Ronfufionarius"; der Präfident rügt diese Ausbrudsweise als unparlamentarisch durch einen Dronungsruf. Auch der Abg. v. Eynern verfällt dieser Rüge, als er dem Abg. v. Ham merstein den Ausdruck zurüdgiebt.

Art. 1 des Gefeßes wird darauf gegen Bentrum und Freis finnige angenommen.

Bu Art. 2 stellt Abg. Langerhans den Antrag, auch den Beschluß der Generalfynode zu§ 14 der Genehmigung des Landtages durch die Vorlage zu unterwerfen.

Unter blehnung dieses Antrages wird Art. 2 unverändert genehmigt, desgl. der Rest des Gesezed.

Hiernach beantragt der Abg. Windthorst die Berta gung der Sigung mit Rücksicht auf den um 2 Uhr anstehenden Beginn der Reichstagsfizung.

Dem Antrage schließen sich die Abgg. v. Eynern und Ridert an; das Haus beschließt gegen die Stimmen der Ronservativen, des größten Theils der Freilonservativen und einiger Nationalliberalen die Vertagung.

Schluß 1%, Uhr. Nächste Sigung Sonnabend 11 Uhr.( Dritte Berathung der heute in zweiter Berathung erledigten Vorlagen, dritte Berathung des Gesezentwurfs, be­treffend die rheinischen Kantongefängnisse, Interpellation von Strombed, betr. die Ueberschwemmungen im Eichsfelde, Wahl­prüfungen.)

Lokales.

cr. Die Milchfrage in Berlin . Es ist eine hinlänglich belannte Thatsache, daß es in Berlin eine ganze Anzahl von Geschäften und Geschäftsleuten giebt, die den Aufschwung ihrer Unternehmungen einzig und allein einer mehr oder weniger ge schickten Reklame verdanken. Die Reklame macht heute viel, vielleicht Alles, und es ist im Grunde genommen einen Ges schäftsmanne auch nicht zu verdenken, wenn er fich und seine Erzeugniffe so oft als möglich dem Publitum in empfehlende Erinnerung bringt. Die Reflame barf jedoch niemals aum Humbug ausarten, und es darf nicht zugelassen werden, daß auf Koften rechtlicher und ehrlicher Geschäftsleute, die fich red lich im Schweiße ihres Angesichts quälen, einem einzelnen großen Unternehmer unverdiente Vortheile zugewandt werden.

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brud einer ungerechtfertigten Reflame arbeitet. Sollten diese Beilen nicht genügen, so werden wir auf denselben Gegenstand noch des Defteren zurüdlommen.

