gab er auf Befragen für sein verstörtes Meußere die Erklärung| Ungerechtigkeiten nicht vergessen, deren Dpfer, wie ich aus ab, daß er ein galantes Abenteuer soeben erlebt bätte. Am nächsten Morgen fand man den Franke, den sofort Jedermann als Mörder der eben als Leiche aufgefundenen Thinius bezeich nete, in seiner Behausung noch mit blutbeflecktem Geficht und Kleibern im Bett schlafend; er wurde sofort an die Leiche ge führt, benahm sich dabei aber äußerst frech. Ortsvorsteher Sante, ehemaliger Dienfiherr der Erschlagenen, ftellte vor Ge richt seiner ehemaligen Magd Das befte Leumunds Beugnis aus. Als Entlastungs Einwand hatte der Angellagte geltend gemacht, daß das Kind, dem die Thinius das Leben geben sollte, nicht das seinige set. Der nach dieser Richtung hin versuchte Rechtfertigungseinwand fiel vollständig in's Waffer. Gegen 1 Uhr zogen fich die Geschworenen zur Berathung zurüd, nachdem Staatsanwalt Dr. Menge für Schuldig des Mordes unter Berneinung mil bernder Umstände plaidirt hatte. Der Wahrspruch der Geschworenen sprach den Angeklagten der vorsäglichen mit Ueber legung ausgeführten Tödtung für schuldig, und zwar mit mehr als 7 Stimmen. Stumm wie eine Bildsäule verharrte der Angeklagte bei Berlesung des Wahrspruches. Demgemäß ver uribeilte der Gerichtsbof den Angeklagten zum Tode und Ver luft der bürgerlichen Ehrenrechte.
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Ueber das Urtheil des Oberverwaltungsgerichtes über die Statuten der Maurer Kranten und Sterbelasse ( E..) au Charlottenburg wird jest geschrieben: Die ge nannte Raffe ist nicht eine sogenannte frete" Hilfskaffe, d. b. eine Raffe ohne Beitrittsawang, wie es die jest bestehenden eingeschriebenen Hilfslaffen ohne Ausnahme find. Es ist nie bezweifelt worden, daß die Mitgliedschaft bei einer solchen freien Hilfslaffe, vorausgesezt, daß fie den Anforderun gen des§ 75 des Krankenversicherungsgeseges genügt, von der Verpflichtung, irgend einer andern Kaffe beizutreten, befreit, mag auch das betreffende Mitglied außerhalb des Sizes der freien Hilfslaffe wohnen oder beschäftigt sein. Bei jener Char lottenburger Krantentaffe handelt es fich dagegen um eine in Gemäßheit des Gesetzes vom 7. April 1876 zu einer eingeschrie benen Hilfskaffe umgeformte, auf Grund der früheren preußischen Gesetzgebung bestebende sogenannte ortsftatutarische Kaffe mit Beitrittszwang. Gemäߧ§ 85 Abs. 1 und 87, 88 des Kranten versicherungsgesetzes hörten derartige Kaffen mit dem 1. Desember 1884 auf, eingeschriebene Hilfskaffen zu sein, und unter lagen dem Vorschriften dieses Gefeßes; die in Nede stehende Staffe ist also felt dem 1. Dezember 1884 eo ipso Drtstrantentaffe geworden. Nach§ 85 Abs. 1 und 2 a. a. D. mußten die Statuten nur, soweit fte hinsichtlich der Bestimmungen über Die Kaffenleistungen und Raffenbeiträge, die Vertretung und Berwaltung der Kaffe den Vorschriften des sitirten Gesezes nicht genügten, bis zum 1. Januar 1885 entsprechend ab geändert werden, widrigenfalls die höhere Verwaltungsbehörde Die erforderlichen Abänderungen vollziehen lonnte. Alle übrigen Vorschriften des Krantenversicherungsgefeßes dagegen traten für Die betr. Raffe mit dem 