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Dienstag, de« 29. April 1883.

III. Jahrg.

erlimMslW Krgan für die Interessen der Arbeiter.

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NWlstrmßxiilitil!. Mit«ahrhaft rührender Anhänglichkeit klammert sich eine ziemlich große Zahl von sogenannten Sozialpolitiker« an den Gedanken, der Handwerkerstand sei«och vom Ver» fall zu retten. ES find die» nicht allein die Zopf- und Zunftmeister, welche von einer reaktionären Gesetz- gebung für sich und ihresgleichen momentane Hilfe erwarte«, «ein, e» giebt auch eine größere Anzahl liberaler Politiker, wie Viktor Böhmert , Max Hirsch und Genossen, die mit allen erdenklichen Mittel» de« Beweis zu erbringen suchen, daß der Mittelstand nicht nur nicht am Schwinden, sonder» am Aufblühen sei. Bei Herrn Hirsch war seiner Zeit dieser Gedanke so zur Manie geworden, daß er das einzige Argument bildete, welches derselbe gegen die Sozialdemokratie ausspielte. Doch wir wollen vorsichtig, wie eS sich gebührt, an diesem Volks- wirthschafller ersten Ranges vorübergehen. Mitgenannt haben wir ihn nur, damit man ersehe, in welcher Gesellschaft die Mittelstandsfanatiker sich befinden. Wir habe« schon mehrfach de» Satz aufgestellt, daß die Klein- und Bkittelproduktion überall da, wo da» Großkapital sich der Produktiv« bemächtigt, konkurrenzunfähig wird und über kurz oder lang aufhört. Diese Behauptung kann kaum widerlegt werden, da der einfache Blick in da» wirthschaft- liche Getriebe sie schon unter Beweis stellt. Weil nun aber ferner vermöge der technische« Fortschritte das Großkapital sich immer weiterer Produktionszweige be- mächtigt, so geht die Aufsaugung des Kleinbetriebes seine« raschen Fortgang. Als ein Hauptargument gegen diese Thatsache» hat man nun vielfach die Behauptung aufgestellt, daß in der Kleinindustrie mehr Leute beschäftigt werde«, als in der Großindustrie. Dies ist aber, wie wir sehe» werden, eine falsche Behauptung. Die Berufsstatistik hat nämlich alle.selbstständige«" Arbeiter als unabhängige Kleinindustrie ange- führt, so die sämmtlichen Nähmädchen, welche zu Hause arbeite», sämmtliche Schneidermeister, welche ihr«Arbeit für Konfektionsgeschäfte, von denen sie das Rohmaterial erhalten, verrichten, sämmtliche HauSweber, die in ähnlichem Verhält- » find; dann bei der Zigarrenfabrikation die HauSarbeiter, welch« gleichfalls das Rohmaterial vielfach von der betreffen- den Firma geliefert bekomme«. Und wir könnten derartige .selbstständige" Kleinindustriellea»och in großer Anzahl an- führen. Alle diesezahlreiche« im Dienste der Industrie Beschäftigten gehören doch in der That der Großindustrie an. Von einem selbststäadigen Kleinindustriellen kann man doch t» der That nur spreche«, wen» er sei» Rohmate«

Jeuilleton. Der Trödler. Roma« von A.«. Brachvogel. «saus..(Fortsetzung) mm erfüllte rhn riesengroß, überwältigend, rüttelte ihn zum Anspannen semer lebten Kräfte auf- der Gedanke der Gedanke an Mathilde. So «mverth Beider er sich auch fühlte, so wenig er das Eden n» v* o** zurückzuzaubern vermochte, das Andenken Sckwu/ öwer war mächtig genug, ihn zu dem heiße« i,, n5 Eisernen Entschluß zu entflamme«, nicht tiefer «f, J n'i* rr bereits stand, nach der verlorenen Mannes- �/urwaen und, sei's durch da, Opfer der tiefste» De- �üthlgung selbst, sich ei«« Stellung in der menschliche»

