Mr. 141.Dienstag, de» 33. Inni 1886,III. Jahrg.erihurlMliDrgan für die Intereffen der Arbeiter.4DaS„Berliner Volksblatt"(Eingetragen in der PoitzeitungSpreiSliste für 1886 unter Nr. 769.)Jnsertionsgobührbeträgt für die 4 gespaltete Peittjeile oder deien Raum 40 Pf. ArbeitSmarkt 10 Pfennige.Bei giößeren Aufträaen hoher Rabatt nach Ucbereinkunft. Inserate werden bti 4 UhrNachmittags in der Expeditton, Berlin 8W., Zimmerstraße 44, sowie von alle» Annoncen«Bureaux, ohne Erhöhung deS Preises, angenommen.Redaktion: Kenthstraße 2.— Expedition: Zimmerstraße 44.Die Nerulirrullz der Geister.Em Hervorrageader Politiker sprach sich jüngst unsgegenüber dahin au«, einer der Hauptfehler unserer Zeit-Verhältnisse bestehe in einer noch kaum dagewesene» Per«wirrung der Geister.Nu», an klardenkende» und zielbewußten Leute» ist»och»iemalS Ueberfluß gewesen. Daß aber heute»ine besonder«weitgehende Verwirrung der Geister eingetreten ist, wollenwir auch nicht bestreiten. Wer möchte heute eine» der po«litischen Begriffe genau so auffasse», wie er dem Wortlautnach sich darstellt. WaS ist au« de« Begriffen»Recht",„Freiheit" u. s. w. geworden, mit denen man früher be-stimmte volksthümliche Bestrebungen bezeichnete? Heuteführt diese Worte Zederman» in seinem Munde; dieSchwarzen so gut wie die Nationalliberalen, die Zunkerund Agrarier so gut wie die Fortschrittler. Diewiderwärtigste Knechtschaft der Neuzeit, die Ab-häagigkeit de» wirthschaftlich Schwache» von demwirthschaftlich Starken, der Zwang für de« erstere«, mitdem letzteren unter ungleiche» Bedingungen zu konkurriren,wird von einer gewissen Richtung für die„wirthschaftlicheFreiheit" erklärt. Die Phrase dominirt nach wie zuvoruad oftmals die Phrase in ihrer heuchlerischste» Form.Viele Taus-nde von Wählern glauben heute noch, dieDevise de« UltramontaniSmu«,„Wahrheit, Freiheit uadRecht!", sei vollkommen aufrichtig gemein». ES ist nichttröstlich, daß e« so ist, allein eS ist so.Besonder« die Arbeiterklasse hat viel unter demhohlen Phrasenmacherthum zu leiden. Da dränge» fich eineMenge von„Freunden" an sie-heran, die für das„Wohl"der Arbeiter besorgt zu sein vorgeben und die doch»achAnschauungen und sonstige» Eigenschaften ganz und garde» rückständigen" Elementen angehören. Man denke nura» Stöcker uad Genosse«. Da darf man fich nichtwundern, daß die Verwirrung der Geister nicht klein ist.Aber bei alledem darf man nicht übersehen, daß diegeistigen Zustände doch immer nur al« Aeußeruvgender materiellen und soziale» Verhältnisse erscheine». Zst unterden letzteren viel Sumpf oder viel Versumpfung vorhanden,so werde» auch in der geistige» Atmosphäre Miasmen auf-steigen, die uns nicht angenehm berühren. Da« kanngar nicht ander« sein und ist auch immer so gewesen.Aber wenn die Frage aufgeworfen wird, wie an dieStelle dieser Verwirrung die nöthige Klarheit trete» soll,dann mögen die verschiedevsten Antworten zu vernehmensei». Der Eine wird sich damit begnüge», zu sagen:„Durch allgemeine Bildung!" und wird mit dieser banalenPhrase seiner Zeit genug gethan zu habe» glaube«. DerAndere wird sich viel weiser dünken und wird sage»:>»q»n»t XKrtOtOl]IeuiLteton.Eine Mutter.Roman von Friedrich Se'rstäcke».(Fortsetzung)„Gute Nacht, Mutter!"„Wo willst Du hin?"„Noch einmal fort; ich habe mir nur de» Schimmelsatteln lassen und muß vor Tag wenigste»« die Spurhabe». Da? darf nicht sein, da« darf nicht sein, e« ist zufurchtbar!" L,.0.„Und welche« Zweck hast Du dabei?„Welchen Zweck?" rief George erstaunt.