fluß im Bundeirathe geltend machen wird, um auf dem Wege der Reichsgesetzgebung und mit Zugrundelegung dei§ 6 de» NahrungSmittelaesetzeS den Brauern die erbetene Hilfe zu bringen. Di« RechtSunficherheit auf diesem Gebiet ist unbe- stritten. Es fehlt eben die genaue Bestimmung,«ai Bier eigentlich sei. Schon vor 200 Jahren hat man Bier bezeichnet als ein Getränk, das au! Malz, Hopfen und Waffer besteht. Die Petition, für welche das Eintreten der königl. Staats« regierung im Bundesrathe erbeten wird, verlangt weiter nichts, als daß diejenigen Getränke, welche aus anderen Stoffen her« gestellt find, nur unter dem Titel verkaust werden dürfen, auS welchem der Käufer die Art des Zusätze» erkennen kann, z. B. ReiSbier, Zuckerbier, Maltosebier u. s. w. Damit wird kein Zweig der landwirthschaftlichm Produktion beschränkt, kein solches Getränk an den Pranger gestellt. Die vorliegende Petition geht aber zu«est. Gingen die in ihr auSge« sprochenen Wünsche in Erfüllung, so würde der Bewegung auf gewerblichem Gebiete eine zu große Schranke auf« erlegt werden und der Export der preußischen Brauereien, der in den letzten Jahren einen er« freulichen Aufschwung genommen, würde ,u leiden haben. Der Richter würde, nach dem Wortlaut der Petstwn, auch solche Stoffe, die nur zm Haltbarkeit deS Biere» dienen und welche gar keine Surrogate find, als solche auffaffen müffen. Die» jmigen aber, welche fich auch dem Kommijfionsbeschluffe gegen« über ablehnend verhalten, welche eine Aenderung der bestehen« den Veihciltnlffe überhaupt nicht wollen, die bitte ich, die gegen- wältige RechtSunficherheit zu bedenken. Der Redner erwähnt nun die Reichsgcrichtserkenntniffe, nach welchen Brauer auf Grund dei NahrungSmittelgesetzes bestraft worden find, welche Surrogate Verwender haben, für welche fie dem Staate Steuern bezahlt hatten.. DieS Alle» veranlaßt mich, die königlich« Staatsregterung zu ersuchen, das vaterländische Braugewerbe, das doch wahrlich eine große Bedeutung in unserem Wirth« schaftsleden einnimmt, nicht ohne den berechtigten Rechtsschutz zu laffen, den es verlangt und verdimt. Ich bitte Sie, den Beschluß der Kommisston anzunehmen. Abg. S ch m i d(Hohenzollern , Zentrum) tritt den Ausfüh» rungen des Abg. Scheden bei. Während man das aui Malz bereitete Bter mit Recht flässtgei Brot genannt habe, gebühr« dieses Prädikat den auS Surrogaten bereitcten Bieren keineswegs, insbesondere daS Maltosebier ermangele aller nährenden Be« standthelle. In Amerika sei die Verwendung dieser Surrogat« längst ein überwundener Standpunst. WaS den bayrischen Bieren ihren großen Vorzug verleihe, sei ihre„Süsfigkeit" (große Heiterkeit� in Bayern sei aber bekanntlich daS Manschen nicht erlaubt. Wolle man den Brauern und dem diertrinkcnden Publikum in Norddeutschland gerecht werden, so müffe man die Surrogate verbieten; geschehe daS nicht, so werde niemals Sir Wahrheit werden, waS in einem hiesigen Restaurant als nterschrist eineS BildeS, welches den Berliner Bär und daS Münchener Kind'l zeige, zu lesen sei: „Laß sein, liebeS Rind, Du hälft nicht Stand Dem Berliner Bier an der Spree grünem Strand; Ich frage nichts nach der Münchener Siederei, ES lebe Berlin und daS Berliner Gebräu!" (Große Heiterkest und Beifall.) Abg. Dirtchlet bestreitet die Berechtigung der Brauerei« Jntereffenten, Fortschritten der Technik und Fabrikation ent« gegenzutreten, wenn daS