die zwingende Nothwendigkeit dieser segensreichen Institutionen am besten illuktiirt. Die geleistete Hilfe während diesei Mo» nati erstreckt ficb aut 196 innerliche und 145 äußerliche, sowie 16 geburUhilfliche Fälle, von denen 198 inner halb und 159 außerhalb der Etation zur Behandlung tarnen. Die Eanitäti- station am Görlitzer Bahnhof ist übrigens die seitens dci Publikums am stärlsten in Anspruch genommene. Et« jugendlicher Wanderer. Achtbare Fußmärsche legt ein zwölfjähriger Knabe in Tempelhof , der Eohn eineS Arbeiters, zurück. Er besorgt täglich die Fleischdeftellung für daS Gar- nison Lazareth bei dem hier in der Etrelitzerstraße wohnenden Lieferanten. Die Entfernung beträgt nach dem amtlichen Wegemeffer für den Hin- und Rückweg 17,6 Kilometer oder 2,/io Meilen für den Tag, für daS Jahr mithin 339 Meilen. Um die Stiefel zu schonen, macht der Knabe den größten Theil de» Jahrei diesen Weg barfuß. Um die Armentommisfion ,« überzeugen von seiner UntelstützunaSdedürstigteit wäylte der in der Holzmarttstr. 37 wohnhafte Arbeiter G. ein allerdings wirksames, aber doch sehr beklagenSwertheS und unsere traurigen Verhältniffe recht charakteristrendeS Mittel. G.'S Frau war verstorben an der Schwindsucht; ihr Leiden hatte st« fich durch ihren Fleiß als Näherin zugezogen. Während G. nur zeitweise Arbeit fand. half die Frau den Unterhalt der Familie mitverdienen, zu der auch zwei Kinder gehörten. Nach dem Tode der Frau suchte G. vergeblich Unterstützung bei der Armenbehörde nach; fie wurde ihm nicht gewährt; Arbeit fand er ebenfalls nicht. Vor einiger Zeit bat er Morgens beim Weggehen seine Nachbarin, die Kinder zu beausfichiigen und ste, falls er spät nach Hause kommen sollte, zu Bett zu bringen. G. kam an diesem Abende nicht nach Hause, auch nicht am anderen Tage; dagegen lief bei der Polizei die Nachricht ein, er sei auf dem Flur eineS HauseS in der Manteuffelstraße, unter Symptonen der Vergiftung erkrankt, gefunden worden und in ein Krankenhaus ge- schafft. Sein Zustand, der anfangs hoffnungslos schien, befferte fich zwar, doch hat G. in Folge der Wirkung del ge- noffenen Giftes die Sprache verloren. Nunmehr hat fich auch die Armendehölde von der Bedürftigkeit des G. überzeugt und die Kinder anderweit untergebracht. Wäre«S nicht wünschen S- werth, wenn die Armenbehö.'Se etwaS weniger schwer zu über- �Der nahezu 40 Jahre alte. 170 Meter große Schlaf« stelleudieb, von abgelebtem Aussehen, mit braunem Haar und blondem Schnurrbart, welcher fest einigen Monaten hier sein Unwesen treibt und unter den Vorspiegelungen, er sei Eisen- dahnbeamter und komme von außerhalb, fich in Schlafstelle einmiethete, ist von der Kriminalpolizei in der Person des vor- bestraften„Arbeiters" Ritter ermittelt und festgenommen wor- den. Derselbe ist überführt und geständig, stck in 46 Fallen de» einfachen, in 18 Fällen de» schweren und in einem Falle de» versuchten schweren Diebstahl» schuldig gemacht zu haben. Da anzunehmen ist, daß Ritter besonder» in den umliegenden Ortschaften noch andere Diebstähle ausgeführt hat, so wollen Personen, welche glauben, durch den Thäter geschädigt zu sein, fich auf dem Kriminalkommiffariat Zimmer 78 melden. Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Ein« in der Ber- nauerstraße wohnhafte Wittwe hatte in augenblicklicher Geld- Verlegenheit in einer benachbarten Pfandleihe auf ein werth- volles Tuchkleid die Summe von 3 M. entnommen und schickte ihren 13jährigen vobn, da« Kleid zurückzuholen. Derselbe zog e» indessen vor, vor Erledigung de» ihm gewordenen Auftrage» fich mit etlichen AlterSgenoffen auf der Straße herumzujagen, bei welcher Gelegenheit ihm der betr. Pfandschein verloren ging. Sehr bald entdeckte er jedoch den Verlust und eilte zu seiner Mutter zurück, ihr da» Geschehene zu verkünden. Diese hat nun ihrerseits nichts Eiligere» zu thun, al» schlmnigst in die Pfandleihe eilen und dort den Verlust de» Pfandscheine» an« zuzeigen. Zu ihrem nicht, geringen Schrecken wurde ihr aber hier die Mtttheilung, daß kurz zuvor da» Kleid von einer alten Frau ausgelöst worden sei. Dieselbe hatte offenbar den Pfand« schein gefunden und fich ohne Verzug in die Pfandleihe begeben da« Kleid geholt. Da der Pfanolether eine ziemlich genaue Personaldeschreidung der betr. Person zu geben vermochte, so wird zur Zeit feiten» der Krimin alvolizet auf dieselbe eifrig ge- fahndet. Angesichts solcher Dreistigkeit liegt die Frage nahe, ob e» nicht angebracht wäre, ebenso wie beim Versetzen der Lachen, beim Auslösen von den betr. Personen eine Legiti- mation zu verlangen? Wenn hierdurch auch kein stcherer Schutz erzielt wird, so würde doch wenigstens Zeit gewonnen und ei mehr ermöglicht werden, Reklamationen anzubringen. Allen Inhabern von Pfandscheinen sei zugleich dringend empfohlen, stch die betr. Nummern genau zu merken, damit ste dieselben eintretenden Falle» mit Sicherheit anzugeben vermögen. Die auf Mord gerichtete Auklage gegen de« Must- kut Wohler» wird zweifellos schon für die bevorstehende SchwurgerichlSperiode spruchreif werden. Die E-Sffnung deS Hauptvnfahren» durch die zuständige Strafkammer ist in einigen Tagen zu erwarten, ebenso die gleichzeitig erfolgende Fest« setzung deS Termin» für die mündliche Verhandlung. Zu der- selben werden al» Sachverständige Profeffor Wo'.ff und der gerichtliche Phyfiku», SanitätSralh Dr. Lang, geladen. Die Zahl der zu vernehmenden Z-ugen, unter denen fich auch ein Kriminal. KommiffariuS befindet, beläuft fich nur auf ca. 5 Per« fönen. Jedoch hat keiner derselben dem Inkriminirten Borgange beigewohnt. Der Erste, welcher hinzukam, hat den ertrunkenen Knaben nicht mehr gesehen und nur bemerkt, wie der Ange- klagte selbst an der Löschung de» HumboldthafenS fich hin- unterließ. Schiffer, die ebenfalls in dem Prozeffe als Zeugen vernommen werden, haben damals den befinnungklosen Vater au» dem Wasser gerettet. Nicht am wenigsten delastend find deffm eigene Au'sagen, die in drei verschiedenen Lesarten er- heblich von einander abweichen. Zum Nrrtheidiger hat fich der Angeklagte den Rechtsanwalt Wronker gewählt. Bewegung der Bevölkerung Berltu« nach den Ver- öffentlichungen des statistischen Amt» der Stadt. Di« fortge- schrieben« Bevölkerungszahl betrug am 29. Mai inkl. der nach« träglichen An- und Abmeldungen 1 334 869, hat fich demnach gegen die Woche vorher um 736 Seelen vermehrt. In der Woche vom 30. Mai bi» 5. Juni wurden polizeilich gemeldet 2316 zugezogene, 2138 fortgezogene Personen; standesamtlich wurden 201 Ehen geschloffen. Geboren wurden 837 Kinder, und zwar lebend: 410 männliche, 394 weibliche, zusammen 804(darunter 93 außereheliche), todt 16 männliche, 17 weibliche, zusammen 33(darunter 1 außereheliche) Kinder. Die