die bisherige Mitgliedsnummer, die An- und Abmel bungen, endlich die Unterschrift des Arbeitgebers mit Angabe seines Gewerbebetriebes und seiner Betriebsstätte. Die An- und Abmeldungen, welche auch in Liftenform aulasfig find, müssen in zwei Exemplaren eingereicht werden, von denen eines der Arbeitgeber abgestempelt als Ausweis zurüd erhält.

Formulare für An- und Abmeldungen find in den meisten Buchdruckereien und Bapierhandlungen vorräthig,

Arbeitgeber, welche ihrer Anmeldepflicht nicht genügen, find verpflichtet, die Beiträge seit dem Eintritt des nicht n gemeldeten in ihre Beschäftigung nachzujablen, sowie alle Auf wendungen zu erstatten, welche eine Drts Reantentaffe auf Grund geseßlicher oder ftatutarischer Vorschrift zur Unter fügung einer vor der Anmeldung ertrantten Berfon gemacht hat, und werden außerdem für jede einzelne Buwiderhandlung mit Geldstrafe bis zu 20 Mart bestraft.

Ein großer Theil unserer Herren Rechtsanwälte findet es immer noch für paffend, wenn fie, zum Gericht gehend oder von dort fommend, die Projekatten fret unter dem Arm tragen, an welchen die mit dem Namen der streitigen Parteien verfebenen Fahnen offen für Jedermann's Auge ber abhängen. Das ist eine Unfitte, die nun endlich beseitigt mer Den sollte.

Faft täglich ereignen sich jest Dort, wo provisorische Pferdeeisenbahnschienen wegen Umarbeiten auf das Straßen­pflafter gelegt werden, dadurch mehr oder minder erhebliche Unfälle, daß Passanten über die hervorstehenden Eisenbahn­schienen stürzen. Es ist dies ein alter Mißstand, der immer noch feine Beseitigung gefunden hat, obgleich er wiederholt in der Preffe erwähnt worden ist. Eine einfache Umstellung dieser ftets kurzen Pferdebahnschienen mit einer niedrigen Barriere würde jeden Unfall der Passanten unmöglich machen.

Dem Vermiethen gesundheitsschädlicher Räume ist die Polizeibehörde bisher in der Weise entgegengetreten, daß fte in den Fällen, wo ein Kontratt vom Gesicht wegen der gesundheitsschädlichen Beschaffenheit der vermietbeten Woh nung aufgehoben wurde und dies zur Kenntniß der Polizei ge langte, die Weitervermiethung der gesundheitsschädlichen Räume untersagte. Ein in dieser Weise betroffener Hausbefizer in der Mariannenstraße vermiethete nun einige Kellerräume, welche wegen zu großer Näffe der Wände als zu Wohnungsam den ungeeignet erachtet waren, an den Inhaber einer Plattanstalt. Aus diesem Grunde fanden zwischen ihm und der Bolizei weit läufige Erö.terungen statt, ob diese Vermiethung gestattet wer Den lönne. Der Haußeigenthümer wies darauf hin, daß durch die in der Blätterei beständig erhaltene Kohlenfeuerung eine hochgradige trockene Wärme in den sämmtlichen Räumen erzeugt werde, wodurch die Wände austrodnen und so ibre gesundheits­schädliche Beschaffenheit verlieren. Für die in der Plätteret beschäf tigten feien also die feuchten Wände ein Vortheil, indem fte einen großen Theil der auf den menschlichen Organismus schädlich whten den trodenen Hige absorbiren. Die Polizei bat zwar ers tätt, fich mit diesen Ausführungen nicht so ohne Weiteres ein. verftanden erklären zu können, indeffen die Benugung ber be treffenden Räumlichkeiten als Blätteret gestattet, jedoch mit der Maßgabe, daß die Räume nicht zu Wohnzweden benust mer. Den dürfen. In dem speziellen hier vorliegenden Falle dürfte gegen die getroffene Anordnung nichts zu erinnern sein. Be dentlich aber würde es sein, wenn etwa generell ein Unterschied in der Art gemacht werden sollte, daß zum Wohren ungeeig nete Räume doch als Arbeits- und Werkstätten sollten ver miethet werden dürfen. Der vorliegende Fall läßt eine folche Absicht der Polizei nicht erkennen und es ist deshalb zu hoffen, Daß die Gestattung der Benugung gesundheitsschädlicher Woh nungsräume zu Arbeitszwecken von der Behörde nicht zuges laffen wird.

