Auswüchse bezeichnet, die beseitigt werden müssen.(Redner verliest die diesbezüglichen Erklärungen der Negierung in der sächsischen Kammer.) Di« sächsische Regierung hat also keineswegs einen Vernichtungsseldzug gegen die Konsumvereine beabsichtigt, sondern Licht und Schatten sachgemäß vertheilt. Die Regierung hat nachgewiesen, daß es zur Besteuerung der Filialgeschäfte und Konsumvereine keines Gesetzes bedarf, sondern dieselbe der Autonomie der Geineinden unterliegt. Nach dem Beschluß der zweiten Kammer mußte die Regierung eine Verordnung an die Kreishauprmannfchaften erlassen, worin diese auigesordert wurden, sich darüber zu erklären, ob und in welcher Weise von diesem autonomen Rechte Gebrauch gemacht werde. Nach der Interpellation mußte es den Anschein gewinnen alZ wenn die Regierung die Kreishauptmannschaften und Ge meinden zur Einführung der Steuer anreizte. Das ist nicht der Fall, erfreulicherweise auch von den Interpellanten nicht be- hauptet worden. Die Verordnung an die Kreisdauptmaniischafteii wurde übrigens vom„Vorwärts" als ein geheimes Aktenstück bezeichnet, welches ein günstiger Wind aus den Redaktionstisch geweht habe. In Wirklichkeit war sie längst publizirt und lag im Druck vor. Die Regierung hat Keuntniß davon, daß die Amlshauplmannschaft Zwickau den Erlaß an die Gemeinden mit dem besonderen Hinweis aus die Konsumvereine mitgetheilt hat. Der Aintshauptmann von Chemnitz soll einen Gemeinde- rath direkt zur Besteuerung eines Konsumvereins aufgefordert haben, aber erfolglos. Sie sehen also, was es mit solchen Verfügungen auf sich hat.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Gemeinden können eben aus keinen Fall zu einem solchen Vorgehen gezwungen werden. Daß die eingeführte Sondev besteuerung mit der Gewerbc-Ordnung in Widerspruch steht, davon kann gar keine Rede sein. Was der Abg. Bebel für jene Behauptung angeführt hat, ist für die Frage völlig belanglos In s Ziffer 6 der Gewerbe-Ordnung ist gesagt, baß Staats- und Gemeinde-Abgabeu, welche gewerbesteuerartiger Natur sind, weiterhin unter das Landesrecht fallen, und nach der Auslegung des Begriffes„Abgabe" durch das Reichsgericht kann die Be- rechtigung des Vorgehens der Regierung nicht zweifelhaft sein. Die Auferlegung einer Abgabe, welche einem Konsumverein das Leben ausblasen würde, würde zwar nicht den, Buchstaben, aber dem Geiste der Gewerbe-Ordnung widersprechend sein. Daffelbe wird aber niemand von einer mäßigen Abgabe behaupten können.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Einige Konsum- vereine haben sich direkt und freiwillig dazu erboten, eine solche Abgabe von 2 pCt. zu tragen. Ein großer Theil der Aus- führungen des Abg. Bebel erledigt sich damit. Von einen, brutalen Vorgehen der Regierung darf also nicht gesprochen werden. Dem Beschluß des Gemeinderaths zu Burgstädt , 3 pCt. Umsatzsteuer aufzuerlegen, hat die Kreishauptmannschast die Bestätigung versagt; es ist Beschwerde an das Ministerium eingelegt worden, der Entscheid steht noch aus. Sie dürie» ver- sichert sein, daß er der Reichsgesetzgebung geben wird, was ihr gebührt, aber auch der Landes- Gesetzgebung vorbehalten wird, was dieser zusteht. Auf Antrag des Abg. Singer wird die Besprechung der Interpellation beschlossen. Abg. Fuchs(Z.): Solange es sich nicht um eine Prohibiliv steuer handelt, kann von einem