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Freitag, htn 83. April 1886.
m. Jahrg.
MmnVcksdllill flrnan ffir die Interessen der Arbeiter.
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»a« �»erliu-r«oltStlatr' «(♦riro tSgltch KotgenS außer nach Sonn« und Festtage«. NbonnementKpret» für verlin frei vierteljädriich 4 Marl , monatlich 1,86 Marl ,»üchentlich 86 Pf. Postadonnement 4 Karl. Gtnieme Rummer 5 Pf. Vonntttgs-Rummer mit illustrtrter Beilage 10 Pf. l«ngetragen In der Post,eitung»vret, liste für 1886 unter Rr. 769.)
J«fertio»4geb«hr Petst""■------
Kedaktio«: Deachstratze 8.— Gvpedttw»; Zimmerkratze 44.
Die KmptrWxele. 3Bo ertönt sie? Am Rhein oder an der Weichsel ? Run, vorläufig weder im Osten noch im Westen, sonder« nur in den Spätren der vffipösen Blätter und da nehmen wir die Sache nicht allzu tragisch. Wir find dergleichen Dinge gewohnt und sie können uaS nicht überraschen. Der ChauvinremuS ist un« immer eine widerwärtige Erscheinung ! gewesen und wir haben auch de» Muth gehabt— und laben ihn»och— den deutschen Chauvinisten dieS zu »gen. Sie mache» auf uns den gleichen Eindruck wie die ranzöstsche». Aber ist den« der französische Chauvinismus, auf den unsere O fi lösen mit gutgespielter Besorgniß hivzuweise« nicht müde werde«, wirklich ein so gefährliches Ungeheuer, da« den Frieden mit einem Zuge zu verschlingen fähig ist? Deroulöde, welcher als der vollendetste Typus eines französischen Chauvinisten erscheint, ist unS immer als eine sehr lächerliche, niemals aber als eine ge« fährliche Persönlichkeit vorgekommen. Und Herr DeroulSde ist nicht Frankreich , sondern nur der Häuptling einer kleine» Schaar von Schreiern, die sehr viel Lärm machen können, die aber oh» mächtig sind, irgend etwas zu thu», was wirk- lrch den Flieden gefährden könnte. Man untersuche einmal die verschiedene« Schattirungen der in Frankreich herrschenden republikanischen Richtung auf ihre« Chauvinismus und man wird finde», daß man keine» Grund hat, von dieser Richtung eine kriegerische Aktion zu befürchten. Beginnen wir mit Hen« von Fr eye tuet und Tenofsen. Diese Republikaner habe» sicherlich keine Lust, einen Krieg mitDeutlchland herbeizuführen. Sie sind offenbar auch klug genug, um einzusehen, daß, nachdem sie sich in Oitasten empfindlich die Finger verbrannt, e« gar nicht zuträglich wäre, sich auch noch in Europa dieselbe» zu verbrennen. Ueberhaupt sind wir der Meinung, daß die au»- wärtige Politik de« Herrn von Freycinet eine prinzipiell friedliche ist und daß sie in dieser Beziehung alle» Vertrauen verdient. Hält man Herrn Lockroy, Herrn Clömenceau oder Herrn R o ch e f o r t für Chauvinisten? oder etwa die radikalen und sozialistischen�Gruppen ? Gewiß nicht! Chauvinismus findet man dagegen in hohem Trade bei den alten reaktionären Parteren, die immer«och der Meinung sind, ei« starke« Frankteich fetze ei» schwache« Deutschland vor« au«. Die Radomontaden de« Herr« C a s s a g» a c sind bekannt; wen» dieser Raufbold seine Träumereien vom wieder« erwachenden NapoleooiSmuS zum Beste« giebt, denkt JeuMeton. Der Trödler. Roma« von A. E. Brachvogel. (Schluß.) »Edmund, am heutige« Tage höre« da« Amt, die Pflicht, die Gewalt auf, welche mir mein todter Freund Äofua, Dein Vater, über Dich eingeräumt. Heut', und «st heute bist Du mündig! Als da« Testament gemacht ward, mein Sohn, und Dein Vater voraussah, Du würdest in« Netz jemS WeibeS falle», würdest leichtsinnig, hirnlos Deinem Veiderbe» zurennen, wollte er Dich wenigstens vor dem Schlimmste» bewahren, Dich zwinge«, in dem Rausche de« Genuffe« inne zu halte», eh' Du ganz ei« Bettler ge> worden. Diesen Brief hat er damals in meine Hand ge- legt, mir setne väterliche Gewalt übertragen und