Stadtpoftbriefe. Während der Generalpoftmeister an dem Feft zur Eröffnung der schnelleren Verbindung zwischen Berlin und Kopenhagen theilnabm, etlitt er in Berlin felbft eine Niederlage. Die beiden Gesellschaften, die ,, Berliner Packetfahrt Gesellschaft" und die Dansa", begannen mit der Beförderung von Stadtpostbriefen und Drucksachen, für welche fte das Porto bedeutend ermäßigt haben. Briefe werden für 3 Pf., Drucksachen für 2 Pf. befördert, bei größeren Boften fann über Ermäßigung besonders verhandelt werden. Beide Unternehmungen haben seitdem ganz nennenswerthe Geschäfte gemacht. Man sieht ihre Boten in einer Ileidsamen, leichten, Der Jahreszeit angepaßten Uniform mit schwer gefürten Taschen einbereilen. Das Bublifum bat fich die Verbilligung schnell au Ruze gemacht. Swar schließt die nur zweimalige Bestellung pro Tag aus, daß man Briefe, die eine schnelle Erledigung erheischen, auf dem neuen Wege expe birt, fie werden nach wie vor der Reichspot anvertraut werden müffen, die ja auch selbstverständlich in dem ganzen Apparat ihrer Crganisation eine größere Gewähr für Buver läffigkeit bietet; allein die Differenz von sieben Pfennig per Brief ist doch eine so erhebliche, daß sie bei unwesentlichen Sendungen ein ftarles Gegengewicht gegen das Rinto über nimmt, daß in der unzweifelhaft noch mangelhaften Organisas fion der neuen Gesellschaften liegt. Fragt man fich, wie c tommt, daß das Konkurrenzunternehmen so schnell Antlang gefunden, so spricht dabei unawetfelhaft eine gewiffe Oppoft tionsstimmung mit, in welche das forrespondirende Bublifum Durch den neuen Telegraphentarif verfest worden ist. Tros aller offistösen Ausführungen fommt das Publikum nicht darum berum, daß in Wahrheit die Berechnung von 6 Pfennige pro Wort, unbeschadet der Aufhebung der Grundtage, eine Ber mehrung der Einnahmen der Boft bedeutet, auch wenn die Babl der Telegramme nicht wächst. Dieser Unmuth fand eben jezt Gelegenheit, fich aroar auf anderem Gebiete zu bethätigen, und es wird berichtet, daß Generalpoftmeister Stephan un wirsch sein soll über den unerwarteten Ausfall an Stadt­poft Ronturrens, der ihm der ihm erwachsen. Kühn gemacht burch ihre bisherigen Erfolge, will die Badetfahrt Gesellschaft nun auch die Beförderung von Badeten nach außerhalb, und zwar zunächst nach bestimmt namhaft zu machenden großen Städten, übernehmen. Gefeßlich steht der Beförderung von zwei Städten durch Privatunternehmer nichts im Wege, während die Briefbeförderung nach außerhalb ge feglich verboten ist. Thatsächlich besteht auch schon seit langen Jahren eine solche Privat Badetpoft nach Potsdam , die treff Itch funktionirt. Es wird dem Generalpoftmeister nichts übrig bleiben, als dem gegebenen Beispiel au folgen. Man hat sich awar früher den Anschein gegeben, als ob das Abstoßen der Toloffalen Waffen von Drucksachen von der Beförderung durch die Boft derselben angenehm sei, insofern es fie von wenig Jutrativer Arbeit entlaste. Aber das ist gewiß nur Rofetterie. Schließlich wird die Boft als Geschäftsunternehmer rach den felben Brinzipien geführt werden, wie alle anderen Geschäfte: fie will gern festhalten, was sie hat und wird der Konkurrenz begegnen müffen. Wahrscheinlich ist die Zeit nicht fern, wo amtlich eine Herabseßung des Stadtpoftportos erfolgt.