Einbruch in die Reichs-Gesetz- gebung nicht die Rede sein. Diesen Standpunkt hat auch der preußische Generalsteuerdirektor eingenommen. In Preußen war thatsächlich von den Antragstellern eine solche Prohibilivsteuer in Aussicht genommen worden. Der Frage der Be- steuerung der Konsumvereine stehe ich durchaus sympathisch gegenüber. Die Zeit ist vorbei, wo man in diesen Vereine» eine gemeinnützige Einrichtung hatte. I» ihrer jetzigen Entwickelung bedeuten sie eine schwere Schädigung desMittel st andes und in ihrer kon« sequenten Entwickelung den Ruin desselben. Herr Bebel hat sich selber widersprochen. Einmal will er den Werth der Konsumvereine für die Arbeiter negiren, anderer- seits weist er uns ausführlich nach, wie schwer geschädigt der Arbeiter sei durch die Unterdrückung der Vereine. Ich bin mit Lassalle der Ansicht, daß in der Entwickelung dieses Konsum Vereinswesens kein Heil für den Arbeiter zu suche» ist. Die Höh« der Löhne hängt wesentlich ab von der Höhe der Lebens miltelpreise; gelänge es den Vereine», diese Preise berabzudrücken. so würde das seinen Einfluß auf die Höhe der Löhne nicht ver- fehlen. Daß das Zentrum die Interesse» der Arbeiter wirklich fördern will, brauche ich wohl nicht zu betheuer». Das Panier der Sozialreform wird von uns nach wie vor hochgehalten. Liegt hier bei dem Vorgeben der sächsischen Regierung ein« Tendenz oder ein« sozialpolitische Maßnahme vor? Wen» sich Herr Bebel über die Sache so aufregt, dann muß das doch seinen ander» Zweck haben. Die Konsumvereine haben durch ihre Organisation und ihren finanziellen Ertrag großen Werth für die Parteizwecke der Sozialdemokraten.(Widerspruch bei de» Sozialdemokraten.) Sie haben eben die Konsumvereine zu einem Kamvfmiltel in ihrem Klassenkampf gemacht. Aber du Frage der Besteuerung liegt auch für mich einigermaßen bedenklich Wenn man die Konsumvereine besteuert, wes- halb dann nicht die großkapitalistischen Be triebe, gegen welche sich die Resolution in erster Linie wendet. Das läßt mich allerdings aus Ten- denz schließen. Unzweifelhaft besteht der von Bebel geschilderte Entwicklungsprozeß und uttzweifelhast hat der Gang ver Entwicklung in den letzten Jahrzehnten eine» rapiden Charakter angenommen. In Köln habe» wir das große Waarenhaus Tietz, hinter welcher Firma 20 jüdische Großkapitalisten stehen. Diese Firma hat in der Mitte der Stadt ein Millionenhaus errichtet und geht jetzt auch mit der Gründung von Filialen vor. Da sieht man ganz deutlich den Weg zum Ruin des Mittelstandes. Das Geschäft Tietz hat 72 Filialen außerhalb, das Hamburger Engros-Geschäft 200, die Firma Schneider 3ö Filialen. Wir stehen vor einer Dezimirung des Mittelstandes, das haben die Zahlen des Abgeordneten Bebel aus der Statistik dar- oethan. Wollen wir dieser Entwickelung mit verschränkten Armen zusehen, dann treiben wir allmälig in den großen Kladderadatsch hinein. Können und sollen wir diese Entwickelung hemmen? Im Interesse der Gesammtheit sollen wir es. Der Mittelstand ist keine Kaste, sondern rekrutirt sich aus allen Ständen; alle Stände haben Interesse an seiner Erhaltung; noch viel mehr Interesse aber der Staat. Herr Bebel meint nun, wir können die Mittel nicht finden; ich meine ja und habe schon dem preußischen Ab- geordnetenhause«inen dahingehenden Gesetzentwurf vorgelegt. Um den Staat vor einer Katastrophe und