Fabrikat gesundheitSnachtheUig nicht fei. Die deutsche Malzgerstesabrikation decke den Bedarf bei Weitem nicht; durch die Erzeugung von Maltosebier sei die Gelegenheit gegeben, auch minderwerthige Gerste zu verwertben. Zur Zeit freilich werde noch der größere Thell der Maltose auS MaiS gewonnen. Richtig sei, daß die echten bayrischen Biere nahrhafter seien; daß ein Liter Bier für 30 Pf. mehr Nährstoffe enthalte, alS ein LUer für 5 Pf., sei doch nicht verwunderlich. Die Definstion des Begriffs „Bier" sei ebenso schwierig, wie die deS Begriff»„Wein"; noch der jüngst in Dan, ig verhandelt« WeinfälschunaSprozeß habe daS bewiesen. Mit dem„reinen Traubenwein" sei die Frage nicht gelöst; jeder Wein bedürfe, um haltbar zu sein und dem Trinker zu munden» gewiffer Zusätze, die in der Traube vorher nicht vorhanden waren.(Lebhafter Widerspruch im Zentrum.) Redner ersucht um Annahme des Kommisstons« andages. Vom Abg. C r e m e r(Tettow) ist der formulirte Antrag «ingegangen, die beiden Petitionen der königlichen Staats« regterung zur Berückstchtigung zu überweisen. Abg. Conrad(Zentrum) spricht für möglichst ein« stimmige Annahme deS AnttagS auf Berücksichtigung, um da« durch auck den landwirthschastlichen Interessen, die durch den zunehmenden Verbrauch der Surrogate mehr und mehr ge« schädigt würden, entgegen zu kommen. Abg. v. Rauchhaupt: Ei steut mich, daß fich für die Reinheit deS Bieres eine Stimme gerade auS unserem Stammlande Hohenzollern erhoben hat, eS soll uns dies ein Mahn« ruf sein, woher wir eigentlich stammen.(Bewegung. Heiterkeit.) Wir werden nur dadurch Biertrinkern und Bierfabrikanten gleichmäßig nützen können, wenn wir mst äußerster Schärfe, wie in Bayern , gegen alle Surrogate vorgehen. Wenn in Bayern die Bierproduttwn zurückgeht, während sie im übrigen Deutschland noch steigt, so liegt dieS eben daran, daß in Deutschland noch Gebiete vorhanden find, wo das Bier dm SchnapS verdrängen kann und verdrängt. DaS echte bayrische Bier ist gesunder, deshalb trinken»S hauptsächlich die höheren Stände, die eS fich leisten können. Aber wir müssen eben dafür sorgen, daß daS minder besttzende Publikum von schädlichen Surrogaten verschont bleibt. Herr Dirtchlet meint, eS gebe keinen Wein, der ohne Sunogat hergestellt wird; ja find denn die Annonzen des Herrn Nier lediglich Reklame? Ich habt durchaus nichts dagegm, daß es nothwendig ist, Weine zu verschneiden, wenn nur keine gesundheitsschädlichen Surrogate dabei verwendet werden. (Abg. D i r i ch I e t: Sehr richtig!) Darum handelt eS fich auch hier.(Abg. Dirichlet : Durchaus nicht I) Jawohl! ES sollen keine gesundheitsschädlichen Stoffe bei der Bier« Herstellung verwmdet werden.(Nein! link».) Daher bitte ich Sie, die Petitionen der StaatZregierung zur Berückstchtigung zu überweisen. Abg. P l e ß spricht fich in demselbm Sinne auS. Abg. Dirtchlet: Das Bier in Bayem ist allerdings billiger als das hiestge sog. echte bayerische Bier, aber eS ist erheblich cheurer als das, was unsere Leute auf dem Land« trinken. Diese könnm eben die theuren Biere nicht bezahlm, fie brauchen die billigen. Mit Hypothesen, wie: eS könnte durch die Maltoseverwmdung Schlimmes pasfiren, kann man doch nicht hier operiren, sonst hindert man jeden technischen Fortschritt. Mtt demselben Rechte, mit dem Sie hier Mais, ReiS und Maltose zur Bierberettung verbieten wollen, hätten Sie auch früher die Zucker brreitung auS Runkelrüben verbitten müssen. Dmn die Rüde war ein Surrogat für das Zuckerrohr.