Präs.: Sind Sie nicht zwischen dem 20. Oktob« und 3. November v. I. in Moabit gewesen?— Angekl.: Nein, Herr Prästdent, ich bin während dieser Zett nur bis in die Nähe der Roonstraße gekommen. Es erscheint nun alS Zeuge Schlossermeister Spohrleger. Der Angeklagte wird auS der Anklagedank hinaus geführt und ihm befohlen, seinen Hut aufzusetzen.— Präs.: Haben Sie diesen Hut auch am 3. November v. I. getragen?— Angekl.: Nein. — Präs.; Wo haben Sir diesen Hut hingethan?— Angekl.: Den habe ich eingetauscht.— Präs.: WeShald thaten Sie das? — Angell.: Ich machte häufig d«artige Geschäfte. Ich habe feit dem 20. Oktober bii 10. November v. I. meinen Hut mindestens 7 bis 8 Mal eingetauscht.— Präs.: Herr Spohrleger, haben Sie den Angeklagten jemals gesehen?— Zeuge: Ja.— Präs.: Wo haben Sie ihn gesehen?— Zeuge: DaS kann ich nicht genau sagen, eS ist möglich, daß e« in einem Lokale, möglich auch, daß eS auf der Straße gewesen ist, jeden» fall« ist eS in Moabit gewesen.— Präs.: He« Zeuge, Ihr Zeugniß ist von d« größten Tragweite: wenn Sie Ihrer Sache nicht ganz fich« find, dann ist eS Ihre Pflicht zu sagen: ich weiß eS nicht genau.— Zeuge: Ich bekunde mit pofitiver Bestimmtheit, daß ich den Rann(auf den Ange» klagten deutend) nicht einmal, sond«n mehrfach im Herbst v. I. in Moabit gesehen habe.— Präs.: Woran erkennen Sie den Mann?— Zeuge: Ich erkenne ihn an seinem Aeußern und an seiner ganzen Körp«haltung wied«.— Präs.: Nun, Angeklagter, was sagen Sie dazu?— Angekl.: D« Zeuge int fich ganz entschieden.— Schankwirth Falkenbagen: Ich habe Dreyse- und Bandelstraßen-Ecke, in dem Hause der damaligen Paepke'schen Wohnung, ein Restaurant. AlS d« Angeklagte von dem Kriminalbeamten in die Paepke'sche Woh« nung geführt wurde, da sagte ich sofort zu meiner Frau: Mir kommt eS so vor, alS wenn d« Mann in meinem Lokal ver- kehrt hätte. Ich bin noch heute derselben Meinung, ganz ge- nau vermag ich eS aber nicht zu sagen, od der Angeklagte bei mir verkehrt hat.— Angekl.: Herr Prästdent, bedenken Sie meine Lage, in d« ich mich befinde. Wenn ich etwaS essen
age....______ oder trinken wollte, dann konnte ich dieS in der christlichen Her« berge zur Heimath thun, ich brauchte deshalb nicht nach Moabit zu gehen.— Kaufmann Hermann Heine: Er könne mit Be« stimmtheit bekunden, daß« den Angeklagten schon einmal ge» sehen, wo und wann er ihn gesehen, wisse er nicht. Der Prä- fident liest dem Zeugen vor, daß« bei dem Untersuchungs- richt« erklärt, er habe am 3. November Nachmittags zwischen 12 und 1 Uhr einen Mann in der Bandelstraße aus- und abgehen gesehen. D« Mann habe immer so eigenthümlich nach seitwärts gesehen.— Der Zeuge wiederholt, er könne nicht genau sagen, ob dieser Mann der Angeklagte gewesen ist.— Präs.: Ihre protokollarische Aussage ist eine derartige, daß man fie für wahr halten möchte. Wie kamen Sie dazu, eine solche Aussage zu machen?— Zeuge: Mir kam es damals so vor.— Präs.: In ein« so wichtigen Angelegenheit, wie d« vorliegenden, muß man mit seinem Zeugniß doch sehr vorsichtig fein. DaS ist so die Großmannssucht Vieler, in einem solch' großen Prozeß alS Zeuge auftreten zu können?— Zeuge schweigt.- Präs.: Ist denn die ganze Geschichte mtt dem Auf- und Abgeben de« ManneS in der Bandelstraße nicht wahr?— Zeuge: Ja, wahr ist fie, ich kann nur nicht sagen, ob der betreffende Mann der Angeklagte ge» wesen ist.