Zum Kapitel der sog. Abzahlungsgeschäfte. Kürzlich fam vor dem hifigen föniglichen Amtsgericht ein diet bema betreffender Bittiprojeß zur Verhandlung, welcher wegen Ver nehmung des gerichtlichen Sachverständigen der Konfettions branche auf gestern vertagt worden war. Ein Fräulein M. verlangte im vorigen Jahre in dem Abzahlungsgeschäft von Louis Neimann, Alexanderstraße 44, einen seidenen Umhänge mantel. Da N. einen solchen, von der Dame gewünschten guten Mantel nicht vorräthig hatte, ließ er denselben aus einem bie figen Konfektionsgeschäft holen und übersandte ihn der Käuferin, nachdem er deren Ronto mit 154 M. belastet hatte. Nach Bah lung von 100 M. weigerte das Fräulein fich, den geforderten Reff von 54 M. zu zahlen, da der Mantel höchftens den Werth Don 100 M. befize. Neimann strengte hierauf gegen Fräulein M. Die Klage an. In dem vorigen Termin wurde durch den Ge

schäftsführer des N. bekannt, daß der Mantel von der bekannten Konfettione firma Warschauer hter für den Preis von 80 M. ent nommen worden set, so daß also Neimann an diesen einen Gegenstand einen Verdienstanspruch von 74 M., fage vier und fiebenzig Mart, machte. Der Gerichtshof hatte bereits die b ficht, die Klage aurüdjumeisen, als der Rechtsbeistand und Schwager des Klägers, Rechtsanwalt Rosenbaum, die Ladung des gerichtlichen Sachverständigen beantragte. Derfelbe war auch in dem geftrigen Termine erschienen und gab seine Aus fage cabin ab, daß der Mantel höchftens 100 M. Werth babe. Trop ver Ertlärung des p. Neimann, daß bei dem Riftto, welches er trage, der Verdienst von 74 M. doch fein so großer wäre,(!)" wies der Gerichtshof die Klage zurüd und legte dem N. noch obenein die gesammten Koften des Rechtsstreites auf, die mit Rücksicht auf die wiederholten Termine, die beiden Rechtsanwälte, Beugen und den Sachverständigen nicht ge ring find.

Die bekannten Ministerialerlaffe haben den unbe Streitbaren Erfolg errungen, daß auf dem Gebiete der öffent Itchen Arbeiterbewegung in Gestalt von Versammlungen eine gewissermaßen unheimliche Ruhe herrscht. Des wiederholten vergeblichen Nachsuchens der polizeilichen Genehmigung zur Abbaltung von Versammlungen müde, haben viele Vereine ac. es vorgezogen, fleine Bersammlungen mehr einzuberufen. Diese Verminderung der angemeldeten Berfammlungen hat naturge mäß auch eine Verminderung der Bahl der polizeilichen Ver bote zur Folge gehabt und betrug diese im Monat Juni 22 gegen 47 im Monat Mai, soweit die Verbote öffentlich belannt geworden find, und zwar wurden verboten 5 Arbeiter Bezirks. vereins Versammlungen, 16 gewerkschaftliche Versammlungen ( Darunter eine für Friedrichsberg) und 1 Versammlung des Berliner Arbeitervereins. Polizeilich aufgelöst wurden 3 ge werkschaftliche Versammlungen, sowie eine Versammlung des Vereins für Rechtsschuß und Justizreform und eine Versamm lung des Demokratischen Vereins. Polizeilich gebloffen wurden im Monat Junt: der Verein zur Wahrung der In tereffen der Tapezirer Berlins , die Preskommission der Tapes airer Bei ung, die Bentral Retje. Unterstügungstaffe für wan dernde Töpfer Deutschlands , die damit verbundene Kontrol. tommiffion und der Fachverein der Töpfer Berlins und Umgegend. Ferner find im Monat Juni 8 Ausweisungen auf Grund des Sozialistengefeßes zu verzeichnen und awar wurden aus rewiesen die Maurer Behrend und Wille, der Buchbinder Michelsen, der Töpfer Przytulsti, der Regierungs baumeister Reßler, die Restaurateure Wesenac und Jacoby, fowie der Reichstagsabgeordnete Paul Singer; zu erwähnen ist ferner noch das Verbot der auch hier veririebenen, von Frau Buillaume Schack herausgegebenen Frauenzettung Die Guillaume Schad herausgegebenen Frauenzeitung Die Staatsbürgerin".