die menschliche Gesell- schaft vor tiefem Schaden zu bewahren, m ü s s e n w i r zu einer Prohibitivbesteuerung dieser großkapitalisti- fchen Unternehmungen greifen. Der Staat muß die Erwerbsverhältnisse so regeln, daß das allgemeine Wohl erreicht wird, das Wohl möglichst breiter Schichten des Volkes. Die Großbetriebe müssen niedergehalten werden, dem Mittelstande muß Luft und Licht gelassen werden. Zum Mittel- stand gehören nur die selbständigen Existenzen, also nicht die Be- amte». Freilich wird darum diesozialeFragenicht S e l ö st. Das Gruudübel unserer Zeit ist der materlalistische Geist, as Schivinden des Glaubens an Gott und das Jenseits. Wenn der Genuß einziger Daseinszweck ist, wozu Geld, Geld und wieder Geld gehört, so erklärt stch die unglaubliche Jagd nach dein Geld, erklärt es stch, daß die Enterbten vor den Karren gespannt werden, um dem Reichen mehr Geld zu schassen, daß die Eni- erbten rasen vor Wuth und Verzweiflung, so daß das E»de fei» wird die soziale Revolution. Die Kirche allein kann die schwebenden Fragen lösen! Ich schließe, wenn auch etwas pathetisch, aber doch zutreffend: Oavosnt consules!(Beifall im Zentrum.) Abg. Stolle(Soz.): Wenn wir von dem sächsischen Ver- treter aus die Entscheidung des Ministeriums vertröstet«erden, so ist dieser Trost ein sehr prekärer, denn das Ministerium ent- scheidet hier in eigener Sache als Richter. Aus den Kammer- Verhandlungen geht hervor, daß die Regierung ganz im Wider- spruch mit dem Willen der Deputation und des Plenums ihre Verfügung an die nachgeordneten Behörden erlassen hat, soiveit die Besteuerung der Konsumvereine in Frage kommt. Die Deputation hat ausgesprochen, daß die Konsumvereine nicht besteuert werden sollten, die Regierung hat direkt durch die Kreishauptmannschaften dazu anregen lassen. Nun wird auch noch der Beweis versucht, daß die sächsischen Gemeinden das Recht besonderer Gewerbebesteuerung besitzen. Aber auch in dieser Frage hat die Regierung die bedeutendsten Juristen Sachsens g- gen sich. Es wird auf die revidirte Städte- und Landgemeinde- Ordnung für Sachsen verwiesen. Wo bleibt die Gleichheit vor dem Gesetz, wenn man dem Chemnitzer Konsumverein, der schon 15 000 M. Gemeindesteuer und 13 000 M. Einkommensteuer trägt, jetzt noch 90 000 M. Umsatzsteuer, also alles in allein nach dem Einkommen berechnet eine Steuer von SV pCt. aus erlege» kann? Es ist in der That eine„sehr freie Juter- prelation" der Städte- und Gemeiude-Ordnung, wenn mau die den Gemeinde» belassene Befugniß, im Wege des Umlage- regulativs überhaupt eine Gemeindesteuer zu erheben, in dieser Weise gegen die Genossenschaften niobil macht! Die Konsum- vereine, nicht aber die Detailgeschäste sind zur Steuer heran- gezogen worden; nur den Arbeiter hat man treffen wollen und hat ihn getroffen. Zu den Gemeindesteuern hat jedes Gemeinde Mitglied nach der Städie-Ordnung nur„verhältnißmäßig' beizutragen;— steht das im Einklang mit einer Umsatzsteuer von 3 pCt. gegen die Konsumvereine? Kraft der Gesetze Sachsens kann die Regierung nie und nimmer diese ungleichmäßige Steuer- belastung ins Leben treten lassen; das Vorgehen der Regierung ist also verfassungswidrig. In ausführlicher Weise widerlegt Redner dann die Kritik, welche die sächsische Regierung in ihrem Gutachten an den angeblichen Auswüchsen der Konsuuivereiue geübt hat. Dem