1. Dezember 1884 sofort auch ohne Auf nahme in die Statuten in Kraft. Bu diesen sofort giltigen Vorschriften gehört auch die des§ 27 a. a. D., wonach unter bestimmten Voraussetzungen bisherige zwangsweise Mitglieder, welche aus der die Mitgliedschaft begründenden Beschäftigung ausscheiden und nicht zu einer Beschäftigung übergehen, vers möge deren fte Mitglieder einer anderen Ortstrantenlaffe ac. werden, ihre Mitgliedschaft freiwillig fortsegen fönnen. Der Bezirtsausschus in Potsdam und das Oberverwaltungsgericht baben nun angenommen, daß ein bisher in Charlottenburg be fchäftigt gewesener Maurer, melcher die dortige Arbeit aufgiebt und neue an einem anderen Drte, fagen wir in Botsdam, findet, Dadurch aus der die Mitgliedschaft bei der Charlottenburger Bwangstaffe begründenden Beschäftigung ausscheidet und zu einer Beschäftigung, vermöge deren er Mitglied einer anderen Drts Krantentaffe wird, nämlich der Potsdamer, übergeht, nicht auf Grund des§ 27 c. freiwilliges Mitglied der Charlottenburger Staffe bleiben lann, vielmehr gemäߧ 19 Abs. 2 a. a. D. mit bem Antritt der Arbeit in Potsdam ohne Weiteres awangs weises Mitglied der Potsdamer Drts Rrantentafse wird. Dieser Anschauung entsprechend haben beide Instanzen die in das Statut der Charlottenburger Kaffe aufgenommene Bestimmung, wonach in dem obigen Falle der betreffende Maurer freiwilli ges Mitglied der Charlottenburger Kaffe bleiben tann und in Diesem Falle von der zwangsweisen Mitgliedschaft bei der Botsdamer Drts Riantenlaffe befreit sein soll, für ungefeslich erflärt und zwar nach den maßgebenden Vorschriften mit Recht. Es sei aber nochmals hervorgehoben, daß fich die in Nede ftehende Entscheidung auf eingeschriebene Hilfskaffen ohne Bei triftsawang- und andere giebt es, wie gesagt, seit dem 1. Dezember 1884 nicht mehr nicht bezieht.
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Frankfurt a. M., 29. Juni. Aus der heutigen Sigung Des Schöffengerichts berichtet die Frtf. 8tg.": In einer öffent liches Mergernig erregenden Weise wurde am 19. Januar eine Schauspielerin von dem Handelsreifenden Philipp Hallig auf bem Roßmarkt mißhandelt. Er hatte turze Brit vorher fich der Dame in auffälliger und beleidigender Weise im Balmengarten genähert, und sie hatte ihn einen frechen Juden" genannt. Nach einigen Tagen trat der Angeklagte in provokatorischer Weise im Balmengarten wieder an fte beran, und als die Schauspielerin ihn abfertigte, antwortete er mit einer groben Beleidigung, wo rauf er wieder ein unverschämter Jude" genannt wurde. Am 19. Januar begegnete der Reisende auf dem Roßmarkt der Dame, verlangte von ihr Burüdnahme der Beleidigung, und als fie dieselbe wiederholte, schlug er ihr einmal oder zweimal fräftig mit der Fauft ins Geficht, so daß das Blut floß. Die Leute liefen zusammen, und die Amtsanwaltschaft hielt fich be. rechtigt, auf Grund dieses öffentlichen Standals eine Anklage wegen groben Unfugs zu erheben. Die Vertheidigung machte geltend, daß hier nur eine Körperverlegung vorliege und bie Sache verjährt sei. Rach einer sehr erregten Verhandlung wurde dem Antrag der Amtsanwaltschaft gemäß gegen den Philipp Hallig auf 6 Wochen haft erkannt.