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Die Agitation auf Einführung des Krankenver ficherungszwanges für Handlungsgehilfen und Lehrlinge bat, trügen nicht die Anzeichen, Aussicht auf Erfolg. Den städtischen Behörden waren diesbezügliche Wünsche unterbreitet worden. Die Gewerbedeputation des Berliner Magistrats( ges. Eberty) bat nunmehr in einem Schreiben vom 21. Juni d. J. an Herrn Guttmann, dem Vorsitzenden der Freien Organisation junger Raufleute" folgende Antwort gegeben: Go. Wohlges boren erwidern wir auf die gefälligen Schreiben vom 30. Mai und 1. Juni cr. ergebenst, daß wir die Frage, ob, beziehungs weise wieweit der Krankenversicherungszwang auf die Handlungs­gehilfen und Lehrlinge durch Disftatut ausgedehnt werden foll, eingebend, namentlich an der Hand der Statiftit erwägen und seiner Zeit unsere Entschließungen mittheilen werden." Die mit der Freien Drganisation junger Raufleute" in Bers bindung stehende, Nationale faufmännische Kranten und Sterbe faffe zu Berlin "( eingeschriebene Hilfstaffe Nr. 71) hatte ein Defizit. Daffelbe ist jest jedoch durch eine veranstaltete Sub⚫ stription vollkommen gedeckt worden.

Der allezeit schlagfertige Wit der Berliner wird ge gewöhnlich aus unseren großstädtischen Verhältniffen erklärt und aus dem Einfluffe, welche diese auf die Geistesbildung unferer Mitbürger ausüben, sowie aus den weitgehenden An fprüchen, welche unsere fortgeschrittenen und weitentwickelten Verkehrsverhältnisse an die Intelligenz jedes Einzelnen erheben. Alles, was an Wit und Schera in Berlin geleistet wird, fann von dem angedeuteten Gefichtspunkte aus betrachtet werden. Was nun ein Hätchen werden will, trümmt sich bei Seiten, und so lommt es, daß man manchmal von unseren Berliner Kindern Antworten bekommt und Jdeen aussprechen hört, die auf eine großartige Entwickelung des Berliner Wipes in ber fünftigen Generation schließen laffen.- Ein bieftger Fabrik Ein hiesiger Fabrit arbeiter hatte in der letzten Lotterieziehung ein Sümmchen von einigen hundert Thalern gewonnen. Die Aufbefferung in den ärmlichen Verhältnissen ist dem 9jährigen Sohne bedeutend zu Ropfe gestiegen, und als neulich der Alte vergnügt ein Liedchen laut ver fich binfingt, stellt sich der hoffnungsvolle Sproß mit ernstem Geficht vor ihn hin und spricht die bedeutungsvollen Worte: Aber Vater, Du fingft ja gerade, als wenn wir noch arm wären!