— Schlossermeister Spohrleger; Ich ging am 3. November Mittags zwischen 12 und 1 Uhr etwa 4-5 Mal die nunschenleere Bandelstraße entlang, habe ab« dort keinen Mann auf- und abgehen gesehen.- Knabe Otto Rahnke(13 Jahre alt): Am 3. Novemb« Nachmittags gegen halb 3 Uhr spielte ich mit anderen Knaben vor dem Hause Dreysestraß« 10. Plötzlich sahen wir einen Mann auS genanntem Hause heraus- kommen, der uns verdächtig vorkam, dieser Mann ist jedoch der Angeklagte nicht gewesen. Knabe Carl Martens(12 Jahre alt): Am 3. November Nachmittags gegen 2Y, Uhr sah ich einen Mann in dem Hausflur des HauseS Dreysestraße Nr. 10 stehen. D« Mann laS fich den stillen Porti«. Er trat alSdann auS dem Hause und sah zu den Fenstern hinauf.— Präs.: Würdest Du diesen Mann wieder erkennen?— Zeuge: Ja.— Präs.: Nun, Angeklagter, treten Sie einmal hier vor. Marie.'», war dieS der Mann?— Zeuge: Ja wohl, daS war «.— Präs.: Weißt Du daS aber genau? Wenn Du es nicht genau weißt, dann mußt Du sagen, ich weiß eS nicht genau, ich glaube eS; bist Du Deiner Sache fich«, erkennst Du den Mann mit Bestimmtheit wieder?— Zeuge: Ii wohl, ich er- kenne ihn mit Bestimmtheit wieder.— Präs.: Woran erkennst Du ihn?— Zeuge: An seiner Kleidung und an seinem Ge- ficht.— Auf Antrag det VertheidignS konstatirt der Präst« denk, daß der Zeuge nicht imm« in dieser bestimmten Weise ausgesagt hat.— D« Knabe bemerkt jedoch auf Befragen deS Präfidenten, daß er den Angeklagten heute ganz genau wied« «kenne. Produktenhändler Leist hat dieselben Wahrnehmungen wie der Knabe Martin gemacht, er könne aber nicht mit Be« stimmtheit bekunden, od dieser Mann der Ange« klagte gewesen ist. Der Figur, Haltung und Kleidung nach zu urtheilen, müsse eS der Angeklagte gewesen sein, genau könne« eS aber nicht sagen.— Dieselbe Bekundung macht Baumeister Thiele. Kriminalschutzmann Mendt: Ich wurde beauftragt zu er- mittel», od der Angeklagte von Jemanden rekognoSzirt werden könnte. Ich habe deshalb den Kowalski nach dem Hause Dreysestt. 8 gebracht und demselben aufgetragen, den„füllen Portier" zu lesen. Ich rief Henn Leist herbei und dieser sagte sofort:„Ja, der war eS I"— Leist: DaS ist wahr, ich glaube auch, den Angeklagten wied« zu erkennen, genau kann ich eS aber nicht faoen.— Kriminalschutzmann Mendt bekundet ferner: Baumeister Thiele, der auch hinzugerufen wurde, habe den An- geklagten ebenfalls wiedererkannt; oieser habe nur gesagt: Der Hut mar ein anderer. Der Knabe Marten» ist in seiner da- maltgen Aussage weniger fich« gewesen.— Martens: Damals war ich nicht ganz sicher, heute erkenne ich den Angeklagten mit voller Bestimmtbeit wied«. Schlvssergeselle Wotschke bekundet, daß er am 3. November, Nachmittag« gegen 3'/« Uhr die auf dem Richtertische liegende stlberne Taube auf dem Bürgersteige der Straße„Ält-Moabit", gegenüb« dem Kriminalgerichtsgebäude gefunven und der Polizei abgeliefert habe.— Frau Reinicke: Am 3. November, Nachmittags zwischen 2'/, und 3 Uhr sah ich von der Paul- straße in Moabit einen Mann eiligst nach der Straße„Alt- Moabit" laufen. Dn Mann rannte mich förmlich um. Ich glaube, daß dieser Mann der Angeklagte gewesen ist, genau kann ick e» ab« nicht sagen.— Hier wird die Sitzung gegen 5 Uhr Nachmittags auf morgen(Mittwoch) Vormittag» 9'/, Uhr vertagt.