Der Anarchist Galo, der am 5. März den Börsenpalaft zu Paris in die Luft zu sprengen versuchte und furz vor Schluß ber Börse von der Galerie herab mehrere Schüffe abfeuerte, er fchien am 26. Junt vor dem Schwurgericht der Seine. Der Angeflagte benahm fich von Anfang an sehr widerspenstig, nannte den Vorfigenden Cartier Bürgerpräfident" und ver langte, daß ein Anarchist die Lehren seiner Partei bier erkläre, da lein Advolat dies genügend verftebe. Sein Vertheidiger unterflügte dies Begehren, auf welches der Gerichtshof jedoch nicht einging. Gallo erging fich hierauf in heftigen Angriffen gegen die Regierung, gegen die Geschworenen und namentlich gegen den verstorbenen Untersuchungsrichter Blancard des Balines, so daß der Präfident sein Bedauern darüber aus sprach, daß der Angellagte nicht als verrückt erklärt wurde. Der Staatsanwalt ftellte endlich, als die Verhandlung nicht weiter geführt werden lonnte, den Antrag, die Schlußverhand Lung auf eine andere Selfton zu vertagen, was der Gerichtshof auch beschloß. Gallo flammerte fich an das Geländer an und mußte von den Gardisten aus dem Saal geschleppt wer ben. Einer Privatmittheilung der Boffischen Beitung" Aber Galo entnehmen wir folgendes: Galo bat seine Muße während der Verwahrungshaft im Gefängnisse Mazas Dazu benutt, seine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Er be ginnt mit einer ganz lichtvollen Darlegung der anarchistischen Grundsäße, die er offenbar aus Fürst Krapottin's Schristen geschöpft hat und erklärt sich bereit, fein Leben zu jeder Stunde für seine Ueberzeugungen einzufezen. Er fährt dann fort: Sch babe viel gelitten im Leben. Ich bin das Dpfer vieler ungerechtigkeiten gewesen. Ich will aber Niemand persönlich für meine Leiden verantwortlich machen. Ich weiß au genau, baß fie bie nothwendige Folge der fehlerhaften Gesellschafts ordnung find Ich verzeihe aus vollem Herzen alles Böse, bas man mir, mir allein, augefügt hat. Ich lann aber die
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schmerzlicher Erfahrung weiß, die ganze Menschheit ift.... Ich bin geboren im Jahre 1859 in Belle Jale- au- Mer, Nieder Bretagne. Ich bin ein natürliches Rind meiner Mutter, die felbft ein natürliches Rind war. Meine Großmutter war ein fluges, gefühloolles Weib und trop threr Mutterschaft ohne Ehe Don Allen, die fte fannten, geachtet. Sie war Dienstmädchen in einem einem bürgerlichen Hause, bei einem Advokaten; schlecht genährt, noch schlechter bezahlt, von Arbeit erbrüdi, eine Stlavin. Der Sohn des Hauses studirte Medizin und verbrachte die Ferien bei den Eltern. Eines Tages sperrte er die Großmutter in thr Simmer ein und that thr Gewalt an. Das arme Weib dachte gar nicht daran, flagbar zu werden. Sie fannte das traurige bretonische Sprichwort: Für den Armen giebt es leine Gerechtigkeit. Mit barter Arbeit und Entbehrungen brachte fte es fertig, meine Mutter groß zu atehen. Diese machte die Belanntschaft eines Schufters. Sie liebten fich. Seine Familie wollte aber von einer Berbindung nichts wiffen, weil er ein fleines Geschäft, eine Werkstatt u. f. w. besaß, meine Mutter dagegen gar nichts hatte. Man verhei rathete ihn mit einer Berson, zu der er nicht die geringfte Neigung batte, deren Vermögensverhältnisse aber den feinigen entsprachen. Sechs Monate später hatte er fich von ihr ge trennt und lebte mit meiner Mutter. So wurde ich geboren. Ich erfuhr also schon in meiner frühesten Rindbeit, wat die fogenannte bürgerliche Ehe und Familie zu bedeuten habe. Wer war die wirkliche Frau meines Vaters: Die Mutter seines Rindes, das Welb, bas er liebte, oder die, welche man ihm aufgehalf batte und die von Gesezes wegen seinen Namen trug? Mit andern Rindern lonnte der fleine Salo nicht spielen, weil deren Eltern es nicht erlaubten und sie ihn wegen seiner unehelichen Geburt verspotteten. Er war immer allein und spielte am Seeftrande, wo er Muscheln und Steine fammelte. Seine Großmutter batte ihn schreiben und lesen gelehrt. gelehrt. Später will er ohne Anleitung zu bedeutenden zoologischen und geologischen Kenntnissen gelangt sein, durch Die eigene aufmerksame Beobachtung der Natur. Als er bann Lehrbücher dieser Wissenschaften in die hand belam, war er erftaunt, bas meifte von dem, was darin gelehrt wurde, schon u wiffen, bis auf die Kunstausbrüde, die ihm natürlich nicht betannt sein konnten. 