Lebendgedorenen, auf» Jahr berechnet, bilden 34,1, die Todtgeborenen 1,3 pro Mille der Bevölkerung, die außerehelich Geborenen 11,23 pCt. aller in der Woche Geborenen, davon die bei den Ledend- geborenen 11,57, die bei den Todfgeborencn 3,03 pCt. In der kgl. Charilee und Entbindung». Anstalt wurden 36 Kinder geboren. Gestorben(ohne Todtgeborene) find 622, nämlich 333 männliche, 289 weibliche Personen. Von diesen waren BWWMAHW |0 bi» 60 Jahre 80, 60 bis 80 Jahre 61, über 80 Jahre 13. Die Sterbefälle beim Alter von 0 bis 5 Jahren machen 57 83 ZCt. sämmtlicher in dieser Woche Gestorbenen auS. Von den im Alter unter 1 Jahr gestorbenen Kindern starben 49 im ersten, *8 im zweiten, 30 im dritten, 22 im vierten, 17 im fünften, 30 im sechsten, 98 im siebenten bi» zwölften LebenSmonate; von denselben waren ernährt 33 mit Muttermilch, 1 mit Ammenmilch, 150 mft Thiermilch, 2 mit M>lchsurrogattn,46mit gemischter Nahrung, von 32 war es unbekannt. Todesursachen waren besonder»: Lungenschwindsucht(65), Lungenentzün- dung(44), Bronchialkatarrh(10), Kehlkopfentzündung(16), Krämpfe(46), Gehirnschlag(16), Gehirn, und Gehirnhautent« »andung(37). Kred«(24), Altersschwäche(18). LebenSschwäche(32), Abzehrung(23), Masern(11), Scharlach(6), Diphtherie(16),
Typhu»(2), Diarrhöe(24), Brechdurchfall(66), an anderen Krankheiten starben 158 und durch Selbstmord 3, davon durch Erschießen 1, durch Erhängen 5, durch Ertrinken 1, durch Haltabschneiden 1. Die Sterblichkeit der Woche auf da» Iah: derechnet, kommen durchschnittlich auf 1000 Bewohner in Breslau 34,7, in Frankfurt a. M. 21,5, in Köln 28,4, in Dresden 29 0, in München 30,8, in Bremen 20,4, in Stuttgart 17,8, in Wien 27,1, in Paris 23,7, in London 15,5, in Liverpool 19,8. In der Woche wurden dem Polizeiprä- fidium gemeldet als erkrankt an Tyvhu« 15, an Masern 222, an Scharlach 32, an Diphtherie 85, an Pocken 1. In den 9 größeren Krankenhäusern wurden in der Berichtswoche 793 Kranke aufgenommen, davon litten an Masern 13, an Scharlach 4, an Diphtherie 16, an TyvhuS 6, an Rose 6. Ei starben 114 Personen oder 18,3 pCt. aller in der Woche Ge- storbenen; als Bestand verblieben 3664 Kranke. Polizeisericht. Am 19. d. MI»., früh, verstarb ein Schlächtermeister im katholischen Krankenhaus« unter Erschei« nungen von Morphiumveraiftung. Wahrscheinlich hatte der- selb« am Tage vorher in seiner Wohnung von den ihm gegen Magenschmerzen verordneten morphiumhaltigen Arzeneien zu viel genommen.— Am 20. d. MtS., früh, wurde an der Schöne- dergerbrück; die Leiche einer Frauensperson aus dem Landwehr- kanal gezogen und nach dem Leichenschauhause gebracht.— An demselben Tage, Vormittag», versuchte ein Mann während der Fahrt in einer Droschke stch mittelst eine» Revolvers zu er- schießen. Er wurde noch lebend nach dem Krankenhause Bethanien gebracht.— Am Nachmittag desselben Tage» wurde eine F-au auf dem Boden ihrer Wohnung in der Frankfurter Allee erhängt vorgefunden.— Zu derselben Zeit glitt daS Dienstmädchen Derwing in der Rosenthalerstraße au», fiel zu Boden und brach den rechten Oberschenkel. Sie wurde nach der köntgl. Klinik gebracht.— Am Abend desselben TageS wurde der Ardetter Apetz, als er in der Müllerstraße einen Pferde-Eisenbahnwagen besteigen wollte, von einer zu nahe an demselben vorbeifahrenden Droschke erfaßt, zu Boden geworfen und am linken Fuß überfahren.— An demselben Tage. Vormittags, entstand in einem Bodenverschlag des HauseS Posener- straße Nr. 9 auf unaufgeklärte Weise Feuer, durch welche» der Dachstuhl vollständig zerstört wurde. Die Feuerwehr war etwa eine Stunde in Thättgkeit.