(Sehr gut! links.) Ich kenne die landlichen Bierverhältnisse genau, die Landbevölkerung braucht billigere Biere. WaS Wein betrifft, so wissen wir in Ostpreußen besser, waS Rothspohn ist, Herrn v. Rauchhaupt überlaffe ich den Bliemchenkaffee; auch Gi üneberger und Raum« burger mag er besser zu deurtheilen verstehm alS wir. Auch die Weine von Oswald Nier, der auch angeklagt war, überlaffe ich ihm, denn mir ist ein verschntttener Rothwein lieber, als ein ungegypster von Oswald Nier.(Heiterkeit.) Ich bitte Sie, die Petition der StaatSregierung zur Erwägung zu über« weisen. Abg. Cremer: Denjenigen Herren, welche für das billige Bier«intreten, möchte ich doch vorhatten, daß daS aui Waffer, Hopfen und Malz hergestellte Getränk erquickend und nährend ist, während daS auS Maltose und anderen Surro« gaten hergestellte Getränk diese Vorzüge nicht be fitzt. Sie
wollen also ganz einfach dem armen Mann zumutben, allerhand nutzloses Zeug zu trinken, weil es billig ist. Daß ist Ihre Fürsorge für den armen Mann.(Beifall recht». Oho! links.) Durch billige HerstellungSprodukt« verbilligt fich doch nicht der Preis deS Fabrikate». Ist dmn daS Bier billiger geworden, weil die Hopfenpreise sett langer Zell schon sehr gedrückte find? Ebenso wird da» Bier durch Surrogate nicht verbilligt werben. Diese Fortschritte im Manschen und Plantschen gebe ich gerne Preis, ebenso gerne wie den ganzen Fortschritt.(Heiterkeit rechts.) Der Vergleich mit der Zuckerrübe paßt gar nicht, denn was man aus der Rübe herstcllr, ist wirklich Zucker, aber was man aus den Malzsurrogaten herstellt, ist kein Bier. Deshalb bttte ich Sie, meinen Antrag anzunehmen..»B M Abg. Goldschmidt: Herr v. Rauchhaupt hat es über- sehen, daß wir nicht vom steigenden Bierkonsum in Nord« deutschland gegenüber Bayem gesprochen haben, sondern von der steigenden Produktion, und diese hat darin ihren Grund, daß NorddeutschlandS Brauereien über die besten Fadrikein- richtungm verfügen. UnS liegt es vor allen Dingen daran, die Sache nicht vom einseilig preußischen Standpunkte behan- delt, sondern von Reichswegen geregelt zu sehen und deshalb stimm-n wir für den Antrag der Kommtsfion. Nach Schluß der DiSkuiffon werden dem Antrag Crem er gemäß die Petitionen der Staatsregierung zur B e r ü ck s i ch» t i g u n g üderwtesm. Eine Petition von Gmndbefitzern in der Bürgermeisterei Asbach, KreiS Neuwied , gegen den Zwang zur Anpflanzung von Obstbäumen an den Vizinalwegen beantragt die Kom- Mission, der StaatSregierung in der Richtung zur Berückstchti« gung zu überweisen, daß die Anordnung der Obstbaumpflanzung auf die Wegekörper selbst und auf, der Bodendeschaffenheit nach, geeignete Wcgefirecken beschränkt werde. In der Debatte schließen fich nur der Abg. v. E y n e r n und der Geh. Rath v. Bitter dem von den Lokaldehörden vertretenen Standpunst an, indem fie die Anpflanzung v n Obstbäumen alS im Interesse der Landeswohlfahrt und im Jntereffe der Gmndbesttzer selbst liegend bezeichnen. Die Adgg. Rintelen, von Huene, Zelle, Dirtchlet und v. Rauchhaupt sprechen fich dagegen für den Anttag der Kommisston auS, weil es fich um einen will« kürlichen Eingriff in die EtgenthumSrechte handle. In der Abstimmung wird der KommisfionSantrag gegen die Stimmen einiger Konservativen und deS Abg. v. Eynem