1871 verliegen seine Eltern Belle Jele, wo es ihnen schlecht ging, und wanderten zu Fuß nach Nantes . Nantes . Unterwegs trafen fie zwei Rommune Flüchtlinge, deren düftere, entschloffene Haltung auf den Knaben einen tiefen Eindrud machte. Der fleine Gato interefftrte fie und fte schrieben für ihn eine Art furzen Ratechismus des Revolutionärs nieder. Ein edler Menschenfreund, der einzige dem er begegnet fein will, ermöglichte dem jungen Galo einjähriges Borbe reitungsstudium für das Lehrerseminar( école normale). Bei der Wettprüfung war er von 40 Prüflingen der zweite nach Der Drdnung des Verdienftes; dennoch erhielt er feinen Bulas, weil er ein uneheliches Kind war. Von da an warf er fich dem Anarchismus in die Arme. Er arbeitete später in einer chemischen Fabril, wo ihm Unrecht geschah, beging aus Roth Falschmünzerei, wurde gefaßt und verurtheilt und machte fich nach seiner Freilaffung durch das Börsenattentat bekannt."
miffion zu billig angenommen fel. Rollegen und Arbeiter Diese Anerkennung, daß unsere Forderung gerecht ist, giebt uns den Muth, auszubarren, bis wir den Sieg errungen baben. Aber an Euch liegt es, dazu beizutragen, daß diefer Sieg gelingt, benn unsere Draanisation ift eine seh: junge, und gehören zu derselben meift Verheirathete, wie aus die Streifenden größtentheils Familienväter find. Wir richten da ber die Bitte an alle Arbeiter, die fich mit uns solidarisch fühlen, uns in unserem Kampfe zu unterflügen und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß der Bujug zur genannten Fabrit so viel wie möglich fern gehalten wird. Briefe und Mit thellungen find zu richten an J. Gaspar, Schönholzerfir. 8. Mit kollegialischem Gruß die streifenden Präger der Firma Hain u. Mosler.
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Vermischtes.
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Ein Schreiben Ferdinand Laffalle's über Siegler, wahrscheinlich im Jahre 1863( es enthält weder Datum noch Drtsangabe) an einen Breslauer Bürger mit Rüdficht auf die damaligen Breslauer Wahlen gerichtet, wird in der Bresl. Morg. Big." verüffentlicht. Morg. Big." verüffentlicht. Dieses Schreiben, welches megen feiner scharfen Charakterzeichnung, wie wegen des Verfassers allgemeines Intereffe beanspruchen darf, lautet: Bieglers Wahl wäre ein großer Sieg der guten Sache und eine seinen Wählerkreis ehrende Anerkennung und Vergeltung eines Mars tyriums ohne Gleichen, daß er im Dienste des Volles auf fich genommen, bewußt, voraussehend, und dennoch nie wanlend. bier einige turge thatfächliche Angaben zu feiner Gjaratteristil: Schon 1830, als junger Rechtsanwalt beim Kabinet denunjirt, wurde er dennoch um seines ganz unvergleichlichen Organisa tionstalentes willen später Oberbürgermeister in Brandenburg einige dreißig Jahre alt und bethätigte dasselbe in dieser Stellung an Forften, Rittergütern, Krantenhäusern, Arbeitshäusern, Erziehungsanftalten, Schulen und den wohlthätighten Reformen in der Kommunalsteuer. Daß er tros diefer boben Stellung, näherer Bekanntschaft mit den Gliedern des Königlichen Hauses, zu denen er in derselben gelangte, und großer Auszeichnungen, mit denen er in Folge deffen vom Hofe behandelt wurde, fich dennoch nicht abhalten lieg, 1848 mit aller Energie für die Sache des Valles einzutreten, og ihm den ganz besonderen Haß des Hofes zu. Er ist der einzige, welcher wegen der Steuerverweigerung als Mitglied der N.