rial selbst beschafft und seine fertige Waare verkauft. Dann aber giebt e« in der That gegenwärtig noch eine große Zahl Handwerksmeister, die aber meist ohne jeden Gesellen arbeite«. Wo früher in einer Stadt z. B. drei Schuhmachermeister mit je sechs Geselle« arbeiteten, da arbeite« jetzt sechs Flickschuster ohne Geselle» die.selbstständigen" Kleingewerbetreibenden haben sich so- mit wirklich um da» Doppelte vermehrt. Daraus kann man das Aufblühe» de» Kleinbetrieb« ersehe». Man ersieht aber wirklich daraus, daß die beste« statistischen Nachrichten in der Hand von unwissenden oder interessirten Menschen die unzuverlässigste« Resultate zeitigen.--- So finde« wir in verschiedenen sächsischen Zeitungen, wahrscheinlich der»Soz.-Korr." entnommen, einen kleine« Aufsatz mit der UeberschriftAbnahme oder Zu- »ahme des Mittelstandet", durch welchen die Zu- nnhme desselbenbewiesen" werde» soll; sehen wir uns diese Beweisführung etwas näher an: Die Zahl der steuerpflichtigen physischen Personen be- trug im Jahre 1879 1007 691, im Jahre 1884 1 132 747, das bedeutet eine Zunahme von 12,41 Prozent. Die Be­völkerung Sachsens hat sich von 1880 di» 1885 nach den neuesten Mittheilungen um 6,94 Prorent vermehrt. Die Zu- nähme der Steuerpflichtigen ist sonach eine bedeutend größere, als die der Bevölkerung. In der sächsische» Ein- kommensteuer-Gesetzgebung ist eine Aenderung nicht einge- trete«, nur die Einschätzung dürfte hier jund da verschärft worden sei». Theilt man die zur Steuer Einze- schätzten, deren Zahl größer ist, als die Zahl der wirklich Steuerpflichtigen, in 4 Hauptklassen(un- bemittelte Klasse mit einem Einkomme« bis zu 800 M., mittlere Klassen mit einem Einkommen von über 800 bis 3300 M., wohlhabende Klasse mit einem Einkommen von über 3300 bis 9600 M., reiche Klasse mit einem Einkommen von über 9600 M.), so ergiebt sich folgendes: Die Angehörigen der unbemittelten Klasse stiegen von 1879 bis 1884 von 828 686 auf 906 247, die der mittlere« Klasse 227 072 auf 267 975, die der wohlhabenden Klasse von 24 072 auf 27 984 und die der reichen Klasse von 4921 auf 6828. Das bedeutet eine Zunahme für die unbemittelte Klasse von 9,36 Prozent, für die mittlere Klasse von 18,13

Prozent, für di« wohlhabende Klasse von von 16,25 Prozent, für die reiche Klasse von 38,75 Pro« eingeschätzte« Personen überhaupt beträgt 11,43, die der

Bevölkerung beträgt 6,94 Prozent. Die unbemittelte Klasse hat sonach am wenigsten zugenommen. Von 1879 zu 1880 vermehrte sich die unbemittelt« Klasse um 27 908 Personen, von 1880 bis 1882 um 25,60, von 1882 zu 1884 um

ernähre. Er that dem Notar Lex seinen unabänderlichen Wille« kund und ersuchte ihn, Schätzlein davon zu benach- richtigen. Darauf veräußerte er sämmtliche LuxuSgegen- stände und Mobilien an Bleichman» und behielt nur das Nöthigfle für feine kleine Haushaltung zurück, Jakob, sein Diener, war der Einzige, welcher ihn nicht im Stich gelassen und fem Schicksal theile» wollte. Sein Haupt- augenmerk war aber ei» Lebensberuf, eine Exiflenzquelle. Er ging mit dem Muthe der Verzweiflung von Einem zum Andern, achtete weder scheele Blicke noch beleidigende« Bedauern. Man wies ihn ab oder vertröstete ihn in« Blaue. Aber mit felsenfester Geduld that er immer neue Schütte. Sei« Ruin war bereit« ei» öffentliche« Geheimniß. Wer interesfirt sich für einen Gefallene»?! Daß er da« Hau « abtreten mußte, erfuhr Juftu«. durch Lex, erfuhr die ganze Familie. Du wirst da» Hau « nimmermehr kaufe«, Justus I" sagte Ebristine ernst,die Welt soll nicht sage«, wir seien durch Edmund'« Unglück reich geworden!" Die Räume droben betret' ich nimmer, Vater, und bist Du so hartherzig, Edmund zu vertreibe«, ist nicht Demer Tochter bittere Thräne mehr im Stande, Dich zum Mit- leid zu bewege», so magst Du mich nur lieber zu Annen betten, wo mir wohler sein wird, alt in der Welt I!" Da« ist recht! Sprich Du nur so zu Deinem Vater, als müßte« Du Dich schäme», de« alte» Justus Kind zu fei»! Poltert nur recht unvernünftig drein, als hätt' ich eine Todsünde vor! Edmund Hennings muß da« Haus ja verkaufen, er kann mir die Zinsen nicht mehr zahlen. Soll ich hinopfern, wa« ich mit Mühe durch ein ganze« Lebe» voll Arbeit Euretwegen errungen? Nicht wahr, wohl deshalb, weil er Deine Jugend vergiftet, Mathilde, Dich in'« Gerede der Leute gebracht hat und Du unglücklich geworden bist ganz und gar?! Und was nutzt e« den«, um Gotte« willen, wie lange dauern«och die paar Thaler, die er haben mag, dann ist'S ganz au»?! Soll ein Anderer da« Hau « habe», ein Anderer, der mich auf meine alte« Tag« vor die Thür setzt? Profit die Mahl« zeit,«ei«! Dem Sohn de« alten Hennings ließ ich mem