Arbeiter wolle man, selbst mit ungesetzlichen Mitteln verwehren, was dem Großkapital selbstverständlich erlaubt sei, namentlich alle Chancen des Groß belriebes und Großvertriebes ausnützen zu können. Daß die Spesen des Großbetriebes geringer sind, wissen wir aus den Bilancen der großen Pariser Geschäftshäuser. Gewiß lönnte der Umsatz des Zivickauer Konsumvereins 25 kleinen Händlern eine auskömmliche Existenz gewähren, aber wo blieben dann die Interessen der 5000 Arbeiter, welche gegenwärtig den Vortheil von den Einrichtungen dieses Vereins haben? Für welchen Theil soll die Gesetzgebung sorgen? Keine der 22 oder 23 deutschen Regierungen ist so fanatisch gegen den Arbeiterstand eingenommen als die königlich sächsische!(Lebhafte Zustimmung links.) Wo srägt man in Sachsen noch nach der Reichs--Ge- werbe- Ordnung oder dem Koalitionsrecht! In Sachse» regiert ja nicht die Regierung, sondern die Geheime Obcrhofraths- Partei; daher die Ersäieinung, daß die Beschlüsse der sächsischen Kammer schließlich fast in ihr Gegentheil verkehrt erscheinen. Ich hoffe, daß die hunderttausende sächsischer Arbeiter geschützt werden gegen die ver- hängnißvollen Folgen dieser einseitigen, ungleichmäßigen, ungerechtfertigten Be- steuerung, daß der Reichstag sich zu einem entsprechenden Beschlüsse aufrafft! Sächsischer Geheimrath Dr. Fischer: Die Ausführungen des Vorredners bedürfen einiger Korrekturen. Ich habe schon vorhin e» klärt, daß die sächsische Regierung die Frage der Einführung einer Umsatzsteuer noch garnicht entschieden hat. Das ignorirt Herr Stolle völlig. Die Behauptung der einseitigen Besteuerung der Konsumvereine ist auf eine Verfügung der Amtshauptmann- schast Zivickau gestützt worden, welche ich nicht mit der Autorität der Regierung gedeckt Hab«. Gegen den Vorwurf, daß die Regierung nur die Arbeiter unterdrücken wolle, muß ich meine Regterung ebenso entschieden verwahren wie dagegen, daß in Sachsen eine Nebenregierung bestehen soll. Abg. Ziinuicrmaun(deutsch -soz. Reform-P.): Die sächsische Regierung ist thatsächlich keine grundsätzliche Gegnerin des Ge- nossenschafisivesens und auch wir find es nicht. Aber die Ans- wüchse des Genossenschaftswesens sind nirgends sogroß geworden, wie in Sachsen . Aus grund der Gewerbe-Ordnung kann kein Ziveifel sein, daß das Vorgehen der sächsischen Regierung be- rechligt ist; auch in Preußen hat man ja den gleichen Weg mit der Besteuerung des Schanlgewerbes, der Wanderlager u. s. w. beschritten. Mit dem„geheimen Aktenstück" hat der Vorwärts" blos wieder einmal sein Sensationsbedürfniß befriedigen wolle».(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.') Die Konsumvereine verkaufen vielfach noch theurer als die kleinen Geschäfte, ein Bedürfniß für diese Einrichtung be- steht also in Sachsen überhaupt nicht. Die Gemeinden brauchen Ersatz für den Ausfall, den ihnen die Konsumvereine verursacht haben, denn sie haben eine ganze Menge Steuerzahler in Wegfall gebracht. In Dresden spricht man von einer Verlust- liste von 50 Firmen, welch« sich ausstellen lasse als Wirkung der verheerenden und vernichtenden Thätigkeit der Konsumvereine. Durch eine prozentuale Gewerbesteuer diesen Betrieben zu Leibe zu gehen, ist also einlach ein Gebot der ausgleichenden Ge- rechtigkeit. Trotz der Versicherung des Herrn Bebel ist die sozial- demokratische Presse die eifrigste Förderung der Konsumvereine. Nicht Mittel und Kräfte will die Sozialdemokratie hergeben für die Konsunivereine, nein, noch heraushole» wolle» Sie sie! (Heiterkeit, Lärm bei den Sozialdemokraten.) Der Abg. Wurm hat auch eine besondere Schrift für die Konsumvereine verfaßt. Thalsächlich haben auch Mitglieder und bekannte Führer der Partei solche Organisationen begründet. Sind die Lager- Halter nicht ihre Agitatoren?