Welche sonderbaren Charaktere Berlin in fich birgt, bezeugt folger der Fall. Im November 1884 lief eine Notis durch die Berliner Beitungen, daß ein Ruffe ifraelitischen Glaubens, Student der Chemie und Bubörer der Profefforen Hofmann und Binner, aus Mangel an Subfiftensmitteln ge beten habe, ibm bet der während der Nachtstunden hier bes forgten öffentlichen Straßenreinigung Beschäftigung zu geben, das ihm mit Rüdicht auf die von ihm beigebrachten guten Beugnisse der genannten Profefforen sein Wunsch gewährt wor den und daß er seitdem allnächtlich bei der Straßenreinigung von Berlin beschäftigt set. Der Universitätsrichter glaubte fich Damals veranlagt, aus Anstandsrücksichten Schritte zu thun, um den Unglüdlichen aus dieser Stenung herauszuziehen, ge langte jedoch jedoch nicht zum Biele, ba man ihm die Verson nicht namhaft machte. Der Student Der Chemie M. war damals in vielen Rreisen eine be rühmte Persönlichkeit geworden. Jest erhält Die Boff. 3g über ihn aus zuverläffiger Quelle folgende überraschende Mittheilungen. Thatsache ist, daß M. im Ja nuar 1877 mit einem auf 5 Jabre lautenden Baffe aus Rus. land, wo er Frau und Kinder zurüdgelaffen batte, bier ein wanderte. Er suchte angeblich hier Gelegenheit, das Wesen der Spiritusfabrikation und Destillation theoretisch fennen au lernen, um späterhin diese Kenntnisse in seinem Vaterlande und zu seinem Nugen praktisch zu verwerthen. Ohne alle Mittel, der deutschen Sprache vollkommen untundig, ohne jeben Anhalt bier am Orte, war er dem Verhungern nahe, als er damals, durch einen Bufall geführt, Arbeit bei der Straßen. reinigung fand. E: fand ich bald in die Verhältnisse und zeichnete sich durch Anftelligkeit, Pünktlichkeit, Fleiß, Dienft ihm besonderes Wohlwollen, Theilnahme und vielfach eifer und unverdroffenes Wesen so vortheilhaft aus, daß auch Schuß zugewandt wurde, der ihm nöthig war, Denn er hatte mannigfache Angriffe und Kränkungen feitens feiner Mitarbeiter อบ erleiden. Er aber verfolgte anscheinend beharrlich sein Biel , fegte des Nachts die Straßen und hörte am Tage die Vorlesungen auf der Univer fität bis Ende Mai 1886. Da meldete er fich plöglich frant, als er in eine andere otheilung versett werden sollte, und gab schließlich die Stelle als Straßenfeger auf. Man fannte ibn als einen eigenen Charakter, welcher jede fremde Hilfe und Unterstützung auf das Bestimmtefte abwies und, um Niemand verpflichtet zu sein, vorzog, feinen Unterhalt und die zum Studium nothwendigen Mittel fich durch harte Handarbeit zu erwerben. Seine Starrhett ging soweit, daß er z. B. in einem Krantheitsfalle bestimmt ablehnte, diejenige Unterftüßung an zunehmen, welche sonst tranten Arbeitern ohne Weiteres ge währt wird. Anträge, welche ihm in Folge der Beitungs notizen im Jahre 1884 zugegangen waren, batte er entschieben abgewiesen, die Annahme von Gelesendungen, die ihm zu seiner Unterfügung mit der Post zugingen, verweigert, ja sogar ein thm angebotenes Stipendium von 1200 Mart zurüdgewiesen und nur darum gebeten, möglichst in Verborgenbelt weiter Straßen fegen zu dürfen. Sein plöglicher Abgang von der Straßenreinigung bat Veranlassung gegeben, seinem Thun weiter nachzuforschen, und da ist man auf wunderbare Wahr nehmungen gelommen, die den Gedanken nabe legen, daß jene Straßenfegerarbeit, die neun Jahre gedauert hat, einen ver borgenen Bwed batte, ebenso der Besuch der Universität. Bei der Straßenreinigung find sehr viele Leute aus Bolen oder polnischer Abstammung beschäftigt und auf der Uni versität fluo ren viele Ruffen und Polen , die nach der Ansicht der ruffischen Regierung sorgfältiger Ueberwachung bedürfen. Beim Straßenfegen mag der Zweck erreicht sein. Der fonderbare Mensch lebte feit seinem#bgange von der Straßenreinigung und bis zu seiner jegt erfolgten Abreise von Berlin auf großem Fuke, verfügte plöglich über nicht unbe deutende Gelomittel. Jest fält es erst auf, daß er in der Aera der Ausweisungen unbehelligt geblieben ist, obwohl sein Bas längst abgelaufen war. Biele unter seinen Vorgesezten, die ihm ehedem ihre Sympathie zugewendet hatten und be müht gewesen waren, ihn in seinen Verhältnißen vorwärts zu bringen, glauben fich schamlos betrogen. Gott weiß, in welchem neuen Wirkungsfreise er seine Beobachtungsgabe jetzt ver werthet.