mich an» gewiesen, Dtr nun dann diese« letzte Vermächwch zu geben, wenn Du Dich entweder gebessert habest, oder so verkomme« seist, daß Du Dir selber nicht mehr helfen könntest. Der liebe Gott hat'« nun gewollt, ich sag'« mit Freuden, daß Du Dich selber wieder erhoben hast! Der alte ZustuS hat seine Schuldigkeit getha», hier ist der Brief!" Ein ehrfurchtsvoller Schauer senkte sich auf Alle, eine Wehmuth und Andacht au« tiefster Seele, al» Edmund den Brief de« Verstorbenen to die bebende Hand nahm. E« schwamm vor seinen Auge«, als er die geliebte« Schrift« »üge de» Verewigten las, gerichtet an ihn mit dem Rufe der Liebe, wie den Klüften de« Zenfeit« entstiegen, als Friedensbote. „Mein geliebter Edmund! Längst werde ich Staub fein, wen« diese Zeile« vor Dein Auge kommen. Welche Schmerzen, welche Futcht und schlimme Ahnung ich empfinde, da ich die« schreiben wuß, degretft nur, wer selber Vater ist! Du wirst den Becher des Elend«, der Täuschung und Schuld bereits ge- «er» hrben, zur Einsicht gekommen se n, durch de« tiefsten Schmerz, daß da» wahre Glück im Menschen selber ruht, sowie in seinem bescheidene« Herze«. Gott gebe, daß Du Dtr nur Irrthümer, keine schimpfliche That vorzuwerfen
er dabei an ein niedergeworfene« Deutschland , auf dessen Nacken ein«euer Cäsar seine« Fuß setzt. Aber Cassagnac und die anderen Reaktionäre find Anhänger verschwundener RegierungSsysteme; sie haben in Frankreich nicht mehr viel zu saaen. Nur eine republikanische Gruppe giebt es, die stark in Chauvinismus macht; e« find jene Leute, denen der ver« storbene G a m b e t t a al« da« Ideal eine« Staatsmannes erschien. Gambetta '» Stern drohte»och bei Lebzeiten de» einstigen Diktator« von Tour« zu erbleichen und er suchte häufig den Glanz diese« SierneS durch chauvinistische Phrasen aufzufrischen. Alljährlich hielt er ein« chauvinistische Rede, die aber von Jahr zu Jahr matter wurde; Gambetta sah selbst ein, daß er mit solche» Kundgebungen sich bei den aufrich» tigea und überzeugten Republikanern mehr schade« al« nutze» mußte. Um so merkwürdiger ist, daß seine Epigone«, unter denen sich«amevtlich Herr Paul Bert bemerklich macht, gerade den Chauvinismus al» eine Erbschaft, die ihnen der M-ister hinterlasse», zu betrachten scheinen. Aber diese Gruppe ist nicht so mächtig, um der auswärtige» französt- fchen Politik ihre Richtung vorzuschreibe«. Man muß bei einem sonst so wohlmeinenden Mann von gut demokratischer Gesinnung, wie Herr Paul Bert e» tst, bedauern, daß er dem Chauvinismus huldigt, aber das ist nun einmal so und man kann e» nicht ändern. Wenn also die herrschende politische Richtung in Frankreich dem Chauvinismus fast durchweg piinzipiell abgeneigt ist, so gebiete« andererseits alle politischen und sozialen Interessen der französische» Republik, sich eine friedliche Entwicklung und Befestigung zu sicher«. Da« wisse« die Männer, die das Steuer der Republik führen, gewtß genau so gut oder noch besser, wie andere Leute. Sie könne» auch kriegerische Abenteuer und kriegerische» Ruhm entbehre«; sie find darauf nicht ange» wiese» wie etwa ein Napoleon . Aber woher kommt da« Gerede von.Verstimmung" und von den gefährliche» Wirkungen de« Chauvinismus in Frankreich ? Nu«, da« ist nicht zu schwer zu errathen. I» Deutschland naht die Zeit, dadaSMilitär-Septennat abläuft und die Offiziösen find bemüht, im Volke„Stim- mung" für die Verlängerung diese« SeptevnatS zu mache». Man muß ihnen zugestehen, daß sie früh bei der Hand find. Indessen ist die Sache nicht mehr neu; sie ist im Gegentheil schon so oft dagewesen, daß sie diesmal schwer- lich im Stande sei» wird, die gewünschte»Stimmung" bei den Volksmasse« hervorzubringen. Man kennt«achgerade seine Pappenheimer.