„Dir DerneTochter wieder zuzuführen— die Ehre unsere« Hause« zuleUen.34 habe keine Tochter mehr!" sagte die Gläfia miteisiger Kälte.„Und die Ehre unsere« Hause«? GlaubstDu, daß e« morgen in der Stadt noch eine Dienstmagdgiebt. die nicht am Brunne» die Ehre unsere« Hause« be«spräche?"Ehe George etwa» darauf erwidern konnte, öffnete sichplötzlich die Thür, u»d der alte Graf, mit einem Antlitz, da«auch jeder Bluttttopfea verlasse« hatte, und gläserne«,stieren Auge», betrat den Saal.„Mein Vater I" �„„Bitte, meine verehrten Herrschafte«, behalte« SiePlatz I" sagte der alte Herr mst markerschütternder Freund«lichkeit;„meine Paula wird gleich erscheinen— nur einleichte« Unwohlsein— nur ein ganz leichte« Unwohlsein.„Großer, allmächtiger Gott," stöhnte George und bargda« Antlitz in de« Händen,„da« ist schrecklich I".Der alte Graf ging zum Tisch, setzte sich dort auf eine«Swhl und stützte den Kopf in die Hand; während er aberT* da saß, liefen ihm die große», hellen Thränen an de«Wangen nieder.„Mein lieber, lieber Vater!" rief George, sprang zu'Hm und umschlang ihn mit den Armen.t„Durch Verbesserung de« Untenicht«!" und der Dritte wirdBeide übertrumpft» wollen, indem er da« Heilmittel ineiner besseren Presse sieht.An und für sich möge» ja alle drei nicht Unrechthaben; aber sie sagen alle nicht, auf welchem Wege wirdahin gelangen könne». Und da wolle« wir den« auchunser Schelflei« dazu geben und sagen: dem Volke gehörtnicht nur Brod und Unterricht und Bildung, sonder» auch— Zeit!Da» ist gewiß nicht neu und wir wisse« da« so gutwie andere Leute. Aber wir wolle» nur ausführen, daßder Maogel an Zeit auch eine» großen Theil der Ver»schuldung an der Verirrung der Geister trägt.Wir lebe» in einer Periode der Ueberhastung, die zurNervosität führt. Der ganze Produktion», und Zirkulation«-prozeß der Waare», die VerkeHrSberechaungen und wa« alle«damit zusammenhängt, geht mit einer uugeheuren Schnellig«keit vor fich. Da« Zeitalter de« Dampfe« und der Tele«graphe« zwingt auch den Mensche», eine Reihe seiner Ar-beitea und Verrichtungen schneller zu erledigen, al« sonst,und seine Kräfte auf da« Aeußerste anzustrengen und au»-zunützen. Mit welcher Hastizkeit müsse» heute die Aufträgein den großen Eiablissement« erledigt werde», wenn manauf dem großen Markte die Konkurrenz zu halten im Standesein will? Auch der geistigen Thätigkeit hat fich die« Ueber-hasten mitgetheilt! Wa« würde der Buchdrucker, der vor300 Zähren gelebt hat, sagen, wenn er heute sähe, wie«ineZeitung hergestellt und wie rasch alle« Neue verarbeitetwird!Dies«« Ueberhafle», diese« nimmermüde Anstrengen undMühe» dei Tag und Nacht verbraucht Gehirn und Muskelnrascher al» sonst und die Nerve» werden schnell schloff. Derneroö« aagegriffene Mensch aber sieht die Welt, die allge-meinen Zustände und die persönlichen Verhältnisse ander«an, al« der gesunde; Alle« erscheint ihm verzerrt wie ineinem Hohlspiegel. Da« trägt zur Verwirrung der Begriffemehr bei als Worte.Der Eine glaubt, e« stünde eine gänzliche Umwandlungaller Verhältnisse bevor; der Andere ist Pessimist und glaubt,e« könne überhaupt nicht« mehr besser werden. Der Dritteendlich ist ganz abgestumpft und kümmert sich um aar nicht».Ihnen allen fehlt Zeit und abermal« Zeit. Sie müssenZeit haben, um auszuiuhen, damit ihre Nerven nicht zu sehrangestrengt und dadurch entweder überreizt oder abgestumpftwerden. Dann gewinne» sie auch jene inne»e Festigkeit, dieeiforderlich ist, um die Verhältnisse zu Überblicken und dienöthige Einsicht in den Gang der Entwickeluag zu gewinne«.Darau« entspringt dann jene Klarheit und Zielbewußtheit,gegen die alle Phrase ohnmächtig ist.Wir wissen wohl, daß e« kein alleinige» Allheilmittel„George," rief der alte Mann und sah ihn an,„bistDu mir noch geblieben?"