Wir fanden vor einigen Tagen in einem biefigen Blatt einen recht plumpen Reklameartitel für den Milchpächter Bolle, beffen markischreierische, audringliche Klingelei wohl schon jedem Berliner unangenehm gewesen ist. Die Ausführungen retaten uns unwillkürlich, der Sache einmal auf den Grund zu gehen, und wir tamen merkwürdiger Weise zu ganz anderen Resultaten Resultaten und Anschauungen, als wie fie in jenem Artitel niedergelegt find. Von vornherein geftehen wir natürlich sehr offen ein, daß wir uns so leicht nicht imponiren laffen, felbft nicht durch geheimnisvolle An beutungen, durch welche der Verfaffer jenes Artikels seiner Berson ohne Zweifel ein amtliches, wenn nicht ja obrigkeite liches Relief zu geben bestrebt ist. Der Herr Autor schreibt nämlich bescheidener Weise von fich selbst: Ich wurde im Monat März d. J. zum Studium dieses hochintereffanten Etas blissements( nämlich des Bolle'schen. Red. des ,, Berl. Boltsblatt.") Durch den Ehef unferes" Ministeriums für Ackerbau, Handel und Industrie nach Berlin entsendet und muß gestehen, Daß ich trot hochgespannter Erwartungen, von dem was ich fand, auf's Höchfte überrascht war." Wir wissen nicht, ob fich der Lotal- Anzeiger", in melchem der erwähnte Auffat steht, schon ein Ministerium für Acerbau 2c. zugelegt hat, einem an beren Ackerbauminifter dürfte wenigsten das Bolle'sche Milchper zapfungsinftitut höchst gleichgiltig sein. Möglich wäre es jedoch, daß in den Spalten jenes Blattes vielleicht irgend ein ehemaliger Ministerialbeamter sein Wesen treibt, ebenso wie man jest da selbst verflossene Kriminalisten als geschägte Mitarbeiter ver wendet. Abgefehen jedoch hieroon, so enthält der Artikel doch eine ganze Unmaffe von thatsächlichen Unrichtigkeiten, die un bebingt der Klarstellung bedürfen. Selbstrebend ist nur Herr Bolle der Milchkönig, welcher einsig und allein dem Publikum ungefälschte, b. b. unverwäfferte Milch verkauft. Die Thätig. leit der Nahrungsmittelpolizei ist natürlich absolut nicht im Etande, das Bublifum vor den Kunstgriffen gewiffenloser b. b. aller anderen Händler außer Herrn Bolle zu schügen. Der Sachverhalt scheint jedoch ein ganz anderer ju sein. Bu nächst tonftatirt der legte polizeiliche Bericht, daß bet 2346 vor genommenen chemischen Untersuchungen fich nur in 23 Fällen eine Verfälschung der Milch nachweisen ließ. Diese Thatsache mag diejenigen aufgeregten Gemüther wieder berubigen, welche durch die sogenannten Enthüllungen" des Bolle schen Artitels in ein gelindes Gruseln verjeßt find. Nach Diesen Enthüllungen" nämlich dürfte eigentlich lein Mensch mehr einen Tropfen Milch genießen, außer Bolle'scher natürlich wenn er fich nicht leichifertiger Weise gräglichen Krankheiten und wenigen Leibesschäden aussehen will. Es wird noch schließlich so weit lommen, daß man Stammregister der Rühe anlegend wird, in welchen die Krankheiten der Väter, Groß und Urgroßväter des Rindvich3 angegeben werden. Es find das Alles jedoch nur die gewöhnlichen Sniffe, die man ja häufig im Leben anwenden fteht, den Gipfel der Unver frorenheit erklimmt Herr Bolle jedoch, wenn er von fich und feiner Milchwirthschaft das Folgende schreiben läßt: Herrn Bolle's größter Stolz aber ist der, daß die Kinder fterblichkeit Berlins , die bis 1881 in einer fteten Bunahme be griffen war, seit dem Jahre 1881 feinen Fortschritt mehr macht, fondern seitdem, trop der bedeutenden Bunahme der Bes völkerung, auf einem Punkt stehen geblieben ist. Wir sehen also, daß trozdem es bis heute immer nur ein fleiner Bruch thell der städtischen Bevölkerung genannt werden kann, der theils intelligent genug baju ist, theils im Trouble der täg lichen Geschäfte fich die Beit dazu nimmt, fich um die sichere Provenienz des wichtigsten aller Nahrungsmittel zu fümmern, Dennoch die Erfolge der rationell organisirten und exakt ge leiteten heutigen Milchverlaufszentren in die Augen fallende find." Endlich also ist das große Räthsel gelöft: Unser ge­schäßter Herr Mitbürger Bolle maßt fich in äußerst diskreter zurückhaltender Weise an, daß er Brechdurchfall, Darmlatarrh, Diphtheritis und alle diejenigen Krant beiten aus der Welt schafft, der Welt schafft, an denen bisher Säug linge zu Grunde gegangen find. Es ist eine Berle an edler Bescheidenbelt leider strafen ihn jedoch die Zahlen, die er selbst über sein Geschäft veröffentlichen läßt, in recht unan genehmer Weise Lügen. Seine Anstalt bringt, wie er felbft augiebt, täglich 30 000 Liter Milch in den Verkehr. Was will bas sagen für eine Stadt wie Berlin ?" Von anderer, mehr fachverständiger Seite wird uns nämlich folgende Rechnung aufgestellt. Von den wirklich vorhandenen 30 000 Litern Milch geben 12 000-13 000 Liter ab, welche Herr Bolle in zentri fugirtem Zustande an die Bäcker zum Backen verlauft, 4000 Liter bleiben ihm täglich zum Räsen übrig, der Reft, der zum Einzel verlauf gelangt, verdient wirklich nicht, daß man so viel Auf­bebens davon macht; diese geringfügige Quantität Milch auf die Millionenstadt vertheilt, bat, wie jedem ernsthaften Menschen einleuchten wirb, auf die allge meine Kindersterblichleit nicht den allergeringften Ein fluß. Die Verminderung der Kindersterblichkeit Berlin hat denn doch ganz andere Gründe als fie fich in dem Kopf des minifteriellen Schreibers" des Herrn Bolle wider Spiegeln. Im übrigen erfahren wir aus dem Artikel des Lokal. Anzeigers" noch manches Interessante über die Geschäfts­führung des Herrn Bolle, über ein ausgedehntes und wohl­organifirtes Spionagesystem, über seine wohldrefferten Klingel jungen, die im Sommer auf Kommando beten, im Winter auf Rommando in demselben Lokal Komödie spielen müffen u. 1. m. 8 ved dieser Bellen war, die geschädigten Milchhändler Berlins gegen einen Mann in Schuß zu nehmen, der mit dem Hochgewiesen worden, falls fte ferner dort Ausladestellen haben will,