hast! Gebe Gott , daß Du geläutert und veredelt der Liebe aller guten Menschen werth geworden I— Da vorauszusehe» war, mein Sohn, Du würdest Dein Vatergut ver« geuden, darum betrogen werden und da« Ende Deiner Laufbahn könne nur traurig sei«, habe ich meine« alte«, liebe» Freunde Justus Schätzlei« Gewalt über Dich«in» geräumt, soweit man sie über einen Erwachsenen ausüben kann, habe e» ferner unmöglich gemacht, daß Du da« Letzte Deine« Erbe«, de» gute»„kalten Stein" verliere« kannst. Za dem Ende habe ich eine Hypothek von zwanzig- tausend Thaler« an Schätzlei« unter solche» Bedingungen gegeben, daß er im Stande ist, de«„kalten Stein" vor Deiner Unvernunft und Verschwendung sicher zu stelle». Diese Hypothek gehört demnach jetzt Dir und Du bist wieder freier Eigentbümer D ine« Elternhause». Tausend Segen bringe Dir Deine Reu« und Besserung, mögest Du erkennen, wie wohl ich e« immer mit Dir gemeint, und Gott verleihe Dir Glück! Meine» Segen auf Dir in Zeit und Ewigkeit! Dein liebevoller Vater Josua Henning«." „Die Hypothek gehört Ihne« nicht?!" rief geisterhast Edmund. „Du bist nicht Besitzer de« Haust«?" staunte Christine. „Vater! Herzvater! Wir hätte« Dir so bitter Unrecht gethan?!" schluchzte Mathilde. „Ihr habt«tr Unrecht gethan, Kinder, aber Ihr mußtet'« wohl, Ihr verstand«'« eben nicht besser. Ja, Edmund, der „kalte Stein" gehört Dir, keinen Pfennig Hab' ich auf dem Hause! Hui, wie sollt' ei» ehrlicher Tiödler wohl zwanzig» tausend Thaler zusammenschlagen I Da mein Sohn, ist das Instrument, zieh' wiederum ein in Deine« Vater'« Hau «, Du verdienst'« I Wenn unser guter Josua herabkäm' von der Höh', müßt' er mir Zeugniß gebe», wie oft ich um Dich geweint, wie ich geseufzt Hab' unter der Pflicht, die ich von ihm übernommen. Dein Vater, mein Junge, hat'« aber um mich verdient gehabt! Laß sie mich immer'nen Wucherer, Gauner,'nen Blutsauger nennen, dieses Gesindel, dessen Liebe wie Haß gleich hirnlos und ekel isi, die dem Scheine nach'aufen, wie die Motte dem Licht. Ich mußte ein Schurke scheine», um da« L-tzte zu rette», wa« Dir die Leute übrig ließe«. Ich Hab' an Dich alle« gesetzt, alle»,
Die Ktretefiiipz des Mmstees , des|n«ets. § Von manchen Seiten find die Befürchtungen al» über» trieben bezeichnet worden, welche wir am Sonntag aussprachen, alS nur die(Stundlinien des Minister'alerlaffe« vorlagen. Wir müssen jedoch unsere damaligen Aeußerungen voll und ganz aufrecht erhalten. Scheinbar wendet fich die Verfügung deS Herrn v. Pull» kamer nur dann gegen Streiks,„wenn die sozialdemokratische Agitation stch ihrer bemächtigt", wenn„fie durch die sozialdemokratische Agitation angestiftet find, oder auch in ihrem weiteren Fortgange der Leitung derselben verfallen"' Wir fragen aber: welcher S reik und welche Regung der Arbeiter al« Klaffe überhaupt ist heute denkbar, ohne daß sozialdemokratische Elemente hierbei auftauchen und die Führung gewinnen? Welche Versammlung von Streikenden tst der dem heute erreichten BildungSstande der Arbeiter möglich, ohne daß in die Begründung der Forderungen an die einzelnen Unternehmer fich sozialistische Jveen einmischen über den Gegensatz von Kapital und Arbeit, über die R ath wendig> keil der politischen Organisation der arbeitenden Klaffe? Wird eS eifrigen Behörden nicht ein leichtes sein, während der Eni- Wicklung, nein, schon im Beginn eineS jeden Streiks wegen einzelner Reden und Kundgebungen den Streik für einen so- zialistrschen zu erllären, und ihn deshalb