„Mein guter Vater, darf ich Dich jetzt zu Bett ge«leiten?"„Ja, geh' zu Bett, George," drängte auch die Frau,„die Ruhe wird Dir gut thun; e« ist spät geworden." Undsie half ihm dabei von der andern Seite, um ihn vomStuhl aufzuheben. Der alte Graf richtete sich aber vonselber empor.„Ja, Kinder," sagte er,..ich will zu Bett gehe», ichbin recht müde geworden. Deinen Arm, George; so, da«geht schon. Gute Nacht, Ottilie, gute Nacht!" Und mitfeste« Schritte« verließ er, von dem Sohn gestützt, de»Saal._Nach dem Theater.Gleich nach der Vorstellung de«„Hamlet" ging Fürchte-gott Pfeffer nicht unmittelbar nach Hause, denn er fühltesich so merkwürdig aufgeregt, daß er die Entschuldigung fürsich hinreichend hielt, erst noch in der„Hölle" einen SchoppenWein zu trinke» uad etwa« Warme« dazu zu essen. Daheimfand er doch nicht« weiter, al« eine Tasse Thee und einButterbrod, oder, wenn er wollte, ei« Gla« Bier. An jedemander« Abend hätte er fich aber auch vollständig damit be-gnügt, und war e« in der That gar nicht besser gewohnt-heute drängte e« ihn aber außerdem, wen« er e» sich auchnicht selber gestehen wollte, Menschen zu sehe» und einUrtheil über die Boxstellung zu hören. Er fühlte miteinem Wort da» Bedürfniß, sich etwa« mittheilen zu lassen.Gedrängt voll saß aber die Stube schon, al« er siebetrat, und ein Durcheivanderwoge», Sprechen und Debat-tiren war dort, daß man sein eigene« Wort kaum höre»konnte. Aber auch kein Wunder, denn oie Vorstellung heuteAbend hatte nicht allein schon genug Stoff geboten, sonder»man wollte auch den Fackelzug erwarte», der vor dem„Parodie«" vorbei mußte und de» zu betrachten der Wirthder.Höllengesellschaft" eine« von seinen Zimmern vornSobald der Zug ankam, sollte«heran« eingeräumt hattesie gerufen werde«.Jetzt dachte aber Niemandan etwas Anderes odergiebt und betrachten auch die Gewinnung von Zeit, also diestaatliche Festsetzung und Einschränkung der Arbeit, nichtentfernt al« ein solche«. Wir wollen nur die erwähnte Ver»wftrung der Geister auf ihre wahre» Ursache» zurückführe».Wie einerseits diejenigen hoch zu achte» find, die, hin»eingezogen in den«ildwirbelnden und hastigen Produktions«prozeß von heute, dennoch die nöthige Geistesklarheit bewahrthaben— und ihrer sind glücklicher Weise nicht wenige—so mag andererseits Zeder mann bestrebt sein, für Gewinnungvon Zeit zu wirke«. Dan» wird die Nervosität und mitihr auch die Begriffsverwirrung abnehme«.MolMsche Ueberstcht.Unsere sozialreformerische Regierung ist jetzt glück«lich da angelangt, wo Herr Schulze-Delitztch vor mehr ai«zwanzig Jahren stand, nämlich bei der Begeisterung für Roh-stoffzenoffenschafren, Mazazingenoffenschaften und Genoffen-schatten zur gemeinsamen Anschaffung und Benutzung vonMaschinen und HilfSmaschinen. Wmiqstcn« läßt der Regierung««Präsident von Breslau, Freiherr v. Conried, durch feine Unter«behörden, Landrätbe und Magistrat derartige Mtttelchen allenInnungen auf« wärmste empfehlen. Nicht« gelernt und viele«vergeffen I— möchte man angesichts dieser verlorenen Liebe«-mühen der Regierung zurufen. AI« einst Laffalle seine scharfeKritik der Schulze'schen Bestrebungen veröffentlichte, da warene« führende konservative Sozialpolttiker, dem Fürsten Bismarcksehr