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Die erhoffte Frequenz der eröffneten Markthallen in Berlin scheint tros aller versuchten Gegenerklärungen doch nicht in dem Maßstabe eintreten zu wollen, als man vor Er. öffnung derselben angenommen bat. Als Thatsache wird uns berichtet, daß fich in der Markthalle in der Lindenstraße eine große Anzahl leerer Stände befindet und noch eine Bermeh rung berselben für die allernächste Beit zu erwarten ift. Was weiter geschieht, ist vor der Hand nicht zu beurtheilen. Aber nicht nur hier, sondern auch in den übrigen Martthallen, viel leicht mit alleiniger Ausnahme der Bentralmartthalle in der Neuen Friedrichstraße, ist das Vorhandensein valanter Stände größer als die Nachfrage nach denselben. Die Hauptverkehrs­tage find, wie dies auch bei dem früheren Marktverkehr der Fall gewesen, der Mittwoch und der Sonnabend, an Den übrigen Tagen gestaltet geftaltet fich der Verkehr nur äußerst schwach und steht in Teinem Verhältnis zu den großen Untoften, welche die Inhaber der Marktballen ftände haben. Die iesigen Bustände bezüglich der Verlaufs zeiten find ganz unbaltbar und man erwartet unbedingt eine Abänderung wenigftens dabin, daß die Markthallen von früh Morgens bis Nachmittags 3 oder 4 Uhr geöffnet sind, dann aber geschloffen werden. Neben den vielfach bereits erwähnten geftörten Familienleben durch die jeßigen Verhältnisse find die Markthallenleute verpflichtet, fich in den umliegenden Restau rationen zu verpflegen, da fie während der Mittagspause nicht ihre weit entfernten Wohnungen aufsuchen können. Hierdurch fteigern sich nicht nur die Untoften in ganz erheblicher Weise, sondern für die häusliche Versorgung der Kinder und sonfti­gen Angehörigen muß durch Dritte Sorge getragen werden, was ebenfalls wieder die Untoften erhöht, die durch die hohe Standmiethe schon ohnehin ganz beträchtlich find.