Gerichts-Jeiwng. Die für die HauSdefitzer Berlin » so wichtige Frage der„unbeschränkttn Durchfahrt" in den HauSflurm gelangte am Sonnabend vor dem OberverwaltungSgericht zur drstnitioen und nunmehr für alle ähnlichen Fälle maßgebenden Ent- scheidung.— Bekanntlich schreibt die Baupolizeiordnung vom 12. Marz 1860 vor, daß die mit Hinterwohnungen versehenen Grundstücke eine unbeschränkte zum Transport Ver Löschwerk- zeuge geeignete Durchfahrt von 8 Fuß Breite und 9 Fuß lichter Höhe bcfitzen, und auf Grund dieser Bauordnung verfügte nun da» Polizeipräsidium gegen solche HauSdefitzer, welche ihre Durchfahrt zu gewerblichen Zwecken vermiethet hatten, daß fie die zu den betreffenden VcrtausSzwecken aufgestellten Utenfilicn, wie Bänke, Stellagen u. s. w., au» der Durchfahrt entfernen sollten. Die» geschah auch bei dem HauSdefitzer K in der Oranienstraße, in dessen Durchfahrt ein Obsthändler auf ein paar Stellagen Obst, und ein Bierschänker an zwei Tagen der Woche während zweier Vormittagsstunden Bier feilbot. K. klagte bei dem Bezirksausschuß auf Aufhebung dieser Ver« fügung, indem er nachwies, daß die in Rede stehenden leicht transportablen Utenstlten eventuell in zwei Minuten beseitigt sein und daher der Feuerwehr kein Hinderniß bieten würden, und daß ferner die Baupolizei« ordnung fich nur auf bauliche und keine derartigen Hindern# der Durchfahrt beziehe. Der Bezirksausschuß schloß fick dieser Anficht an und erkannte demgemäß, wogegen daS Polizeiprästdtum Berufung einlegte, indem sein Vertreter vor dem OderverwaltungSgeeicht namentlich darauf hin wie», daß die hier in Rede stehende Frage bei der immer mehr über« handnehmenden Neigung der HauSbefltzer, ihre Durchfahrten in der erwähnten Weise zu beschränken, eine große prinzipielle Bedeutung gewonnen habe, und indem er ferner auszuführen suchte, daß die qu. Bauordnung den Sinn habe, daß die Durchfahrt nicht nur nicht durch die Baulichkeit, sondern über- Haupt nicht beschränkt werden dürfe. Da» ObnverwaltungS- oericht erkannte jedoch dieser Auffaffung entgegen mit dem Bezirksausschuß dabin, daß stch die undeschrankle Durchfahrt nur auf die baulichen Einrichtungen beziehe. Eine Verord« nung, die fich auch auf solche Einrichtungen, die, wie hier, den Bedürfnissen de» täglichen Lebens entsprechen, bezogen hätte, würde zu weitgehend gewesen sein. In Konsequenz der polt« zeilichen Auffaffung würde sogar schon daS Hinstellen von Möbeln auf kurze Zeit in der Durchfahrt während de» TranS> portt unzulässtg erscheinen, wa» zweifellos nicht im Sinne der qu. Baupoltzdordnung liege. Indem der höchste Verwal- tungsgerichtihof solchergestalt dem Antrage deS Hauibesttzer» K. gemäß entschied, ließ er die Kosten de» Verfahrens außer Ansatz. Eine Privatklage muß nach§ 421 der Etr.