Unter der Ueberschrift Das Berliner Kind und sein Spiel" enthält die Bäb. Btg." in thren legten Nummern einen längeren Auffag, der eine Vermehrung der öffentlichen Spielpläge und die Pflege gemeinsamen Spielens innerhalb und außerhalb der Schulzeit fordert. Das Spielen auf den Höfen werde von den Wirthen häufig verboten, so daß den Rindern in vielen Fällen nur der mit förperlichen und fitt lichen Gefahren verbundene Aufenthalt auf den Straßen übrig bletbe. Swar habe die städtische Verwaltung vier große Spiel pläge für Knaben unter Aufsicht von Lehrern eröffnet und auch einige Schulhöfe zu Spielplägen bergegeben, doch feten diese mit Freuden zu begrüßenden Einrichtungen teineswegs ausreichend. Sie tönnten nur von einer verschwindenden Minderheit in wenigen wöchentlichen Stunden aufgesucht wer Den, außerdem lägen die vier freien Spielstätten viel zu unbe quem. Von den 80 000 Knaben Berlins fänden fich deswegen in den vier angeordneten Spielstunden der Woche noch nicht 800 ein. Alle Schulhöfe sollten in der schulfreien Beit des Tages Spielpläge sein. Rönnte an den Nachmittagen auf allen Schulhöfen ein heiteres, frohes, Rörper und Geist ganz be schäftigendes Spiel von hunderten lebensluftiger Gestalten in Bang gebracht werden, so würden, wie der Artikel etwas opti mistisch meint, unsere Schulen auf der Höhe der altgriechischen Bildungsanstalten und der englischen höheren Schulen stehen, nur mit dem großen Unterschiede, daß wir den Kindern des ganzen Volles böten, was im alten Griechenland nur wenige Auserwählte genoffen und was auch im modernen England nur den Sprößlingen der oberen Klaffen vergönnt sei.

Ein sonderbares Schreiben erhielt türglich ein Berliner Künstler von der Hand einer Dame". Daffelbe lautet: Neulich sah ich Sie in der Ausstellung und wünschte Sie fennen zu lernen. Sie waren stolz und unnabbar wie ein König. Nun hab ich Ihre Adresse erforscht und möchte, zunächst brief ch, Jonen näher treten. Ich bin reich, unabhängig und,

wie man mir fagt, auch intereſſant...... Auf dieses Schreiben ging folgende Antwort ein: Bebauere sehr, auf bas Anerbieten nicht eingehen zu lönnen. Ich bin weder reich, noch unabhängig und, wie man mir sagt, nicht intereffant. 8misden uns fann also teine Harmonie bestehen. Nebenbei bab ich meine Beit für beffere Dinge als für nichtsnußige Briefe."

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Mit einer feltenen Hartnäckigkeit hat gestern Nach. mittag die Frau eines im Hause Adalbertstraße 55 wohnenden Arbeiters P. einen Selbstmordversuch gemacht. Die Frau ift in der Mitte der 40er Jahre und hat zwet erwachsene Rinder, welche, wie der Vater, den Tag über vom Hause abwesend find. Als gegen Abend der Sohn nach der elterlichen Woh nung fam, fand er die Thür verschloffen und auf sein Klopfen leinen Einlag. Nachdem man die Thür geöffnet hatte, wurde

Die Frau, aus zahlreichen Wunden an den beiden Unterarmen und am Halse blutend, in der Stube liegend aufgefunden. Wie fich ergab, hatte die Frau mit einem wenig scharfen Brodmesser sich die Bulsadern zu durchschneiden versucht, brachte fich aber nur wenig tiefe Wunden, sowie weiter nach dem Gelent zu einige tiefe Schnitte ins Armfleisch bei. Ebenso fand man am Halse zahllose statte und schwächere Schnitte vor, als ob Jemand mit dem Meffer längere Zeit auf dem Halse herumgefiedelt" hätte. Der ins zwischen hinzugekommene Ehemann wurde von den herbeiges rufenen Schußleuten nach einem Arzt gefchid, doch warteten diese längere Beit vergeblich auf die Rückkehr des Mannes bezw. des Arzies, bis man nach ersterem recherchirte und ihn schließlich in einer Destillation an der Ede der Adalbert und Melchiorstraße antraf, wo er mahrscheinlich zur Stärkung seiner erschütterten Nerven einen Schnaps nach dem anderen ges trunten hatte. Der Frau wurde schließlich nach Berlauf längerer Beit die erforderliche Hilfe, welcher fie durch den erlittenen Bluts verluft aus die Schnittwunden bedurfte, aus der Sanitätss mache in der Adalbertstraße zu Theil. Als das Motiv der That wird uns Eifersucht angegeben, von welcher die Frau trog ihres verhältnismäßig bohen Alters befallen ist. Es dürfte gelingen, die Frau am Leben zu erhalten.