Die Regulirungsarbeiten in der Spree bei Spandau haben ihren B ved erfüllt. Während sonst im Sommer bei niedrigem Wasserstand die Spree nur sehr flach gehende Schiffs. gefäße paffiren tonnten, ist jetzt die Fahrstraße so tief, daß schwerbeladene Elbtähne ungehindert fahren tönnen. Auch die Berlin - Stettiner Frachtdampfer benugen iegt ftatt des Schiff fabristanals die Spree. Der Berkehr durch die Charlotten burger Schleusen betrug im vorigen Jabre 27 000 Fahrzeuge. burger Schleusen betrug im vorigen Jahre 27 000 Fahrzeuge. Da der Wehrschluß erst in der Mitte Juni v. J. stattfand und die tiefgehenden Schiffsgefäße bis dahin noch den Schifffahrts fanal benugen mußten, so dürfte die Bahl in diesem Jahre noch wesentlich höber werden. Beim jezigen Wasserstand geben wieder zahlreiche Räbne thalabwärts über das Trommelwehr. Die biefige Schleuse baben in diesem Jahre nahezu 5000 Fahr zeuge paffirt. Ein Uebeland bat fich bereits bier bemerkbar gemacht, der fich später noch erhöhen dürfte. Breite Elbtähne fönnen hier wohl durch nach Berlin fahren, aber hier nicht ausladen. Dowohl mehrere ftädtische Ausladeftellen vorhanden find, lönnen die erwähnten Fahrzeuge nicht dahin gelangen. Zu der Ausladestelle, die noch unterhalb der Schleuse liegt, muß die Berliner Thorbrüde paffirt werden, deren Durchfahris joch noch nicht 22 us breit ist. Die Stadt befist noch große Uferftreden an der Unterhavel, die theils schon mit Bollwert versehen sind, aber zu Ausladepläßen nicht verwandt werden dürfen. Auch die Geschüßgießeret, die früber an der Epree mehrere besondere massive Unterbaue hat herstellen und darauf Krabne zum Entladen der Kähne hat aufstellen laffen, ift an gewiesen worden, falls fte ferner dort Ausladestellen haben will,

an ihrem Grundstüd entlang das Ufer zu erwerben und ein vorschriftsmäßiges Bollwert errichten zu laffen.