(Widerspruch bei den Sozial- demokraten.) Die Sozialdemokraten unterdrücke» gerade da, wo sie die Macht haben, die freie Meinung.(Lachen bei de» Sozialdemokraten.) Die AuSführiiiig der Sozial demo- kraten haben aber deshalb Anklang gefunden, weil das Unheil zum großen Theil von oben kommt. Die Waarenhäuser für Oifiziere und Beamte find ebenso zu verdammen wie die anderen Aue wüchse; sie erregen ganz in demselben Maße den Mißmuth weiter Kreise der Bevölkerung. Die Offizier- und Beamten-Waarenhäuser find keine Nothwendigkeit, O>fi«iere und Beamte bedürfen keiner Erziehung zur Sparsamkeit mehr.(Heiterkeit und Widerspruch.) Es muß aus dem Wege, der in Sachsen be- schritten worden ist. im ganzen Reiche vor- gegangen werden, biö wir zur prohibitiven Besteuerung kommen. Die unheimliche Ent- wickelung des Großkapitalismus muß verlang- amt werden. Eine progressive Umsatzsteuer ist das einzige Heilmittel. Der sächsischen Regie- r u n g und dem Landtage können wir für ihr Vor- gehen dankbar sein. Die Stärke Deutschlands liegt m seinem Mittelstande, und darum setzt hier die Sozialdemokratie den Bohrer an. Wer diese Gefahr ieht, muß mit aller Energie die kleinen und mittleren Existenzen leistungssähig zu erhalten streben. Es ist der Kampf zwischen zwei Weltanschauungen. Wir halten es für möglich und berechtigt, jener unheilvollen Entwickelung rechtzeitig durch !>eeignete Maßregeln zu begegnen; das ist unser Gegensatz zur Sozialdemokratie. Die deutsche Natur muß ihren Geist und ihren Willen einsetze», um im Interesse ihrer Eelbsterhaltung die Existenz des Mittelstandes z» sichern. Abg. Schneider(srs. Vp.): Die von dem Abg. Fuchs vor- geschlagene Maßregel der Prohibitivsteuer ist doch Nach seiner eigenen Darlegung durchaus ungeeignet, den beklagten Schäden abzuhelfen. Der angeblich bedrohte kleine Mittelstand kann ich ebenso gut durch Bildung von Genvssenschaiten helfen, wie es die Arbeiter durch die Konsumvereine gethan haben. *) Der„Vorwärts" hat unter genauer Angabe seiner Quell« den von einem anderen Blatt als geheimes Aktenstück veröffent- lichten Erlaß wiedergegeben. R. d. „V.". Statt dessen schreien Sie nach der Hilfe der Gesetzgebung und nach neuen Steuern, welche die unbequeme Konkurrenz todtmachen sollen. Was dem einen recht ist, soll dem andern billig sein. Es handelt sich für uns znnächfi um die Frage, ob die Kompetenz des Reiches oder des Einzelstaates vorliegt; wir hören heule nur ein von liqnst, die sächsische Regierung erwägt noch, was sie be- züglich der Umsatzsteuer thun wird. Der Begriff der Gewerbesteuer deckt sich unmöglich milder hier geplanten Umsatzsteuer. Herr Zinnner- mann scheint die Steuer nach der Summe der Existenzen bemessen zu wollen, welche durch die Konkurrenz des Konsumsvereins außer Brot gesetzt werden; ernstlich wird der Reichstag sich wohl nicht mit diesem Vorschlage beschäftigen. Abg. Hanstmann(südd. Vp.): Die lltechtsfrage