-B. verurtheilt wurde( Bucher wurde es nämlich wegen Aufru's zu den Waffen). Auf die Festung gefest, des Amtes, der Drden für verluftig erklärt, auf ein Jahr aus seiner Vaterstadt vers bannt, durch diese Verfolgungen um sein Vermögen gebracht, bat er gleichwohl nie um eines Haares Breite nachgegeben, nie an die Uebernahme eines Amtes mehr gedacht, sondern feine große praktische Züchtigkeit von neuem bewährt, indem er, in allen Sätteln ge echt, durch eigene Kraft sich zu einer reich lichen Unabhängiglett emporgearbeitet hat und an 300 Menschen in seinen industriellen Unternehmungen beschäftigt.-Seine na itonal ölonomischen Schriften: 1. Wie ist dem Handwerkerstand zu helfen? 2. Die Fabriken Kreditgesellschaft; 3. Bur Reform des Abgabenwesens, zeigen die gründlichen Renntnisse, die er auch in diesem Fache befist und auch hier mit einem durchaus vrat verbindet. Seine publisistische Thätigkeit er schrieb 1. bie Hälfte der Leitartikel der Nat. Btg." im Jahre 1851; 2. bie befannten Artikel aus dem Abgeordnetenhause 1856 und wiederum sirla ein Biertel der Leitartikel; 3. in den Jahren 1852 oder 54 ein halbes Jahr lang Leisartikel für die„ Neue Doer 8tg." in Breslau ift von allen Seiten als eine der wohlthätigsten anerkannt, die in der demokratischen Breffe geübt morden ift. In Bezug auf die Gebiegenheit seiner juristischen Kenntniffe werden ihm einige, obgleich nicht viele, Mitglieder Des Abgeordnetenhauses etwa gleichfteben. In Bezug auf die Verbindung derselben mit den mannigfachsten Kenntniffen anderer Art nur äußerst wenige. In Bezug auf die Feftig leit seines Gbaratters teiner, mit Ausnahme seines intimen Freundes Waldeck vielleicht. Worin fich aber schlechthin Niemand mit ihm meffen tann, ist seine administrative Routine und Eifahrung. Darin gerade wäre er ein unvergleichlicher Gewinn für die Kammer. Ein ge Schulter Bureautrat, mit allen Erfahrungen der Bureautratie und mit dem Haß gegen dieselbe, mit dem seltensten Administrations und Organisationstalent und mit der ent schiedensten und aufrichtigsten Liebe zum Volte. Er wird in der Rammer die Fortschrittspartei unterstügen und zugleich fräftig fortentwideln. Hoch Breslau ! Dein Laffalle."
Soziales und Arbeiterbewegung. ifchen, nur auf die Wohlfart des Bolles gerichteten Sinn
Die seitens verschiedener Handelskammern heraus. gegebenen Berichte für das Jahr 1885 legen faft einmüthig Beugniß davon ab, daß wir im wirthschaftlichen Niedergange begriffen find. Ueberproduktion, vermehrte Ronkurrenz find vorhanden, so heißt es in einigen Berichten, das ist ein uner freuliches Bild; in anderen aber flagt man wieder über Mangel an Unternehmungsluft, über Ansammlung müsßiger Rapitalien, Sinten des Binsfuges. Fast man diese Gegensäge ins Auge, so fieht man die gänzliche Rathlofigkeit, welche in den Kreisen der berufenen Bertreter des Handels und der Gewerbe herrscht. Alle Handelslammern fonftatiren den Rüdgang, über die Urfachen aber find fie uneinig; der einen find die Bölle zu niedrig, der andern zu hoch, andere wollen fle ganz abschaffen. Aber Vorschläge zur Befferung fann Niemand machen. Die Krisis wird ihr naturgemäßes Ende erreichen, wie alle früheren Krisen." Man vergißt dabei aber, daß unsere wirthschaftlichen Verhältnisse in ein ganz anderes Stadium getreten find; daß bie Ueberproduktion eine stehende Einrichtung zu bleiben droht, daß somit die Preise der Waaren finten, bie Löhne zurüd geben und nur die nothwendigsten Lebensmittel fich auf einer bestimmten Höbe balten. Die Konsumtionsfähigkeit des Bolles schwindet und somit werden wir nicht mehr den Wechsel von fteben fetten und fieben mageren Jahren haben, sondern die Arisen bleiben in Bermanenz.