nahestehende Männer, welche Laffalle Recht gaben undüber den deutschen Bastiat spotteten. Und dieselbe Regierung,welche fich rühmt, allen europäischen Staaten in den Bahnender Sozialreform voranzuschreitrn, dieselbe Regierung wandeltheute in den Spuren de« adgethanen Bastiat- Schulze!Welch ein Tiiumpf für den Verstorbenen! Overvielmehr, welch ein beschämende« Zeugniß für die Be-fähigung der modernsten Staat«- und GesellschaftSrettcrk— Unsere Stellung zu der Frage ist unseren Lesern bekanntund ebenso einfach wie klar. Wir halten den Großbetrieb fürdie eigentliche ProdukttonSform der Zukunft, allerding« denGroßbctriei', der nicht mehr die Arbeiter drorlo« macht, weiler alle« mit weniger Arbeit fertig zu stellen vermag, sondernden Großbetrieb, der die Arbeitslast Aller vermindert und dieGenüffe Aller vermehrt, weil er in den Händen von Arbeiter»genoffenschastrn, nicht von einzelnen Unternehmern ruht.Wir wollen also den Großbetrieb, well er demVolke später einmal die Arbeit unendlich erleichtern wird.Wir wollen also den Todeskampf dei Handoerk« nicht ver«längern, wie e» die Schulze'schen Genoffenschiften thun, son«dern abkürzen. Wir wollen die LeidenSzeit, in der wir heuteleben, nicht verdoppeln, sondern so rasch al« möglich mit allemLebensunfähigen aufräumen. Deshalb bedauern wir dir neuestenRegierungSmaßregcln: fie werden nicht« nützen, aber Mnstlge,wirklich erfolgreiche Reformen verzögern und erschweren. Uedri-«en« glauben wir nicht, daß da« Handwerk noch stark genugi, irgend Bedeutende« in der vom BreSlauer Präsidentensprach von etwa« Anderem, al« dem Erfolg Rebe'« und e»«ar eigentlich nur eine Stimme: daß er die Bewohnervon Haßburg auf da« äußerste überrascht und Niemandihm ei» solche« Talent zugetraut habe. Allerding« gab e»auch Andersgesinnte und unter diesen Doktor Strohwisch,der in der unbestimmte« Hoffnung herübergekommen war,Rebe hier z* finden uad eine Flasche Champagner mitihm zu trinken, und jetzt, da er ihn nicht fand, Manche« ander„Auffassung" zu tadeln hatte. Er sollte den„tiefenSinn" einzelner Stellen nicht erfaßt und gewürdigt, An»dere« wieder zu„trivial" gesprochen haben, und wie dieverschiedene« Rezenseatenphrassa alle heißen— aber er wurdeüberstimmt.„Spielen Sie einmal de« Hamlet," rief der MalerArnold dem Doktor entgegen,„so rein vom Blatt weg,ohne Vorbereitung, ohne eine Probe, ohne nur vorher indie Rolle hineinzusehe«, und mit kaum Zeit genug, in dieLumpe« hineinzufahre»! Die Nase rümpfe« kann ei» Zeder,aber meinen Hal» zum Pfände, daß unter hundert Schau«spieler« nicht zehn, ja, nicht drei find, die ihm da« nach«machen I"„Nun ja, ich habe ja nicht« dagegen," sagte Stroh-wisch einlenkend, denn er war verschiedener Ursache« wegennoch nicht mit sich im Reine», ob er entschieden für odergegen Rebe austreten solle; er mußte erst mit ihm„sprechen".„Er hat w der That da« Außerordentliche ge«leistet, und ohne ihn hätte die Vorstellung gar nicht statt»finden können."„Wo, zum Henker, kann aber Handor gesteckthaben," rief einer der Offiziere;„hat ihn den» Niemandgesehen?"„Meine Herren," sagte Trauvest,„meine Meinung istdie, daß ihn auch Niemand wieder sehen wird."„Richt wiedersehen?" rief Alle« durcheinander.„Woherwisse» Sie da«?".Da« will ich Ihne« sagen," meinte Trauvest ruhig.indem er eine« Pfropfen au« einer Flasche RüdeSheimer ,oaund fie auf den Tisch stellte. Heute gegen Abend war erhier, ziemlich aufgeregt, und ließ sich eine Flasche Cham«pagner gebe«. Morgen ist der Erste, und er hatte ver«