spitzt sich zu auf die Auslegung der Worte„vorbehaltlich der in den Ge- meinden und Einzelstanten erhobenen Gemeindesteuern", in§ 7, Ziffer 6 der Gewerbe Ordnung. Hierauf allein kommt es an. Nach meiner Meinung war der Wille des Gesetzes nur der, daß alle diejenigen öffentlichen Lasten, welche den Namen einer Gewerbesteuer verdienen, zugelassen bleiben sollten, andere nicht. zunächst also diejenigen, welche sich als Gewerbeftenern bezeichnen. Damit erhebt sich die Frage, ob es nicht gegen Wortlaut und Sinn des Gesetzes verstößt, wenn man einzelne Gewerbe oder gar innerhalb eines einzelnen Gewerbes einzelne Gewerbe- treibende herausnimmt.(Sehr richtig! links.') Gerade„Sonder- steuern" hat man damals unter allen Umständen ausschließen wollen. Prohibitivsteuer» sind nach allgemeiner Meinung verboten. Damit ergiebt sich die Frage: Ist das, was in Sachsen eingeführt ist, eine solche Steuer? Nach dem, was Abg. Bebel ausgeführt hat. scheint es so. Bei dieser Sachlage bedauere ich. daß der Vertreter der Reichs- regierung sich die Sache so leicht gemacht hat.(Zustimmung links.) Die Regierung halte anszusprechen, welche Interessen die überwiegenden seien, die der Konsumvereine oder der anderen großkapitalistischen Vereinigungen und Unternehmungen; indem Sie sich dieser Entscheidung entziehen, lassen Sie all dem Neid und all der Mißgunst gegen die letzteren weiter die Zügel schießen. Die Antisemiten dagegen bringen es bei ihrem Sturmlauf gegen das Großkapital nicht iveiter, als daß sie die nützliche Form der Selbsthilfe in den Ver- einigungen derKleinen und Klein st en zerstören. Derselben Uebertreibung machte sich der Z e n t r u m s- redner schnldig und zugleich eines Verstoßes gegen sein eigenes Programm, welches doch ans die Be- seitigung, auf die Ausrottung des Zivischen- Handels gerichtet ist. Niemand kann wünschen, daß der wirtbschaftliche Entwickelungsgang aufgehalten werde, der die menschliche Arbeitskraft in immer geringerem Maße erforderlich macht; dieser Entwickelungsgang ist ei» gesunder und würde ungesund nur sein, wenn Hand in Hand mit dieser Ent- Wickelung ein Rückgang im Wohlstand einträte. Das ist in der That nicht der Fall. Man möge doch nicht de» Fehler begeben, hier an diesem Punkte, wo sich gerade Anknüpfungspunkte mit dem Arbeiterstande für die übrigen Klassen der Bevölkerung bieten, dieser Entwickelung entgegenzutreten. Abg. Wurm(Soz.) erhält kurz vor 3 Uhr noch das Wort. Er führt aus, daß die Behauptungen des Abgeordneten Zimmermann bezüglich der Geschäftsführung und der politischen Tendenz der Konsumvereine in Sachsen zum größten Tbeil ohne thatsächlichen Inhalt sind. Der Brief aus Chemnitz besage gar nichts. Die Heranziehung einzelner Gewerbetreibender zu einer„Sonder- besteuerung" bleibt eine ungerechte und zudem ungesetzliche Maß- regel. Die Verlheidigirng des Verfahrens der sächsischen Re- gierung durch ihren Vertreter fei sehr lahm ausgefallen. Er leugnete, daß die Regierung den Konsumvereinen feindlich gegenüberstehe. Die sächsischen Militärvereine haben doch ihre Mitglieder zum Austritt aus den Konsumvereinen gezwungen. Allerdings ist darüber auch dieser oder jener Militärverein in Stücke gegangen. Im Reichstag sprechen die Antisemiten davon, daß sie das Großkapital überhaupt be- kämpfen; draußen iin Lande hört man es nicht so denilich; da wird nur