-Pr. O. den Erforderniffen einer Anklageschrift entsprechen, also die dem Angeschuldigten zur Last gelegte That unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und de» anzuwendenden Strafge- setze» enthalten, sowie die Beweismittel und daS Gericht, vor welchem die Hauptv-rhandlung stattfinden soll, angeben. Die mehrfach besprochene Privatklageschrift de» Theater- Direktor» FtrmanS gegen den Opernsänger Georg Lüder» enthielt außer der Erzählung de» Thatdestande» und der Angabe der Beweis» mittel nur den Anttag, dm Angeschuldigten wegen öffentlicher Beleidigung zu bestrafen. In der Nacht vom 6. zum 7. Ja- nuar cr. unterhielten fich mehrere Gäste im Casö Muxfeld über die Theaterunternehmungen de» Kläger » und machten die Mit- theilung, daß derselbe damtt umgehe, seine Overngesellschaft aufzulösen. Diese trübe Auificht veranlaßt« dm anwesenden Beklagten zur Ausstoßung folgender Worte:„DaS ist nun der Dank dafür, daß man solchem Hund% seiner Gage geschenkt hat." Die 99. Abthellung de« hiestgm Schöffengericht» ließ die formalen Mängel der Klage ohne Beachtung und oerur« theilte den Beklagten zu 10 M. event. 1 Tag Hast. Dieser legte hiergegen Berufung ein und stützte dieselbe auch auf die mangelhafte Klageschrift. Rechtsanwalt Geschke führte au», daß sowohl die Eröffnung des Hauptverfahrm», al» der Erlaß de» erstm Urlheili auf einen Schriftsatz, der nicht al« eine Anklage anzusehm war, unzulässtg gewesen find und nur durch eine völlige Vernichtung de» angefochtenm Erkenntnisses und Einstellung de» Verfahren» reparut werden können. Der Be- rufungSgerichtshof war der Meinung, daß in der Klageschrift nur die Angabe dis Strafgesetzes gefehlt habe, welcher Mangel al» unwesentlich erachtet werden müsse. Da» Gericht, vor welchem das Hauptoerfahren stattfinden sollte, war durch die Adresse himeichend bezeichnet; e« war daher die Berufung zu verwerfen. Wege« versuchte« Morde» angeklagt stand gestern der Metalldreher Paul Rosemann auS Charlottenburg vor den Schranken de» Schwurgericht» am Landgericht Ii.— Der An- geklagte, ein nicht unansehnlicher junger Mensch im Atter von 20 Jahren, war vor einiger Zeit au» seinem Heimathßorte, in der Provinz Schlesten, nach Chirlottcnburg verzogen lediglich zu dem Zweck, um durch den Wechsel seines Aufenthaltsorte» fich der Ver büßung einer ihm wegen Kö -perverletzm.g zuerkannten 6 wöchentlichen Freiheitsstrafe zu entziehen. Der hinter ihm her erlaffme Steckbrief führte aber die Charlottenburger Polizeibehörde auf die Spur; Rosemann wurde aufgefordert fich zu stellen. Diese Aufforderung zu erfüllen erschien dem Angeklagten rein unmöglich; denn er hatte in der Zwischen«
zeit mit der kaum 16 jährigen Arbetterin Fetzer ein LiebeSver« hältniß angeknüpft und der Gedanke, die Geliebte, währender die Gefängnißstrafe verbüßte, allein zu lassen, mtfeffette einen tobenden Sturm von Eifersuchtkqualen in seinem Jnnem. Ja einem derartigen Seelmzustande faßte der Angeklagte den Entschluß, stch und seiner Geliebten daS Leben zu nehmen; zu diesem Zweck verschaffte er fich einen Revolver, welchen er Tage lang in der Tasche trug. Am Abend de» 21. April d.J. kehrte der Angeklagte von seiner Arbeitsstätte au» den königl. Werkstätten ber Halensce zeitig heim und begab stch in Leglei« tung seiner Geliebten nach dem Tschack'schen RestaurationS» lokal in der Spandauerstraße, woselbst Rosemann reichlich spen» dirte. Erst geaen Mitternacht verließen die beiden da» genannte Lokal; dem Angeklagten war daS genossene Quantum Bier zu Kopf gestiegen, mit dem vollen Herzen floß ihm der Mund über und er j theilte seiner Geliebten seinen Entschluß zu sterben mit. Die F-tzer, anfänglich bestürzt, suchte den