mit großer Mehrheit angenommen. Die Petition von Deichkommunen der Westküste Schleswig- Holsteins um Beseitigung der Beiträge der Marschdistritte zur allgemewen Deichkasse wird der Regierung zur Erwägung dahin überwiesen, ob die Beitragspfltcht der Deichgen offen in EchleS- wtg-Holstein einer anderweitigen Regelung bedarf. Hierauf vertagt sich daS Haus.' Der Prästvent beraumt die nächste Sitzung an auf Frei- tag 1l Uhr mit der Tagesordnung: Dritte Beratbung dei Gesetz- Entwurfs, betreffend die Bestrafung des Gefindes in Hessen « Nassau, die zweite Berathung des Gesetz Entwurfs, be- treffend die Kanton gefänaniffe in der Rhetnprovinz, zweite Berathung des Antrages Seer, betreffend die Radfelgenbreite, Petitionen, Wahlprüfungen uns den Antrag Hammcrstein, be- treffend die Stellung und Dotirung der evangelischen Kirche. Abg. von Hammer st ein beantragt, seinen Antrag alS ersten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Abg. von Eynern widerspricht diesem Antrage. Der Antrag Hammerstein würde jedenfalls eine mehrtägige Debatte hervorrufen, während noch mehrere wichtige G.-C. ihrer Er- ledigung harrten. Er würde bedauern, wenn der Antrag nicht mehr diskutirt würde, die Schuld treffe aber Herrn v. Hammer stein selbst, der seinen Antrag erst so spät eingebracht habe. Abg. Windt Horst erklärt, daß seine Partei fich dem Wunsche de» Abg. v. Hammerstein anschließe. Für den Wunsch des Abg. v. Hammerstein auf Ab- änderung der Tagesordnung stimmen das Zentrum, der kleinere Theil der Konservativen und der freikonservatioe Abg. v. Bitter. In der Mehrheit, welche für die Beibehal« tung der vom Präsidenten vorgeschlagenen Tagesordnung sich ausspricht, stimmen mit den National« liberalen und Freifinnigen auch die Freikonseroatioen und ein großer Tbnl der Konservativen(darunter die Abpg. Schrffer, von Minnigerode, Schreiber(Marburg ), von Busse, von Oertzen(Bromberg ), AlthauS, von Puttkamer (Treblin ), von Lyncker, Steinmann). Schluß 3'/« Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. zoltale». Die mangelhafte« Adresse« auf kaufmännischen Briefen kommen immer noch nicht zur Ruhe. Daß dieselben jedoch auch unter Umständen verhängnißsoll werden können, beweist folgender, einer hiestgen Zeitung mitgethetlter Fall. Dieses Blatt läßt fich schreiben: Sie brachten vor einigen Tagen einen Bescheid deS StadtpostamteS über die Briefpostbestellung in Berlin . Auch ich habe diesen Bescheid nicht allein von dem Etadtpoftamt, sondern auch von der Oder> Postdirettion sowie vom Retchspostamt erhalten. Häufig genug gehen Briefe, auf denen meine Wohnung nicht angegeben ist, statt an mich an andere Firmen, werden von diesen erbrochen und mir dann zu« gesandt; aber auch bisweilen im eigenen Jntereffe erledigt, wie Ihnen nachstehender Fall beweisen wird. E n Herr, mit dem- selben Namen wie der meinige. welcher früher ein Geschäft ähnlicher Art hatte, bereits vor Jahren zu Grunde gegangen ist und jetzt weder im Adreßbuch verzeichnet steht, noch e,n« eigene Wohnung hat, sondern in Schlafstelle wohnt, erhielt einen Brief, der an mich ohne Wohnungsangabe adrejstrt war. Auf welche Art die Verwechselung möglich gewesen ist, habe ich nicht erfahren können. In diesem Biief machte mir eine thüringer Firma, mit der ich noch nicht in Verbindung ge« standen hatte, ein Angebot ihrer Waare. Der Schlafbursche bestellt darauf hin dei ihr für 