sofort zu ersticken? Denn waS ist ein Streik überhaupt noch, wenn jede Versamm- lung, jeder Aufruf, jede Unterstützung verboten ist und dem harten Arm deS Sozialisten> Gesetze« verfällt? Der Lohnkampf— und auch die Regierung leugnet doch die; traurige Lage der atbeitenden Bevölleiung nicht — war bisher schon ein unsäglich schwieriger, mit der de« zeichneten Anwendung de» Sozialistengesetzes wird er ein voll« ständig auSficktSloser. Wer wird für Streiks sparen, wenn auf einen Wink die Streikkasse der Polizei v-t fällt? Wer wird fich an einem Kampfe betbeiligen, wenn die Behörden in jedem Augenblick nur ihr Machtwort in die Wagschale zu werfen brauchen, um zu Gunsten der Unternehmer zu entschetven? Die Verfügung des Ministers will„Ausschreitungen" ver» hindern, aber fie wird Ausschreitungen wecken. Bei welchen Streiks find überhaupt G waltthätigkeiten am ehesten zu de« fürchten,— bei den sozialistischen oder bei denjenigen, welche wilv au« den ung? leiteten Instinkten und Jnteieffen der Ar» better hervorwachsen? Der nicht sozialistische Arbeiter fühlt, wie die Dinge heute einmal liegen, den Gegen» satz zwischen fich nnd dem Unternehmer ebenso gut wie der sozialistisch geschulte. Für den ungebildeten Arbeiter aber in seiner Kurzfichtigleit erscheint der Gegensatz al« ein persön- licher, er steht in dem Unternehmer den Hartherzigen„Schinder", den brutalen„Ausbeuter", er wendet fich mit seinem ganzen Haffe gegen die mißliebige Person; für den nichtsozialisttschen Ardeiter liegt also die Verleitung zu Thätllchkeiten und ÄuS- selbst— mein Kind— so lieb, Edmund, Hab' ich Dich gehabt und habe Dich noch! Gott aber Hat'S gefügt, daß e« zum Guten ausgeschlagen ist I Komm an mein Her,!"— „Mein geliebter Vater, mein Erretter!" jauchzte Hm» «ing» und preßte de« alten zitternven Mann an sich, be» deckte seine Lippe« und Wangen mit tausend Küssen. Ma» thilde und Christine hängten sich an den Alten und baten ihm da« Mißtrauen, den Schmerz und alle trübe« Stunde» ab, die fie ihm im Unverstände bereitet. „Laßt mich, Kinder, laßt mich doch nur ganz! Ihr zerküßt mich ja sonst zu Fetzen, haha I Heut' ist ei» rechter Feiertag, ein heil'ger Tag, so zu sagen. Kommt laßt un« hivaufgehe» in die alten Räume! Fürcht' Dich nicht, Ed» mund, der ganze noble Trödel, Tapeten und Leiste», Alle« ist weg! Alt ist««, alt und ehrwürdig wieder, wie zu Deine« Vater« Lebzeiten, Stück für Stück steht auf der vorigen Stelle. Mit den schönen Erinnerungen möge« auch die schönere» Zeiten zurückkommen!" „Ach, Oberhoff I" seufzte Edmund, und ei» Strahl heißer, schmerzvollster Liebe traf Mathilden. Droben in den alten Zimmern, die Justus mit dem erstandene» Mobiliar Josua'« wieder eingerichtet, saßen fie. Die Welt schien wieder neu zu werden, sich zu vergülde« im Rotenschimmer der alten Kinderträume. „O Vater Justus," bat Edmund,„das Lied, da« süße Lied der Jugend, da»— ach, Mathilde! Gott , mein Gott, ich werde irrsinnig, wenn ich daran denke 1 1"— Er sprang empor und stürzte in'« Nebenzimmer, zu de, Stelle, wo einst der Leichnam seine« Vaters ihm stummen Willkom» me» bot. Er jammerte laut auf im Wehl Hatte er doch zwei unwiederbringliche Güter verloren, de« Vater, die Ge- Da erklang leise die Guitarre, da» alte Lied vom Oberhoss! „Drei Dinge giebt'« im Lebe«, Die nimmermehr vergeh», Noch segnend un« umschweben, Wenn wir am Jenseits steh«. Nicht ist's die Gier der Sinne, Der je Erhörung winkt, Da« reinste Glück hiniede» Genügsamkeit Dir bringt!