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Polizei Bericht. Am 28. v. M. Abends fiel eine Arbeiters frau Koppenstr. 63 in Folge Fehltretens auf der unbeleuchteten Treppe zu Boden und erlitt anscheinend nicht unbedeutende innere Berlegungen. Am 29. p. M. Nachmittags stürzte ein 4 Jahre alter Knabe aus einem Fenster der Müllerstraße 120 im dritten Stod belegenen Wohnung des Malers Runger, in welcher er fich zum Besuch befand, auf den gepflasterten Hof herab und erlitt außer einem Beinbruch so schwere innere Ver legungen, daß er nach dem Kaiserin Augusta Hospital gebracht merden mußte. Bu derselben Belt wurde eine Dame beim Ueberschreiten des Fahrdammes der Friedrichsstraße, an der Ede der Mittelstraße, von einem im Trabe um die Ede biegenden Braueretwagen der Firma Richter u. Ko., Rosens thalerstraße 51, überfahren und am Kopf verlegt. In der Nacht zum 30. v. M. sprang eine Kellnerin vor dem Hause Burgstr. 25 in die Spree, wurde aber von einem Wächter wieder herausgezogen und nach ihrer Wohnung gebracht.

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Gerichts- Zeitung.

bo: fus

Ein besonders für ärztliche Kretje interessanter Prozeß beschäftigte am Dienstag die zweite Straftammer biefigen Landgerichts I und verwandelte den Gerichtshof viele Stunden hindurch in einen wissenschaftlichen Areopag, vor welchem sich ein füngerer hiesiger Arzt, Dr. Jamar Boas, wegen fahrlässiger Tödtung zu verantworten hatte. Der Angeklagte war eines Tages zu der Frau eines hiesigen Bäckermeisters ge­rufen worden, welche an den Folgen eines erlittenen fräntelte. Er tieth zu einer Operation, erklärte dieselbe der das gegen remonstrirenden Hebeamme gegenüber für entschieden. nothwendig und nahm dieselbe auch fübnen Muthes vor, nachs bem er der in ihr Schicksal ergebenen Frau wiederholt erklärt hatte, daß irgend welche Gefahr nicht vorwalte und es der Hin auziehung eines zweiten Arates nicht bedürfe. Als einzige Affiftens bei der Operation, au deren Einleitung die Patientin nur mühsam natfotifirt werden fonnte, aog der Arast die hebeamme hinzu und ging, vertrauend auf seine Kunst, mit den Operas tionsinstrumenten ziemlich energisch vor. Das Bewußtsein, melches der Patientin nach der Vollendung des schmerzhaften Attes allmälig zurüdlebrte, sollte ihr nicht lange bleiben; furze Beit nach der Operation war fte eine Leiche. Auf Grund der Bemerkungen der Hebeamme und der eigenthümlichen Fassung bis Todtenscheins erstattete der Ehemann Anzeige und es wurde die Dbduktion der Leiche vorgenommen, welche ergab, daß ein inneres Drgan durch das operative Eingreifen an mehreren Stellen verlegt und dann in weiterer Folge durch die Einführung einer Eisenchlorid. Lösung der Tod verursacht worden rat. Das Dbduktionsgutachten vermochte ein direttes Verschulden oder eine Pflichtvernachlässigung des Arztes nicht nachzuweisen, weit ungünstiger lautete das Gutachten des Medizinal- Kollegium3 und der Wissenschafte Itchen Deputation für das Medizinalwesen, welche fich eins gehend mit diesem Fall zu beschäftigen hatten. Beide Behörden fügten es, daß der Angeklagte au gewaltsam, ohne die ges nagende Vorsicht und ohne die erforderliche Geschicklichkeit bie Instrumente bei der Operation gehandhabt, daß er überhaupt ohne Buziehung eines ameiten Arztes zu einer solchen Operation fich verstanden habe, und fte machten auch gegen die unzureichente Chloroformirung Bedenten geltend, die aber spätet fallen gelaffen wurden. Die Folge dieser Gutachten war die Erhebung der Antlage wegen fahrläfftger Tödtung, gegen welche fich der An geflagte nicht ohne Geschid vertheidigte, indem er besonders betonte, daß er die ihm inne wohnende größte Geschicklichkeit angewendet und keinerlei Vorschriften der ärztlichen Kunst außer Augen gelaffen habe, daß gegen unglückliche Zufälle und unvorhers gefehene Konfigurationen aber selbst die ältesten und bes rühmtesten Aerzte nicht gefeit seien. Diese Anschauung drang auch burch manche der eingeholten Gutachten hindurch. Bu der Hauptverhandlung war sowohl rom Staatsanwalt Wagner, wie auch vom Vertheidiger Dr. Sello ein großes Kontingent von Sachverständigen aufgeboten worden, darunter die Geheimräthe Profeffor Liman, Profeffor Dr. Gufferow, Prof. Dr. Ewald, Dr. med. Ruge, Dr. Salinger, Dr. Löhlein, Dr. Straßmann und andere. Sie alle gaben sehr eins gehende Gutachten ab und die Gerichtsverhandlung ges mann dadurch den Charakter einer wissenschaftlichen Vorlesung, bei der es auch an den erforderlichen Demonftrationen nicht fehlte. Der Vorfißende des Ges richtshofes, Landgerichtsdirektor Lüty, gab sich die erdenklichste Mühe, die Situation nach aden Richtungen hin zu flären. Während Staatsanwalt Wagner den Angeklagten auf Grund der Beweisaufnahme einer Fahrlässigkeit für schuldig erachtete und eine Gefängnisstrafe von apel Monaten beantragte, plaidirte die Vertheidigung für dessen Freisprechung. Der Gerichtshof erblickte aber mit dem Staatsanwalt die Fah: läffigkeit darin, daß der Angeklagte eine Dperation vornahm und allein ausführte, zu der es ihm an der nöthigen Erfahrung und Geschicklichkeit gebrach, und erkannte nach dem Antrage des Staatsanwalts.