200 Mai Muster und schreibt: „Falls diese preiswerth ausfallen, erfolgt größere Bestellung", giebt aber in dem Bestelldrief alS sein Geschäftslokal die Adresse setner Schlafstelle an. Der Fabrikant sendet die Muster und schreibt auf die Packetadreffe die gewünschte Wohnung. Selbstverständlich liefert die Post die Sendung anstandslos auS. Nach 4 Wochen erhatte ich von der Firma einen Brief, ebenfalls ohne WohnungSangabe» worin jene um wertere Aufträge bittet, da die Muster doch gewiß zu meiner Zufriedenheit ausgefallen seien. Nun wird durch gegensettigen Briefwechsel der Fall klar gelegt- Weder Post noch Staats- anwalt haben dem Fabrikanten geholfen; er hat das Geld verloren; gewiß eine harte Strafe für daS Unterlaffen der Wohnungsangabe auf einem Brief. Die größte Zahl der Ge- schäftSleute würde S mit Freuden begrüßen, wenn jener Be- scheid deS StadtpostamteS in Wirklichkeit ausgeführt wird, nur hierdurch werden die Firmen von außerhalb gezwungen, Nach« lässtgkeiten, welche ja oft nur durch die Biq remlichkett eines LehrlingS entstehen, zu vermeiden."— Die„Voss. Ztg." be« merkt hierzu, daß das Briefpapier deS Schreibers dessen Woh- nungsangade, allerdings an nicht sehr auffälliger Stelle trägt. Der Unfug kleiner Firmen hier am Platze, die ihre Adresse ad- sichtlich nicht angeben, um den Glauben zu erwecken, fie seien stadtbekannt, ist bereits früher gerügt worden. Auch ihnen wird«S eine Lehre sein, wenn die Post mit der Verfügung ernst macht.— Wenn wir unsererseits keineswegs mit dem Schwindelmanöver der Pseudoadressrten einverstanden find, so scheint auS der Bemerkung der„Boss . Ztg." hervorzugehen, daß eS fich in dem vorliegenden Falle auch um einen Gernegroß handelt, der ebenfalls seine Adresse verschweigt, um bedeutender zu scheinen, alS er in der That ist. Und wmn sich dieS in der That so verhält, so hat er eS wahrhastig nicht nöthlg, mit
so souveräner Verachtung auf den„Schlafburschen" heradzu« sehen und in wegwerfender Weise von einem solchen zu sprechen. ES giebt genug ehemalige Geschäftsleute in Berlin , die icoh wären, wenn fie heute überhaupt noch eine Schlafstelle bezahlen könnten. Der betreffende Herr, der in protzenhafter Weise alle Leute anrempelt, die nicht einmal im Adreßbuch stehen, soll fich lieber vernünftige Briefbogen anschaffen, auf welchen seine Adresse deutlich angegeben ist, dann wird er fich vor ähnlichen Betrügereien am besten schützen. Ueber Rohheiten, welche namentlich von Mitgliedem der sogenannten„gebildeten" Stände verübt werden, geht der „Nat.-Ztg." folgender Nothschrei zu:„Jeder Kinderfreund, der einmal die glückstrahlenden Gefichter der Schulkinder ge« sehen, die zu Fuß oder per Kremser eine Landpartie mit ihren Lehrern machen, wird eS von ganzem Herzen bedauern, daß die fich von Jahr zu Jahr mehrenden Klagen über Belästigung be« sonders der Schülerinnen durch unfläthige Redensarten roher Gesellen solche für die Pävagozik höchst wichtigen, den Kindern aber eine wahre HerzenSerquickung gewährenden Ausflüge in die umliegenden Ortschaften Berlins fast unmöglich machen. Ein Kind sollte billig jedem heilig sein. Leider scheint das Wort des größten KindersteundeS: Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, dem wäre besser, daß ein Mühlstein«. auch von anständig sein wollenden Leuten wenig Beachtung zu finden. So wurde gestern ein Lehrer einer höheren Töchter» schule, welcher