Rosemann von seinem Vorhaben abzubringen, Rosemann aber richtete statt jeder anderen Erklärung nur die Frag« an da» Mädchen, ob ste ihm treu bleiben werde. DaS Mädchen erwiderte:„Vau!, wenn Du stirbst— sterbe ich mit!" Kaum waren diese Worte den Lippen deS Mädchen« entflohen— daS Paar war inzwi« schen auf dem Wege durch den RobertSparl in der Scheunen» straße angelangt— so holte Rosemann den schußfertigen Re« volver hervor und ohne ein Wort zu sagen, schoß er dir Waffe auf da» fich zärtlich anschmiegende Mädchen ab, welches von einer Kugel au» nächster Nähe in den Backenknochen getroffen, ohnmächtig zusammenbrach: dann feuerte Rosemann auf fich selbst einen Schuß ab, der ihn nur leicht unterhalb der Schläfe verletzte, so daß er schon nach 6 Tagen wieder hergestellt war. Schlimmer dagegen erging es der Fetzer; eine tödtliche Wir« kung hatte der Schuß zum Glück zwar nicht gehabt, denn fie prä- sentirte stch im gestrigen Audienztermin vor dem Zeugentische im Schwurgerichtssaal frisch und munter wie ein Fisch, aber ihre nicht gerade unschönen Züge werden für die Dauer durch eine fast zolltiefe Narbe unterhalb de» linken AugeS in der Gesammteinwirkung arg beeinträcht; abgesehen von den fürch- terlichen Schmerzen, die das Ausschneiden der Kugel auf wochenlangem Krankenlager hervorgerufen, hat die That de» eifersüchtigen Rosemann für da» Mädchen sonst weitere Folgen nicht hinterlassen.— Vor den Geschworenen bekannte Rose« mann fich als Thäter; die That selbst entschuldigte er mit seinem derzeitigen Gemüthszustande vor derselben. Nach Schluß der Beweisaufnahme, welche einen Psychologen recht inter» effante Momente darbot, plädirt der Offizial-Verthkidiger für Zubilligung mildernder Umstände von Seiten der Geschworenen� Die letzteren gaben indessen und zwar unter Verneinung mil« dernver Umstände ihren Wahrspruch ab, auf Schuldig deS ver« suchten Morde». Gemäß§ 212 R.-Str. G.-B. beantragte demzufolge der erste Staatsanwalt Dr. Wachler gegen den Ange« klagten die gesetzlich zulässtze Mintmalstrafe von 1 Jahr Zuchthaus. Daß Urtheil de» Gerichtshöfe» lautete dem» gemäß._ Uereine und Uersammlunge« br. Eine öffentliche Versammlung der Schmiede tagte am Sonntag Holzmarttstr. 72. Der Vorfitz wurde Herrn Matthe» übertragen. Zum ersten Gegenstand der TageSord« nung:„Unser Arbeitsnachweis" erstattete Herr Kempel da» Referat. Er Nagte darüber, daß der von der Vereinigung der deutschen Schmiede gegründete Arbeitsnachweis in Folge de» Umstände», daß derselbe sein Lokal im JnnungShause habe, von der Meisterinnung abhängig geworden sei und dm Ge- sellen, welche Mttglteder der„Vereinigung", gar nicht mehr zu Gute komme, und empfahl die Annahme der folgenden Res»- lution:„Die Versammlung beschließt, daß ein jeder Geselle, der Arbeit bekommt, wenn er nicht ver„Vereinigung" ange« hört, 50 Pf. zu zahlen hat. Wer stch weigert, die 60 Pf. zu zahlen, bekommt reine Arbeit, und werden die Mitglieder der „Vereinigung" vorgezogen. Nach langer, lebhafter DiSkusston, an welcher auch Mitglieder de» Gesell« nauSschusse» fich be- theiligten, wurde die Resolution einstimmig angenommen. Zum zweiten Punkt der Tagesordnung:„Wie verhalten wir unS zur Vereinigung der deutschen Schmiede?" nahmen meh- rere Anwesende da« Wort, um darzuthun, daß e» Pflicht aller Gesellen sei, der Vereinigung beizutreten, da der von der Meisterinnung