+ Ein Prozeß, der durch drei Instanzen hindurchge trieben worden ist, endete in der vierten Instanz mit der Bes hätigung des ersten Urtheils. Es handelte fich um den Diebs ftabl resp. um die Fundunterschlagung einer Granatbrosche; Die That war einer Frau Schneider aus Straußberg sur Laft gelegt worden. Das Schöffengericht hatte sie zu einer Woche Gefängniß verurtheilt, und die gegen das Urtheil eingelegte Revision war von dem Landgericht II verworfen worden. Das Reichsgericht, an welches nunmehr die Sache gelangte, hatte sie an das biefige Landgericht I aurückgewiesen, deffen fünfte Straflammer gestern darüber verhandelte. Der Thatbestand ist folgender. Bu einem Jumelter in Strausberg fam f. 8. ein zwölfjähriger Knabe und bot eine echte Granatbrosche für met Broschen" zum Kauf an. Natürlich wurde der Goldarbeiter ftupig, behielt den Schmuck zurück und meinte zu dem Knaben, er solle seine Mutter schicken. Die erschien nicht, wohl aber ein noch fleinerer Knabe, der die Brosche oder die awet Groschen haben wollte. Dem Jest tam Juwelter die Sache noch verdächtiger vor und er trug die Brosche zur Polizei. Die Recherchen ergaben, daß ein Fräulein Dübring im März 1884 bei einer Landpartie nach den Mas rienbergen bet Straußberg dort beim Spielen eine Granate brosche verloren hat, die mit der zum Verkauf angebotenen die größte Aehnlichkeit besaß. Daraufhin war die Anllage gegen Frau Schneider erhoben und ft, wie erwähnt, verurtheilt wor den. In der geftrigen Verhandlung machte fte geltend, daß