eS nicht dulden wollte und durste, daß fremde „Heere n" seinen Schülerinnen in einem besuchten Lokale des Grunewalds Loose zum Würfeln schentten, und daß fie die Kinder körperlich berührten, im Kreise seiner Zöglinge mehr« mals„Flegel" gescholten, und als er die„Herren" auf ihr un« paffendes Betragen aufmerksam machte, kamen zirka 12 dieser Häven, darunter ein Fabrikbesitzer, auf den einen Mann los und stießen ihn mit ihren tapferen Armen, daß er taumelnd gegen seine Schülerinnen fiel. Zur selben Zeit erkletterte ein Strolch in der Kurfürstenstraße einen Kremser, ergriff einS der 13jährigen Mädchen beim Arm und hätte unter den vor Angst schreienden und aufspringenden Kindern daS größle Unglück anrichten können, wenn er nicht mit Gewatt entfernt worden wäre. Der ganze Weg nach dem so herrlich gelegenen Saat« winke! wird durch Strolche unsicher gemacht, die mit Blumen« sträußen in der Hand oder zudringlich bettelnd den Trttt der Kremser besteigen und die gemeinsten Redensarten ausstoßen, wen» man fich ihrer nicht durch hingeworfene Münzen entledigt. Wen« der Schaden, der durch solche Unholde den zarten Kinder« herzen zugefügt wird, den großen Nutzen, welche Schulaus' flüge haben können, nicht bei weitem übersteigen soll, so ist et dringend erforderlich, daß die Besttzer der Lokale um Berlin auch für den Schutz ihrer kleinen Gäste sorgen, und daß jeder anständige Mann fich eineS von übermütbigen Gesellen be» drängten Lehreri„thatkräftigst" annehme." Hierzu bemerkt das genannte Blatt:„Was der Herr Einsender in Vorstehendem sagt, ist leider nicht übertrieben. Unfläthigkeiten der geschilderte« Art treten leider nicht vereinzelt auf und auch das ist wahr, daß leider seit einer Reihe von Jahren die Verwilderung in den Kreisen der anscheinend gebildeteren Jugend zugenommen hat. Ader gegen solche Erscheinungen giebt<s neben dem Appell an die Ehre, der leider da vergeblich zu sei« pflegt, wo er erst ergehen muß, nur eine Abhilfe und die ttegt in der Hand deS Richters. Wird einmal ein solcher Patro« gefaßt, der zynisch die Jugend belästigt und fich in der ge« schilderten Weise ergeht, so würde das höchste Strafmaß, das der betreffmde G-sezeSparagraph zuläßt, ficher nicht zu hast sein. Je besseren Kreisen solch ein Bursche angehört, desto härter sei die Strafe. Der Einbruch in da» Gcmüth deSKin« deS müßte mindestens ebenso hart bestraft werden wie der Ein- bruch in seinen Besitz. ES ist eine Erscheinung, die leider oft beobachtet werden kann, daß die auS Rohbeit refullirendrn Ver« gehen und Verbrechen bei uns leider oft allzumilde bestraft werden. Nur die schärfste Ahndung lann den RowdieS eine« heilsamen Schrecken bereiten." Da« ist Alles ganz richtig, wir möchten nur wiss-n, weshalb man die oben angeführten„Herren immer„Herren" und nicht auch Strolche nennt? Arbeiterin«en<Elend. Daß man doch so ungern die Wahrheit vermmmt. Die Veröffentlichung der Resultate der von dem„Verein zur Wahrung der Interessen der Arbeiterinnen und deS„Vereins der Ardeiterinnen Berlins "(Nordverein) veranstalteten Privat Enquete über Lohnverhältnisse der Berliner Frauenarbeit hat in den Kreisen der Arbeitgeber sehr gemischte Empfindungen hervorgerufen. Um die niederschmettemde Wucht der Thatsachen möglichst abzuschwächen, legt man fich entwedst aufS Leugnen oder das Arbeitestnnenelend wird als übertriebe« bezeichnet. Ehne Zweifel ist