abhängige GesellenauSschuß sdie Interessen der Gesellin zu wahrm nicht im Stande sei. E» wurde darauf hingewiesen, daß in Elberfeld , wo alle Schmiedegesellen zu: Vereinigung gehören, eS ein Leichte» gewesen sei, die zeh- stündige Arbeitszeit durchzusetzen. In Betreff der Sonntags- arbeit wurde von mehreren Rednern ausgesprochen, daß eS Pflicht der Mitglieder der Vereinigung sei, wenigsten» im Sommer unbedingt jede Sonntagsarbeit abzulehnen. Ein Antrag, dahingehend, daß G-sellea zur Aushilfe den Meistern selten» der ArbeitSnachweitkommisfion nicht mehr zugewiesen werden sollen, wurde nach kurzer DiSkusston abgelehnt. Schließ- lich wurde noch die Frage dtökutirt, ob bei Wochenlohn der Meister berechtigt sei, für die Feiertage den Lohn abzuziehen. Die nationale Kranke«, und Begräbnißkaffe der deutschen Gold- und Stlberarbeiter und verwandten Be- rufSgmoffen(E. H.), Hauplfitz Gmünd(Württemberg ), hielt in den Pfingsttagen und zwar am 14., 15. und 16. Juni ihre 4. ordentliche Generalversammlung zu Hanau a. Main ab. Anwesend waren außer den 4 Vorstandsmitgliedern 39 Ab« Ajammt- Mitgliederzahl beträgt 6600. Die UntnstützungSkaffe mit wöchentlich 16 M. Di- Altersgrenze »ur Aulnabme tn die Kasse wie zum Uedertritt in eine höbere Klaffe ist 45 Jahr. Die von 40-45 Jahren in die Kasse E n« tretenden haben stufenweise einen einmaligen, mit den Jahren steigenden Beitrag zum Reservefonds zu entrichten. Zum Zweck der Entgegennahme de» eingehenden Berichte« dieser VerHand« lungen ist für die hiesige Mitgliedschaft zum Donnerstag, den 24. Juni, Abend« 8 Uhr, eine Mitglieder- Versammlung in Deigmüller s Salon, Alte Jakobstr. 48, einberufen, und ist im Interesse der Sache recht zahlreiche» wie pünttliche» Erscheinen erwünscht. Da» Statut legitimirt.(Siehe Inserat.) _ t Der Beret« Berliner Droschkeututscher hiett am Freitag, den 18. d., in spater Nachtstunde seine Generalver- sammlung unter Vorsttz de» Herrn Schütte, im Saale de» Hand» w-rkerverrin,, Sophtenstr. 16, ab. Der Besuch der Versamm« lung war ein außergewöhnlich starker. Auch der Kassenbericht zeigte, daß der Verein kraftig gedeiht und stch ausbreitet. D'e betragen von Juni 1885 bi» zum Mai 1886 3343.29 M.; ihnen stehen an AuSqaben 2823.79 M. gegenüber. DaS Gesammtvermögen beträgt tt klustve de» Kaffenbestande» von der letzten Abrechnung, der 193,25 M. beträgt, und de» Werthuten filienkonto» von 523 M. 1228,79 M. Nach leb« hast« DiSkusston wu de beschlossen, den Jahresbericht im Fach« organ zu veröffentlichen. Dann wurde dem Vorstand« durch ErHeden von den Plätzen Decharge «rtheilt, nachdem die Re- visoren die Richtigkeit und Ordnung d-r Kasse bestätigt hatten. E» folgten die Ergänzungiwahlen für den Vorstand. Wieder- resp. neugewählt auf zwei Jahre wurden die Herren Schulz l., ThramS, Wtebicke, Hrnschel und Schreiber, Vor fitzender bleibt Herr Schütte; zu Kaffenrevii oren wurden die Herren Schreiber, SporalSky und Thon« gewählt. Außer« dem wurde noch beschloffen, den sogenannten Einspännrrn (Fuhrherren) Aufnahme als Mitglieder in den Verein zu ge» währen, wenn fie fich melden. Nur soll Sorge getragen wer» den, daß ste al» Mitglieder nicht dem Vereine schädlich« Interessen verfolgen. Zum Schluß wurde eine Teller« sammlung für die durch Brand in der Schinkestraße schwer geschädigten Kutscher de» Fuhrherrn Schöneberg vorge» nommen.