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Wie sehr die Forderungen bei Submiffionen auseinandergehen, illuftritt auf's Neue die folgende der Hamburger Bürgerstg." vorliegende Meldung aus Schleswig . Un längst wurde die Einrichtung einer Dampfentwäfferung in der Eiberniederung für die Echlichtinger Gemartung und einen Theil der Neuenfteler Schleuse Einigung beschlossen. Die in Folge davon in legter eingegangenen Submissions Offerten, be treffend die Herstellung des erforderlichen Entwäfferungs maschine, wurden vor einigen Lagen geöffnet. Die Anzahl derselben belief fich auf 6. 1) Die Firma Brodwig u. Seidel in Berlin hatte 2 Entwürfe ju refp. 123 000. und 81 000 DR. eingeliefert, 2) Nagel u. Raemp Hamburg 4 Entwürfe zu 82 000, 80 500, 67 200 und 65 200., 3) die Gebrüder Howaldt in Kiel hatten eine Forderung gestellt von 68 600 M., 4) die füchsische Maschinenfabrit in Chemnis von 67 460 R., 5) die Maschinenfabril Cyklop in Berlin von 55 000. und 6) die Altiengesellschaft Carlshütte pr. Rendsburg von 48 800 M. Die Entscheidung erfolgte zu Gunsten der Fabrit Cyklop in Berlin , welche die Herstellung der Maschinerie für 55 000 M. au beschaffen bat. Drängt sich da nun nicht unwillkürlich die Frage auf: Wollte die unter ad 1 genannte Fabrit so toloffal viel mehr verdienen, wie alle übrigen! Oder beabsichtigte die unter 6 genannte Attiengesellschaft der Auftraggeberin so und so viele Tausende von Mart zu fchenien?
Das Buchdruckergewerbe und die Unfallversicherung. Nach den Aufstellungen für die Unfallversicherung umfaßt laut dem in Hamburg erstatteten Berichte das deutsche Buchouder gewerbe 3041 Betriebe mit 47 743 versicherungspflichtigen Per fonen. Seit dem 1. Dttober 1885 find 256 Betriebsuntälle vorgekommen, welche eine Ausgabe von 2985 m. veranlaßten. Von den Betrieben ist ein Beitrag von 1 M. pro versicherungsDie Lohnmach pflichtige Person ausgeschrieben worden. weifungen ergeben, da im 4 Quartal 1885 die Löhne und Gebälter für obige 47 743 Personen betragen haben: a) tal tulatorisch richtiggestellte Lohnnachweisungen 10 242 919 R., b) von den Sektionsvorständen festgestellte Lobnnachweisungen 10 762 667,57. Der Etat für die Unfallversicherung wurde festgestellt pro 1886 auf 27 000., pro 1887 auf 33 480 M.
Deutschlands Einfuhr von Pferden beträgt 75 000 Stüd zu mehr als 60 Millionen Matt. Dieselben tommen aus Osteuropa , Frankreich , England, selbst aus dem fleinen Belgien noc 13-14000 Stüd. Dagegen beträgt die Musfuhr nur 20 000 Sild zu 24 Millionen Mart. Der Zuwachs der Einfuh: war f. 8. ein rapider. Im Jabre 1872 betrug er noch 60 000 Stud, 1874 schon 74 600 Stad. Es giebt au benten, daß Deutschland tros des Nothstandes der Landwirth schaft an der Spige der Pferde einfübrenden Länder steht.