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24 493 Personen. Da« bedeutet eine Zunahme von 1879 u 1880 um 3,37 Prozent, von 1880 zu 1882 um 2,94 Prozent, von 1882 zu 1884 um 2,78 Prozent. Hieraus geht hervor, daß die Zunahme der ärmste» Klasse eine stetig fallende Tendenz zeigt. Die mittlere Klasse(18 Prozent Zunahm«) und die wohlhabende(16 Prozent Zunahme) stehen über der Zunahme der eingeschätzten Personen über- Haupt(11,43 Prozent). Die reichste Klasse hat am meiste», über 38 Prozent, zugenommen." Solches Zahlengewimmel mag mancher für baare Münze hinnehmen; die Zahlenstimmen" ja auch, deshalb wird e» ja wohl wahr sein, daß dieunbemittelte" Klasse in Sachsen immer mehr zurückgeht, die bemittelte, wohlhabende und reiche Klasse hingegen steigen. Die ganze Frage dreht sich aber doch nur darum, wo man die Grenze zwischenunbemittelt" undbemittelt" zieht. Unbemittelt sind Leute, die ein Einkommen von 700 bi« 800 Mark beziehen, bemittelt aber diejenigen schon, welche 801900 Mark Einkommen haben. Der ganze Fehler be dieser statistische« Aufstellung ist der, daß man die Grenzeri de« Mittelstandes viel zu tief gezogen hat. Nehmen wir eine Familie von fünf Personen an; der Man« hat ei» Einkommen von 900 Mark, das sind zirka 2 M. 50 Pf. täglich diese Familie, die bei den gegenwärtigen Preisen der Bedürfnisse notorisch am Hungertuche nage« muß, zählt der berühmte Statistiker der sächsischen Blätter zu den Be- mittelten! Mit solchen Voraussetzungen kann man Alles beweisen. Verlegt man aber die Grenze höher; wir wollen recht bescheiden sein: bi« zu 400 Thaler, 1200 Mark jährlich nehme man die Unbemittelten an, von da ab die Be- mittelten, so wird man ganz andere Resultate erzielen. E« werde« dann die Unbemittelten bedeutend in der Prozent» zahl wachsen und die Bemittelten aber ebenso bedeutend in der Prozentzahl zurückgehen. Und da» ganze Reche»- exempel des statistischen Künstler» ist über de» Haufe» ge- worfe«. Wie willkürlich aber auch die beliebte Eintheiluug der vier Steuerkategorien gemacht worden ist, geht schon daran« hervor, daß in der Kategorie derBemittelten" ein Theil ma 14 o o r\f\ cm fc:.. M..-»-

_. ,» dreimal so groß, 9600 M. gegen 3300 M. Halten wir dieses Verhältniß auch bei de«Bemittelten" fest, so ist die Summe von 1200 M. gerade richtig gegriffen. Diefe Kategorie würde dann das Einkommen von 1200 bi« 3300 M. umgreifen. Und damit wäre, wie schon gesagt, der Beweis, daß der Mittelstand im Wachsthum begriffen sei, völlig über den Haufen geworfen. Geld! Einem Ander« nimmermehr! Kann Einer den« auch gleich zwanzigtausend Thaler baar hinzahle«? Heut- zutage? Nein! Also wa« wollt Ihr denn? Da krieg' ich denkalten Stein" ja doch! Oder war'« etwa eine Sünde, daß ich dem alte« Josua all' mein Ersparte« lieh, um ihm zu helfen? Wa« wollt Ihr denn, zum Geier?!" Du willst da» Hau « also kaufen, Vater? Schlechter- ding«? I" Schlechterdings überaehm' ich'«! Jeder vernünftige, rechtschaffene Mann thät'S mrt eben so gutem Gewissen!" Mathilde» ergriff eine tiefe Bewegung, ein Frösteln. So nimm e« nur, mög' Dir'S Glück bringe»! Mir ist'S recht! Es ist wohl auch da« Best«!" Sie ging ohne eine weitere Bemerkung hinaus. Da» bringt das Mädchen noch in die Grube! O Justus, lieber, guter Justus, wären wir doch nimmer in denkalten Stein" gezogen!" Ja doch, ja! Und wär' ich doch nimmer so gestrast worden, daß mich die Wesen, die mein Lebtag um mich waren, doch so schlecht kennen!" Damit setzte er den Hut auf und ging heftig bewegt fort. Er schritt indeß nur bi« zur erste« Hausthür, vor der er zögernd, in Gedanken stehe« blieb. Dann trat er rasch ern, eilte hinauf zu Edmund'S Wohnung und klopfte an. Edmund, eben von einem fruchtlose« Wege wiederum heimgekehrt, schrak empor.Herein!" Justus trat ein. Edmund ward bleich, dann stand er auf und nickte leise:Guten Abend, Herr Schätzlein." Guten Abend. Der Notar Lex hat mir gesagt, Sie könnte» die Zinsen nicht mehr zahle» und wollten mir da« Hau « überlasse». Ist'S so?" So ist'S!"- Hm, hm! Sie haben also gar nicht« mehr? Rem gar nichts?"_ Wa« frage» Sie, mein Herr? Macht Ihnen das '-'"'" abe nicht«

etwa auch Freude, wenn ich siwe: Nein, ich mehr? Zufällig aber, Herr Schätzlein, bi» solcher Lump, der betteln gehen muß I So wenig ich' auch