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Eine befannte Eigenart der Deutschen ist die nigung, Vereine zu bilden, und es giebt wohl taum ein Moment, daß nicht bereits zur Geselligleit und gemeinschaft lichem Thun ausgebeutet worden wäre. Indeß behält der vielsitirte Weltweise mit seinem Ausspruche: Alles schon das gewesen," doch einmal Unrecht, es besteht in der Refidens eine auf staatliche Einrichtungen" gegründete Korporation, und awar ohne die üblichen Statuten. Sie würde sich bei fefter Organisation, Verein der Wieder Jmpflinge" nennen tönnen. #uf den öffentlichen Spielplägen, während der Zwischen ftunden auf Schulhöfen, bei Schulausflügen bilden fich stets Rindergruppen, die durch das gemeinsam vergoffene Blut bei der Wiederimpfung treu zusammengehalten werden. Die Mits glieder der wunderlichen Sette tragen ein Berbindungszeichen, bas allerdings mehr eine Schußmarte" ist und in einem rothen Kreuje am linten Oberarm( der Impfstelle) besteht. Um Die heraldische Form des zur Abwehr gegen die hauptsächlich unter der männlichen Schuljugend grafftrenden Büffe und Söße angebrachten Warnungszeichens baben sich die Träger deffelben wenig Gorge gemacht, einige brilliren mit dem echten Genfer, andere mit dem Malteser Kreuz, die Mehrzabi be gnügt fich indeß mit dem einfachen von der Mutter sorgfältig aufgenähten Bluszeichen(+). Bei den Mädchen äußert fich der Schönheitsfinn in Form von angelegten, die Jmpfwunde bezeichnenden rothen oder blauen Bändern und Schleifen, welche von den jüngeren, noch nicht zwölfährigen Schülerinnen mit Ehrfurcht und Neid betrachtet werden. Es gilt gegen alles Herlommen, guten Taft und unter aller Würde, einen Nichtimpfling in die Genossenschaft aufzunehmen. It bei dem ordentlichen Mitglied ärztlicherseits der Ecfolg" der Impfung fonstatirt, so verschwindet das Kreuz am Arme, der Impfling scheidet aus dem Vereine und lehrt in die Reihen der anderen Kinder zurück.

Es dürfte namentlich für durftige Seelen interessant fein, zu erfahren, wie viel Bier Berlin produzirt und wieviel davon in der Reichshauptstadt selbst getrunken wird. Die Bahl der hierfelbft arbeitenden Brauereien ist im vergangenen Jahre von 55 auf 59 geftiegen, und zwar fällt die Zunahme auf die Braun, Bitter- und Weißbier- Brauereien. Broduzirt wurden 2212 060 hektoliter Bier und zwar 1503 060 Setto Itter untergäbriges und 709 000 peltoliter obergähriges Bier. Nach der Bählung von 1885 beträgt die Einwohner ahl Bers ling 1 322 673; demgemäß betrug die Produktion 167K Liter pro Ropf und Bevölkerung. In München betrug die Produt tion 756,3 Liter pro Kopf der Bevölkerung, fie ist also dort über viermal so groß wie in Berlin . Die Gesammtproduktion der Berliner Brauereien beziffert sich auf 6060 hektoliter pro Taa. der Gesammtwerth der produzirten Biermenge auf 34 769 020 Mt. Ausgeführt von hier find 185 008 Dettoliter, importirt dagegen nach Berlin , in erfter Reihe aus Bayern , 169 372 hektoliter. Der Durchschnittskonsum der gesammten Berliner Bevölterung ist non 169 Liter pro Kopf im Vorjahre auf 166 gefallen. Von 1881-1884 war derselbe allmälig von 153 auf 169 Liter geftiegen.

Ein eigenthümlicher Patient" befindet sich, dem Berl. Tabl." zu Folge, gegenwärtig in der Charitee. Es ift ein junger Berliner, dem hier das Glüd nicht besonders hold war und der deshalb sein heil jenseits des Dzeans suchen wollte. Er war deshalb auch bereits nach Hamburg gereift, Dort wurde ihm aber so übel mitgespielt, daß er die Aus wanderung aufgegeben hat. Er war in Hamburg in eine Kneipe gerathen, in welcher er fich einer Gesellschaft Matrosen anschloß, die ihm recht wader autranten. Unser Landsmann trant den Seeleuten so tapfer Bescheid, daß er sehr balo be rauscht war und in einen tiefen Schlaf fiel. Diesen Bustand mißbrauchend, tätowirten ihm die Matrosen den Unterarm, ließen es aber damit nicht bewenden, sondern ägten dem Bes rauschten auch noch einen Käfer auf.... die Nase. Der Schreck des in dieser infamen Weise Gezeichneten, als er am nächsten Morgen seine verunstaltete Nase im Spiegel sab, läßt fich leicht denten. Der Mermfte batte genug von der Aus wanderung, er lehrte nach Berlin zurüd und befindet sich jetzt, wie gesagt, in der Charitee, woselbst man Versuche unter nimmt, daß bunte Ungethüm von der Nasenspige au ent fernen.