dieS der erfolgreichste Weg. Bot Erlaß der bekannten StaatsministeriumS' Verordnung konnten die Arbeiterinnen noch Rede und Antwort stehen. Heut ist nur ein verschwindender Bruchtheil der Presse ihr beredter Anwalt. Hören wir, waS ein Anonymus, Trikotfabrikant, dst nach seiner eigenen Angabe„70 Maschinen und ca. ISO Leute beschäftigt", im„Centralblatt für die Textilindustrie" verlauten läßt. Der Wackere schreist:„In keiner Branche wird mehr über die Arbeitslöhne der Näherinnen:c. gefabelt, als i« unserer Konfekllons- Branche! Laffen Sie sich von mir als altem Konfekttoniarbetter sagen: Eine tüchtige Maschinen-Räheri« (d. h. eine solche, welche vielleicht'/, Jahr arbeitet) verdiei» bei 10 stündtger Arbeit, ohne jede besondere Anstrengung' 12 bis 16 M. pro Woche; eine Knopfloch Arbeiterin untek gleichen Bedingungen 10 bis 14 M pro Woche; eine Kurbtt- stepperin 25—30 M. pro Woche. Wünschen Sie B-weise wf meine Behauptungen, sie hm Ihnen jahrelange Lohnlisten# Verfügung. P-rlarbeiterinnen verdienen immerhin 10-12 v o-Loche. Ich behaupte, daß obige Lobnsätze in allen 9% branchen gezahlt werden. Und glauben Sie nicht etwa, Ueberfluß an Ardetterinnm ist. Im Gegentheil! Wir% nicht einmal im Stande, bei Zusicherung noch höherer Lö<. die bei mir permanent freien Ardettsstellen zu besetzen; eS 8% überhaupt hier gar nicht so viel brauchbare Näherinnen, fr-r, Maschinen und Kurbelstepperinnen, wie verlangt werden.% Sifigi« L-ltüre deS„ZnlelligenzblatteS" wird Sie belehren, VA ein Unternehmer den anderen überbietet, um überhaupt heranzulocken." Erweckten nicht diese Auslassungen bei fll.ujL verwandten Seelen ein degeifterte« Echo und wäre eS nicht darum zu thun, gewissen Bemerkungen der offiziösen st" reaktionären Presse von vornherein mtgegenzutreten, wir w in stf. Schweigen für das Bessere halten. Wir wollen kurz% worten. Bezeichnend ist es vor Allem, daß der Triiotarbeiterinn� deren Löhne jämmliche find, nicht Erwähnung gethan ist: TL,- die Pciostenquete ist über diese Näheiinnen flachiig hmveggeg�.- gen. In der vclfloffenm und in dieser Saison haben tausend" Trikottaillen gearbeitet. Und was ist der Lohn fü* eine 14—1°" i( vige Tag« und Nachtarbeit? 3, 4, S. auch 7 und 8 M-. Woche. Wenig: Auserwählte erhalten sogar 10-13 M* „Perlarbeilecinnen verdienen immerhin 10—12 M. per Das„immerhin" macht wettere Eiläut« rungen unnö!vig>
dm, «ich/i-
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..........________________________________ Jetzt zu den Knopfardeiterinnen. Diese haben' einen Trost find nicht schlimmer daran, alS die Trikoinäderinnen. 6 M. wöchentlich kommt solch armes Wesm, ebenfalls bei und Nachtarbeit, nicht hinaus. Man oernehme: Für zum Verriegeln zahlt der Arbeitgeber 30 Pf. In drei viu � ist da» Gros aufgearbeitet. Dann die Pernähardc't. Ul(Uliirf„r.lA.in ßt-n« ni.M.» 10 SU S)ai Dst*:.,,
n mmt eine Viertelstunde Arbeitszeit in Anspruch. Zum fluß muß die Näherin auch noch dc.S Garn zu xje vom Fabrikanten entnehmen. Warum bezieht man fi«".�ie Kurdelstepperinnen, welcher in der erwähnten P"°r gar nicht einmal Erwähnung gethan ist? ES find du«'"Mp Ardeiterinnen, die augenblicklich noch ein auskömmliche«�� haben. Ader wie in allen anderen Branchen der wc> Arbeit, so ist auch hier eine starke Reaktion im«nzuge- man nicht, daß zu Anfang dieses Jahres Hundert
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