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Biegler gehörte nebft Jobann Jacoby und Waldeck zu den hervorragenden und intereffantesten Persönlichkeiten der preußischen fonftituirenden Versammlung und des preußischen Landtages. Tros der großen Verschiedenheit ihrer scharf aus geprägten, in fich abgeschloffenen Individualitäten haben Walded und Biegler auch gesellig immer in den freundfaaft lichsten Beziehungen zu einander gestanden, während Jacoby fich nach 1866 allmälig zurüdzog und fich der Sozialdemo tratie anschloß.
Kleine Mittheilungen.
Duisburg , 25. Junt. Vor einigen Tagen langte aus Oberhausen im biefigen St. Vinzenz Hospital ein geheimniß voller Patient an. Derselbe heißt Savin und war früher ruffischer Difizier. Er gehörte aur nihilistischen Bartei und mußte wegen verschiedener Attentate ins Ausland flüchten. Savin hielt fich zulept in Paris auf, wurde jedoch von der franzöfifchen Regierung an Rußland ausgeliefert und befand fich auf dem Transport nach Rußland , als er in Dberbausen ertrantte. Man brachte ihn zunächst im Krantenbaufe zu Obers hausen unter, schaffte ihn dann aber auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft in das biefige Vinzenz- Hospital. Der Mann wird, sobald es sein Buftand erlaubt, welter nach dem Ruffen reich befördert, wo seiner vermuthlich fein angenehmes Loos harrt. Bromberg , 27. Juni. Jm Monat März cr. wurden hier zwei rustice, jüdische Personen wegen Bettelns von dem biefigen Amtsgericht mit je 1 Tag Gefängniß bestraft. Die Strafe haben fte verbüßt, beide Bersonen befinden sich aber, wie die ,, Danziger 8'g." schreibt, fett jener Bett noch immer in Haft, weil die Polizei dieselben bebufs threr Auslieferung nach Rußland festhält, die rufftsche Behörde fte aber nicht an nehmen will. Topdem angesehene hiesige Bürger fich für die Entlaffung der Gefangenen bei der betreffenden Behörde ver wandt haben, so bat fich in deren Echidial noch nichts ges ändert. Beide Leute figen nun seit dem 3. bezw. 20. März cr. in dem hiesigen Bolizeigefängniße und der Bellpunkt ihrer Ent laffung ist unter diesen Umständen gar nicht abzusehen.
Frankfurt a. M., 25. Juni. Vorgestern Abend gegen 7 Uhr gerieth auf dem Rangirdahnhofe der Main Neckarbahn ein Rangirer zwischen die Koblenzampe und einen Rangtrug und erlitt einige nicht unbedeutende Verlegungen am Ropf ( ein Dhr wurde ihm faft ( ein Dhr wurde ihm faft ganz abgeriffen) und starle Quetschungen der Bruft.
Marseille , 28. Juni. In der Stiergefechts- Arena zu Nimes follte vergangene Nacht eine große Borstellung flatt finden. Da die elektrische Beleuchtung nicht funttionirie, blieb der Buschauerraum ftodfinfter. Eine dreißigtausendtöpfge Vollsmenge proteftirte und ergab fich wüßten Unordnungen. Während Tausende von Personen unter wildem Geschret aus Den Thüren stürzten, zahlreiche Verwundete hinterlassend, drang eine andere tobende Bolli menge ins Innere der Arena, warf Eiffel, Bänke, Geräthschaften hinein und sündete dieselbe an. Es entstand ein toloffaler Feuerherd, die herbeigelommene Feuerwehr wurde mit Steinwürfen empfangen, zwet Pompiers find verwundet worden.
Die ftreifenden Luruspapierpräger bei hain u. Mosler batten am Sonnabend wieder eine Unterrebung mit dem be treffenden Brinzipal, um den Streit in Güte beizulegen, wur Den aber mit ihren gerechten Forderungen, wenn auch einige Kleinigkeiten augestanden wurden, abgewiesen. Bemerkens werth bierbei ist, daß der Fabrikant die Erklärung abgab, mit den Forderungen der Arbeiter voll und ganz einverstanden zu sein, daß er aber dieselben nicht bewilligen tönne, da die Kom Verantwortlicher Redakteur R. Gronheim in Berlin . Druck und Verlag von Max Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2.
Hierzu eine Beilage.