Die Zeitungen und Journale in den Café's und Konditoreien befinden sich bekanntlich zumeist in höchft trau rigem Bustande. Sie find, wenn fie erst durch die Hände von mehr als sechs Lesern gegangen, gewöhnlich beschmußt, zerrissen und geben uns die troftreiche Gewißheit, daß unsere Vorgänger Chokolade, Kaffee geschlürft baben oder ein besonderes Faible für Apfelkuchen mit Schlagsahne befigen. Um diesem Unwesen au steuern, bat iegt der Verein felbfiftändiger Konditoren Berlins " einen Aufruf erlaffen, der in sämmtlichen Konditoreien angebracht ist und folgendermaßen lautet: Bitte! In Inter effe der geehrten Gäfte wird höflichft um Schuß der Bettungen und Journale ersucht. Das Ausschneiden von Annonzen und die Verstümmelung der Journale find nicht gestattet." Merti's Euch, The Beitungs Bandalen!

Ueber einen Raubanfall in Charlottenburg wird be ritet: Am Mittwoch, Nachmittags gegen 2 Uhr, wurde ein in Charlottenburg Stellung suchender fremder Arbeiter von einem unbekannten, anständig gekleideten Manne auf der Straße angesprochen, der ihm, als er erfahren, daß jener Stellung suche, eröffnete, daß er eine solche für ihn jest gerade in Aussicht habe. Einem gleich darauf gemachten Vorschlag, auvörderft zu einem gemeinsamen Trunt nach der Gojebraueret zu geben, entsprach der Arbeiter daher mit Freuden. Vor dem Eingange zur Braueret angekommen, entriß der Unbekannte bem arglos neben ihm gehenden Arbeiter plöglich Uhr und Kette und stürmte dann durch einen weiten Ausgang der Brauerei dem freien Felde zu, wo er in einem Kornfelde ver schwand. Ein Hausdiener des Dekonomen, der den Vorgang mit angesehen, machte fich sammt dem Beraubten schleunigst an die Verfolgung, die von Erfolg war, denn als Bolizei beamte erschienen, trafen auch die Berfolger mit dem Räuber ein. Derselbe wurde zur Wache befördert, wo er angab, ein Bädergeselle aus Berlin zu sein.

Einem alten Schwindel ist vor einigen Tagen ein blefiger Holzhändler zum Opfer gefallen. Bu demselben fam Ende vergangener Woche ein anfiändig gekleideter Mann, ber fich für einen Bimmerpolier außgab und für Rechnung eines Bauerngutsbefizers in Schönefeld vier Schock Bretter bestellte. Als am andern Morgen ein Rutscher des Händlers mit den Brettern den Kottbuser Damm entlang fubr, trat ihm der un bekannte Besteller entgegen und bat, mit dem Wagen am Rolls trug zu warten, da er noch einige Bimmergesellen miethen und gleich mitnehmen wollte. In der That erschien der Unbekannte auch bald mit drei Leuten, die mit ihm auf dem Wagen Plas nahmen, um mit nach Shönefeld au fahren. Unterwegs ließ der Besteller den Wagen plöglich halten und eine Anzahl Bretter im Werthe von 40 M. auf einem Solaplag in Rigdorf ablaben, worauf er den Rutscher mit zwei Arbeitern nach Schönefeld weiter fandte; er selbst blieb aber mit einem der felben zurüd. In Schönefeld stellte sich heraus, daß dort übere haupt keine Bretter bestellt waren, bei der Rüdlunft in Rig borf abe waren die Bretter verschwunden. Den Nachforschungen Der Bolizei gelang es nach längeren Bemühungen, die Bretter, die inzwischen für den halben Breis an einen Rigdorfer Ein wohner verlauft waren, mit Beschlag zu belegen, während von dem Schwindler bis jezt noch jede Spur fehlt.

Bon dem raffiatrten Gaunerstreich", durch welchen vor einigen Tagen nach den Mittbellungen einer bieftgen Korrespondenseine Dame um ca. 450 Mart, die fte eben

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