gegen die Konsumvereine geeifert, welche hundert- tausend« von selbständigen Existenzen vernichten. Die Behauptung ist auch eine ungeheuere Uebertretung. Wenn Sie die Konsumvereine zerstören, wird auch nicht ein einziger kleiner Krämer den Bortheil haben, das Großkapital wird sich ver Sache bemächtigen. Damit schließt die Besprechung. In persönlicher Bemerkung kündigt Abg. Bebel an. daß die Sozialdemokraten die Angelegenheit durch einen besonderen Antrag wieder aufnehmen werden. Schluß Vl7 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Justizgesetz-Novelle.) BundeSrath. In der gestrigen Sitzung wurde die Vorlage betreffend die Aufhebung des Branntweinsteuer-Grenzbezirks gegen Luxemburg durch Kenntnißnahme erledigt. Dem Entwurf von AnsführungSbestimmungen zur Gewerbe-Ordnung wurde die Zustimmung ertheilt. Die sozialdemokratische Partei beschloß in ihrer Fraktions- sitzung am Donnerstag Abend, von ihren Initiativanträgen die Resolution betreffend den Achtstundentag an erste Stelle zu setzen. Zu Rednern wurden Legten und Fischer ernannt. Der Etat für den Reichstag ist jetzt nachträglich ein- gegangen. Bei den„Besoldungen" werden zwei Stellen für Stenographen mit je 3000 M. neu gefordert, da sich die An- stellnng von zwei älteren und erfahrenen Reichstags- Stenographen als ein nicht abzuweisendes dringendes Bedürfniß herausgestellt hat. Gegenwärtig sind neben drei etatsmäßigen Beamten dieser Klaffe 11 Diälare beschäftigt. Ferner ist sür die sehr umfangreichen Heizungs-, VenlilationS- und sonstigen niaschinellen Einrichtungen im Reichstagsgebände die Anstellung eines akademisch gebildeten Technikers mit einer Besoldung von 2400—5400 M. beabsichtigt. In der umfangreichen Bibliothek soll statt eines Assistenten noch ein dritter Bibliothekar angestellt werden. Im ganzen verursacht der Reichstag eine Ausgabe von 658 190 M., gegen das Borjahr um 3330 M. mehr.—- Fordernnaen für die Kolonien. Dem Reichstage wird noch ein Nachtiagselat zugehe», in dem die Mittel für die Uedernahme der Landeshoheit über Neu- Guinea auf das Reich gefordert werden. Nachdem der Reichstag im ersten Theile dieser Session diese Forderung mit überwiegender Mehrheit abgelehnt hat, wird die Forderung diesmal kaum mehr Aussicht auf Annahme haben. In diesem ziveiten Nachtrags- etat dürfte wahrscheinlich auch eine Forderung für eine Landungs- brücke in Togo enthalten sein, für die stch der Kolonialrath ans- gesprochen hat, nachdem Geheimrath Kayser erklärt hatte, daß auch ein Babnban zu stände kommen werde, vielleicht sogar ohne Reichszuschuß. Dem Abgeordnetenhanse ist die U e b e r s i ch t der von der Staatsregierung gefaßten Entschließungen auf Anträge und Resolutionen des Hauses aus der Session vom 15. Januar bis 20. Juni 1396 zugegangen. Ter Antrag Langerhans betreffend die. Aufhebung der vielbesprochene» Visitation s- und Kon' siftorial-Ordnung des Kurfürsten Johann George vom Jahre 1573" und der„Flecken-, Dorf- und Acker-Ordnung" vom 16. Dezember 1702 findet nach der„Bolks-Zlg." im Abgeordnelenhause eine solche Zustimmung, daß seine Annahme mit ziemlicher Gewißheit zu erwarte» steht. Außer der sreisinnigen Volkspartei und der frei- sinnigen Vereinigung werden nach dem, was die„Volks-Ztg." darüber aus parlamentarische» Kreisen hört, für den Antrag
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